Dreiundfünfzig
»Wir müssen was besprechen, Saien«, sagte Kil, als er in die Kabine kam, in der Saien aufgedreht an einem kleinen Touchscreen-Tablet spielte. »Wo hast du den her?«, fragte er. Es verwirrte ihn, Saien überhaupt spielen zu sehen.
»Ein Matrose hat ihn mir geliehen«, sagte Saien. »Ich soll ihm dafür Schießunterricht über weite Strecken geben. Im Moment schleuse ich gerade ein paar Spitzel ein, die … Ach, ist doch egal. Ich wette, wir werden uns schon einig, wenn du auch mal spielen willst.« Er lächelte.
»Du willst mich auf den Arm nehmen. Schalt das Spiel ab. Ich muss mit dir reden.«
»Um was geht’s denn?« Saien schaltete den Computer aus.
»Wir sind im Gelben Meer und nur noch einen Kilometer von der Küste Chinas entfernt. Ich habe durchs Periskop geschaut. Es wimmelt da oben ganz schön von diesen Dingern, zumindest an der Bohai-Küste. Trotzdem geht die Kampfgruppe Sanduhr morgen an Land – sobald die Drohnen ein paar Erkundungsflüge gemacht haben.«
»Erzähl mir mehr«, sagte Saien.
»Die Gruppe hat auf Oahu zwei Männer verloren«, platzte es aus Kil heraus. »Und ich glaube, ich bin verrückt genug, mit ihnen an Land zu gehen.«
»Nun, wenn das keine Kursänderung ist … Ich hätte dich nicht für den Typ gehalten, der Risiken eingeht, und das ist jetzt sehr riskant. Hättest du während der Zeit, die wir zusammen in Amerika verbracht haben, ebenso gehandelt, wärst du jetzt tot.«
»Yeah, die Chance besteht, dass ich nicht zurückkehre. Weswegen ich dich bitte, etwas für mich aufzubewahren.«
»Was kann das sein?«
»Mein Tagebuch. Ich möchte, dass Tara es bekommt. Ich traue sonst niemandem hier an Bord. Ich habe auch über dich einiges reingekritzelt. Aber ich habe nichts zu verbergen. Da steht nichts drin, was ich dir nicht auch ins Gesicht sagen würde.«
»Das muss ich ablehnen«, sagte Saien. Er klang todernst. »Das kann ich nicht machen.«
»Ich glaube, es ist das Mindeste, was du …«
»Ich habe Nein gesagt. Ich werde mit dir und den anderen zusammen nach China gehen, wo wir das meuchlerische Kapitel deines Tagebuches beenden werden. Zusammen.«
Kil musste seine Worte erst mal verdauen. »Saien … Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, Mann. Ich weiß zwar, dass Rex und Rico gute Typen sind, aber die haben mit mir zusammen noch keinen Panzer von einer Brücke gefahren, Untotenhorden bekämpft oder auf Kohlentendern geschlafen. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja. Ich verstehe. Wann geht es mit der Planung los?«
»Wir treffen uns in eineinhalb Stunden im SB. Ich referiere mal eben das, was ich schon weiß, damit wir auf einem Level sind.«
Er weihte Saien in Johns kodierte Botschaften ein und informierte ihn über die Luftunterstützung, die sie wahrscheinlich während ihrer Operation erhalten würden.
»Du siehst also, dass unsere Lage so übel gar nicht ist«, meinte er am Ende. »Wir sind nicht ganz allein und brauchen keine Angst zu haben.«
»Tja, allein vielleicht nicht.«
»Na schön. Dein Land hat dir viel vorenthalten. Welche anderen Geheimnisse können noch hinter den Türen unterirdischer Grüfte hocken?«
»Das weiß nur Gott.«
Nachdem Kil die Position des flussaufwärts befindlichen Stützpunktes skizziert hatte, übertrug er sie in sein Tagebuch.
Auf dem Weg zur Einsatzbesprechung hielt Kil einen Moment in der Funkstation an, um die Wache zu überprüfen.
»Noch kein Glück gehabt?«, fragte er den Techniker.
