Wir haben bißdaher die wol zuprügelte Frau Mechtild mit ihrer Angst-vollen Tochter auf ihrem Wagen im Pusche verlassen / welche nach Wolfganges Abscheid gerne alsbald wieder nach Hause gefahren währen / aber die Dräuung hielt sie zurük / und daß sie keinen Fuhrmann hatten / daher sie den Tag und die Nacht daselbst außhielte / und noch ihr bestes wahr / daß sie Essen und Trinken gnug bey sich hatten. Die Nacht wehrete ihnen sehr lange / und empfand das Weib überaus grosse Schmerzen wegen der Prügelung / weil sie keine Salbe zur Linderung bey sich hatte. Daß ihre Armgart ein Fürstliches Fräulein seyn solte / wolte ihr in den Kopff nicht / wie wol die Tochter solches gerne glåubete / weil sie nur mit einer angestrichenen Farbe sich so heßlich gemacht / und vor dem Abzuge ihre wunder zarten Hände / Hals und Angesicht ihr hätte sehen lassen. Aber die Mutter sagete; Ey was Fräulein / lag sie doch fast alle Nacht bey dem Baurflegel Wolfgang / den sie selbst ihren Mann nennete. Nein herzen Mutter / antwortete sie /ich erinnere mich / daß unsere Haußmagd etlichemahl mir angezeiget hat / daß sie allemahl nur eine Schlafstelle in ihrem Bette gefunden / und also der Baur sich ohn Zweifel auf der blossen Erde hat behelfen müssen. Sie sey wer sie wolle / sagte die Mutter; hätte ich aber gewust / daß ich diese schmertzhafte Prügelung von ihr sollen gewärtig seyn / wolte ich ihr den Hals zubrochen haben. Ach liebe Mutter / sagte sie / ihr seid auch alzu hart mit ihr gewesen / dann ungeachtet sie kein Augenblik bey ihrer Arbeit seumete / suchetet ihr doch allemahl Uhrsach an sie / daß michs oft gejammert hat. Was wiltu junge Metze mich auch noch rechtfärtigen? sagte die Mutter; währe ich meiner Hände mächtig / ich wolte dir das weise Maul dergestalt zurichten / daß du es auff ein andermahl schon halten soltest. Ich sage nichts ungebührliches / sagte die Tochter / und gebe der Himmel / daß wir nicht von diesem Fürstlichen Fräulein noch eine grössere Straffe zugewarten haben. Und ach ach! was muß doch mein Vater ihr vor Ungebührligkeit angemuhtet haben / davon das kleine Kind gestern zusagen wuste? dein Vater ist ein alter verhuhreter Bube / antwortete sie / und hätte ihm wol gönnen mögen / daß er davor von den Reutern rechtschaffen abgeschmieret währe. Sie brachten den Tag mit ihrem Gespräche hin / und die Nacht schlief die junge Tochter hindurch /welches der Mutter wegen ihrer Schmerzen fehlete; früh morgens aber bemühten sie sich so viel / daß sie den Wagen mit den Pferden umwendeten nach dem Wege daher sie kommen wahren / da dañ die Pferde aus hunger im vollem Lauff davon sprungen / und groß wunder wahr / daß sie de Wagen nicht in Stücken lieffen; sie fehleten doch des rechten Weges nicht / und kahmen noch vor Mittages vor dem StadTohr an / gleich da ihr Fuhrmann sich auch daselbst finden ließ. Als sie zu Hause anlangeten / muste sich die Mutter von dem Wagen heben lassen / die sich erst mit ihrem Manne auffs neue überwarff / aus lauterm Eifer / daß er nicht gleichen Lohn mit ihr empfangen hatte. Sie sinneten fleissig nach / wer doch immermehr so verwägen seyn dürffen / gewaltsame Hand an sie zulegen / erfuhren / daß gleich denselben Tag Reichard mit seinen Reutern davon gezogen währe / in dessen Vaters Hause Wolffgang sein meistes Wesen gehabt hatte daher sie denselben in starken Verdacht zogen.
