Kapitel 19

 

Obwohl Alex gewusst hatte, dass Gavin ein geduldiger Mann war, lernte sie die Vorteile dieser Eigenschaft erst in dieser Nacht voll zu schätzen. Anstatt sie Richtung Bett zu drängen, blieb er an der Tür stehen und küsste sie lange köstliche Minuten, während er ihr mit den Händen zärtlich, aber auf unverfängliche Art über den Körper strich. Als Katze hätte sie jetzt sicherlich geschnurrt.

Kluge, kluge Hände Wie im Traum merkte sie,

dass er die lästigen Häkchen und Schleifen geöffnet hatte, die ihr Kleid am Rücken zusammenhielten. Von allen Hindernissen befreit, glitt die rosenfarbene Seide über die Arme und Hüften, bevor sie langsam zu Boden raschelte.

Er ging dabei so geschickt vor, dass sie kaum bemerkte, was er tat, bis ihr Korsett auf wundersame Weise seine Umklammerung löste und ihren Oberkörper freigab. Sie atmete tief durch, als ihre Brüste die prickelnde Freiheit genossen.

Trotz seiner sanften Berührung wurde ihr angenehmer, tranceähnlicher Zustand unterbrochen, als er ihren Rücken durch das dünne Hemdchen streichelte, das seine Handflächen von ihrer nackten Haut trennte. Als er sie mit den Händen unterhalb der Taille berührte, wich sie unwillkürlich aus.

Um diese Reaktion wieder gutzumachen, versuchte sie ihm das Jackett auszuziehen. Mit einigen Schwierigkeiten schlüpfte er aus dem eng geschnittenen Kleidungsstück, während sie sich an den Knöpfen seiner Weste zu schaffen machte. Er musste lachen, als ihn ihre ungeschickten Finger kitzelten. »Du bist ja gefährlich, mein Schatz!«

Sie mochte es, wenn sein Akzent schottisch wurde, außerdem gefiel ihr die Vorstellung, gefährlich zu sein. Sie kitzelte ihn wieder.

Lachend schälte er sie aus dem Korsett, dann nahm er sie schwungvoll in die Arme und trug sie die vier bis fünf Stufen zum Himmelbett hinauf. In ihrem Kopf drehte sich ein Karussell. Sie schluckte mehrmals und hoffte, dass sie nicht zu viel Champagner getrunken hatte.

Das Bett war herrlich weich, nachdem er ein Jahr lang indische Pritschen und harte Schiffsmatratzen gewohnt war. Während sie tief durchatmete, um einen klaren Kopf zu bekommen, zog er ihr die Schuhe aus. »Was für elegante Füße meine Frau hat.«

»Sie sind groß wie meine Hände«, widersprach sie. »Überhaupt nicht zierlich und damenhaft.«

»Sie sind schön und kräftig und gut geformt, wie alles an dir.« Er massierte zuerst den einen seidenbestrumpften Fuß, dann den anderen. Bei diesem unerwarteten Vergnügen kringelte sie die Zehen.

Dann band er die Strumpfbänder auf. Wieder jagte ein Angstschauer durch sie hindurch, als sie seine Hände an den Knien spürte. Anstatt mit den Händen weiter hinauf zu wandern, zog er ihr nur die Strümpfe aus. Dann beugte er sich über sie und küsste sie in der kleinen Mulde am Hals. Auch wenn er sie nicht mit seinem Gewicht auf das Bett drückte, fühlte sie die Wärme, die von seinem Körper über ihr ausstrahlte.

Er nahm eine Brustwarze in den Mund und küsste sie durch die feine indische Baumwolle des Hemdchens. Sie schnappte nach Luft. Ihre aus Erregung und Angst gemischte Reaktion erstaunte sie. Der Puls trommelte in ihrem Kopf. Blut? Champagner?

Furcht.

Als seine Liebkosungen intimer wurden, unterdrückte sie ihre Angst und sagte sich, dass sie sich genau das gewünscht hatte. Das erste Mal würde schlimm sein. Danach würde es ihr leichter fallen, und bald würden die Schrecken der Sklaverei Vergangenheit sein.

Er atmete schwer und konnte seine Begierde kaum im Zaum halten. Etwas Hartes pochte an ihrem Schenkel, und sie spürte, dass der Mann, dessen klaren Verstand sie vertraute, sich im Feuer männlichen Begehrens verlor. Ihr eigener Atem beschleunigte sich mit wachsender Panik. Er würde ihr nicht wehtun, das wusste sie. Auch bei der Erniedrigung der letzten Aufgabe des Löwenspiels hatte er sie geschont. Sie hatte den Akt erduldet, also würde sie es auch jetzt in der privaten Sphäre ihres eigenen Bettes ertragen.

