KAPITEL 23

Sean King erwachte früh auf dem fünfzehn Meter langen Hausboot, das an seinem Pier lag. Das gemietete Boot war sein Heim, zumindest so lange, bis er sich ein neues Haus gebaut hatte, nachdem sein altes in einem tiefen Krater verschwunden war. Er streifte einen Neopren-Anzug über, holte tief Luft und tauchte kopfüber ins Wasser. Mit kräftigen Zügen schwamm er ein paar Runden und kehrte zum Hausboot zurück, wo er in seinen Loon-Kajak stieg und drei Kilometer paddelte. Offenbar färbten die sportlichen Angewohnheiten seiner Partnerin auf ihn ab, wie er sich widerwillig eingestehen musste.

Als er bei diesem Gedanken aufblickte, sah er sie auf dem Wasser. Er war nicht überrascht, nicht einmal zu dieser frühen Morgenstunde. Er fragte sich manchmal, ob sie überhaupt schlief. War sie in Wahrheit eine Vampirin, die zufällig kein Problem mit Sonnenlicht hatte?

Michelle saß in ihrem Skullboot und ruderte mit einer Geschicklichkeit und Kraft, von der King nur träumen konnte. Sie bewegte sich so schnell, dass es schien, ihr Boot würde von einem Motor angetrieben.

»Zeit für einen Kaffee, oder willst du heute früh bis zum Atlantik schippern?«

Auf dem ruhigen Wasser wurden seine Worte mühelos bis zu ihr getragen.

Sie lächelte, winkte ihm zu und kehrte zurück. Beide erreichten den Pier und machten ihre Boote fest.

Auf dem Hausboot kochte King Kaffee, während Michelle einen Müsliriegel aus ihrer Bauchtasche zog und verzehrte. Sie blickte sich in der aufgeräumten Wohnkabine um.

»Weißt du, dass dieses Boot fast größer ist als mein Häuschen?«, stellte sie zwischen zwei Bissen fest.

»Und viel ordentlicher«, sagte er und schenkte Fruchtsaft und Kaffee ein.

Seit ihrem Gespräch mit Lulu und Junior waren zwei Tage vergangen. Sie hatten Harry Carrick Bericht erstattet. Der Anwalt schien mit ihren Fortschritten zufrieden zu sein, hatte ihnen aber zugleich mitgeteilt, dass das Geschworenengericht gegen seinen Mandanten Anklage erhoben hatte, was allerdings keine Überraschung war. King und Michelle hatten den Mann ausfindig gemacht, der die Geheimfächer der Battles eingerichtet hatte. Er war bereits im Ruhestand, und es gab keinen ersichtlichen Grund, warum er in das Haus seiner ehemaligen Auftraggeber hätte einbrechen sollen. Die Spur schien in einer Sackgasse zu enden, bis King den Mann gefragt hatte, wann Robert Battle ihn mit dem Einbau des Geheimfachs beauftragt hatte.

Der alte Mann hatte ein wenig unruhig auf die Frage reagiert. »Ich mag es nicht, wenn man vor anderen Geheimnisse hat«, sagte er. »Mrs Battle ist eine feine Dame. Ich kenne keine Frau, die anständiger wäre.«

»Also wollte Robert Battle nicht, dass seine Frau davon erfährt?«, hakte Michelle nach, als der alte Mann offenbar nichts mehr dazu sagen wollte.

»Musste mich rein-und rausschleichen, wenn sie nicht da war. Hat mir nicht gefallen, nein, Sir«, sagte er, ohne eine direkte Antwort auf ihre Frage zu geben.

»Haben Sie eine Ahnung, zu welchem Zweck Mr Battle dieses Geheimfach nutzen wollte?«, fragte King.

»Hab nicht danach gefragt, weil es mich nichts angeht«, sagte er störrisch.

»Wann war das ungefähr?«, wollte Michelle wissen.

Der Mann dachte nach. »Muss fünf Jahre her sein oder so«, sagte er dann. »Mrs Battles Geheimfach hab ich ein paar Jahre davor eingebaut.«

»Und Mr Battle wusste vom Geheimfach seiner Frau?«, fragte King.

»Keine Ahnung. Wie ich höre, steht er an der Schwelle des Todes.«

»Bei einem Mann wie ihm kann man nie wissen«, erwiderte King.

Anschließend hatten sie die Alibis von Juniors Freunden überprüft. Zum fraglichen Zeitpunkt waren die Männer entweder in einer Bar gewesen oder im Bett mit ihren Frauen, Freundinnen oder Geliebten. Natürlich war es denkbar, dass nicht alle Frauen die Wahrheit sagten, aber es wäre nicht einfach, ihre Aussagen ohne gründliche Nachforschungen zu widerlegen. Auf jeden Fall hatte King nicht das Gefühl, dass sie logen. Und keiner von Juniors Freunden schien auch nur ansatzweise die Fähigkeit zu besitzen, einen solchen Einbruch zu verüben und gleichzeitig so geschickt die Beweise zu fälschen, dass Junior in Verdacht geriet. Ihre Fachkenntnisse beschränkten sich darauf, Nägel in Wände zu schlagen, Bier zu trinken und Frauen flachzulegen.

»Willst du die ganze Zeit auf diesem Hausboot leben, während du dir ein neues Domizil baust?«, fragte Michelle.

»Wie es aussieht, bleibt mir kaum etwas anderes übrig.«

»Ich habe ein zweites Schlafzimmer.«

»Danke, aber ich glaube nicht, dass ich dort mit meinen Ordnungsgenen überleben könnte.«

»Ich habe mich gebessert.«

»Gebessert! Als ich das letzte Mal bei dir war, hattest du alles Mögliche, von Wasserskiern bis hin zu Schrotflinten, auf einem Tisch in deinem Esszimmer gestapelt, ein Berg schmutziger Wäsche lag in der Küchenspüle, und benutztes Geschirr stand auf einem Stuhl im Wohnzimmer. Du hast das Abendessen auf Papptellern serviert, die auf einem Wakeboard standen, das von zwei Stühlen gestützt wurde. So was hatte ich noch nie gesehen.«

»Ich dachte, du hättest dich gefreut, dass ich für dich gekocht habe«, sagte sie verletzt. »Weißt du, wie viele Konservendosen ich öffnen musste?«

»Ich bin sicher, dass es ein Martyrium gewesen ist.«

Er wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment klingelte sein Handy. Es war Todd Williams. Das Gespräch war kurz, doch als King die Verbindung beendete, wirkte er erschüttert.

»Wieder ein Mord?«, fragte Michelle, während sie ihre Kaffeetasse abstellte.

»Ja.«

»O Gott. Wer ist es diesmal?«

»Jemand, den ich zufällig kenne«, sagte er.

Mit jedem Schlag der Stunde
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