Zwölftes Kapitel

 

Es gibt gewisse Dinge, die man nur dann zu schätzen weiß, wenn man britisch oder zumindest älter ist als ich, vorzugsweise beides: Skifflemusik, wie Angela Rippon bei Morecombe and Wise tanzt und die Beine zeigt, HP-Sauce, Salzstreuer mit einem einzigen großen Loch, Rummelplätze, Sandwiches aus selbstgeschnittenem Brot, Tee mit viel Milch, Schrebergärten, die Überzeugung, daß häusliche Stromleitungen ein fesselndes Gesprächsthema abgeben, Dampfloks, Toast, den man unter einem Gasofengrill fabriziert, der Glaube, daß es ein ziemlich schöner Ausflug ist, wenn man mit seinem Ehegespons Tapeten aussucht, Wein aus etwas anderem als Weintrauben, ungeheizte Schlaf- und Badezimmer, Seaside Rock, Windschutzplanen an einem Strand aufzustellen (warum, ich bitte Sie, sind Sie dort, wenn Sie einen Windschutz brauchen?) und sich für Nachwahlen zu interessieren. Und vielleicht noch ein, zwei andere Attraktionen, die mir im Augenblick nicht einfallen.

Ich behaupte ja nicht, daß diese Dinge schlecht oder langweilig oder doof sind, sondern nur, daß ihr Nutzen und Reiz sich mir im Grunde bis jetzt entziehen. Mit aller gebotenen Vorsicht möchte ich dieser Kategorie auch Oxford hinzufügen.

Ich habe den größten Respekt für die Universität und ihre 800 Jahre unermüdlichen intellektuellen Ackerns, aber ich muß gestehen, daß mir nicht ganz klar ist, wozu das heutzutage noch gut ist, da Großbritannien keine Kolonialbeamten mehr braucht, die geistreiche Sprüche in Latein vom Stapel lassen können. Will sagen: Ich sehe in Oxford all diese Dozenten und Scholaren vorbeischreiten, tief in Diskussionen über die Kontroverse zwischen Leibniz und Clarke oder die postkantianische Ästhetik versunken, und denke: Sehr beeindruckend, aber einen Hauch luxurierend in einem Land, das drei Millionen Arbeitslose und als letzte große Erfindung Rückstrahler, »Katzenaugen«, vorzuweisen hat. Erst am Vorabend war in den News at Ten ein Beitrag gewesen, in dem freudestrahlend verkündet wurde, daß die Firma Samsung eine neue Fabrik in Tyneside baute mit Jobs für 800 Leute, die bereit waren, orangefarbene Overalls zu tragen und jeden Morgen eine halbe Stunde T’ai Chi zu machen. Nennen Sie mich einen unverbesserlichen Banausen, aber mir scheint – und das Argument gebe ich in aller Freundschaft zu bedenken –, wenn die industrielle Potenz einer Nation so nachgelassen hat, daß sie sich zur ökonomischen Absicherung ihrer Zukunft auf koreanische Firmen verlassen muß, wird es vielleicht Zeit, daß sie ihre bildungspolitischen Prioritäten revaluiert und vielleicht den einen oder anderen Gedanken daran verschwendet, wie sie im Jahre 2010 das Essen auf den Tisch bringt.

Vor Jahren habe ich einmal im Fernsehen ein Quiz zwischen einem britischen und einem amerikanischen Gelehrtenteam gesehen. Die Briten gewannen so mühelos, daß es dem Moderator und den Zuschauern im Studio zutiefst und spürbar peinlich war. Eine überwältigende Demonstration intellektueller Überlegenheit! Die Schlußpunktzahl war so in der Gegend von 12000 zu 2. Aber aufgepaßt, jetzt kommt’s! Wenn Sie heute die Wettbewerbsteilnehmer aufspüren würden, um zu sehen, was aus ihnen geworden ist, würden Sie sicherlich feststellen, daß die Amerikaner Aktien verkaufen oder Konzerne leiten und 350000 Dollar im Jahr verdienen, während die Briten die Tonalität der Chormusik des sechzehnten Jahrhunderts in Niederschlesien studieren und Pullover mit Löchern tragen.

Aber keine Bange. Oxford ist seit dem Mittelalter von überragender Bedeutung und wird es auch bleiben, lange nachdem es die University of Oxford (Sony UK) Ltd. geworden ist. Denn die Universität ist schon unendlich viel geschäftstüchtiger geworden.