»Nein, Sir. Noch immer keine Verbindung. Ich höre nur den üblichen alten aufgezeichneten KW-Tratsch aus Keflavik, die sich ständig wiederholende BBC-Ansage und die Pekinger Flughafendurchsage. Das Spektrum ist still. Das Sonar hat allerdings vor einiger Zeit etwas aufgefangen.«
»Das Sonar? Etwa ein anderes U-Boot?«
»Es heißt, man hätte etwas gehört, aber keiner traut sich zu sagen, dass ein U-Boot war. Knöpfen Sie sich die Jungs mal vor, Sir. Ich war schließlich nicht dabei.«
»Keine Sorge, bleiben Sie nur dran und rufen Sie den Flugzeugträger weiter an. Ich gehe morgen an Land und werde vermutlich ein paar Stunden weg sein. Vielleicht auch länger.«
»Sie gehen an Land? Sir, wollen Sie sich wirklich anschauen, wie die …«
»Yeah, geht nicht anders«, sagte Kil. »Behalten Sie nur die Apparate im Auge. Wir sehen uns, wenn ich zurück bin.«
»Aye, aye, Sir.«
Kil und Saien setzten ihren Weg zum SB fort und quetschten sich durch klaustrophobisch enge Gänge. »Tja, ich schätze, das ist es«, sagte Kil scherzend. »Gleich geht sie los, die Gerüchteküche. Bald wissen alle an Bord, dass wir an Land gehen. Wir sollten unsere Siebensachen lieber verstecken, solange wir von Bord sind. Ich bezweifle, dass viele davon ausgehen, dass sie uns noch mal zu sehen kriegen. Könnte sein, dass manch einer klebrige Finger kriegt, wenn wir weg sind.«
»Was ist eine Gerüchteküche?«, fragte Saien.
»Ach, das sagt man so, wenn Gerüchte sich zusammenbrauen. Klatsch und Tratsch und solche Sachen.«
»Ah, wie die Gerüchte, die man über den Flugzeugträger hört … Dass eine kubanische Rakete ihn versenkt hat.«
»Yeah, genau«, sagte Kil. »Aber erstens ist Kuba wahrscheinlich bis zur Guantanamo Bay von Untoten überrannt worden, und zweitens: Selbst wenn das Regime noch sowjetische Raketen mit der Reichweite und Zielgenauigkeit hätte, die nötig ist, um das Schiff zu treffen, wäre ihr Haltbarkeitsdatum längst überschritten. Es war aber ein gutes Beispiel, Saien. Zum Lachen. Vielleicht können die Castros ein paar beschlagnahmte Riesenzigarren abschießen.« Dass Saien diese Anspielung verstand, glaubte er weniger.
Nach dreimaligem festem Anklopfen wusste man im Sicherheitsbereich, dass sie vor der Tür standen. Nach einer kurzen Begutachtung durch das Glas wurde die Tür aufgeschlossen, und die beiden Männer traten ein. Der Warnhinweis, der verhindern sollte, dass nicht durchleuchtete Personen das geheime Nervenzentrum betraten, war ebenso wenig vorhanden wie der, der Infizierte zurückwies. Alle sicheren Zonen erforderten eine visuelle Überprüfung nach Anzeichen einer Infektion, bevor einem der Eintritt gestattet wurde.
Monday räusperte sich und winkte Kil und Saien zum Tisch hinüber. »Dort drüben.«
Am Tisch saßen Captain Larsen, der Schiffskaplan, Rex, Rico, Commie und Commander Monday. Vor ihnen war eine große Landkarte ausgebreitet.
Monday begann sofort mit der Einsatzbesprechung. »Wir haben grob geschätzt sechzehn Stunden, bevor wir morgen um 10.00 Uhr GMT loslegen. Die Aurora wird sechs Stunden lang auf Station sein, um Ein- und Ausmarsch zu decken, und wir werden außerdem tragbare Drohnen am Himmel haben, doch der Captain will ihnen nicht erlauben, Ihnen zum Stützpunkt zu folgen. Er wird es in Kürze erklären. Die Zeit ist natürlich knapp. Wenn Sie drin sind, muss alles sehr schnell gehen.«
»Gibt es, abgesehen von der Bergung des Patienten Null, noch etwas, das wir wissen oder nach dem wir Ausschau halten müssen?«, fragte Rex.
