Achtundvierzig

Officer Bloem war genauso nervös geworden wie Captain De La Cruz angesichts der vollständigen Fehlanzeige, was verfügbare Beamte zu ihrer Unterstützung anging, deswegen war er auch äußerst erleichtert, als er zwei gewöhnliche Streifenpolizisten in blauen Uniformen vor dem Eingang des Polizeihauptquartiers auftauchen sah. Draußen ging ein heftiger Wind, und die beiden sahen als Resultat ziemlich zerzaust aus. Weil es wenig Sinn ergeben hätte, die beiden armen Bastarde draußen unnötig warten zu lassen, eilte Bloem hinter seinem Schreibtisch hervor und drückte einen Sicherheitsknopf in der Wand neben der Tür, um den beiden zu öffnen. Der vordere der beiden drückte die Tür auf, und Bloem zog von seiner Seite mit, um sie den beiden Kollegen aufzuhalten.

»Ihr seid Goose und Kenny, nehme ich an?«, begrüßte er sie.

»Das ist richtig. Ich bin Goose, und das ist Kenny«, sagte der vordere der beiden, ein junger Bursche mit zerzaustem dunklem Haarschopf. Er trat durch die offene Tür und zog seinen Schlagstock aus dem Gürtel. »Wo stecken denn die anderen alle?«

»Benson hat sich verpisst, und De La Cruz versteckt sich unten im Untergeschoss. Aber er ist bestimmt froh zu hören, dass ihr beide jetzt hier seid. Ich schätze, die ursprüngliche Idee war, dass ihr die persönlichen Leibwächter der beiden spielt, aber weil De La Cruz im Augenblick der Einzige hier im Haus ist, könnt ihr euch vorerst den Job teilen, auf seinen Hintern aufzupassen. Falls Benson zurückkommt, wird einer von euch ihm zugewiesen werden.«

»Großartig«, sagte Goose. »Wir gehen gleich runter ins Untergeschoss, richtig?«

»Ihr kennt den Weg.«

Die beiden Officer passierten Bloem und betraten die Haupthalle. Als Bloem sich überzeugen wollte, dass die Glastüren wieder gesichert waren, drehte sich Goose zu ihm um und holte mit seinem Gummiknüppel aus.

PAFF!

Der Gummiknüppel krachte auf Bloems Schädel.

»Aua! Scheiße! Warum zum Teufel hast du das getan!«, brüllte Bloem und hielt sich den Kopf, wo schnell eine mächtige Beule erschien. Goose holte erneut aus, und der Gummiknüppel sauste kraftvoll herab. Diesmal erwischte er Bloem an der Schulter und am Hals.

»Aua! Hör gefälligst auf damit, ja?« Er machte sich an seinem Gürtelhalfter zu schaffen und wollte offensichtlich die Pistole ziehen.

Der andere Officer, Kenny, trat vor und versetzte Bloem einen Handkantenschlag in den Nacken. Bloem brach wie vom Blitz gefällt zusammen und rührte sich nicht mehr.

»Danke«, sagte Dante, der sich als Officer Goose ausgegeben hatte. »Ich kapier nicht, wieso dieser Knüppel ihn nicht k. o. geschlagen hat«, sagte er und starrte seinen Gummiknüppel verdrießlich an. Er war Bestandteil der billigen Imitation von einer Polizeiuniform gewesen, die sie bei Domino’s erstanden hatten.

»Nun ja«, sagte Officer Kenny (dessen Rolle Peto eingenommen hatte). »Es hilft, wenn du mit dem Ding zuschlägst, anstatt deine Gegner zu kitzeln

»Ich hab verdammt noch mal zugeschlagen!«

»Hast du nicht. Du hast ihn gestreichelt.«

»Hab ich nicht!«

»Hast du wohl!«

»Hab ich nicht!«

Ein Klopfen an der Glastür unterbrach die Diskussion. Die vermummte Gestalt des Bourbon Kid stand draußen und wartete ungeduldig darauf, eingelassen zu werden. Die Diskussion führte zu nichts, und es hatte keinerlei Sinn, sie fortzusetzen, wenn sich die Stimmung des Bourbon Kid dadurch weiter verfinsterte. Er hatte den Wagen geparkt und sich mit neuer Munition versorgt und war sicher enttäuscht, dass er die Action versäumt hatte. Peto traf die kluge Entscheidung, ihn nicht noch länger warten zu lassen. Hastig stieg er über den bewusstlosen Körper von Francis Bloem und betätigte den Knopf an der Wand, um seinem neuen Komplizen die Tür zu öffnen.

Der Killer mit der Kapuze stieß die Tür auf und betrat das Gebäude. Es hatte sich kaum verändert seit seinem letzten Besuch vor einem Jahr, als er sämtliche Beamten niedergeschossen hatte, die im Dienst gewesen waren. Einschließlich Somers.

