Dreiundzwanzigstes Kapitel

 

Die Atemzüge um mich herum wurden schneller und hallten im dunklen Keller wider. Ich dehnte und streckte meine Finger, bereit zu kämpfen. Lautere Schläge gegen die Tür, wie eine Axt auf Holz. Dann splitterte die Tür. Holzsplitter fielen die Treppen herab, klickten von Stufe zu Stufe.

»Sieht wie ein Keller aus«, sagte ein Mann leise.

Beinahe hätte ich gelächelt. Glaubt er nach so viel Krach wirklich, leise sprechen zu müssen?

»Lampen. Ihr beide geht voraus.«

Die Soldaten kamen die Treppe herab, die Schritte vor dem Lampenlicht. Als der gelbliche Schein auf der Wand flackerte, hob ich die Hände und schlich näher. Hinter mir hörte ich leise Geräusche, als die anderen die Waffen hoben und sich bereit machten.

Schatten, mehr Licht, lautere Schritte. Kurz vor dem Stolperdraht.

»Ah!« Der erste Soldat stürzte, die Lampe fiel aus seiner Hand und verspritzte Öl und Feuer auf dem Teppich. Ich sprang auf seinen Rücken und hielt ihn fest. Ich presste meine Hände gegen den Unsterblichen, der sich nach Kräften wehrte. Bitte, lass Schmerzen in der Rüstung sein!

Peng!

Ich sprach ein stummes Gebet, als die Schmerzen in meinen Armen und meinem Gesicht kribbelten. Die Soldaten auf der Treppe schrien, stürzten und rollten die Stufen herab. Lampen fielen mit ihnen, das verspritzte Öl verfing sich in ihren Haaren und Uniformen. Die Soldaten außer Reichweite des Blitzes schrien auf. Diejenigen, die nur leicht betäubt waren, schlugen auf die Flammen ein und krochen weg.

»Sie haben Pynviumstäbe!«

»Alle Mann zurück!«, befahl eine Stimme. »Ich gehe hinunter.«

So weit, so gut! Ich trat um die Mauerecke. Neeme schoss vorwärts, packte die gefallenen Lampen und stampfte die Flammen mit den Füßen aus. In Sekunden war der Raum wieder dunkel, nur ein sanfter Schein erhellte die Basis der Treppe.

Und dann bewegte sich der Schatten eines Riesen die Stufen herab. Direkt vor dem Stolperdraht blieb er stehen. Stand nur da.

Meine Hände zuckten. Warum bewegte er sich nicht? Hätten wir tatsächlich Pynviumstäbe, hätten wir ihn inzwischen fünfmal blitzen können. Es sei denn ...

»Sie sind weg«, sagte er, stieg über den Stolperdraht und betrat den Raum.

Ich bewegte mich vorwärts, fort vom Schutz der Wand. Licht teilte die Dunkelheit direkt vor meinen Augen. Ich sprang zurück und bedeckte mein Gesicht. Heilige, offensichtlich hatte er direkt vor mir eine Lampe angezündet!

Peng!

Schmerzen trafen mich, aber es war das Licht, das so schmerzte. Ich blinzelte die Tränen fort und stürzte vorwärts. Meine Hände klatschten gegen ... eine Rüstung.

Oh oh!

Er packte mich, hob mich hoch und schleuderte mich durch den Raum, als sei ich eine der Lampen. Ich prallte gegen den Tisch. Meine Rippen schmerzten, dann landete ich auf dem Boden. Soldaten rannten die Treppe herab, einige trugen Lampen, der Rest Schwerter.

Ich hörte nicht, wie Jeatar den Befehl zum Angriff gab, aber das hatte er offenbar. Er lief den Soldaten entgegen, direkt gefolgt von Ellis und Onderaan, die anderen mehrere Schritte hinter ihm. In dem flackernden Lampenlicht glichen sie Geistern, fahl und unheimlich.

Kaum war ich wieder auf den Beinen, suchte ich in der Woge der Soldaten nach blauem Metall. Ich fand ein paar, aber es war zu riskant, sie in dem Raum mit den anderen zu blitzen. Ich rannte so schnell ich konnte gebückt zur Treppe und bemühte mich, schwingende Schwerter und spitze Klingen zu vermeiden.