Monday zögerte einen Augenblick, dann wandte er sich an Larsen. »Sir, sind wir autorisiert, das Siegel der Einsatzdaten zu brechen?«
»Ja, wir sind autorisiert, seit wir uns in chinesischen Gewässern befinden«, erwiderte Larsen. »Machen Sie nur.«
Monday drehte die Alpha-Wählscheibe des Safes. Nach einem hörbaren Klicken trat er beiseite, damit Larsen zum Zuge kam. Einzelpersonen hatten nie Zugang zu Behältern, in denen sich bestimmte Abschusscodes oder andere heikle Daten befanden.
Larsen betätigte den Griff, zog die Schublade heraus und ließ Licht auf Dinge fallen, derer man nur selten ansichtig wurde.
»Okay, setzen wir uns.«
Da der Tisch nur über sechs Sitzplätze verfügte, blieb Commie hinter Larsen stehen. Der Captain brach das Siegel der Dokumententasche und entnahm ihr den Papierstapel, den sie enthalten hatte, bevor sich die Virginia in panamaischen Gewässern aufgehalten hatte.
»Okay, die meisten von Ihnen glauben zu wissen, wo der Stützpunkt sich ungefähr befindet. Dazu werde ich die Satellitenaufnahme herumgehen lassen. Die Virginia ist gegenwärtig hier.« Larsen deutete auf die Mündung eines Flusses am äußersten westlichen Teil des Bohai-Meeres. »In Wirklichkeit liegt der Stützpunkt aber in der Region Tianjin, südöstlich der Region Peking. Ich entschuldige mich für das Täuschungsmanöver, aber wenn wir gekapert worden wären, hätte ich kein Leck riskieren können. Niemand an Bord außer den in diesem Raum Anwesenden kennt die wahre und genaue Position des Stützpunktes. Deswegen können die Spiondrohnen Sie auch nicht bis vor die Tür begleiten. Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen während des Unternehmens an der Oberfläche bleiben, um mit Ihnen in Verbindung zu bleiben und die Datenverbindung mit den Spiondrohnen aufrechtzuerhalten. Wenn Sie an Land sind, werden die Drohnen das Unterseeboot beschützen und nach Bedrohungen Ausschau halten. Haben Sie dazu irgendwelche Fragen?« Larsen schaute in die Runde.
Kil hob die Hand. »Was ist mit dem Teil des Planes, laut dem wir an einem Flugplatz in der Nähe einen Hubschrauber klauen sollen?«
»Das war ein notwendiges Manöver, um jene zu täuschen, die nicht wissen, dass Sie in einen Stützpunkt eindringen, der nicht in Peking liegt«, erwiderte Larsen. »Die Region Tianjin ist weniger bevölkert, und wie man sieht, liegt der Stützpunkt nur knapp acht Kilometer landeinwärts vom Fluss.«
Rico stieß Rex mit dem Ellbogen an, da er die Frage nicht selbst stellen wollte.
»Okay, ich frag ja schon … Sir, wie kommen wir den Fluss rauf? Er schlängelt sich ganz schön dahin, da kann man sich im Dunkeln sicher verirren. Auf dem Satellitenbild sieht man jede Menge Hütten, Schuppen und Liegeplätze. Ein Schlauchboot macht Lärm und wird an beiden Ufern Aufmerksamkeit erregen. Es könnte Ärger geben. Wir haben kein GPS mehr, und den richtigen Anlegeplatz zu finden dürfte nicht einfach sein.«
»Ja, deswegen fahren wir mit der Virginia den Fluss hinauf. Wir bleiben so dicht am Flussufer, dass Sie, wenn Sie wollen, mit dem Schlauchboot an Land paddeln können. Sie könnten auch ans Ufer schwimmen, aber dazu würde ich nicht raten. Beobachtungen von oben haben Wasserleichen gemeldet. Es sind viele, und manche bewegen sich noch. Unser Navigationssystem navigiert ausschließlich mit internen Laserkreiseln und ist nicht von GPS-Signalen von außen abhängig. Wir gehen bis auf einen Zentimeter an eine optimale Landestelle heran. Außerdem wird unser bester Sonartechniker an den Geräten sitzen, um uns zu helfen, die Virginia an den seichten Stellen vorbeizumanövrieren.«
»Wohinter sind wir eigentlich wirklich her?«, fragte Kil.