Zur Zeit meines Besuches beendete sie gerade eine erfolgreiche Fünfjahreskampagne, in der sie eindrucksolle 340 Millionen Pfund aufgetrieben und den Nutzen von Firmensponsoring erkannt hatte. Wenn man sich das Vorlesungsverzeichnis anschaut, findet man es übersät mit Eintragungen wie »Der Shredded-Wheat (Neu! Ohne Zusatz von Zucker und Salz!)-Lehrstuhl für Östliche Philosophie« oder »Harris-Carpets (Warum mehr bezahlen? Tausende Rollen auf Lager zu Dauerniedrigpreisen!)-Fachbereich-Betriebswirtschaft«.

Die Praxis des Firmensponsoring scheint sich allgemein in den letzten Jahren in das britische Leben geschlichen zu haben, ohne daß man große Worte darüber verliert. Es gibt nun die Canon League, den Coca-Cola-Cup und das Ever-Ready-Derby. Der Tag ist nicht mehr weit, dann haben wir die Kellogg’s-Pop-Tart-Queen Mother, den Mitsubishi-Corporation-Proudly-Presents-Regents-Park und Samsung City (früher Newcastle).

Aber ich schweife ab. Und meckere ja auch gar nicht darüber, wie Oxford seine Geldmittel auftreibt oder seine Studenten ausbildet, sondern darüber, daß es so häßlich ist. Kommen Sie mit mir zur Merton Street, und ich zeige Ihnen, was ich meine. Und während wir hinten am Christ Church College entlangschlendern, achten Sie auf die harmonischen Formen des Corpus Christi College und den sanften goldenen Glanz des Merton College. Wir befinden uns in einer architektonischen Schatzkammer, einem der dichtesten Ensembles historischer Gebäude in der Welt, und Merton Street bietet uns einen fraglos hinreißenden Blick auf Giebelhäuser, kunstvolle, schmiedeeiserne Tore und schöne Stadthäuser aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Einige Fassaden sind durch das gedankenlose Hinzufügen von Stromkabeln leicht verunstaltet (andere, intellektuell weniger abgelenkte Nationen würden sie im Haus verlegen), aber sei’s drum. Das übersehen wir mal. Doch was ist das für ein unübersehbarer Störenfried am Ende? Ein Umspannwerk? Eine halboffene Anstalt, von den Insassen entworfen? Nein, es ist das Pförtnerhäuschen des Merton College! Dieses Ungetüm haben sie der ansonsten weitgehend intakten Straße ohne jeden Sinn und Verstand mal kurz in den Sechzigern aufgepfropft.

Nun kommen Sie mit mir denselben Weg zurück zur Kybald Street, einer vergessenen kleinen Seitenstraße, versteckt in einem Labyrinth pittoresker Gassen zwischen Merton und High Street. Am östlichen Ende mündet die Kybald Street auf einen Miniplatz, der förmlich nach einem kleinen Springbrunnen und vielleicht ein paar Bänken schreit. Was finden wir statt dessen? Das üble Durcheinander von Autos, die in zweiter, ja dritter Reihe parken. Nun weiter zum Oriel Square: Keinen Deut besser. Dann über die Cornmarket Street (schauen Sie nicht hin; grauenhaft!) bis zu dem skandalösen Betonschandfleck, den Verwaltungsgebäuden der University am Wellington Square. Nein, bleiben wir lieber nicht stehen, gehen wir zurück unter den niedrigen Decken des schrecklichen, schlecht beleuchteten, tristen Clarendon Shopping Centre hindurch und dann auf die Queen Street an dem gleichermaßen wenig reizvollen Westgate Shopping Centre und der Zentralbibliothek mit ihren trostlosen Fenstern vorbei und halten vor der überdimensionalen Eiterbeule an, welche sich als das Hauptverwaltungsgebäude des County Council von Oxfordshire entpuppt. Wir könnten weiter durch St. Ebbes laufen, an den scheußlichen Gerichtsgebäuden vorbei und über die lange, öde Oxpens Road mit ihren Autoreparaturklitschen und Parkplätzen sowie der Schlittschuhbahn in den kümmerlichen Grünanlagen und hinaus in die wuselig-verlotterte Park End Street, aber wir sollten doch wohl lieber hier am County Council Schluß machen und unsere müden Beine schonen.