Ein Soldat erwischte mich in der Seite. Sein Schwert schnitt leicht durch Hemd und Haut. Ich packte ihn, steckte meine Finger unter seinen Kragen und drückte. Er riss sich los. Ich bewegte mich weiter, eine andere Klinge durchbohrte mich, diesmal in der Schulter. Ich verschluckte meinen Schrei und ergriff das Gesicht der Frau mit beiden Händen. Wieder drückte ich. Sie schrie und taumelte.

»Schifterin«, schrie sie voll Angst. »Die Schifterin ist hier unten.«

Ich erreichte die Treppe und fand zwei Unsterbliche. Einer versetzte mir einen Hieb über die Brust, der andere schlitzte mir den Schenkel auf. Ehe ich fiel, gelang es mir, auf beide eine Hand zu legen.

Bumm! Bumm!

Soldaten fielen auf der Treppe. Ich packte die nächste Haut und drückte die brennenden Wunden und Schnitte weg. Mein verkrampfter Magen löste sich nicht so schnell - diese Soldaten hatten eindeutig Zugang zu Heilern und Pynvium.

»Nya!«

Jeatar. Ich drehte mich um und rannte hinab, kroch über die halb betäubten Soldaten. Jeatar kämpfte gegen zwei, einer war ein Unsterblicher, der andere ein regulärer Soldat. Blut färbte Jeatars Hemd, und so wie er taumelte, war es seins. Der Unsterbliche fiel in Ohnmacht und stieß sich dabei das Schwert in die Brust, einen Atemzug bevor ich ihn erreichte.

Ich berührte die Rüstung des Unsterblichen und malte mir aus, wie Löwenzahn im Winde weht. Schmerzen blitzten und fällten den Soldaten neben ihm, aber auch Jeatar. Ich schob den benommenen Unsterblichen gegen die Wand, wo er zusammensank. Der Boden war glitschig von Jeatars Blut, das zu schnell unter ihm eine Lache bildete. Ich nahm seine Hand und den Arm des bewusstlosen Soldaten, der versucht hatte, ihn zu töten. Ich zog und drückte.

Jeatar stöhnte und richtete sich auf. Mit blutverschmiertem Gesicht lächelte er mich zaghaft an, aber er blutete nicht mehr. »Danke.«

»Jederzeit.«

Wir halfen uns gegenseitig auf die Beine. Der Kampf tobte jetzt überall. Aylin und Tussen arbeiteten hinten. Aylin schleppte die Verwundeten fort, und Tussen heilte sie, damit sie weiterkämpfen konnten. Sorg und die anderen Techniker schwangen die Schwerter wie Schmiedehämmer, aber sie schlugen so kräftig zu, dass die anderen vorsichtig wurden.

Jeatar stürzte sich wieder ins Gewühl. Wie eine Katze bewegte er sich durch die Dunkelheit. Sein Schwert blitzte und seine Ziele sanken zu Boden. Ellis und Onderaan bewachten ihn und gaben ihm Flankenschutz, wobei sie ihren Anteil an Soldaten niedermachten.

Die Unsterblichen wechselten sich ab. Einige kämpften, während die anderen die Verletzten heilten, genau wie wir. Nur waren sie schneller. Sie konnten sich heilen und gleichzeitig kämpfen.

Wir würden verlieren, wenn wir so weiterkämpften - verletzen und heilen, verletzen und heilen. Sie waren uns überlegen, und wir würden nicht mit ihnen mithalten können. Schon bald wären sie uns zahlenmäßig überlegen. Ich musste schneller blitzen, ihre Rüstungen bersten lassen, sie in feinen Sand verwandeln und so für gleiche Chancen sorgen.

»Sie brauchen mehr Schmerzen«, rief ich Danello zu, als ich neben ihm zu den Unsterblichen an der Treppe vorbeistürmte. Ich hatte keine Ahnung, ob er mich verstanden hatte, aber er nickte und kämpfte weiter.

