Dreizehntes Kapitel

 

Alle Augen hefteten sich auf mich. Onderaans verengten sich. »Du bist eine Heilerin?«

»Nein«, antwortete ich, gerade als Jeatar sagte: »Das ist kompliziert.«

Neeme schniefte und fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase. »Tut mir leid, Jeatar, aber ich musste«, sagte sie. Dann wandte sie sich an Onderaan. »Sie hat mich geheilt. Eine Straßenbande hatte mir das Bein gebrochen, und sie hat das irgendwie an einen von ihnen weitergegeben.«

Onderaan schaute nicht mich mehr an, sondern Jeatar. Dann war er nur wenige Zoll vor ihm, ehe ich Luft holen konnte.

»Du hast die Schifterin hergebracht und mir nichts gesagt?«

»Ich hatte keine Zeit.«

»Du hattest Zeit, Neeme zu sagen, sie solle darüber schweigen.«

Jeatar wand sich. »Weil ich wusste, dass du so reagieren würdest. Ich hatte vor, es dir zu sagen.«

»Wann?«

»Was ist mit Ellis?«, schrie Neeme dazwischen. »Sie stirbt.«

Onderaan warf Jeatar noch einen wütenden Blick zu und wandte sich ab. »Was kannst du tun?«, fragte er mich.

»Ohne einen Heiler und etwas Pynvium gar nichts.«

»Was ist mit diesem Schiften, von dem ich so viel gehört habe? Kannst du die Schmerzen in diesen Mann schiften?« Er deutete auf den Soldaten, den ich brauchte, damit er mir sagte, wo Tali war.

»Es würde ihn töten.«

»Er stirbt ohnehin.«

Mein Bauchgefühl sagte mir, dass Onderaan nicht plante, den Mann am Leben zu lassen, selbst wenn dieser nicht daran stürbe.

»Wir müssen ihn befragen«, sagte ich.

»Er ist bewusstlos und wacht nicht auf.«

Er würde, wenn ich ihn heilte. Nicht vollständig, aber genug, um mir zu sagen, wo Tali war und wie ich hineinkommen konnte. Solang konnte ich seine Schmerzen ertragen.

Und dann gibst du sie ihm zurück?

Das war Talis Stimme. Sie würde mich dafür hassen, aber er war ein Baseerisoldat. Er war einer der Menschen, die ihr weh taten. Rette Neemes Freundin, töte den Soldaten, rette Tali und die anderen. Ich würde mich auf den Handel einlassen. Ich hatte schon Schlimmeres für weniger gemacht.

Ich ging hinüber. »Ich könnte ...«

Ellis fing an zu würgen. Blut quoll aus ihren Lippen.

»Hilf ihr!«

»Schifte jetzt!«

»Nya, du musst nicht, wenn du ...«

»Sei still, Jeatar.«

Ich nahm Ellis' Hand und zog. Schmerz drang in mich ein, scharf und heiß. Meine Brust brannte, meine Lungen fühlten sich wie mit Sand gefüllt. Ich rang nach Luft und wich zurück.

Danello kam an meine Seite, Aylin schnell an die andere. Sie halfen mir zu stehen und führten mich langsam zu dem sterbenden Soldaten.

»Sobald er aufwacht, frag ihn ... wegen Tali«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne.

Danello begriff einen Wimpernschlag schneller als Aylin. Er schüttelte den Kopf. Dann sagte sie: »Nya, das kannst du nicht tun. Es ist ohnehin schlimm genug.«

»Frag ihn!«

»Du wirst dich hassen, wenn du das machst.«

Ich würde mich mehr hassen, wenn ich noch eine Gelegenheit ausließe, Tali zu finden. Ich wickelte meine zitternde Hand um seinen Arm und fühlte meinen Weg hinein. Ähnliche Wunden, aber tiefer, durchbohrten die Leber, den Magen. Ich stillte die Blutung und linderte den Schock. Neue Schmerzen schossen in mich. Ich sank gegen Danello.