Larsen blätterte einige Seiten des Einsatzplanes um, hielt aber bei einer Fotografie inne, die aus einer schrägen Perspektive und offenbar unter der Hand gemacht worden war. »Das ist Null oder, um es mit dem chinesischen Codewort zu benennen: CHANG. Lassen Sie’s mal rumgehen.«
Das Foto zeigte etwas bis zum Hals von Gletschereis Umhülltes. Es trug einen Anzug, der aussah, als bestünde er aus einer Metalllegierung. Ein Gesicht konnte man nicht erkennen, denn ein Helmvisier verhüllte den Kopf. Der einzige Hinweis darauf, dass es sich noch rührte, war die eigenartig gekrümmte Stellung seiner Hände, die teilweise aus dem Eisblock herausragten.
»Es hat den Helm noch auf«, sagte Kil. »Sie haben ihn nicht abgenommen?«
Larsen antwortete schnell. »Nein, haben sie nicht oder zumindest nicht, bevor der Staatspräsident es ihnen befohlen hat. Laut dem, was die NSA abgehört und entschlüsselt hat, glauben wir, dass der entsprechende Befehl Anfang Dezember letzten Jahres erging. Der Termin passt natürlich makellos. Wir können es zwar nicht beweisen, aber die Notregierung nimmt an, dass die Anomalie losging, als CHANGs Schutzanzug beschädigt wurde. Ich glaube, den Rest der Geschichte kennen Sie, und zwar in dreidimensionaler Form.«
»Dann schlagen wir uns also zu diesem Stützpunkt durch, gehen rein und stöbern des Ding auf«, sagte Rex. »Und dann?«
»Sie schalten es aus und nehmen es mit zum Boot«, erwiderte Larsen. »Wir frieren es in einem modifizierten Torpedorohr ein, das wir vorbereitet haben, und bringen es den Wissenschaftlern der Notregierung.«
»Mit allem gebührenden Respekt«, sagte Kil. »Aber das kommt gar nicht infrage. Sie wollen, dass ich das muntere Ding zu diesem Boot bringe und es dann die ganze Rückfahrt über zu meinem Zimmergenossen mache? Ich weiß nicht mal genau, was das, was Sie CHANG nennen, genau ist, aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich musste während meiner Amtszeit als Hotel-23-Kommandant gegen einen überrumpelten Küstenwachekutter in die Schlacht ziehen. Es waren nur drei verstrahlte Untote nötig, um ihn zu übernehmen. Die Überlebenden konnten sich immerhin retten, indem sie über Bord sprangen. Wenn es hier an Bord zu einem Ausbruch kommt, können wir uns nirgendwo verstecken. Wieso halten Sie das für eine gute Idee?«
»Es sind Befehle der höchsten Autorität«, sagte Larsen ruhig und bestimmt. »Sie kommen von ganz oben, und wir werden sie ausführen.«
»Ich habe eine Menge Gerede über die Notregierung gehört«, sagte Kil. »Aus wem besteht sie eigentlich? Und wo sitzt sie?«
»Notregierungen, wie sie heute existieren, gab es schon lange vor uns. Die unsere residiert in einem Stützpunkt, der umgangssprachlich Pentagon Zwei heißt. Seit der Präsident umgekommen ist und die Raketen abgefeuert wurden, gibt sie die strategischen Anweisungen. Sie verwaltet im Kollektiv sämtliche Macht und befehligt die Exekutive, was bedeutet, dass sie gesetzliche Autorität über das Militär und damit auch über Sie hat, Commander.«
»Gehen wir mal davon aus, ich wäre Ihrer Meinung und dass wir diesen beziehungsweise dieses CHANG finden«, sagte Kil wütend. »Wie, verdammt noch mal, sollen wir ihn oder es ausschalten? Mit Klebeband? Mit Drohungen? Das Einzige, was gegen die Dinger je gewirkt hat, war eine Kugel durchs Hirn. Man kann sie nicht zähmen, man kann nicht mit ihnen verhandeln. Wir haben es mit Viren auf zwei Beinen zu tun, mit Viren, die nur eines wollen: uns alle anstecken.« Er wusste, dass er seine Kraft an Larsen verschwendete.
»Bevor Sie vom Flugzeugträger zu uns gekommen sind, wurden uns von der Notregierung ein paar Dinge geliefert. Monday, holen Sie die Kanone.«
Kurz darauf kehrte Commander Monday mit einer großen, an einen Flammenwerfer erinnernden Gerätschaft zurück.
