Anton Hykisch
Ein junger Mann mit Kopfschmerzen
Fero, ein neunzehnjähriger Automechaniker in einer Vertragswerkstatt für Wagen der Marken Fiat, Renault und Ford, erschien nicht zur Gewerkschaftsversammlung. Das verdroß Jozefina Gaburová, die Kassiererin der Werkstatt und Vertrauensfrau der Gruppe. Damit hoben die Unannehmlichkeiten für Fero jedoch erst an.
Der junge Fero war durchaus willens gewesen, sich in die warme rote Ecke zu setzen und das Referat über sich ergehen zu lassen, wobei er mit Miluska zu flirten gedachte, der ständig lächelnden Lohnbuchhalterin, deren weißer Kittel die langen Beine recht unzulänglich verhüllte.
Anfangs war Fero sogar zu der Versammlung geeilt. Ein Kunde hatte ihn aufgehalten, und der junge Automechaniker mußte sich sputen. Der Hof war mit Autos vollgestellt. Als Fero an dem zitronengelben Fiat vorbeilief, der Frau Evelina Horská gehörte, bekam er Kopfschmerzen. Der Schmerz war so stark, daß Fero aufstöhnte und dachte: Zum Teufel, die Horská hat es mir aber tüchtig angetan. Frau Evelina Horská war eine landesbekannte Schauspielerin, unlängst hatte sie in einer fünfteiligen Fernsehserie ihren Liebreiz versprüht und ausgiebigen Gesprächen in der Betriebskantine Stoff geboten. Nachdem sich Fero ein Stück von dem Fiat 127 entfernt hatte, hörte der Schmerz auf.
Fero wandte sich um und schlich zu dem Wagen zurück. In der Stirn spürte er einen dumpfen Druck wie nach einer durchzechten Nacht. Ich habe nichts getrunken, die ganze Woche war ich kein einziges Mal blau, ehrlich. Er blickte auf die verschmutzte Motorhaube (ich muß den Meister daran erinnern, daß er den Wagen waschen läßt, Frau Horská erwartet das), betrachtete sie gründlich, dann entfernte er sich ein Stück, und der Schmerz ließ allmählich nach.
Fero erschauerte. Er machte zwei Schritte zum Wagen hin. Der Fiat stand unweit der Hauswand und der löchrigen Dachtraufe. Im Vorderhaupt des Mechanikers Fero dröhnte es wieder wie nach Hammerschlägen. Habe ich Zahnschmerzen? Nein, das sind nicht die Zähne.
Fero wich wieder zurück, stellte sich mitten im Hof hin und riskierte, von den dösenden Teilnehmern der Gewerkschaftsversammlung, die bereits zehn Minuten währte, gesehen zu werden. Der Schmerz versiegte. Fero sog bedächtig die Luft durch die Nase ein. Vielleicht irgendwelche Ausdünstungen? In der Hauptstadt ist die Luft die dickste im ganzen Lande, und im Hof einer Autowerkstatt duftet es wahrlich nicht wie auf einer Gebirgswiese. Doch dem Automechaniker Fero hatte der Geruch von Benzin, Öl, Gummi, Lack, Autos und Motoren niemals geschadet. Für diesen Geruch hatte er sogar das Gymnasium verlassen, hatte die ermüdenden Slowakischstunden, die höhere Mathematik und die Staatsbürgerkunde aufgegeben, um zur Freude seiner Eltern eine Autoschlosserlehre zu beginnen. Fero atmete langsam die Luft ein, er stand im menschenleeren Hof inmitten von Autos und Wracks. Plötzlich lachte er über sich selber und schritt zu einem kleinen rostigen Fiat 600, dem ein Scheinwerfer fehlte. Vorsichtig faßte er sich an die Stirn. Nichts. Er wartete, beugte sich über das bucklige Autochen. Nichts. Der Kopf tat nicht weh.
Dann lief er begierig zu einem blaulackierten Renault 15, dem Eigentum eines Fleischermeisters. Ein flaches Ungeheuer mit weichen schwarzen Sitzen, gefletschter Schnauze, herausfordernd aufgezogenen Rädern, mit einem Schiebedach wie bei einer Weltraumrakete. Ein edles Geschöpf für etwa hunderttausend Kronen. (Einmal werde ich auch so einen besitzen, Vater, das wirst du erleben!) Fero beugte sich über die schräge Frontscheibe und lauerte, was geschehen würde. Es geschah nichts. Ihm war, als hätte er einen Ballon im Kopf. Der Zauber wirkte nicht.