Der Soldat bewegte sich.

»Wo werden die Schmerzlöser verwahrt?«, fragte Danello. »Diejenigen, die sich entscheiden sollen, ob sie dem Herzog dienen wollen oder nicht?«

Der Soldat blickte verwirrt und verängstigt um sich. »Was?«

»Die Schmerzlöser. Wo sind sie?«

»Verräter.«

Ich verstärkte meinen Griff und drückte nur ganz wenig Schmerzen zurück in ihn. Er schrie auf. Ich holte tief Luft und sammelte die Schmerzen in der Höhlung zwischen meinem Herzen und den Eingeweiden. Dort hielt ich sie, so gut ich konnte.

Aylin nahm meine Hände. »Nya, hör auf! Es gibt Hässliches und ganz einfach Falsches.« Sie heftete ihren Blick auf mich. »Ich kann mit Hässlichem leben, wenn wir unsere Leute zurückbekommen, aber ich lasse nicht zu, dass du Falsches tust. Wenn du damit anfängst, kannst du dich gleich dem Herzog ergeben.«

Entsetzen verzerrte das Gesicht des Soldaten, und er rollte von mir fort. O Heilige, was tat ich? Onderaan stellte seinen Fuß auf den des Soldaten und versetzte ihm einen Stoß.

»Antworte dem Mädchen, sonst gibt sie dir alles zurück!«

Was? Nein, das konnte ich nicht tun - es würde ihn umbringen. Aylin machte einen Schritt zurück und verschränkte die Arme über der Brust. Sie schüttelte den Kopf. In ihren Augen stand ein Flehen aufzuhören, als glaube sie tatsächlich, ich würde es tun. Aber hatte ich es nicht bereits getan? Ich blickte den Soldaten an.

Wenn ich nicht schiftete, würde ich sterben. Wenn ich schiftete, würde er sterben.

Der Soldat spuckte Onderaan an. Dieser kniete nieder und packte ihn am Hals.

»Woher habt ihr es gewusst?«, fragte er leise und bedrohlich. Nicht die Frage, deren Antwort ich wissen musste.

Der Soldat blickte Onderaan hasserfüllt an. Eine Bewegung unter mir. Sein Arm schoss hoch, in Richtung Onderaans Herz, ein kleines Messer in der Hand.

»Ahh!«, schrie der Soldat, als Siektes Klinge sich in seine Brust bohrte. Das Messer fiel zu Boden. Der Soldat sank in sich zusammen. Er lag im Sterben.

O Heilige, nein!

Ich nahm seinen Arm und drückte so schnell ich konnte. Schmerz glitt heraus aus mir, dann - nichts. Die Schmerzen prallten gegen eine Mauer des Todes und wogten zurück. Ich rang nach Luft, als die Schmerzen mich erfassten.

»Nya, alles in Ordnung mit dir?« Danello wischte mir die Schweißperlen von der Stirn.

»Nein«, flüsterte ich. Schmerzen wirbelten um meine Brust und erschwerten es mir zu atmen. Ich hätte ihn nie heilen sollen. Ich war genauso schlecht wie die Unsterblichen, Schmerz zufügen, um zu bekommen, was ich wollte.

Danello legte den Arm um mich und half mir zu dem anderen Sofa. Neeme und ihre Freundin saßen uns gegenüber, Arm in Arm, aber still. Eine seltsame Mischung aus Dankbarkeit und Furcht lag auf ihren Gesichtern.

»Alles wird gut mit mir.« Eine Lüge. Ich hatte ein paar Tage, ehe mein Blut sich verdickte und mein Körper aufgab.

»Wir müssen Nya zu einem Heiler bringen«, sagte Danello.

»Oder ihr einen anderen Baseeri finden, den sie nicht mag«, meinte Siekte. Aylin runzelte die Stirn, aber ich hatte diesen Seitenhieb verdient.

