Zweiundzwanzigstes Kapitel

 

Blackpool – und es ist mir egal, wie oft Sie das schon gehört haben, es ist doch einfach immer wieder verblüffend – zieht jedes Jahr mehr Besucher an als Griechenland und hat mehr Gästebetten als ganz Portugal. Sein Pro-Kopf-Verbrauch an Pommes frites ist der höchste auf unserem Planeten. (Hier werden pro Tag die Erträge von etwas mehr als sechzehn Hektar verputzt.) Es gibt die meisten Achterbahnen und die zweitbeliebteste Touristenattraktion in Europa, die siebzehn Hektar große Pleasure Beach, deren 6,5 Millionen jährliche Besucher nur von der Zahl derer übertroffen werden, die zum Vatikan pilgern. In Blackpool sind die berühmten Illuminationen. Und freitags und samstags abends mehr öffentliche Toiletten als irgendwo sonst in Großbritannien. Woanders heißen sie Türeingänge.

Was auch immer man von der Stadt hält, feststeht, daß sie ihre Sache sehr gut macht – und wenn nicht sehr gut, so doch sehr erfolgreich. In den letzten zwanzig Jahren, einer Zeit, in der die Zahl der Briten, die traditionellen Badeurlaub am Meer machen, um ein Fünftel gesunken ist, hat Blackpool seine Besucherzahlen um sieben Prozent gesteigert und seine touristischen Aktivitäten zu einer 250-Millionen-Pfund-Industrie ausgeweitet – keine geringe Leistung, wenn man das britische Wetter berücksichtigt, die Tatsache, daß Blackpool häßlich, schmutzig und völlig abgelegen ist, das Meer eine offene Toilette und daß seine Attraktionen beinahe alle billig, provinziell und schauderhaft sind.

Ich war wegen der Illuminationen dort. Ich hatte schon so viel davon gehört und gelesen, daß ich nun wirklich begierig war, sie zu sehen. Nachdem ich mir also ein Zimmer in einer bescheidenen, kleinen Pension genommen hatte, eilte ich mit einer gewissen Neugier zur Uferpromenade. Also, ich kann nur berichten, Blackpools Illuminationen sind alles andere als prächtig. Selbst-verständlich besteht immer die Gefahr der Enttäuschung, wenn man endlich etwas in Augenschein nimmt, auf das man sich schon so lange gefreut hat, aber was Enttäuschungen betrifft, ist Blackpools Lightshow schwer zu übertreffen. Ich hatte gedacht, es gebe Lasergeräte, die den Himmel anstrahlen, stroboskopisches Licht, das die Wolken tätowiert, und alle möglichen atemberaubenden Sensationen. Statt dessen rumpelte eine Karawane alter Straßenbahnwagen daher, wahlweise als Weihnachts-knallbonbon oder Weltraumschiff hergerichtet, und über etliche Meilen zierten armselige Dekorationen sämtliche Laternenpfahle. Wenn man zum erstenmal sieht, was man mit Elektrizität alles anstellen kann, verschlägt es einem vielleicht den Atem, aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Es wirkte alles schäbig und niveaulos, wie Blackpool selbst.

Nicht weniger erstaunlich als die mickrigen Illuminationen waren die Menschenmassen, die gekommen waren, um Zeuge des Spektakels zu werden. Auf der Promenade standen die Autos Stoßstange an Stoßstange, kindische Gesichter drückten sich an die Fenster jedes kriechenden Autos, und wahre Heerscharen spazierten fröhlich und zufrieden über die breite Promenade. Alle paar Meter verhökerten Straßenhändler Neonhalsketten und -armbänder und dergleichen modisches Talmi. Die Geschäfte gingen bombig. Irgendwo hatte ich auch gelesen, daß die Hälfte der Besucher Blackpools schon mindestens zehnmal dort gewesen ist. Weiß der Himmel, was sie daran finden. Ich lief etwa eine Meile über die Promenade und begriff nicht, was daran so reizvoll war – und ich liebe, wie Sie ja mittlerweile wissen, Kitsch. Vielleicht war ich nach meiner langen Reise von Porthmadog müde, aber ich konnte einfach nicht die rechte Begeisterung aufbringen. Ich wanderte durch hellerleuchtete Arkaden und lugte in Bingohallen, aber die festliche Stimmung, die offenbar jedermann ergriffen hatte, färbte nicht auf mich ab. Müde und mich sehr fremd fühlend, zog ich mich schließlich in ein Fischrestaurant fern von all dem Trubel zurück, wo ich eine Portion Schellfisch, Fritten und Erbsen verspeiste und wie eine südenglische Tunte angegafft wurde, als ich um Remouladensoße bat. Wieder ging ich früh zu Bett.