Seine Hand lag jetzt unter ihrem Hemd und schob sich unerbittlich über den dünnen Stoff ihrer Unterhose. Ihr Atem ging schnell und unregelmäßig, und sie war einer Ohnmacht nahe, weil ihre Lungen nicht genügend Luft bekamen.

Beruhige dich. Beruhige dich. Noch wenige Minuten, und es ist vorbei, und dann wird es dir nie mehr schwer fallen.

Trotzdem wimmerte sie vor Angst, als er ihr mit den Fingern zwischen die Schenkel glitt und sie tief innen streichelte. O Gott, er war in ihr, drang in ihren Leib ein. Sie biss sich so fest auf die Lippen, dass sie den metallischen Geschmack von Blut spürte.

Dann war er auf ihr. Sein fester muskulöser Körper hielt sie gefangen, gewaltsam stieß sein Penis gegen sie. Ihr Besitzer nahm sie und tat ihr weh! Von Panik ergriffen, stieß sie den Mann hysterisch von sich. »Nein! Nein!«

Ihr Verstand war ein einziger roter Schrei. Mit den Fäusten hämmerte sie auf sein Gesicht, auf seine Schultern, während sie nach Atem rang, um laut um Hilfe zu schreien. Plötzlich war sie von dem erdrückenden Gewicht befreit. Dann presste sich eine Hand auf ihren Mund.

»Alex! Alex !« Er schüttelte sie grob an der Schulter. »Es ist vorbei. Vorbei!«

Langsam bekam die Vernunft wieder die Oberhand. Es gelang ihr, sich auf sein Gesicht zu konzentrieren. Er atmete schwer. Seine Haut war nass vor Schweiß.

»Versprichst du mir, nicht zu schreien, wenn ich die Hand wegnehme? Keiner von uns will doch, dass deine Familie hereinstürzt, weil sie denken, ich bringe dich um.«

Sie musste einige Male tief durchatmen, bis sie wieder so weit bei Verstand war, um zu nicken. Er gab sie frei, schwang sich vom Bett und griff nach einem der Bettpfosten, um sich festzuhalten. Mit bebenden Schultern sog er die Luft in Schüben ein. Dann ging er durch das Zimmer und schloss die Verbindungstür geräuschlos hinter sich.

Sie war allein, in Sicherheit — und am Boden zerschmettert. Sie wickelte sich in die Bettdecke und kämpfte gegen ein hemmungsloses Schluchzen an. Sie hatte sehnlichst gewünscht, dass sie es schaffen würde. Er hatte Recht, der viele Champagner hatte ihre Sinne benebelt, auch wenn es anfangs eine Hilfe war. Aber als sie dringend einen klaren Verstand brauchte, um sich in den Griff zu bekommen, hatte sie sich wie eine Furie aufgeführt.

Als sich ihr Herzschlag beruhigte und ihre Benommenheit schwand, erkannte sie, dass sie etwas tun musste. Sicherlich kochte er vor Wut und war ebenso verletzt wie sie. Vielleicht noch schlimmer, da er ja in dem Glauben war, alles würde gut über die Bühne gehen. Ihre anfänglichen Reaktionen konnte er als Begeisterung deuten, bis sie verrückt gespielt hatte. Sie schüttelte sich.

Hoffentlich hatte sie ihn damit nicht so vor den Kopf gestoßen, dass er ihr nicht mehr verzeihen konnte.

Auch wenn dem so war, musste sie sich für ihr Verhalten entschuldigen. Sie putzte sich die Nase, zog einen warmen wollenen Morgenmantel an und Pantöffelchen, die sie von ihrer Tante geliehen hatte. Dann band sie das Haar mit einem Band zusammen und ging zur Verbindungstür.

Sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn er die Tür vor ihr verriegelt hätte, aber der Knauf ließ sich drehen. Sie trat leise ein und wusste nicht, was sie vorfinden würde. Wie in ihrem Zimmer spendete das Nachtlämpchen am Tisch neben dem Bett gerade ausreichend Licht, damit man nicht an die Möbel stieß. Das Bett war flach und unberührt.

Rasch suchte sie mit den Augen das Zimmer ab. Er saß in dem breiten Sessel am Fenster, die Beine lang ausgestreckt. Das Hemd schimmerte weiß. Das Profil hob sich dunkel gegen die Nacht ab, als er hinaus auf London blickte. Obwohl er ihr Kommen gehört haben musste, drehte er sich weder zu ihr um, noch richtete er ein Wort an sie.