»Niemand geht irgendwohin, bis ich verstanden habe, was heute Nacht geschehen ist.« Keine Frage über Onderaans Gefühle. Wut. Auf mich, auf Jeatar, auf den Soldaten.

»Ihr zuerst«, befahl er den drei Baseeris, die an der Wand standen. Sie schauten Ellis an. Die wollte aufstehen, doch es gelang ihr nicht. Sie setzte sich stattdessen kerzengerade hin.

»Wir sind in die Vorratsräume der Gilde wie geplant eingedrungen«, begann sie. Ihr Stimme klang fest, obwohl sie noch sehr blass war. »Wir sind ohne Probleme reingekommen und haben den Pynvium-Tresor genau dort gefunden, wo unser Kontakt gesagt hatte. Kilvet fing an, das Schloss zu knacken.« Sie machte eine Pause. »Da sind die Soldaten hereingestürzt. Sechs, sieben. Ich bin nicht sicher. Wir sind nur entkommen, weil wir Stolperdrähte gezogen hatten, wie du uns beigebracht hast. Die ersten Soldaten haben sie übersehen, sind hart zu Boden gegangen und haben damit den Rest zu Fall gebracht. Wir waren beinahe zurück, als wir in einen Hinterhalt gerieten. Ungefähr drei Blocks entfernt, gleich nachdem wir auf die Straße gekommen waren. Wir haben vier getötet, einer hat mich erwischt, der andere -« Sie deutete auf den Toten auf dem Fußboden, »den haben wir gefangen, weil wir glaubten, er weiß vielleicht etwas. Deshalb haben wir ihn hergebracht.«

»Liegen noch Leichen auf der Straße?«

Sie zuckte zusammen. »Jawohl.«

Er fluchte und wandte sich an die drei, die noch die Uniform trugen. »Macht da sauber, ehe jemand die Leichen findet. Und nehmt euch die Siegel fürs Tor, während ihr sie wegschafft.«

»Jawohl.« Sie rannten im Gänsemarsch die Treppe hinauf.

»Dieser Tresor hätte nicht so gut bewacht sein sollen«, sagte Onderaan. »Die Gilde hat nur einen minimalen Mitarbeiterstab und jetzt kaum noch Pynvium. Könnten wir einen Spion haben?«

Siekte schaute mich an.

»Sie sind keine Spione«, erklärte Jeatar.

»Sie tauchen passenderweise genau dann auf, wenn wir das Pynvium stehlen?« Sie schnüffelte zornig. »Und wir haben keine Ahnung, wer - oder was - sie sind.«

»Ich weiß, wer und was sie sind, und sie sind keine Spione«, erklärte Jeatar.

Neeme nickte. »Sie hat mich und Ellis gerettet. Sie kann nicht schlecht sein.«

»Das hätte sie tun können, um unser Vertrauen zu erschleichen«, sagte Siekte. Ich könnte ihr widersprechen, aber nichts, was ich sagte, würde ihre Meinung über mich ändern. Besonders, wo sie teilweise recht hatte.

»Hat sie nicht«, widersprach Neeme. »Sie hat nicht einmal gewusst, wer ich war, als die Bande mich angegriffen hat.«

»Es sei denn, sie hat sie angeheuert.«

Jeatar schnaubte verächtlich. »Das ist nicht dein Ernst. Ein Überfall ging schief. Das passiert. Vielleicht gibt es überhaupt keinen Spion.«

»Du.« Onderaan zeigte auf mich. »In mein Arbeitszimmer. Jetzt. Allein«, fügte er hinzu, als Jeatar und Siekte vortraten.