»Dies ist eine Schwarmkontrollschaumkanone – oder SKSK«, sagte Monday. »Ihre beiden Mündungen verschießen verschiedene Chemikalien und setzen, wenn sie sich an der Luft vermischen, einen Prozess in Gang. Die Verbindung verhärtet sich in Sekundenschnelle wie Beton. Wird CHANG damit beschossen, kann er sich nicht mehr rühren. Wir schlagen den Schaum ab, damit er in das modifizierte Torpedorohr passt. Passiert etwas Schlimmes, schießen wir ihn wie einen dicken Haufen außerirdischer Kacke ins Meer, und zwar ohne jedes Zögern. Dann können die Haie sich seiner annehmen.« Er legte die Gebrauchsanweisung auf den Tisch.
Kil erkannte sofort die Schrifttype und die Art, wie sie auf dem wasserfesten Papier dargestellt wurde. »Woher stammt diese Waffe?«, fragte er argwöhnisch.
»Wir haben nicht nachgefragt«, sagte Larsen. »Warum auch?«
»Nur so. Bin einfach neugierig, Sir.«
»Ach, jetzt sagen Sie plötzlich Sir zu mir, obwohl Sie gerade noch Randale gemacht haben und aufsässig waren?«
»Wie würden Sie in meiner Lage handeln, Sir?«
»Deswegen habe ich es auch überhört und Sie nicht in Eisen gelegt, ins Torpedorohr verfrachtet oder vors Kriegsgericht gestellt.«
Kil spürte zwar, dass Larsens Worte nicht ernst gemeint waren, aber er tat so, als erzielten sie die erwünschte Wirkung.
»CHANG ist nicht unser einziges Ziel«, fügte Larsen hinzu. »Sie sollen sich auch das hier greifen.« Er deutete auf ein Foto, das durchsichtige würfelförmige Gegenstände zeigte. »Wir würden sie vermutlich Festplatten nennen. Commie weiß mehr. Erzählen Sie.«
»Ja, Sir. Es handelt sich hier um Datenspeicher. Man speichert in diesen Würfeln subnanolasergeätzte dreidimensionale Daten. In einem Würfel kann man viel mehr Informationen speichern, als die gesamte Menschheitsgeschichte kennt. Die Chinesen haben vermutlich nie in Erfahrung gebracht, um was es sich dabei handelt. Sie haben auch nicht den Luxus genossen, in jahrzehntelanger Arbeit ein einfaches Lesegerät zu ersinnen und zu bauen.«
»Ich will mich nicht beschweren«, sagte Rex. »Die Würfel sehen ziemlich leicht tragbar aus. Zumindest dürften sie leichter und viel ungefährlicher sein als das CHANG-Ding, aber weswegen sollen wir sie mitnehmen?«
»Es könnte sein, dass die Würfel Informationen über die Anomalie enthalten«, erwiderte Commie. »Wahrscheinlich können wir nicht alles lesen, aber wir hoffen zumindest, dass wir genügend Quadranten lesen können, die uns weiterbringen, damit wir irgendeinen Impfstoff oder dergleichen entwickeln können.«
Kil brachte die vor ihm liegende Geländekarte in eine andere Position, um sie zur wichtigsten Stütze des nächsten Themas zu machen. Während er sprach, zeichnete er die Punkte auf der Karte nach. »Rekapitulieren wir mal, okay? Wir fahren mit diesem U-Boot fünfzehn Kilometer einen seichten Fluss hinauf. Wir paddeln dann zu viert mit dem Schlauchboot an das Ufer dort und marschieren dann sieben, acht Kilometer ins Land hinein. Dann verschaffen wir uns irgendwie Zutritt zu diesem Stützpunkt, suchen das Wesen, beschießen es mit der Scheißschaumkanone und gehen dann zum Boot zurück, wobei wir einen zwanzigtausend Jahre alten Außerirdischen auf dem Buckel mitschleppen, ohne von ein paar Millionen untoten Chinesen gefressen zu werden. Habe ich was vergessen?«
»Die Datenwürfel«, sagte Commie, wenn auch in sicherer Entfernung von Kil, in leicht mahnendem Tonfall.