Sie atmete tief ein. »Du musst wütend sein, und du hast jeden Grund dazu.«

»Ich bin nicht wütend.« Die kühle, unpersönliche Stimme schmerzte sie. »Du hast dein Bestes versucht. Keiner könnte mehr verlangen.«

»Trotzdem bedauere ich zutiefst, was geschehen ist. Ich ... ich dachte, ich könnte es tun.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, weil du tapfer warst.« Ein kurz aufleuchtendes Licht erhellte sein Gesicht, als er an seiner Zigarre zog. Ein Wölkchen Zigarrenrauch kringelte sich zum Fenster hin. Sie sah ihn zum ersten Mal rauchen.

»Ich war nicht tapfer ... ich war töricht. Du hattest Recht. Der Champagner war ein furchtbarer Fehler, der alles nur schlimmer gemacht hat und der ...« Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen. » ... der sich wahrscheinlich nicht wieder gutmachen lässt.«

Er seufzte. »Die meisten Dinge lassen sich wieder gutmachen, obwohl das in unserem Fall nicht einfach sein wird.«

Ermutigt, dass er bereit war, mit ihr zu sprechen, fragte sie: »Habe ich dir wehgetan?«

»Körperlich nicht. Zum Glück weißt du nichts über den pentjak silat, sonst wäre ich jetzt tot.«

Aber sie hatte seine Seele verletzt. Gavin wäre anderen Menschen gegenüber nicht so feinfühlig, wenn er nicht selbst so tief empfinden würde. »Ich habe nicht gegen dich gekämpft.«

»Ich weiß.« Er zog wieder an der Zigarre. »Wenn es eine Chance für uns gibt, darüber hinwegzukommen, dann, glaube ich, muss ich viel mehr über dich und deine Vergangenheit wissen.«

Wenigstens sagte er noch »wir«, wenn er von ihnen sprach, aber sie erkannte mit Entsetzen, dass sie ihm alles sagen musste, dass er das volle Ausmaß ihrer Erniedrigungen erfahren musste. Mit geballten Fäusten setzte sie sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch. »Frage mich alles, was du möchtest. Ich werde dir so gut ich kann antworten.«

»Findest du mich anziehend?«

Erstaunt über die Frage, antwortete sie ehrlich. »Für mich bist du der schönste Mann, der mir je begegnet ist.«

»Danke, aber das hat nichts mit Anziehung zu tun. Man kann eine Statue Michelangelos bewundern, ohne mit ihr schlafen zu wollen. Man kann sich von jemandem unwiderstehlich angezogen fühlen, dessen Aussehen ziemlich unbedeutend ist.«

Sie nagte an ihrer Lippe, als sie begriff, was er meinte. Sie dachte an das prickelnde Gefühl, das er sogar unter den damaligen Umständen in Maduri erweckt hatte, und antwortete: »Ich fühle mich von dir angezogen, aber alles ist mit den Dingen verflochten, die geschehen sind.«

»Deine natürlichen Reaktionen werden also von Furcht und Abscheu beherrscht.«

Er hatte deprimierenderweise Recht. »Ja. Ich fürchte ja.«

»Verstehen ist ein Anfang.« Er tippte die Zigarrenasche am Rand des Aschenbechers ab. »Verzeih die Frage, aber wie sah die intime Seite deiner Ehe aus? Hattest du Freude daran, oder hast du es nur geduldet?«

Sie war froh, dass die Dunkelheit ihr gerötetes Gesicht verbarg. »Als Braut war ich nicht gerade scheu. Ich fand Edmund sehr anziehend und ... konnte es kaum erwarten, ihn zu heiraten.«

»Eure eheliche Beziehung war also gut?«

Sie hätte wissen sollen, dass Gavin sich nicht mit einer einfachen Antwort begnügte. »Um ehrlich zu sein, ich war ein wenig enttäuscht. Mutter und der Colonel hielten sich in der Öffentlichkeit immer zurück, aber wenn sie allein waren, konnte man sogar noch nach zwanzig Jahren spüren, wie es zwischen ihnen knisterte. Sie hatten an jedem Aspekt ihrer Ehe Freude. Mit Edmund und mir war das nie ganz so. Aber ich hatte Spaß an meinen ehelichen Pflichten und liebte es, wenn ich ihm gefallen konnte. Einmal sagte er, wie stolz er sei, mich zur Frau zu haben. Er war immer liebevoll und zärtlich, nachdem wir miteinander ... geschlafen hatten.«