Des Fleischermeisters Renault stand mit dem Heck zu dem Fiat 127. Fero tat den entscheidenden Schritt und beugte sich wieder über die zitronengelbe Motorhaube. Aus Evelina Horskás Wagen strömte der Schmerz wellenartig in Feros Kopf, die Stirn drohte zu bersten. Schnell wandte sich Fero vom Auto ab und trat einen Schritt zurück. Die Schmerzwellen verebbten.
»Na so was«, murmelte der junge Automechaniker. Da zuckte durch sein Hirn ein Satz, den eine unbekannteStimme sprach: »Keine
Angst, reden wir ein bißchen miteinander!« Der Fiat lächelte
freundlich.
»Mensch, lauf nicht fort, ich werde dir alles
erklären.« Fero lief schon zwischen den Autos hindurch quer
über den
Hof, er raste am Pförtner vorbei, ohne sich auszutragen. Die Betriebsärztin hatte bis um vier Sprechstunde. Welch ein Glück.
Die Schwester hatte den Sterilisator schon abgeschlossen und war gerade damit beschäftigt, ihre Einkäufe in einem Netz zu verstauen (Äpfel, Milch, Butter und sechs Semmeln). Die Ärztin dachte an das abendliche Konzert, ihr langes Kleid war schon wieder zu eng, sie würde es noch auslassen müssen.
»Das sind die Nerven, junger Mann. Weniger
trinken und rauchen…«
»Ich rauche nicht, Frau Doktor. Und getrunken habe ich das
letztemal…«
»Gestern«, piepste die Schwester, die sich inzwischen vor dem
Spiegel kämmte.
Fero starrte sie wütend an.
»Schon gut!« Die Ärztin wehrte ab, eine Viertelstunde vor dem Ende
der Sprechstunde wollte sie einen Streit zwischen Schwester und
Patienten vermeiden. Sie war müde. »Ich verschreibe Ihnen etwas zur
Beruhigung. Abends vor dem Schlafengehen und morgens eine Tablette.
Vorsichtig beim Autofahren, das wirkt leicht benebelnd.«
»Und keinen Alkohol«, warf die Schwester ein.
»Bestimmt nicht«, flüsterte Fero. Er war bereit, das auch Evelina Horská zu schwören, nur um nicht die Stimme zu vernehmen, die aus ihrem Auto kam. Eine Stimme, die sich mit einem schmerzhaften Pulsieren im Kopf meldete.
Ich bin nicht auf die Quacksalber in Ambulatorien und Betriebspolikliniken angewiesen, sagte sich stolz der Automechaniker Fero. Durch die Fiats, Fords und Renaults kannte er einflußreiche Fleischer, Professoren, Musiker, Klempner, Bildhauer und Gynäkologen. Er rief Professor Dr. sc. Václav Havelka an.
»Hier ist Fero«, hauchte er in die Muschel. »Fero von der Autowerkstatt, Herr Professor.«»Aah, Fero, natürlich weiß ich, wer Sie sind. Was haben Sie auf dem Herzen? – Selbstverständlich, kommen Sie her, gleich, wenn es sein muß.«
In einem abgewetzten Ledersessel, der von seinen Großeltern stammte (warum kauft er sich keine finnische Couchgarnitur für zweiundzwanzigtausend Kronen?) saß Akademiemitglied Professor Havelka, Doktor der physikalischen Wissenschaften, und rauchte billige Zigaretten. Havelka verschnaufte gerade zwischen zwei Symposien in Berlin und Caracas und hörte sich an, was ihm der Automechaniker Fero über Gespräche mit Fiats 127 berichtete.
»Bei meinem Cortina ist Ihnen das nicht
passiert?« »Nein, Herr Professor.«
»Nur bei Fiats 127?«
»Nur bei denen.«
»Interessant.«
Professor Havelka legte die Füße auf einen geschnitzten
Schemel, der seit vier Generationen im Besitz
der Familie war. Fero verfinsterte sich. Der Professor hat mich
nicht hinaus
geworfen. Er hält mich nicht für verrückt. Aber vielleicht
nur
wegen seinem roten Cortina.
»Und bei allen Farben?«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie nur bei zitronengelben Fiats Kopfschmerzen
oder bei allen Farben?«
»Bei allen«, seufzte Fero und rieb sich die rauhen Hände,
von denen er nur mit Mühe und Waschpaste den Schmutz abgeschruppt
hatte.