Ich hechtete, rollte, blutete, blitzte. Ich versuchte, mich auf dieselben Soldaten zu konzentrieren, aber in dem eigenartigen Licht war es unmöglich, sie zu unterscheiden. Ich hatte das Gefühl, schon stundenlang zu kämpfen, aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Das sagten mir meine Muskeln. Ich war nicht die einzige, die müde war. Jeatar bewegte sich nicht mehr so katzenartig, und die Techniker fielen schneller.

Die Klinge einer Unsterblichen bohrte sich in meinen Bauch. Ich schrie auf und legte die flachen Hände gegen ihre Rüstung.

Peng!

Weniger Schmerzen blitzten, kaum genug, sie einen Schritt zurückzutreiben. Feiner Sand rann durch meine Finger, als sie zurückwich. Ihre Brustplatte barst, wurde zu Staub. Ein Mal zu oft hatte sie geblitzt.

Ich biss die Zähne zusammen, griff nach ihr, verfehlte sie und sank auf die Knie. Sie bewegte sich immer noch. Panik war in ihrer Stimme. Ich musste mich furchtbar anstrengen, um ihre Worte durch das Brausen in meinen Ohren zu verstehen.

»Sie hat meine Rüstung zerstört!«

Mein Bauch brannte, aber es war ein kaltes Feuer, das herauskroch und mich lähmte. Mir versagten die Beine und weigerten sich, mich zu ihrer entblößten Haut zu tragen. Soldaten kamen auf mich zu, Angst und Aufregung in ihren Gesichtern. Aber nicht die Unsterblichen. Diese hielten Abstand.

Ich rang darum, wach zu bleiben, aufzustehen und nackte Haut zu finden.

Schwerter fingen das Licht ein. Zwei. Sie kamen aus der Dunkelheit auf mich zu. Ich sah nicht, wer sie hielt, nur undeutliche graue und blaue Schemen.

Klirr!

Eine Klinge hielt die eine auf, meine Schulter die andere. Schreiend fiel ich nieder. Füße in Stiefeln traten über meinen Kopf, wieder klirrte ein Schwert. Hände packten mich und schleppten mich fort.

»Ich hab dich, halt durch!«

Druck und Wärme auf meiner Haut. Dann prickelndes Feuer. Mein Kopf wurde klar. Ich konnte wieder deutlich sehen. Die Kälte und das Feuer verschwanden.

»Das war knapp«, sagte Tussen, mein Blut war noch an seinen Händen.

Zu knapp. »Danke.«

»Es steht nicht gut für uns, oder?«

»Heile einfach weiter.«

Ich stürzte wieder nach vorn, blitzte einen Unsterblichen. Seine Rüstung verwandelte sich in Sand - diesmal eine Armschiene.

»Ihr könnt nicht gewinnen«, erklärte ich, als sie eine Pause einlegten. Sie waren nicht mehr so unbesiegbar. Selbstverständlich ging es uns auch nicht gut. »Bald werdet ihr schutzlos sein. Gebt lieber gleich auf.«

Der Riese, der mich durch den Raum geschleudert hatte, straffte seine Schultern. »Zielt auf ihren Kopf. Tötet sie, ehe sie schiften kann.«

Mir wurde eng in der Brust. Die ganze Zeit über hatten sie nicht versucht, mich zu töten?

»Feldwebel, der Befehl lautet, sie lebend zu fangen.«

Ich konnte nicht sehen, wer das gesagt hatte, aber er klang nervös.

»Missgeschicke passieren.« Der Feldwebel stürzte sich schneller auf mich, als ich es für jemand für möglich gehalten hätte, der schon so lange kämpfte. Ich hechtete zur Seite. Jeatar und Danello griffen ihn an. Stahl traf auf Stahl, als ich auf dem Boden landete.

Die Soldaten rückten vor, ich kroch zurück. Onderaan fing einen Hieb ab, der auf mich gezielt war, Sorg einen, der ihm galt. Der Untergrund und die Techniker drängten sich um mich und schützten mich.

Klick-klick-klick ...

Ein Geräusch, Metall gegen Stein. Ich nahm es bei dem Stöhnen, Schreien und Waffengeklirr kaum wahr. Etwas fiel ... rollte?

BUMM!