»Ein Mann tut fast alles für eine Frau, die ihn gut befriedigt. Das ist der Ursprung der weiblichen Macht«, antwortete Gavin. Nur der blass aufsteigende Qualm der Zigarre bewegte sich im Raum. »Alexandra, was hat man dir als Sklavin angetan? Ich weiß, dass es dir schwer fällt, darüber zu sprechen, aber ich muss es wissen, um dich zu verstehen.«

Ihre Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in ihren Handteller. »Am Anfang war es nicht so schlimm. Die Fahrt nach Maduri war kurz. Hätte sie länger gedauert, dann hätte man mich wahrscheinlich der Mannschaft überlassen. Eine Witwe ist nicht so wertvoll wie eine schöne junge Frau.

In Maduri kaufte mich ein Geschäftsmann. Er hieß Payaman. Er war untersetzt und von mittlerem Alter ,und sein besonderes Vergnügen bestand darin, die verschiedensten Frauen zu sammeln. Er besaß eine Chinesin, eine Inderin, eine Afrikanerin, eine blonde Tscherkessin — alle Formen und Farben. Er war wirklich kein schlechter Kerl. Er mochte Frauen und ein bequemes Leben und konnte es nicht verstehen, warum ich schrie und um mich schlug, wenn er mit mir schlafen wollte.

Seine Hauptfrau versuchte mir klarzumachen, welches Glück ich hätte, dass seine Wahl auf mich fiel. Ich bräuchte ihm nur zu Willen zu sein und hätte ein Leben in Luxus. Tuan Payaman hätte wahrscheinlich nur einige Male mit mir geschlafen, bis der Reiz des Neuen vorbei war. Aber ich wollte unbedingt fort und Katie suchen und wehrte ihn jedes Mal ab, wenn er mich rufen ließ. Eines Tages beschloss er, dass es keinen Sinn hatte, sich eine Europäerin zu halten, die ihn nicht an sich heranließ, und verkaufte mich an Bhudy.«

»Der Mann, der dein Kind gezeugt haben könnte?«

Sie begann zu zittern. »Im Gegensatz zu Payaman mochte Bhudy den Widerstand. Wenn ich mich wehrte, rief er seine Wachen und ... und sie legten mich in Ketten. Ich war nicht die Erste ... In Bhudys Schlafzimmer waren am Fußboden Messinghaken eingelassen.«

Gavin machte unwillkürlich eine heftige Bewegung. »Wie oft ist das passiert?«

»Wenn ihn die willigen Frauen langweilten. Aber nach einigen Monaten beschloss auch er, dass ich nicht der Mühe wert war.« Sie erhob sich und ging im Zimmer aufgeregt auf und ab. »Um mir eine Lektion zu erteilen, wollte er mich bei einer öffentlichen Versteigerung verkaufen. Vorher aber ließ er mich wieder am Boden fesseln und vergewaltigte mich ein letztes Mal. Dann ... dann kamen seine Wachen an die Reihe.«

»Großer Gott.« Schweigen erfüllte den Raum. »Wie konntest du weiterleben, ohne wahnsinnig zu werden?«

»Ich dachte an Katie. Und dann stellte ich mir vor, auf welche Arten ich Bhudy umbringen würde. Mögen Ratten seine Leber fressen und seine kostbaren männlichen Organe verrotten und abfallen.« Sie war an der Wand angekommen und drehte sich um. Mit zur Faust geballten Händen wanderte sie hin und her. »Payamans Hauptfrau hatte Recht. Es wäre klug von mir gewesen, mich willig meinem Gebieter zu ergeben. Wenn ich das getan hätte, wären mir Bhudy und seine schrecklichen Wachen erspart geblieben.«

»Wenn du dich nicht gewehrt hättest, würdest du jetzt noch in Payamans Harem sein, und Katie hätte ihre Großmutter niemals kennen gelernt.« Seine Stimme klang sanft. »Du hättest als Mann auf die Welt kommen sollen, Alexandra. Du hast das Herz eines Kriegers.«

»Du bist nicht der Erste, der sagt, an mir sei ein Mann verloren gegangen.« Bitterkeit stieg in ihr auf. »Sicherlich war ich nicht Frau genug, um Edmund davon abzuhalten, sich nach Katies Geburt eine Geliebte zu nehmen.«

Gavin fluchte innerlich. »Ein Mann, der dich betrügt, handelt aus seiner eigenen Schwäche heraus. Du bist nicht der Grund.«