»Zum Glück gibt es in Bratislava nicht viele Fiats.« »Wirklich, ein
Glück.«
»Unangenehm.« Der Professor qualmte eine Zigarette nach
der anderen, daß selbst Feros abgehärtete Bronchien ihren
Unmut durch Husten kundtaten.
Plötzlich erhob sich Havelka und schritt zu einem verstaubten
Bücherregal, das im schummrigen Teil des Zimmers stand
und vom Fußboden bis zur Decke vollgepfropft war. Havelka
griff einen Hocker, ein Erbstück von einer Großtante,
bestieg
ihn mit der Gewandtheit eines Zirkusartisten und zog aus
dem
Wust zwei Bücher heraus. Dann legte er abwechselnd ein russisches
und ein englisches Buch auf den Schemel und sprach
von Informationsströmen und Rückkoppelung. »Ein Auto ist
ein System, ebenso wie Ihr Körper, eine Türklingel oder
ein
Kühlschrank, verstehen Sie, Fero?« Havelka holte unter seinem
Sessel Chemical Abstracts und
Biological Abstracts hervor,
suchte mit einer Scherenspitze und einer Lupe einen
Verweis,
begab sich zum erloschenen Kamin, kramte aus einem Papierberg eine
Zeitschrift hervor und blätterte darin. Schließlich
setzte er sich wieder und redete von Photonenemission,
Molekularschrei und der Theorie des polnischen Professors
Wlodzimierz Sedlak. »Verstehen Sie mich, Fero?« Havelkas
Augen
leuchteten wie bei einem Betrunkenen, er lallte etwas von
unvorstellbaren Realitäten der Nukleonenphysik, worauf
die
Russen und der Amerikaner Wolfgang Panofsky gekommen
seien.
»Woraus bestehen Nukleonen, erinnern Sie sich noch, Fero?
Nun? Nukleonen, das heißt Protonen und Neutronen, bilden eine Wolke
elektrischer Ladung. Und wie? Dadurch, daß sie mit ungeheurer
Geschwindigkeit ein pi-Meson ausstrahlen und absorbieren. Doch ein
pi-Meson hat dieselben Ausmaße wie ein Proton!« Prof. Dr. sc.
Havelka ereiferte sich. »Und stellen Sie sich vor, die Hülle eines
pi-Mesons setzt sich zusammen, raten Sie, woraus? Aus mehreren
pi-Mesonen! Das ist irrwitzig, nicht wahr? Haben die Physiker den
Verstand verloren? Oder hat ihn die Natur verloren? Wie ist es
möglich, daß sich ein Elementarteilchen aus mehreren genau
denselben Teilchen zusammensetzen kann?« (Fero war verwirrt und
wurde mißmutig.) »Bedenken Sie, junger Mann: Ein Proton besteht aus
einem Proton und einem pi-Meson, das dieselben Ausmaße wie ein
Proton hat! Und ein pi-Meson setzt sich aus drei solchen pi-Mesonen
zusammen. Die Vorstellung, daß sich die Materie mechanisch teilen
lasse, taugt hier nichts, lieber Fero. Die gesamte bisherige Logik
ist unbrauchbar. Gut, daß Sie nicht studieren wollten. Dabei haben
wir noch nicht von den Quarks gesprochen.« Der Professor wischte
sich den Schweiß von der Stirn. Dann zog er den Morgenmantel aus.
Darunter trug er einen alten, viel zu kurzen Schlafanzug, der sich
an seine letzte Wäsche sicher nur verschwommen erin
nern konnte.
Havelka redete von Quarks, Elementarteilchen, deren Existenz die
Physiker voraussetzen müssen, von vier Zuständen
der Quarks, von Quarks und Antiquarks, Mesonenwolken,
Nebeln des Mikrokosmos, aus denen sich ein Ei, ein Brot,
ein
Tisch, eine Gehirnzelle, die Kammer eines Vergasers, die
Bremsen, ein Benzintropfen oder ein Kamm Evelina Horskás
zusammensetzen.