Siekte schaute ihn an, als habe er von ihr verlangt, ihn zu erstechen. »Aber sie könnte die Schmerzen in dich schiften.«

Er wandte sich an mich. »Bist du eine Bedrohung?«

»Nicht, wenn du nicht versuchst, mich zu töten.«

Einen Herzschlag lang sah ich, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. »Das klingt fair.«

Mit Danellos Hilfe kam ich auf die Beine. Die Schmerzen waren jetzt erträglicher, da sie dort eingeschlossen waren, wo ich sie beherrschen konnte. Aber sie würden nicht eingeschlossen bleiben. Ich ging zu Onderaans Arbeitszimmer und sank auf einen Stuhl. Er schloss die Tür, nahm seinen Platz hinter dem Schreibtisch ein, setzte sich aber nicht. Eine lange Minute schaute er mich nur an. Seine Schultern wurden mit jedem Atemzug angespannter. Unwillkürlich stellte ich fest, dass er sehr breite Schultern hatte.

»Wie kannst du es wagen, mich zu beschuldigen, dass ich mir nicht genug Mühe gebe, wenn du ohne fremde Hilfe in die Lager hättest eindringen können!« Er sprach leise, aber die Wut war unüberhörbar. »Du maßt dir ein Urteil über mich an und was ich zu erreichen versuche, hast aber die Frechheit zu verhehlen, dass du eine Schmerzlöserin bist.«

Meine bereits schmerzenden Eingeweide verkrampften sich. »Ich bin eine Schifterin. Ich wäre dem Herzog direkt in die Finger gelaufen.«

»Das gilt für jeden Schmerzlöser, den ich dorthinschicke.«

»Das ist nicht das Gleiche.«

»Natürlich nicht - es ist dein Hals, um den es geht, nicht ihrer.«

»Ich kann kein Pynvium erspüren.«

Seine Wut legte sich. Nicht ganz, aber hoffentlich so weit, um diese missliche Situation zu bereinigen und ihn zu überreden, uns bleiben zu lassen.

»Du hast recht«, fuhr ich fort. »Ich kann jede Probe bestehen, die sie mir geben, um zu beweisen, dass ich eine Schmerzlöserin bin. Aber sobald sie von mir verlangen, Schmerzen in Pynvium zu drücken, fliege ich auf.«

»Du könntest trotzdem hineinkommen.«

Diesmal wurde ich wütend. »Und was tun? Es von drinnen mit einer ganzen Armee aufnehmen? Glaubst du nicht, ich würde es tun, wenn ich so meine Schwester retten könnte? Und Danellos Brüder? Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht meinen Kopf opfern, um mein Herz zu gewinnen. Es steht zu viel auf dem Spiel, und dieses Mal muss ich es richtig planen.«

Onderaan setzte sich. Seine Augen bohrten sich in meine. Wut sah ich nicht mehr darin, eher ein wenig Verwirrung. Ich war nicht wirklich sicher, was er fühlte, aber es schienen eine Menge Dinge gleichzeitig zu sein.

»Du wärst also willig, die Lager zu infiltrieren, wenn du als ein gewöhnlicher Schmerzlöser durchkämst?«

»Ich wäre jetzt schon dort, wenn ich das könnte.«

Onderaan lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er musterte mich scharf und klopfte mit einem Knöchel gegen die Lippen. Den Blick kannte ich. Er braute einen Plan zusammen.

»Ich habe an etwas gearbeitet«, sagte er vorsichtig, als sei er immer noch nicht sicher, ob er mir trauen könne. »Es war für ein weit dringlicheres Problem gedacht, aber es könnte genau das sein, was wir brauchen, um dich in die Lager einzuschleusen.«

»Wie?«

Er nahm eine dünne Kette vom Hals. Ein Schlüssel baumelte daran. »Ich weiß nicht, wie es in Geveg aussieht, aber hier ist Pynvium seit über einem Jahr äußerst selten«, sagte er und öffnete eine Schreibtischschublade. Er holte eine kleine Eisenkiste heraus und schloss sie auf. »Es ist mir gelungen, hier und da kleine Stückchen zu schmuggeln und zu sammeln, aber diese Quellen sind schon vor Monaten versiegt. Seitdem gibt es in der gesamten Stadt kein Pynvium mehr.«

Wie überlebten diese Menschen ohne Pynvium? »Es sei denn, du bist der Herzog oder einer seiner Unsterblichen, richtig?«

»Genau. Ohne weiteres Pynvium war ich nicht imstande, das hier fertigzustellen.« Er legte ein Armband auf den Tisch, an das mit feinen Ketten drei Ringe angefügt worden waren.