Nichts von alledem würde mich ja großartig stören, wenn nicht alle, aber auch alle, mit denen man in Oxford spricht, meinen, diese Stadt sei eine der schönsten der Welt, ja, gerade auch wegen der sorgfaltigen Erhaltung des Stadtbildes und allgemeinen Lebensqualität. Ich weiß natürlich, daß Oxford unbeschreiblich schöne Ecken hat. Christ Church Meadow, Radcliffe Square, die Höfe in den Colleges, Gatte Street und Turl Street, Queens Lane und ein großer Teil der High Street, der botanische Garten, Port Meadow, die University Parks, Clarendon House, der ganze Norden Oxfords – alles erste Sahne. Hier gibt’s die besten Buchläden der Welt, ein paar der prächtigsten Pubs und die wundervollsten Museen, die man in einer Stadt dieser Größe finden kann. Außerdem eine tolle Markthalle. Und das Sheldonian Theatre. Die Bodleian Library. Beide eine reine Augenweide. Wie so vieles zum Dahinschmelzen.

Aber gleichzeitig ist so vieles so verhunzt worden. Wie ist das passiert? Die Frage meine ich ernst. Was für ein Anfall von Wahn hat die Stadtplaner, Architekten und Universitätsbehörden in den sechziger und siebziger Jahren ergriffen? Wußten Sie, daß einmal allen Ernstes vorgeschlagen wurde, Jericho, das Viertel mit den wunderschönen Handwerkerhäusern, abzureißen und eine Durchfahrtsstraße quer durch die Christ Church Meadow zu bauen? Die Idee war nicht nur dumm, sie war kriminell verrückt. Und dennoch wurde sie ansatzweise überall in der ganzen Stadt umgesetzt. Schauen Sie sich doch nur mal das Pförtnergebäude des Merton College an – nicht einmal der schlimmste Schandfleck Oxfords. Was mußten da für Unwahrscheinlichkeiten zusammenkommen, damit es erbaut wurde? Zuerst mußte es ein Architekt entwerfen. Er mußte durch eine Stadt mit einer 800 Jahre alten architektonischen Tradition wandern und gewissenhaft ein Gebäude konzipieren, das wie ein Toaster mit Fenstern aussieht. Dann mußte ein Komitee hoch wohlgelehrter Herren im Merton College seine himmelschreiende Gleichgültigkeit in Sachen Verantwortung für die Nachwelt an den Tag legen und sagen: »Ach, wißt ihr, seit 1264 setzen wir hier schöne Bauten hin, laßt uns zur Abwechslung mal einen häßlichen hinknallen.« Dann mußten die Baubehörden sagen: »Ja, warum nicht? In Basildon gibt es viel schlimmere.« Dann mußte die gesamte Stadt – Studenten, Universitätslehrer, Laden-besitzer, Büroangestellte, Mitglieder des Oxford Preservation Trust – den Mund halten und kuschen. Stellen Sie sich vor, das passiert zwei-, drei-, vierhundertmal, und Sie haben das moderne Oxford. Und da wollen Sie mir noch erzählen, es sei eine der schönsten, am besten erhaltenen Städte der Welt? Ich fürchte, dem ist nicht so. Es ist eine wunderschöne Stadt, die schon viel zu lange mit grober Gleichgültigkeit und bedauerlicher Inkompetenz behandelt worden ist, und jeder, der in Oxford wohnt, sollte sich ein wenig schämen.

Liebe Güte, was für ein Ausbruch! Muntern wir uns auf und schauen uns ein paar nette Sachen an. Das Ashmolean zum Beispiel. Was für eine wundervolle Institution, das älteste öffentliche Museum auf unserem Planeten und und mit Sicherheit eines der feinsten. Wie kommt’s, daß es immer so leer ist? An dem Morgen betrachtete ich die Altertümer dort stundenlang und hätte die ganze Bude nur für mich gehabt, wenn nicht ab und zu eine Schulklasse durch die Räume gerast wäre, die von einem gequält dreinblickenden Lehrer verfolgt wurde. Dann schlenderte ich zum Pitt-Rivers und dem University Museum, die in ihrer drolligen Art (»Willkommen in den Siebzigern des 19. Jahrhunderts«) sehr angenehm waren. Ich durchkämmte Blackwell’s und Dillon’s, bummelte durch Balliol und Christ Church College, streifte durch die University Parks und Christ Church Meadow bis hinaus nach Jericho und zu den großen schönen Villen Nord-Oxfords.

