Karlheinz Steinmüller

Krieg im All

Die Intrepid war in ein Raumgebiet mit stark wechselnden Gravitationsfeldern geraten. Gewaltige Dunkelsterne und eine schwarze Perlenkette von Black Holes krümmten den Raum und verzerrten die Zeit.

Commander Kato befand sich schon seit zwölf Stunden auf seinem Posten in der Zentrale. Er selbst mußte die unablässigen, komplizierten Steuer- und Ausweichmanöver leiten, denn normale Navigationsprogramme versagen bei paradoxen Raum-Zeit-Strukturen, in denen nach Gödels Untersuchungen sich die Weltlinie eines Körpers sogar bis zu sich selbst zurückkrümmen kann. Mit dem Lichte wetteifernd, raste die Intrepid auf Schlangenbahnen durch ein Chaos gefährlicher kosmischer Strudel, einen pulsierenden Peilstrahl vor sich her schießend. Eine ganze Wache, Navigatoren, Operatoren, Abschirm- und Reaktortechniker, lag schon zu Tode erschöpft in den Kabinen. Kato hielt durch. Nichts im Kosmos konnte ihn brechen.

Ein fremder Peilstrahl ertastete die Intrepid, störte die eigene Ortung. Vor ihnen, nur noch wenige Millionen Kilometer entfernt, mußte ein fremdes Raumschiff zwischen den Singularitäten des Raumes versteckt dahinjagen. Es konnte kein irdisches sein: Katos Schiff war das erste terrestrische, das sich in diesen Schweredschungel gewagt hatte, und es würde für lange Zeit auch das letzte bleiben. Ein außerirdisches, unbekanntes Raumschiff hatte die Intrepid lokalisiert. Auf den Kennungscode folgte keine Antwort.

Commander Kato gab Alarm. Er glaubte nicht an die Märchen von hilfreichen oder hinterlistigen Außerirdischen. Er war Kommandant, deshalb vorsichtig und auf alles gefaßt, auch auf das Äußerste. Bornierte Theoretiker hatten millionenfach bewiesen, nur moralisch reife, friedfertige Wesen könnten den Weg in den Kosmos finden, andere Zivilisationen würden sich lange vorher vernichten. Kato traute den Theorien von Leuten, die nie über die Erdatmosphäre hinausgekommen waren, genausowenig wie den Phantasiegebilden der Sciencefiction-Schreiber. Er kannte das All: Es war anders.

Kato ließ das Schirmfeld verstärken und die InfrarotQuantengeneratoren der Meteoritenabwehr aufladen. Im Kosmos zählten nur Stärke und Gewappnetsein. Niemand konnte ahnen, was in den Köpfen (?) fremdartiger Wesen vor sich ging. Er durfte sich von nichts überraschen lassen. Schon daß diese Wesen das Gebiet der Gravitationsanomalien bewohnten, sprach nicht gerade für sie. Sie konnten über Kräfte verfügen, denen die Intrepid nichts entgegenzusetzen hatte.

»Deflektor!«
»Steht.«
»Antriebsstrahl vorbereiten!«
Der planetenzerschmelzende Lichtstrahl, auf dem die Intrepid ritt, war ihre stärkste Waffe.

Rasend schnell näherte sich das fremde Schiff, seine Form erinnerte entfernt an ein irdisches. Aus einer Entfernung von weniger als einer Million Kilometer (drei Lichtsekunden) jagte eine Salve infraroter Strahlen höchster Intensität auf die Intrepid zu, durchschlug den Deflektorschild, brannte sich in den Rumpf des Schiffes und riß breite Löcher in die superfesten Wände. Schotte knallten zu, pfeifend entwich Luft aus einigen Sektionen, Zuckungen durchliefen die elektrischen Nervennetze der Intrepid und meldeten Ausfälle. Schon entfernte sich das fremde Schiff wieder.

Commander Kato zögerte nicht. Er war angegriffen worden. Er schlug zurück. In Mikrosekunden hatte der Computer die nötigen Daten errechnet.

»Voller Schub!«

Eine grammschwere Welle entfesselter Lichtquanten verließ das unter ihrer Entladung zusammenbrechende Antriebssystem der Intrepid, durchschnitt das Nichts des Alls, erreichte das fremde Schiff und atomisierte es in Sekundenbruchteilen. Katos Feind war vernichtet, kaum eine Minute nachdem die Intrepid seinen ersten, scheinbar harmlosen Peilstrahl aufgenommen hatte.

Der Kommandant kam nicht zur Ruhe. Sein schwer beschädigtes, arg deformiertes Raumschiff wurde von tödlichen Raumfallen angezogen und schwang sich auf gefährlichen Bahnen zwischen ihnen hindurch. Computer und Reparaturteam berichteten von zerstörten Systemen, darunter das Haupttriebwerk, und toten Besatzungsmitgliedern.

Einer der zur Forschungsgruppe gehörenden Physiker kam in die Zentrale gestürzt und wollte Kato wegen des Angriffs auf ein extraterrestrisches Raumschiff zur Rede stellen. Hätten den Mann die Fakten nicht sofort überzeugt, wäre der Commander gezwungen gewesen, ihn in seiner Kabine zu arrestieren. Jetzt war keine Zeit für akademische Streitigkeiten. Die Intrepid ließ sich kaum steuern, und immer neue Raumwirbel schleuderten sie vom Kurs. Kato hatte um das Überleben seines Schiffes zu kämpfen.

Und wieder pfiff der Peilempfänger laut auf. Ein neuer abtastender Strahl hatte die Intrepid getroffen.
»Noch ein Schiff voraus, Koordinaten…«
»Meteoritenabwehr!«

»Bereit.«

Als ob ein feindliches Schiff nicht genügt hätte. Commander Kato blieb fest und entschlossen, ließ sich auch nicht durch den soeben empfangenen verzerrten Kennungscode täuschen. Schon waren die Koordinaten programmiert.

»Feuer!«

Eine Salve infraroter Strahlen höchster Intensität jagte aus den Generatoren und durch den Raum, durchschlug einen fremden Deflektorschild und ließ das fremde Schiff verwundet aufblitzen.

»Beschädigt, aber nicht zerstört.«

Schon entfernte sich die Intrepid wieder von ihrem etwa gleichgroßen Gegner.
Sie hatten das Bild des fremden Schiffes, das ihnen eingebrannt vor Augen stand, noch nicht als das der Intrepid identifiziert, da ersparte ihnen eine alles atomisierende, grammschwere Welle entfesselter Lichtquanten die schrecklichste Entdeckung.