In mir zitterte alles, und ich wollte davonlaufen, so schnell ich konnte. Obwohl ich die Ziselierungen nicht sehen konnte, wusste ich, dass sie da waren. »Das ist Pynvium mit Geheimzeichen.«

»Woher ...« Er schaute mich verblüfft an. »Sie sind auf der Innenseite, siehst du?«

Ich wollte sie nicht sehen. Ich drückte mich in den Stuhl und bemühte mich, so weit wie möglich entfernt zu bleiben. »Leg das weg, bitte!«»Was ist los?«

»Das Ding! Kannst du es nicht spüren?«

»Nein, nichts.« Er legte das Armband zurück in das Kästchen. »Ich dachte, du könntest Pynvium nicht erspüren.«

»Kann ich auch nicht. Aber das kann ich spüren. Ich habe das Gefühl, als kröchen überall Spinnen über meinen Körper, innen und außen.«

Wie im Haus Zertaniks. Er war ein Techniker gewesen. Hatte er versucht, ebenfalls ein Pynviumgerät zu bauen? Wie ich ihn kannte, würde das etwas sein, das er verkaufen konnte; keines um Menschen zu helfen. Vielleicht glaubte er aber auch, er könne es dem Herzog verkaufen.

Onderaan runzelte die Stirn. »Wenn du so sensibel bist, wird das wohl nicht funktionieren.«

»Warum fühlt es sich so falsch an?«

»Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich habe noch niemanden getroffen, der so reagiert hat wie du. Vielleicht hast du einen Hauch eines Technikers in dir.«

Ich war es müde, einzigartig zu sein. »Was ist es?«

»Ein Heilgerät.« Er zuckte mit den Schultern, als wäre das keine so große Sache, wie sie geklungen hatte. »Es war schwierig genug, das Pynvium zu bekommen, aber noch schwieriger ist es, Heiler zu finden, die es benutzen können. Das trifft auf die letzten Jahre zu. Ich habe versucht, Pynvium einzusetzen, um Schmerzen herauszuziehen, nicht um damit zu blitzen.«

Heilen ohne Heiler. Das wäre genial. »Funktioniert es?«

»Ich glaube schon.«

»Hast du es erprobt?«

»Ich bin noch nicht fertig. Die Geheimzeichen sind richtig, aber ich kann den Auslöser nicht einbauen, ehe das Stück komplett ist.«

Die Geheimzeichen. Wie konnte etwas, das sich so entsetzlich anfühlte, Menschen helfen?

»Wofür sind die Geheimzeichen? Ich erinnere mich, dass mein Vater mit ihnen geschrieben hat, aber ich habe nie gesehen, dass er sie in etwas hineingraviert hat.«

Onderaan antwortete nicht gleich, schaute mich nur an. »Sie verstärken den Zauber. Die meisten Zauber können bewirkt werden, indem man die Zeichen mit Wasser oder Öl aufträgt, wenn das Pynvium abkühlt.«

»Die leichten.«

»Ja. Eingebettete Zauber sind schwierig herzustellen, aber sie währen länger. Manche sogar für immer.«

»Sind sie gefährlich?« Das mussten sie sein, wenn sie mir dieses ungute Gefühl gaben.

