Zwölf

Beth lag auf dem roten Teppich in der Eingangshalle und riss die Hände hoch, um sich zu schützen, während sie den Kopf zur Seite wandte und angstvoll die Augen schloss.

Die Kirchenglocke schlug immer noch, und das Geräusch übertönte das Rauschen des Regens und des Sturms. Das junge Mädchen, das bereits jetzt eine wahre Achterbahn von einem Abend hinter sich hatte, fand sich erneut auf dem abschüssigen Teil der Strecke wieder. Sie schrie laut auf, als sie spürte, wie die Spitze des goldenen Dolches die zarte Haut ihrer Wange durchtrennte und bis zu ihren Zähnen dahinter eindrang. Die Klinge erzeugte einen langen Schnitt, ehe sie zurückgezogen wurde, kurz bevor sie Beths Mundwinkel erreichte. Beth öffnete die Augen, doch sie füllten sich rasch mit Tränen vor Schmerz, so dass es beinahe unmöglich war zu sehen, wo der Dolch jetzt war. Mit verzweifelt rudernden Händen tastete sie nach dem Arm ihrer Stiefmutter, bevor sie erneut zustechen konnte.

Sie sah den Blitz aus hell funkelndem Gold, als der Dolch ein zweites Mal auf ihr Gesicht herabstieß. Instinktiv riss sie den Arm hoch, um ihn abzuwehren, während sie zur gleichen Zeit durch reinen Zufall eine Handvoll des roten Gewands ihrer Stiefmutter zu packen bekam. Sie zog daran, so fest sie konnte, und spürte, wie die ältere Frau das Gleichgewicht verlor. Olivia Jane fiel nach vorn auf ihre entsetzte Stieftochter, und der Kampf zwischen ihnen endete abrupt.

Das Läuten der Kirchenglocke verklang, und für einen Moment war nichts mehr zu hören außer dem Prasseln des Regens draußen. Dann erhob der Anführer des Kults, der große Mann mit der Widdermaske, das Wort im Namen der übrigen Mitglieder seines Clans, die sich in der Halle hinter ihm eingefunden hatten, um dem Opfer beizuwohnen.

»Olivia Jane?«, intonierte er feierlich in die plötzliche Stille hinein. »Alles in Ordnung?«

Langsam rollte Olivia Jane Lansbury in ihrem durchnässten Gewand von ihrer Stieftochter herunter und kam auf dem Rücken auf dem roten Teppich zu liegen. Sie rührte sich nicht mehr. Der goldene Dolch steckte in ihrem Hals, und Blut spritzte aus der Wunde. Neben ihr starrte Beth voller Panik und mit blutigem Gesicht hinauf zu dem maskierten Teufelsanbeter in ihrem Heim. Ein weiterer Blick auf die blutende, sterbende Gestalt ihrer Stiefmutter am Boden neben ihr genügte, um sie aufzurütteln. Mit einer aus schierem Terror geborenen blitzartigen Bewegung war sie auf den Beinen und durch die während der gesamten Prozedur halb offene Tür hindurch. Sie rannte hinaus in den Regen, besudelt mit dem Blut ihrer Stiefmutter und ihrem eigenen, das aus der grausigen Wunde in ihrer Wange strömte. Ihr einziger Gedanke war der Pier, wo sie Trost in den Armen von JD zu finden hoffte, dem einzigen Menschen auf der Welt, dem sie jetzt noch vertraute.

Der Mann in dem weißen Gewand, der Olivia Jane den goldenen Dolch gegeben hatte, trat vor und spähte zur Tür hinaus. Er beobachtete, wie das verstörte junge Mädchen den Hügel hinunterrannte in Richtung Stadt und Hafenpromenade. Er riss sich die Maske vom Kopf und schleuderte sie zu Boden. Seine schroffen, zerfurchten Gesichtszüge flossen über vor Frustration, als er sich zu den zwölf übrigen Mitgliedern des Kults umwandte.

»Okay, Leute. Ihr räumt jetzt besser diese Sauerei hier auf«, sagte er mit befehlsgewohnter Stimme. »Ich knöpfe mir das Mädchen vor. Ich schätze, ich werde die Kleine wohl verhaften.«

Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
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