Meine Haut kribbelte. Schreie hallten auf beiden Seiten durch den Keller. Körper stürzten zu Boden, Schwerter fielen klirrend herunter. Schritte auf der Treppe. Ein missbilligendes »tsk tsk tsk«.

»Ich mag Menschen nicht, die Befehle ignorieren, Feldwebel«, sagte Vyand und trat über ihn auf dem Weg in den Hauptraum. Stewwig und weitere Männer in voller Rüstung folgten ihr. Man sah bei ihnen fast keine nackte Haut. Und kein Unsterblicher dabei.

Ich stand auf. Meine Arme brannten noch ein wenig. Auf dem Boden lag ein Pynviumball, so groß wie eine Grapefruit. Nach dem gewaltigen Blitz bezweifelte ich, dass er noch Schmerzen enthielt, aber es würde richtig wehtun, wenn ich jemanden damit traf. Ich machte einen halben Schritt darauf zu. Drei Soldaten traten mir sofort in den Weg. Ich blieb stehen.

»Hübsche Waffe«, sagte ich zu Vyand. Ich kam nicht an ihr vorbei. Ich hatte nichts, um zu blitzen. Ich war nicht nah genug an einem bewusstlosen Unsterblichen, um sie zu blitzen.

»Praktisch, nicht wahr?«

Mehr als praktisch. »Warum hast du das nicht von Anfang an eingesetzt und uns allen diesen Kampf erspart?«

»Wäre ich hier gewesen, hätte ich.« Sie lachte und gab einigen Soldaten mit der Hand ein Zeichen. Sie entzündeten Lampen. »Glaubst du wirklich, ich würde Unsterbliche aussenden, um dich zu fangen?«

»Ich verstehe nicht.«

»Und wie gefährlich du wärst, wenn du es verstündest.«

»Was?«

Sie seufzte und glättete ihr perfekt sitzendes Haar. »Nachdem ich dich wieder verloren hatte, weigerte sich der Herzog, mir weitere Soldaten zu leihen. Ich hatte einen Spion in der Gießerei eingeschleust, ehe ich wegging. Nur für den Fall, dass du nicht wirklich abgereist warst. Ein Glück für mich, dass ich das tat. Ich wäre früher hier gewesen, aber dieser schwachköpfige Lehrling verirrte sich, nachdem er dich verlassen hatte, und er brauchte eine Weile, um mich zu finden. Aber ich bin ja noch rechtzeitig gekommen.« Sie schaute sich in dem jetzt hellen Raum um. So viel Blut. »Naja, wie es aussieht, gerade noch.«

Ich ballte die Hände. Der Lehrling! Der, der mit uns zur Villa gekommen war und dann »zu viel Angst« gehabt hatte hineinzugehen. Dieser Lügner!

Vyand hob die Hand, und vier Männer traten vor. Einer hatte ein Seil, der Rest hielt Schwerter an meine Kehle und mein Herz. Stewwig wich ihr nicht von der Seite. Sein Blick war stets auf mich geheftet.

»Streck die Hände vor, Handgelenke zusammen, Finger zu Fäusten geballt, bitte«, sagte sie.

Ich funkelte sie wütend an. Sie seufzte.

»Zwinge mich nicht, jemanden zu töten, nur um deine Aufmerksamkeit zu bekommen.«

Ich streckte die Hände aus. Der Mann mit dem Seil schlang es um meine Handgelenke und band sie fest zusammen.

»Jetzt Hände runter.«

Ich tat es. Diesmal wurden mir die Arme mit dem Seil an den Körper gebunden. Vyands Männer sicherten die engen Seile mit Doppelknoten. Als nächstes fesselten sie mir die Füße. Sie würden mich hinaustragen müssen, aber das schien der Plan zu sein.

»Nehmt ihre Hände.«

Ein anderer Mann kam und wickelte meine Hände in ein langes schmales Tuch. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, als er es tat, als habe er Angst, ich würde mich plötzlich zurückbeugen und ihn berühren.

Schließlich trat Vyand lächelnd zu mir. »So, dann wollen wir es noch mal versuchen, ja? Hiermit bezichtige ich dich ... Nun, es sind mehr Verbrechen, als ich Zeit habe aufzulisten. Und diesmal wirst du mir nicht wieder entwischen.«