Er nickte. »Durchaus möglich.«

»Sag mir, wie es funktioniert.« Ich hasste die Vorstellung, dieses Ding auf meiner Haut zu spüren, aber wenn es mich ins Lager der Schmerzlöser brachte, konnte ich es ertragen. Ich hatte schon Schlimmeres überlebt, um Tali zu retten.

Onderaan holte das Armband wieder aus dem Kästchen. Ich beruhigte meinen Magen. »Man trägt es einfach«, sagte er und streifte das Armband über die Hand. Die Ringe passten auf seine Finger. Ich hatte ähnlichen Schmuck in der Menge gesehen, als ich zuerst nach Baseer gekommen war. »Es braucht guten Hautkontakt, daher drückst du deine Hand auf den Patienten. Drücken und ein schneller Ruck, genau wie bei dem Stab. Das Pynvium zieht den Schmerz heraus.«

»Wie kann es wissen, was es heilen soll?«, fragte ich. Schmerzlöser brauchten eine Ausbildung, um richtig heilen zu können. Nie im Leben konnte ein einfaches Stück Pynvium das - ganz gleich, wie viele Geheimzeichen es aufwies.

Er seufzte. »Ich bin nicht sicher, wie es genau funktioniert. Ich habe Notizen und Aufzeichnungen, die mir mein Großvater gegeben hat. Er sagte, unsere Familie besitze sie seit Generationen und dass sie funktionierten. Er hat selbst Dinge hergestellt.«

»Heilgeräte?«

»Nein, hauptsächlich Waffen. Das Heilgerät habe ich mir ausgedacht, indem ich zwei getrennte Muster von Geheimzeichen zusammenfügte. Ich weiß, es wird funktionieren.«

Ich war nicht so sicher. Wer wusste, was es tun würde, wenn es erst an der Hand eines Menschen war. Konnte es Schlimmeres tun als das, was du jetzt tust? »Also, wenn ich das Ding trage, kann ich heilen und es sieht so aus, als hätte ich es getan?«

»Ja.«

»Und was passiert, wenn ich es in eine Pynviumrüstung drücken muss?«

Er zögerte. »Das schafft es nicht. Es reicht für mehrfache Heilungen, dann ist die Kapazität erschöpft. Aber -«, fügte er schnell hinzu, als ich etwas sagen wollte, »die Unsterblichen bekommen oft monatelang keine Rüstungen. Sie unterziehen sich Ausbildung, Konditionstraining und Tests. Es ist durchaus möglich, dass du sie lang genug an der Nase herumführen kannst, bis du deine Schwester und die anderen gefunden hast.«

Möglichs waren genauso schlimm wie Vielleichts. »Was brauchst du, um es fertig zu bauen?«

»Mehr Pynvium. Das war der Grund für den Überfall heute Abend.«

»Ich schätze, du kannst es nicht einfach morgen Abend noch mal versuchen.«

»Nicht jetzt.«

»Und es gibt keinen anderen Ort, um mehr Pynvium zu bekommen?«

»Nicht in den Außenvierteln.«

Das hieß, es gab mehr, aber dorthin zu gelangen, war wahrscheinlich gefährlich. Wenn ich ihm zu mehr Pynvium verhalf, konnte er das Gerät fertig bauen und ich konnte in die Lager der Schmerzlöser vordringen und Tali retten. »Wenn wir uns bereit erklären, dir zu helfen, können dann alle bleiben? Du wirfst sie nicht hinaus?«

Er zögerte und schaute mich forschend an, genau wie Papa, wenn er versuchte zu erraten, ob ich es ernst meinte. »Sie können zunächst bleiben, aber ihr könnt nichts tun. Der einzige Ort, wo man Pynvium bekommen kann, ist die Gießerei des Herzogs. Sie befindet sich im Viertel der Aristokraten, und das ist seit Monaten geschlossen. Dort hineinzugelangen ist unmöglich.«

Das hatte ich zuvor gehört. »Glück für uns. Unmögliches zu tun, ist meine Spezialität.«