»Vielleicht ... ich weiß nicht, warum er es getan hat. Vielleicht fand er mich als Frau nicht mehr begehrenswert, nachdem ich Mutter geworden war«, sagte sie traurig. »Wenigstens war er diskret. Seine Geliebte war ein hübsches irisches Mädchen, das wegen Diebstahls fortgeschafft worden war. Sie war unser Mädchen. Als ich dahinter kam und ihn zur Rede stellte, weigerte er sich darüber zu sprechen, mietete ihr aber ein kleines Haus am anderen Ende der Stadt, so dass ich sie nicht wiedersehen musste. Dafür war ich dankbar.«

»Ich bin überrascht, dass du es ertragen kannst, mit einem Mann im gleichen Zimmer zu sein.«

»Zum Glück kenne ich viele Männer der besseren Sorte.« Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass der

Colonel ihrer Mutter untreu war. Ihr Vater hingegen hätte jeden Rock ins Bett gezogen. Wenigstens war Edmund nicht so gewesen. Dieser Gedanke war ein kleiner Trost. »Gavin, ich möchte auch mehr über dich wissen. Wie war es zwischen dir und deiner Frau? Woher weißt du so viel über Frauen, wenn du deine Erfahrungen nur bei einer Frau gemacht hast?«

Er rieb sich die Schläfe, als ob die Erinnerung schmerzen würde. »Helena und ich waren wie ungeschickte junge Hündchen. Vollkommen unschuldig, aber voller Begeisterung. Wir beide wünschten uns nichts sehnlicher, als einander Freude zu machen, und das taten wir auch. Und was meine begrenzte Erfahrung anbetrifft, kennt man eine Frau sehr gut, so ist sie ein besserer Lehrmeister als ein Dutzend Frauen, mit denen man nur flüchtige Abenteuer hat.«

Das stimmte; sie hatte viel über Edmund gewusst und nichts über ihre Peiniger, nur dass sie brutal waren. Sie war dankbar, dass Gavin das Zimmer nicht angewidert verlassen hatte, als er über den vollen Umfang ihrer Erniedrigung erfuhr. »Jetzt kennst du die ganze Geschichte. Was nun?«

»Es gibt keine Möglichkeit, die Kerle zu bestrafen, die dich vergewaltigt haben. Das müssen wir Gott überlassen. Du könntest dich am besten rächen, wenn du das Erlebte überwindest und ein erfülltes, glückliches Leben führst.« Er blies einen Rauchkringel zum Fenster. »Wir werden es also der Zeit überlassen, dieses Wunder zu vollbringen. Die Sklaverei liegt erst wenige Monate hinter dir, und du bist gerade eben in deine Heimat zurückgekehrt. Als du mich vorhin zu dir eingeladen hattest, sagte mir mein Gefühl, dass es zu früh sei, aber ich wollte es nicht wahrhaben, also habe ich auch an dem heutigen Desaster schuld.« Seine Stimme klang reumütig. »Es ist leicht, sich etwas vorzumachen, wenn die Begierde im Spiel ist, und ich begehre dich wahnsinnig.«

Die Dunkelheit ließ sie diese Worte aussprechen. »Zum Glück weiß ich, dass du dich nicht vor mir ekelst und dass du mich immer noch begehrst, auch wenn ich dir das Leben so verteufelt schwer mache.«

»Der größte Preis ist der am schwersten gewonnene.«

»Wenn man durch Überwindung von Schwierigkeiten Wertvolles schafft, dann dürfte dies eine sehr wertvolle Ehe werden.« Sie versuchte dies mit leichter Stimme zu sagen, aber ohne Erfolg. »Ich glaube, für uns ist die Zeit nicht so wichtig. Ich muss in erster Linie lernen, das Begehren von der Angst zu trennen. Ich ... ich weiß nicht, wie ich das bewerkstelligen soll, aber ich habe zumindest eine Vorstellung, wo ich anfangen kann.«

Sie wollte nicht, dass sie den Rest der Nacht getrennt verbrachten, und blieb neben seinem Sessel stehen. »Danke, Gavin.« Sie nahm die Hand des geliebten Mannes und presste sie an ihre Wange. »Du gibst mir Hoffnung.«

Seine Hand spannte sich einen Augenblick. Dann drückte er ihre Finger, bevor er seine Hand behutsam von ihr löste. »Im Augenblick wollen wir uns auf äußere Dinge konzentrieren. Wir wollen deine und meine Freunde besuchen, uns ein Haus suchen und ein gemeinsames Leben aufbauen. Der Rest kommt von allein.«

Sie nickte zustimmend in der Dunkelheit. Für den Moment musste das genug sein.