 

Um Blackpool noch eine Chance zu geben, stand ich morgens zeitig auf. Im Tageslicht gefiel es mir erheblich besser. An der Uferpromenade gab es ein paar hübsche gußeiserne Objekte sowie phantasievolle Buden mit Zwiebeltürmen, die Zuckerstangen, Torrone und andere klebrige Köstlichkeiten feilboten, was mir in der Dunkelheit des Vorabends entgangen war, und der Strand war breit und leer und sehr schön. Er ist sieben Meilen lang und existiert witzigerweise offiziell gar nicht. Also, ich flunkere nicht. Als die Europäische Gemeinschaft Ende der Achtziger eine Direktive betreffs der Höchstmenge an Abwässern erließ, die ins Meer geleitet werden dürfen, stellte sich heraus, daß fast jedes britische Seebad diese Norm bei weitem überschritt. Die Abwässer der meisten größeren Städte wie zum Beispiel Blackpool waren mit dem Scheißometer oder mit was auch immer diese Dinge gemessen werden, gar nicht mehr zu erfassen. Damit stand die Regierung vor einem Problem. Weil sie es aber haßte, Geld für britische Strände auszugeben, wo es doch wunderbare Strände für reiche Leute auf Mustique Island und Barbados gibt, entwarf sie Richtlinien, nach denen offiziell erklärt wurde – grotesk, aber ich schwöre, es ist wahr –, daß Brighton, Blackpool, Scarborough und viele andere führende Seebäder genau genommen keine Badestrände hatten. Der Herr weiß, als was sie diese weiten Sandflächen bezeichneten – Abwässerzwischenlager, nehme ich an –, aber damit wurden sie das Problem los, ohne es zu lösen und ohne, daß es den Fiskus einen Penny kostete. Und darauf kommt es ja schließlich an, oder wie im Falle der gegenwärtigen Regierung: Einzig darauf kommt es an.

Aber nun Schluß mit politischer Realsatire! Auf nach Morecambe! Dort fuhr ich – mit diversen klappernden Triebwagen – als nächstes hin, einerseits, weil ich schmerzliche Vergleiche mit Blackpool anstellen wollte, andererseits, weil ich Morecambe mag. Ich weiß wirklich nicht, warum, aber ich mag es.

Wenn man es jetzt besucht, ist kaum zu glauben, daß es sich vor gar nicht allzulanger Zeit mit Blackpool messen konnte. Ja, von etwa 1880 an war Morecambe jahrzehntelang das Seebad im Norden Englands. Es hatte die ersten Strandilluminationen in Großbritannien. Es ist die Geburtsstätte von Bingo, Zuckerstangen mit Schriftzügen drin und Rutschbahnen. Während der berühmten Wakes Weeks, wenn ganze nordenglische Fabrikstädte Urlaub machten (und man Morecambe Bradford-by-Sea nannte), strömten 100000 Gäste gleichzeitig in seine Pensionen und Hotels. Zu seinen Glanzzeiten hatte es zwei Bahnhöfe, acht Music-Halls, acht Kinos, ein Aquarium, einen Rummel, eine Menagerie, einen sich drehenden Turm, einen Park zum Bootchenfahren, einen Sommerpavillon, einen Wintergarten, Großbritanniens größtes Schwimm-bad und zwei Piers. Der eine, der Central Pier, war der schönste und schmuckste im Land, mit sagenhaften Türmen und Kuppeldächern – ein orientalischer Palast, der in der Bucht von Morecambe zu schwimmen schien.

Es hatte mehr als tausend einfache Gästehäuser für die Massen, bot aber auch Zerstreuungen für extravagantere Ansprüche. Berühmte Theaterensembles und Orchester spielten dort so manche Saison, und viele Hotels standen den Luxusherbergen auf dem Kontinent in nichts nach, zum Beispiel das Grand und das Broadway, wo Anfang des Jahrhunderts gutbetuchte Gäste zwischen einem Dutzend Hydrotherapien wählen konnten: »Fichtennadel, Solbad, Schaumbad à la Plombiere und Schottische Dusche«.