Von den Atomkernen kehrte Havelka wieder zu den einzelnen Atomen
und Molekülen zurück. Er sprach von einem
möglichen Schrei der Moleküle. »Unzählige Impulse, Strahlungen,
Absorptionen, Wellen, Wellen in Ihnen, Fero, Wellen
in der Luft, Wellen in den Gehirnzellen, Bioströme, unbekannte
Schwingungen, Erschütterungen der Materie, der piMesonen, der
Elektronenwolke, der Strahlungen, der Kerne
und Schalen, der Hüllen und Wolken.«
Fero bekam wieder Kopfschmerzen. Er unterbrach den Professor, der
sich so erhitzt hatte, daß ihm selbst im Schlafanzug
zu warm war.
»Kurz, Herr Professor, Ihrer Meinung nach kann ich mit Fiats 127
Informationsströme austauschen?«
»Alles ist möglich, lieber junger Freund«, versicherte
Havelka.
»Durch irgendeinen Zufall kann ich etwas ausstrahlen, was
im Wagen von Frau Horská und in allen Fiats bestimmte Verbindungen
einschaltet?«
»In der heutigen Physik ist nichts ausgeschlossen, und
nichts ist abgeschlossen. Nehmen wir beispielsweise die Erkenntnis,
daß jeder der vier Quarkzustände sich in weitere
Zustände aufspaltet, abgesehen von den sogenannten degenerierten
Zuständen, die…«
Fero machte eine Handbewegung, die prächtige Handbewegung, mit der
er die Motorhaube von Havelkas Cortina zuzuschlagen pflegte, wenn
er den Wagen nach fünftausend Kilometern durchgesehen hatte. Es war
eine herrische, energische Geste, die den Professor verstummen
ließ.
»Also ist es möglich, daß irgendwo jemand lebt, der sich
mit einem Kühlschrank unterhalten kann?«
Der Professor nickte eifrig, er wollte etwas ergänzen,
aber
Fero fuhr fort:
»Mit einem Radio?«
»Auch das ist nicht ausgeschlossen.«
»Mit einem Staubsauger?«
»Warum nicht? Alle diese Gegenstände sind das Ergebnis
eines technologischen Prozesses, den der Mensch erdacht
hat.
In ihnen entstehen gewisse Kopplungen, Strukturen und…« Ich pfeife
auf deine Kopplungen, Systeme, Subsysteme, Informationsströme und
Strukturen. Wahrscheinlich ist es einfach so, daß sich am Fließband
in den Turiner Fiatwerken ein
Mann wie ich abschindet, von den Mädchen draußen träumt
wie ich und sich über die zu kurze Frühstückspause
beklagt,
neben ihm sitzen Beppo und Carlo oder wie die Jungs in
den
italienischen Filmen heißen, sie denken ebenso an andere Dinge,
wenn sie eine Leerlaufdüse einschrauben oder ein Kabel
anlöten, und ihre Gedanken heften sich an eine Schraube
oder
eine Mutter, an ein Stück Draht oder Gummi, sie kleben
fest
wie Marmelade, und alles zusammen singt, spielt, wirkt aufeinander
ein, und wenn ich an dem Fiat vorbeigehe, grüßt
mich jemand aus den Blechen und Drähten. Ich muß mich mit
dem Auto unterhalten.
Fero erhob sich aus dem abgewetzten Sessel. Mit nervösen
Fingern hatte er die Lehne, aus der Pferdehaar quoll,
noch
mehr aufgerissen. Er verabschiedete sich hastig und ließ Professor
Havelka bei seinen englischen und russischen Büchern,
bei seinen Dokumentationen und internationalen
Referateblättern.
Am nächsten Morgen schluckte Fero eine von den Tabletten, die ihm
die Betriebsärztin verschrieben hatte, und erbat
sich in der Werkstatt den zitronengelben Fiat für eine
Probefahrt.
»Die Wasserpumpe ist nicht ganz in Ordnung«, brummte
der Meister. »Es würde nichts schaden, wenn du sie nachsiehst. Aber
Fero, das sage ich dir, treib dich nicht herum, die
Kundin holt den Wagen um zehn ab!« Er gab ihm die Wagenschlüssel.
»Hör mal, warum warst du gestern nicht zur Versammlung?«
Fero hörte die Frage nicht mehr, er rannte schon zu Frau
Evelina Horskás Wagen.
Die Uhr zeigte drei Viertel elf. Evelina Horská war es leid, im Warteraum zu sitzen und in einer speckigen, vier Wochen alten Illustrierten zu blättern. Gegen die Vorschriften ließ der Pförtner die Schauspielerin auf den Hof, schließlich war es eine Stammkundin. Sie spähte nach ihrem zitronengelben Fiat aus.