Vielleicht gehe ich mit der armen Stadt zu hart ins Gericht. Mit ihren verrauchten Pubs und Buchläden und der Atmosphäre der Gelehrsamkeit finde ich sie ja wunderschön, solange ich den Blick fest auf die angenehmen Dinge hefte und nie auch nur in die Nähe der Cornmarket oder George Street gerate. Es gefällt mir besonders abends, wenn der Verkehr so nachgelassen hat, daß man keine Sauerstoffmaske mehr braucht, und die High Street sich mit diesen geheimnisvollerweise so beliebten Döner-Kebab-Wagen füllt, die mich nicht verlocken (Wie kann man nur etwas essen, das so gruselig aussieht? Als sei es vom Bein eines toten Mannes abgeschnitten.), aber irgendwie so einen verführerischen Hopper-Glanz haben. Ich mag die dunklen Seitengäßchen, die zwischen hohen Mauern verlaufen und wo man immer halbwegs erwartet, von Jack the Ripper aufgespießt und zerlegt zu werden – oder vielleicht von einem Döner-Kebab-Großhändler. Ich wandere gern die St. Giles hoch und besuche Brown’s Restaurant, in dem immer lebhaftes Treiben herrscht – ein nettes, freundliches Lokal, wo man, vielleicht einzigartig in Großbritannien, einen exzellenten Caesar-Salat und einen Cheeseburger mit Schinken bekommt, ohne ihn bei hämmernder Musik unter Dutzenden nachgemachter Route-66-Schilder verzehren zu müssen. Vor allem trinke ich gern in Pubs, in denen man mit einem Buch sitzen kann, ohne daß man als asozial betrachtet wird, und sich unter lachenden, lebhaften jungen Leuten in Träumereien verlieren kann, wie es war, als man auch noch viel Energie und einen flachen Bauch hatte und Sex für etwas mehr hielt als die willkommene Gelegenheit, sich hinzulegen.

 

Als ich in meinem Hotel eincheckte, hatte ich unvorsichtigerweise gesagt, ich bliebe drei Nächte. Doch am späten Morgen des dritten Tages wurde ich allmählich ruhelos und beschloß, einen Spaziergang nach Sutton Courtenay zu machen, einzig und allein deshalb, weil George Orwell dort begraben ist und es die richtige Entfernung hatte. Ich wanderte über ein Rieselfeld nach North Hinksey und weiter nach Boar’s Hill durch eine Gegend, die mit kurioser Unentschlossenheit Chilswell Valley oder Happy Valley heißt. In der Nacht hatte es geregnet, der schwere Lehmboden klebte an meinen Schuhen, und das Gehen wurde mühsam. Bald hatte ich Erdklumpen angesammelt, die doppelt so groß wie meine Füße waren. Als dann der Pfad mit Rollsplitt bestreut war, vermutlich, um einem das Gehen zu erleichtern, blieb das Zeugs erst recht an meinen Schuhen kleben, so daß ich aussah, als wanderte ich mit zwei sehr großen Mandelsplitterbrötchen unter den Füßen herum. Oben in Boar’s Hill blieb ich stehen, um den Schlamm von meinen Schuhen zu kratzen und den Ausblick zu genießen – der Matthew Arnold inspirierte, den überkandidelten Unsinn von den »träumenden Kirchtürmen« zu verzapfen –, aber er ist brutal entstellt von den Reihen Hochspannungsmasten, die Oxfordshire in größerer Hülle und Fülle hat als jede andere Grafschaft, die ich kenne.