Das wußte ich alles, weil ich ein Buch mit dem Titel Lost Resort: The Flow and Ebb of Morecambe gelesen hatte, von einem ortsansässigen Pfarrer namens Roger K. Bingham. Es ist nicht nur außergewöhnlich gut geschrieben (und an dieser Stelle muß ich einmal sagen, wieviele Leute sich in diesem Land um lokale Geschichtsschreibung verdient machen), sondern auch voller Fotos von Morecambe aus seiner Blütezeit, die in krassem Widerspruch zu dem Anblick standen, der sich mir bot, als ich, einer von nur drei Fahrgästen, aus dem Zug stieg und in die sonnenbeschienenen, aber schrecklich verblichenen Reize der Marine Road hinaustrat.

Schwer zu sagen, wann oder warum der Niedergang Morecambes begann. Bis weit in die Fünfziger hinein war es populär – noch 1956 hatte es 1300 Hotels und Pensionen, zehnmal soviel wie heute –, aber sein Abstieg hatte schon lange vorher begonnen. Der berühmte Central Pier wurde in den Dreißigern durch einen Brand erheblich beschädigt und verfiel dann allmählich zu einer peinlichen Ruine. 1990 hatten die Stadtbehörden ihn sogar schon vom Stadtplan getilgt – sie taten einfach so, als sei der verfallene Trümmerhaufen, der ins Meer hineinragte und die Promenade dominierte, gar nicht da. Mittlerweile war der West End Pier 1974 von einem Wintersturm hinweggerissen worden. Die prächtige Alhambra-Music-Hall brannte 1970 ab, und das Royalty Theatre wurde zwei Jahre später dem Erdboden gleichgemacht, damit Platz für ein Einkaufszentrum war.

Anfang der Siebziger war Morecambes endgültiger Verfall dann nicht mehr aufzuhalten. Eines nach dem anderen verschwanden die markanten Gebäude der Stadt, das altehrwürdige Schwimmbad 1978, der Winter Gardens 1982, das wahrhaft prachtvolle Grand Hotel 1989, und die Leute fuhren nicht mehr nach Morecambe, sondern nach Blackpool und an die Costa Brava. Ende der Achtziger konnte man, schreibt Bingham, ein großes, einstmals stolzes Strandhotel wie zum Beispiel das fünfstöckige Grosvenor zu demselben Preis kaufen wie eine Doppelhaushälfte in London.

Heute besteht Morecambes ramponierte Strandpromenade im großen und ganzen aus wenig besuchten Bingo- und Spielhallen, »Alles-für-ein-Pfund!«-Läden und solchen Sonderangebotsboutiquen, deren Klamotten so billig und unattraktiv sind, daß man sie ohne Risiko an Ständern hinausstellen und unbewacht lassen kann. Viele Geschäfte sind leer, und die meisten anderen sehen aus, als täten sie’s auch nicht mehr lange. Wieder ist Morecambe – Ironie der Geschichte – Bradford-by-Sea geworden. Es ging sogar so sehr bergab, daß die Stadt im Sommer zuvor nicht einmal jemanden hatte finden können, der die Konzession zum Vermieten der Liegestühle haben wollte. Wenn das in einem Seebad passiert, na, dann ist wirklich zappendüster.

Und dennoch hat Morecambe seine Reize. Die Strandpromenade ist schön und gut gepflegt, und die weite Bucht (174 Quadratmeilen, falls Sie sich Notizen machen) gehört zu den schönsten der Welt. Von dort hat man unvergeßliche Blicke auf die grünen und blauen Berge des Lake District, den Scafell, den Coniston Old Man, die Langdale Pikes.

Aus Morecambes goldenem Zeitalter hat im Grunde nur das Midland Hotel überlebt, ein elegantes, heiteres, strahlend weißes Art-deco-Gebäude an der Strand-promenade mit einer weitgeschwungenen, stromlinien-förmigen Fassade aus dem Jahre 1933. Damals waren Betongebäude groß in Mode. Da aber die örtlichen Baubetriebe keinen Beton verarbeiten konnten, wurde es aus Accrington-Backstein erbaut und mit Mörtel verputzt, so daß es aussah wie Beton, was ich sehr liebenswert finde. Heute bröckelt das Hotel leise vor sich hin und hat hier und dort sogar Rostflecken. Viel von der Innendekoration ging während periodischer, nachlässiger Renovierungen über die Jahre verloren, und etliche große Plastiken von Eric Gill, die einstmals Eingang und Gasträume schmückten, verschwanden einfach, aber es hat immer noch einen unverwüstlichen Dreißiger-Jahre-Charme.