Larsen wartete eine Weile, bis das Kichern verklungen war und die Stimmung sich verschlechterte. Dann sagte er: »Tja, wenn man es so formuliert, klingt es nicht sehr vielversprechend, aber Sie haben ein paar Schlüsseldetails ausgelassen. Erstens sind wir beträchtlich weit von Peking entfernt, in einem Gebiet, das vor dem Ausbruch nicht besonders dicht bevölkert und keinem nuklearen Angriff ausgesetzt war. Zweitens, wir haben die Aurora, die für die Luftunterstützung zuständig ist und Ihnen sagt, welchen Weg Sie gehen müssen. Drittens, Sie müssen hin und zurück lediglich fünfzehn Kilometer zurücklegen. Sofern sie unterwegs kein Transportmittel requirieren können, was ratsam wäre. Viertens, Sie werden gut mit C4 und Zündern ausgerüstet sein, damit sie die Abwehr des Stützpunktes umgehen können. Verflucht, es ist nicht mal auszuschließen, dass die Türen da sperrangelweit offen stehen.«
»Danke für die deutlichen Worte, Captain«, sagte Kil. »Rex, ich glaube, wir vier müssen die Einsatzpapiere studieren und festlegen, wer was wann macht. Dann müssen wir unseren Kram zusammenpacken und ein paar Stunden pennen, bevor wir morgen an Land gehen. Es ist noch immer dein Team. Saien und ich sind nur Berater.«
»Yeah, verstanden«, sagte Rex. »Es klingt alles ganz gut, aber ich habe doch gehofft, du würdest den Dienstgrad raushängen lassen und das Kommando übernehmen, damit ich dich mit meinem überragenden Wissen und meiner Erfahrung alt aussehen lassen kann.«
»Man kriegt nicht immer alles, was man haben will, Rex«, sagte Kil. »Es ist deine Show.« Und er meinte es nicht scherzhaft.
Die vier Männer besprachen ihre Vorgehensweise und verbrachten den Abend mit Fragen. Wer steuert das Schlauchboot? Wer geht zuerst an Land? Und so weiter. Sie besprachen das Tempo und die Anfangskompassrichtung, in der sie zu der chinesischen Forschungseinrichtung gehen wollten. Für den Fall, dass sie die Verbindung verloren, sprachen sie taktische Funkfrequenzen primärer, sekundärer und tertiärer Wichtigkeit ab. Bei der Frage, wer die klobige Schaumkanone schleppen sollte, zog Rico das kürzeste Streichholz. Er schien sich aber über die Möglichkeit zu freuen, derjenige zu sein, der damit auf CHANG anlegen durfte. Larsen, Commie und Monday entschuldigten sich eine Stunde später in der Planungsphase, sodass Kil die Zeit bekam, die er brauchte.
»Okay, es dauert vielleicht nicht lange, bis sie wieder hier sind … Ich habe einen Freund auf dem Flugzeugträger. Er hat mir, bevor die Verbindung abbrach, einige kodierte Botschaften geschickt. Es war nicht viel, aber er sagt, dass die Wissenschaftler der Notregierung Versuche mit den anderen Exemplaren angestellt haben, über deren Existenz wir informiert wurden. Er sagt, sie wären stark und kleinen Feuerwaffen gegenüber resistent. Ich weiß, dass ich diese LaRue 7.62 mitnehme, die vermutlich alles durchlöchert, was uns begegnen könnte, aber wir könnten auch ein paar echte Kracher brauchen. Irgendwelche Fortschritte bisher, Saien?«
»Bin schon dran«, versicherte Saien. »Ich habe mich mit einigen Leuten an Bord angefreundet. Wir werden was kriegen, wenn wir von Bord gehen.«
»Noch Fragen?« Kil deutete auf Rex und Rico. »Okay, prima. Rico, bring die Spielzeugschaumkanone zum Arsenal und mach dich mit ihr vertraut, während wir die echten Waffen vorbereiten. Ich nehme an, der nächste Schritt besteht darin, Magazine zu füllen und unsere Knarren zu ölen. Meine wird glitschig sein wie ein extrafeuchtes Kondom. Eine Fehlfunktion kann ich morgen nicht gebrauchen.«
»Amen«, sagte Rex zustimmend.
Das Quartett eilte zum Waffenarsenal, um die Schwerter auszuwählen, mit denen sie in den Schlund des Drachen vorstoßen wollten.