In Boar’s Hill gibt es ein paar reizende Villen, ich glaube allerdings nicht, daß ich dort glücklich würde. Mir fielen drei Einfahrten mit »Wenden-verboten«-Schildern auf. Nun sagen Sie mal, wie piefig muß man sein, wie lächerlich besitzerstolz auf sein bißchen Grund und Boden, um ein solches Schild aufzustellen? Was schadet es denn schon, wenn ein Mensch, der sich verirrt hat oder falsch gefahren ist, sein Auto am Rand der Einfahrt wendet? Ich wende grundsätzlich in solchen Einfahrten, ob ich muß oder nicht, und ich lege Ihnen nahe, mir darin nachzueifern. Es ist auch immer sehr ratsam, zwei- oder dreimal zu hupen, damit der Besitzer einen sieht. Und dabei fällt mir ein, daß ich Sie bitten möchte, Ihre Werbepost, besonders wenn sie Sie auffordert, noch mehr Schulden zu machen, zu zerreißen und in dem freigemachten Umschlag an den Absender zurückzusenden. Wenn wir es zu Tausenden machen würden, hätten wir sicher durchschlagenden Erfolg.

Von Sinningwell aus erreichte ich über eine kleine Nebenstraße Abingdon. Abingdon hat die am besten gepflegten Sozialwohnungsbauten, die ich je gesehen habe – weite Rasenflächen und schmucke Häuser –, und ein hübsches Rathaus, das auf Stelzen erbaut ist, als erwarte man eine vierzigtägige Flut. Aus Gründen des Anstands möchte ich mich weiter nicht zu Abingdon äußern. Es hat eine potthäßliche Einkaufspassage, die, wie ich später hörte, erschaffen wurde, indem man ein paar mittelalterliche Häuser abriß, und an den Rändern beweist es unbeirrt seinen Mut zur Häßlichkeit.

Sutton Courtenay schien erheblich weiter entfernt zu sein, als ich mich von der Karte her erinnerte, aber der Spaziergang dorthin war schön und bot häufige Ausblicke auf die Themse. Ein bezauberndes Dörfchen, mit einigen vornehmen Häusern, drei netten Pubs und einem kleinen Dorfanger mit einem Kriegerdenkmal, neben dem sich der Friedhof befindet, wo nicht nur George Orwell liegt, sondern auch H. H. Asquith. Nennen Sie mich einen unverbesserlichen Bauerntölpel aus Iowa, aber ich bin doch immer wieder beeindruckt, wie dicht diese kleine Insel mit bedeutenden Menschen bepackt ist. Ist es nicht bemerkenswert, auf einem einzigen Dorfkirchhof die Gräber von zwei weltberühmten Männern zu finden? Wir in Iowa wären schon auf einen stolz – ja, wir wären sogar auf Trigger, das Wunderpferd, stolz oder den Typen, der die Verkehrskegel erfunden hat, ach, auf so ziemlich jeden.

Ich ging auf den Friedhof und fand Orwells Grab. Drei hochaufgeschossene Rosenbüsche wuchsen darauf, und ein paar künstliche Blumen steckten in einem Einmachglas. Die Inschrift auf dem einfachen Stein war eigenartig knapp und lautete:

 

Hier liegt Eric Arthur Blair

Geboren am 25. Juni 1903

Gestorben am 21. Januar 1950

 

Nicht gerade gefühlsduselig, was? In der Nähe lag das Grab von Herbert Henry Asquith. Es war solch ein Teebüchsengrabmal und sank besorgniserregend ins Erdreich. Komisch, auch dessen Inschrift kam gleich zur Sache:

 

Earl of Oxford and Asquith

Premierminister von England

April 1908 bis Dezember 1916

Geboren am 12. September 1852

Gestorben am 15. Februar 1928

 

Fällt Ihnen was auf? Wenn Sie Schotte oder Waliser wären, bestimmt. Schon merkwürdig, hier. Ich meine, auf diesem Friedhof befanden sich die Ruhestätte eines berühmten Autors, anonym wie ein Armengrab, und die eines Mannes, dessen Nachfahren offenbar vergessen hatten, wovon er nun genau Premierminister gewesen war, und die ernsthaft in Gefahr stand, vom Erdboden verschluckt zu werden. Neben Asquith lag ein Ruben Loveridge »der am 29. April 1950 einschlief«, und nicht weit weg teilten sich zwei Männer ein Grab: »Samuel Lewis 1881 – 1930« und »Alan Slater 1924 – 1993«. Was für eine faszinierende kleine Gemeinschaft – hier wurden Männer zusammen bestattet, und man wurde begraben, wenn man einschlief.

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ich glaube, wir aus Iowa würden England Orwell und Asquith ruhig überlassen, wenn wir den Burschen kriegen könnten, der lebendig begraben wurde.