Wo das Midland Hotel heutzutage seine Gäste hernimmt, ist mir schleierhaft. Als ich dort war, herrschte gähnende Leere. Ich trank eine Tasse Kaffee in einer leeren Lounge und schaute auf die Bucht hinaus. Heute ist Morecambe unter anderem natürlich deshalb so liebenswürdig, weil man, wo immer man als Kunde hinkommt, dankbar begrüßt wird. Ich genoß die erstklassige Bedienung und den hübschen Blick, beides ist, soweit ich mitbekommen habe, in Blackpool nicht zu haben. Als ich wieder ging, fiel mein Blick in den leeren Speisesaal, auf die weiße Gipsstatue einer Meerjungfrau von Gill. Ich schaute sie mir an. Der Schwanz der Statue, die wahrscheinlich ein kleines Vermögen wert ist, war mit Unmengen Klebeband zusammengeklebt – sehr symbolträchtig.

Ich nahm ein Zimmer in einer Pension an der Strandpromenade. Die Inhaber empfingen mich so dankbar und erschreckt, als hätten sie vergessen, daß all die leeren Zimmer oben zu vermieten seien. Nachmittags war ich mit Roger Binghams Buch unterwegs. Ich schaute mir die Sehenswürdigkeiten an, versuchte mir die Stadt in ihrer Glanzzeit vorzustellen und beehrte gelegentlich Tea Rooms und deren mitleiderregend dankbare Serviererin-nen mit meiner Anwesenheit.

Es war ein milder Tag, und eine Anzahl Leute, meist älteren Jahrgangs, flanierte über die Promenade, aber es gab wenig Anzeichen, daß jemand Geld ausgab. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, wanderte ich über die Promenade fast bis Carnforth und trabte über den Sandstrand zurück, denn es war Ebbe. Überraschend an Morecambe ist nicht, fiel mir da auf, daß es so heruntergekommen ist, sondern daß es je prosperiert hat. Schwer, sich einen weniger geeigneten Ort für ein Seebad vorzustellen. Seine Strände bestehen aus ekligem, matschigem Schlamm, und in seiner riesigen Bucht ist dank der Launen der Gezeiten stundenlang gar kein Wasser. Wenn Ebbe ist, kann man sechs Meilen quer über die Bucht nach Cumbria laufen, aber ohne Wattführer ist es gefährlich. Einmal erzählte mir ein solcher Führer schreckliche Geschichten von Pferdekutschen, die versucht hatten, die Bucht bei Ebbe zu überqueren, und im tückischen Treibsand versunken und nie wieder gesehen worden waren. Selbst jetzt noch wandern Leute manchmal zu weit hinaus und werden dann durch die herein-strömende Flut abgeschnitten.

Ich wüßte angenehmere Arten, einen Nachmittag zu beschließen.

Wagemutig ging ich ein paar hundert Meter zu den Sandbänken hinaus, studierte die Wurmhäufchen und interessanten Wellenmuster, die die zurückweichenden Fluten hinterlassen, behielt aber wohlweislich den Treibsand im Auge. Es ist auch gar kein Sand, sondern Schlick, und er saugt einen wirklich weg, wenn man hineintappt. In Morecambe schießt das Wasser bei Flut nicht einfach herein wie in der Severnmündung, sondern es kriecht aus verschiedenen Richtungen herbei, was besonders gefährlich ist, weil man sich leicht auf einer großen, aber heimtückisch schrumpfenden Sandbank inmitten einer großen, nassen Bucht gestrandet sieht – besonders, wenn man dazu neigt, sich in seine Gedanken zu verlieren. Ich paßte also gut auf und traute mich nicht zu weit hinaus.