»Ich weiß nicht, ich verstehe nicht, Gnädigste«, stammelte der Meister. »Fero ist ein gewissenhafter Junge, einer der besten Motorenschlosser, die ich kenne… Er muß jeden Moment zurückkommen. Wir wollten Ihnen Ihr Wägelchen noch ein bißchen waschen.«
»Nicht nötig«, sagte Frau Evelina lächelnd. Ihr schwarzhaariges Köpfchen blickte schutzlos aus der Pelzjacke und erweckte im ausgehungerten Meister zärtliche Gefühle, geradeso wie bei Hunderttausenden Fernsehzuschauern. »Ich fahre gleich in die Tatra, zu Dreharbeiten.« Sie nahm ihre große rote Reisetasche in die andere Hand.
Erst um elf klingelte beim Meister das Telefon. »Auf der Straße nach Senec, bei Kilometer 21,6, hatte ein Fiat 127 mit Ihrem Mechaniker einen Unfall. Nein, er ist nicht tot. Eine Kopfverletzung. Der Wagen wird schon abgeschleppt. Es ist nicht so schlimm.«
»Es ist nicht so schlimm, Frau Horská. Ihr Wägelchen ist in vier Wochen wieder wie neu, das verspreche ich Ihnen. Das ist mir äußerst peinlich, Fero war ein so gewissenhafter Junge…«
Beim Automechaniker Fero dauerte es länger als beim zitronengelben Fiat, bis er nach der Operation wieder wie neu aussah. Einmal besuchte ihn auch Frau Evelina Horská, was Fero nicht nur bei Patienten und Schwestern, sondern auch bei den Ärzten zu Ansehen verhalf. Frau Evelina erkundigte sich taktvoll nach der Ursache des Unfalls, doch der junge Mechaniker verdüsterte nur seinen Blick und antwortete nicht. Die Besucherin schenkte Fero ein Foto mit eigenhändigem Autogramm, bedachte alle mit ihrem Lächeln und hinterließ einen zarten Parfümduft.
Während seines langen Aufenthalts im Bett
schäkerte Fero mit den Schwestern und versuchte, sie mit Pralinen
zu bestechen, damit sie ihm größere Essenportionen gaben. Endlich
durfte er das erstemal im Park des Krankenhauses Spazierengehen Er
atmete den hauptstädtischen Smog ein, der ein wenig durch alte
Kastanien gefiltert war. Da stutzte er. In der Nähe des
Haupteingangs, bei einem Rosenbeet, standen vier Autos, darunter
ein Fiat 127. Es war der Wagen des Oberarztes, der das Privileg
genoß, auf dem Krankenhausgelände zu parken.
Der junge Automechaniker schwankte eine Weile. Vor seinen Augen
lief der Film seines jungen Lebens ab, die letzten Wochen, alles,
was ihn ins Krankenhaus gebracht hatte. Fero blieb stehen und
wollte sich abwenden. Dann schritt er jedoch mit dem Mut eines
Kosmonauten auf die Autos zu und blieb bei dem grasgrünen Fiat
stehen.
Er brauchte sich nicht an die Stirn zu fassen, der Kopf schmerzte nicht. Ermutigt ging er um den Wagen herum, blickte hinein, stellte fest, daß der Oberarzt zweiundzwanzigtausend Kilometer gefahren war und daß die Kotflügel rosteten.
Es meldete sich keine Stimme. Fero lächelte
selig. Eine gelungene Operation.
Am nächsten Morgen hielt sich Fero länger als gewöhnlich beim
Waschbecken auf. Es war Sonnabend, Besuchstag. Die Mutter und der
Bruder mit Frau wollten kommen, Fero mochte seine Schwägerin, sie
war ein entzückendes Weibchen. Sorgfältig wickelte Fero die Schnur
des elektrischen Rasierapparats ab (ein Geburtstagsgeschenk seiner
Mutter) und schloß sie an. Als Fero mit dem Apparat der Marke
Charkiv behaglich über Wangen und Kinn
kreiste, spürte er im Kopf ein dumpfes Pochen, darauf das dröhnende
Pulsieren, das er schon kannte.
Mit zusammengebissenen Zähnen rasierte er sich
zu Ende, und er sagte niemandem etwas davon.
Nach der Genesung fuhr Fero zur Kur. In seinem Koffer lag auch ein
Rasierapparat der Marke Charkiv, und
Fero lächelte merkwürdig, was die Kurärzte seiner Kopfverletzung
zuschrieben.