»Dieser Typ scheint allein zu sein«, sagte Peto und zeigte auf den reglosen Bloem am Boden. Der Bourbon Kid warf einen Blick auf den bewusstlosen rothaarigen Gesetzeshüter und zückte seine abgesägte doppelläufige Schrotflinte (quasi ein Lieblingsspielzeug von ihm, wenn man so will). »Hey, warte!«, rief Peto erschrocken und fiel ihm in den Arm. »Der Typ ist bewusstlos. Es ist nicht nötig, ihn zu erledigen. Jesses, du musst nicht jeden umlegen, der dir im Weg steht, okay? Manchmal, wenn ein Gegner keine Bedrohung mehr darstellt, kannst du ihn auch einfach in Ruhe lassen. Er könnte eine Familie haben, weißt du? Eine Frau, Kinder, Haustiere, das ganze Programm. Atme einmal tief durch und entspann dich, und dann suchen wir nach diesem De La Cruz. Laut diesem Burschen am Boden ist er unten im Untergeschoss. Siehst du? Ich habe die Information längst, die wir brauchen, und es war ganz einfach, weil ich ihn nicht zuerst umgelegt und dann gefragt habe, kapiert?«

»Bist du fertig?«, fragte der Bourbon Kid und starrte auf die Hand, mit der Peto ihn am Arm gepackt hielt.

Peto war so klug, sie zurückzuziehen. »Ja. Hör zu, der andere Typ, dieser Benson, hat allem Anschein nach Fersengeld gegeben, also haben wir es im Augenblick nur mit De La Cruz zu tun. Bleib einfach cool, okay?«

»Okay.« Die Stimme war rau wie ein Reibeisen.

Der Mönch wandte sich um und ging voraus in die Haupteingangshalle. Dante folgte ihm, und der Bourbon Kid bildete den Schluss. Er war immer noch unentschlossen, ob er den Officer nun erledigen sollte oder nicht, deswegen ließ er die beiden anderen ein paar Meter vorausgehen.

PENG!

Der Kid schoss dem reglos am Boden liegenden Mann in den Kopf.

Peto wirbelte herum. »Jesses! Verdammt noch mal und zugenäht, wirst du wohl damit aufhören! Ich sagte, bleib cool, Mann!«

»Das war cool.«

»Nein, war es verdammt noch mal nicht!«

»Hör zu, Kumpel, die Kanone ist einfach losgegangen, klar?«, sagte der Kid cool. »Ein Glück, dass ich damit nicht auf dich gezielt habe. Das Ding hat einen eigenen Willen, wie es aussieht.«

Peto stockte für eine Sekunde, während er den blutigen Leichnam am Boden anstarrte und dann die vermummte Gestalt mit der Schrotflinte in der Hand zwischen ihm und dem Toten.

»Gut gemacht«, sagte er dann. Der Bourbon Kid murmelte etwas, das verdächtig nach »Ich konnte diese verdammten Schildkröten noch nie ausstehen« klang, und Peto beschloss klugerweise, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

Plötzlich leuchtete die Schalttafel auf Bloems unbesetztem Schreibtisch auf, und das Telefon läutete. Dante reagierte als Erster und ging hin, um abzunehmen. Er hielt sich das Headset ans Ohr und drückte auf den grünen Knopf der Schalttafel.

»Hallo, zehn-vier … Roger. Äh, Police Department, hier ist …«

»Wer zum Teufel ist da?«, schnaubte eine Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Äh, hier ist, äh … Officer Goose? Mit wem zum Teufel spreche ich?«

»De La Cruz hier. Wo, zum Teufel, ist Officer Bloem? Ist er beschäftigt?«

Dante blickte zu dem blutigen Leichnam vor der Tür. »Ich schätze, er ist im Moment nicht zu sprechen. Hat den Kopf verloren, würde ich sagen.«

»Ha! Typisch!«, schnaubte De La Cruz in den Hörer. »Haben Sie Ihren Kollegen auch mitgebracht? Diesen Kenny, richtig?«

»Jawohl, Sir. Sie müssen bitte nach oben kommen, Sir.«

»Warum denn das?«

»Bender bittet darum, Sir.«

»Wer?«

Peto hatte Dantes Fehler bemerkt und formte mit dem Mund das Wort »Benson«.

»Sagte ich Bender? Ich meinte natürlich Benson, Sir. Er sagt, er hätte einen sicheren Ort gefunden, zu dem wir Sie beide bringen können. Aber Sie sollen sich beeilen, Sir. Der Bourbon Kid ist auf dem Weg hierher.«

»Verdammt. Also gut. Ich bin unterwegs.«

Dante legte das Headset zurück und deutete zu den Lifts am anderen Ende der Halle. Der Bourbon Kid setzte sich in Bewegung.

Kurze Zeit später verriet die Anzeigentafel über dem mittleren Aufzug, dass jemand aus dem Untergeschoss nach oben kam.

Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
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