Ach, es war richtig schön – unter Garantie schöner als alles, was Blackpool zu bieten hatte. Schon allein das komische Gefühl, über den Meeresboden zu laufen und sich vorzustellen, daß man gleich neun Meter unter Wasser sein könnte. Und dann die Einsamkeit. Wenn man aus einem großen Land kommt, ist es nämlich mit am schwersten, sich daran zu gewöhnen, daß man in England im Freien selten wirklich allein ist. Man findet kaum einen Platz, wo man, sagen wir, in Ruhe pieseln kann, ohne befürchten zu müssen, gleich im Fernglas eines Vogelbeobachters aufzutauchen oder eine beherzte Wanderin um die nächste Ecke auf sich zukommen zu sehen. Auf dem weiten Sandstrand allein zu sein war also ein ziemlicher Luxus.

Von hier draußen, aus ein paar hundert Metern Entfernung, sah Morecambe in der Spätnachmittagssonne wunderhübsch aus, und als ich den Strand verließ und ein paar moosige Betonstufen zur Promenade hochkletterte, sah es auch von nahem und weit weg von den trostlosen Bingohallen und den Ramschläden gar nicht so übel aus. Die Pensionen am östlichen Abschnitt der Marine Road wirkten ordentlich und adrett und liebenswürdig zuversichtlich. Mir taten die Besitzer leid, die ihre Hoffnungen in die Häuser investiert hatten und sich nun in einem sterbenden Seebad befanden. Der Abstieg, der in den Fünfzigern begann und in den Siebzigern unaufhaltsam wurde, muß für diese armen Leutchen verwirrend unbegreiflich gewesen sein, da sie doch zusehen konnten, wie Blackpool, gerade mal zwanzig Meilen weiter im Süden, boomte.

Törichterweise, wenn auch verständlich, versuchte Morecambe mit Blackpool zu konkurrieren. Es baute ein teures Delphinarium und ein neues Freibad, und kürzlich war sogar der hirnrissige Plan aufgetaucht, einen Mr.-Blobby-Freizeitpark anzulegen. Dabei liegt Morecambes Zauber doch darin, daß es nicht Blackpool ist. Das gefiel mir ja auch so – daß es friedlich, freundlich und manierlich ist, daß es in den Pubs und Cafés viel Platz gibt, daß man nicht von Jugendlichen mit überschüssigen Kräften von der Bordsteinkante geschubst wird und auf weggeworfenen Plastikfrittentellern Bürgersteigsurfen machen muß.

Ach, wie schön wäre es, wenn die Leute eines Tages die Wonnen eines ruhigen Urlaubs am Meer wiederentdecken würden, die einfachen Freuden, auf einer gutgepflegten Uferpromenade spazierenzugehen, am Geländer zu lehnen und den Ausblick zu genießen, mit einem guten Buch in einem Café zu sitzen oder einfach herumzubummeln. Dann blüht und gedeiht Morecambe vielleicht wieder. Und wäre es nicht herrlich, wenn die Regierung Maßnahmen ergriffe, dahinschwindende Orte wie Morecambe zu restaurieren? Den Pier nach den Originalplänen wieder errichtete, einen neuen Winter Gardens subventionierte, die Gebäude an der Strandpromenade sanierte, und vielleicht eine Abteilung des Finanzamts oder sonst eine Institution in die Stadt verlegte, um ihr zu einem bißchen Leben rund ums Jahr zu verhelfen.

Es bedarf nur eines Anstoßes und eines vernünftigen langfristigen Plans, und man würde garantiert auch die Leute hierherlocken, die Buchläden eröffnen möchten, kleine Restaurants, Antiquitätenläden, Galerien, von mir aus auch Tapas-Bars und ein Boutique-Hotel. Warum denn nicht?

Morecambe könnte ein kleines nordenglisches Pendant von Sausalito oder St. Ives werden. Vielleicht grinsen Sie bei der Vorstellung, aber was hat denn ein Ort wie Morecambe sonst für eine Zukunft? Am Wochenende könnten die Leute kommen, in neuen Strandrestaurants gepflegt speisen und auf die Bucht hinausschauen und vielleicht in ein Theaterstück oder Konzert im Winter Gardens gehen. Yuppie-Bergwanderer könnten hier übernachten und so den Lake District entlasten. Es wäre alles ausgesprochen sinnvoll. Aber es wird natürlich nie passieren, und zum Teil deshalb, mit Verlaub gesagt, weil Sie grinsen.