Als nun Reichard zu Hause anlangete / hatte er mit dem Gutscher es abgeredet / daß von seinem Unfal er im anfange nit gedenken solte / den er auch schon beredet hatte / mit ihm fortzuzihe. Er ließ die Laden mit der Baarschaft vor Mechtilden Hoff führen / ging kühnlich zu ihr hinein und fragete nach der grösten Jungfer / welche bald hervor trat / und er sie also anredete: ädle Jungfer / mein allergnädigstes Fräulein /das Durchl. Königliche Fräulein aus Teutschland lässet ihr durch mich ihren gnädigsten Gruß anmelden /und übersendet ihr dieses Schreiben / neben grosser Baarschaft Gnaden Gelder und andern köstlichen Sachen / welche vor dem Hofe auf meinem Wagen stehen / und von ihren Knechten können abgeladen werden. Alsbald fiel ihr ihre Armgart ein / brach den Brief / und lase ihn teils mit Freuden / teils mit Betrübniß; da inzwischen die Mutter / alles ungeachtet /Reicharde vor einen StrassenRäuber außrief / und ihm alles Unglük dräuete. Er wolte sich aber mit ihr nicht einlassen / sondern gab zur Antwort; Frau / habt ihr auff mich zusprechen / so tuht solches mit recht / und nicht mit Scheltworten / alsdann wil ich meine Taht handhaben / die ich keines weges leugne / wie wol ich keine Hand an euch geleget / auch nicht dabey gewesen bin / noch Anordnung darzu gemacht habe; Lasset die Sachen von meinem Wagen heben / und fahret alsdann wol und glüklich. Die Jungfer lies alles abtragen / sie aber hielt bey der StadObrigkeit um Haft an wieder Reicharden / welcher aber sich erboht Fuß zuhalten / und deßwegen 6000 Kronen zur Verpflichtung bey dem Raht nidersetzete / auch seine Vorschrift durch seinen Gutscher Südmeier / (diß wahr sein Nahme) eilend nach Kölln überschickete / da Herr Julius Lupus an den Raht schrieb / bey LebensStraffe sich an Reicharden nicht zuvergreiffen / sondern ihn vor frey und allerdinge unschuldig zuerkennen / hingegen Mechtilden samt ihrem ganzen Hause in freyer gewahrsam zuhalten / ob etwa sie möchten wegen ihres Verbrechens angeklaget werden; daß diese also noch um schön Wetter bitten muste. Reichard gab sich bald bey der Jungfer Eltern an / die er geschwächet hatte / erkennete seine Sünde / baht um Vergebung / lieferte die 1200 Kronen wegen der Fräulein und Wolfganges ein / und legte 1000 Kronen von den seinen hinzu / wodurch er beydes von den Eltern und der betrübten / nunmehr hocherfreueten Tochter / völlige Vergebung erhielt / hätte zwar das Beylager gerne biß auff seine Wiederkunft aufgeschoben / aber beiderseits Eltern wolten durchaus nicht einwilligen / daß er also / wie auch Südmeyer ihre Heyraht volzogen / und darauf 56 Reuter stark außgingen / Ehre zusuchen.
Die Römischen Herren von Padua / kahmen des Tages vor dem Beylager an / und wurden nit anders als grosse freie Fürsten empfangen und geehret. Niemand wahr frölicher / als Arbianes und sein Fräulein /welche diese Tage über von Herkules und Valisken sich fleissig in der Christlichen Lehre unterrichten liessen / und nahm ihre Gesundheit zusehens zu. Die Großfurstliche Trauung geschahe auff dem Königlichen Saal / wobey niemand als Christen (ohn allein Fürst Olaff) geduldet wurden. Dann die vornehmste Böhmische Herren / Pribisla / Krokus / und andere /hatte den Glauben begierig angenommen / wie auch der alte geträue Wenzesla / welcher wegen seiner gefliessenen Dienste in den Königlichen geheimen Raht auffgenommen ward. Die Freude der jungen Eheleute wahr sehr groß / und hatte König Henrich seinen Ekhard / neben Friederich und Luther nach Teutschland geschicket / 24000 wolgeübete Teutsche Reuter zuwerben / zu welchen Ladisla 4000 Böhmen / Baldrich 4000 Friesen / und Herkules 2000 Wenden geben wolten / und solten diese alle Fürsten Arbianes mit 20 Tonnen Goldes zur Heimsteur mitgegeben werden /weil er ohn das die Völker zuwerben befehliget wahr. Des ersten Abends / bald nach geendigter Hochzeitlicher Mahlzeit / trat ein kleiner zierlicher Knabe mit höflicher Ehrerbietung zu der Großfürstlichen Braut /und lieferte ihr einen versiegelten Brief mit diesen Worten ein: Durchleuchtigstes Fräulein; es ist eine fremde Botschaft gleich jezt ankommen / und hat dieses Schreiben / an ihre Durchl. haltend / mit sich gebracht / welchen auff Befehl ich untertähnigst übergeben sollen. Sie nam denselben mit freundlicher Bezeigung an / und umb dessen Inhalt zuvernehmen / trat sie ein wenig zurük / da inzwischen der Knabe / allen unvermerkt / sich hinweg machte / und sich nicht mehr sehen ließ. Nach Erbrechung aber fand sie darinnen wie folget:
Zu Ehren den Hochfürstlichen Hochzeitern / welche nach ausgestandenem herben Unglük / des allerlieblichsten Glückes süsseste Erndte halten und geniessen sollen.
1
Die so man in LiebesSachen
Obrist über alles stellt /
Raubet durch ihr süsses Lachen
Treibet aller Menschen Sinnen /
Hin / das Süsse zubeginnen /
Eh' die junge Krafft verfält.
2
Alles was die Lust empfindet /
Eilet zu der Süssigkeit /
Leistet / eh' es gar verschwindet /
Ihrer Gottheit ohne Streit
Seine Schuld mit gutem Willen /
Alle Wollust zuerfüllen /
Biß hin an die graue Zeit.
3
Einsamkeit wil niemand lieben /
Träue Liebe wählen wir;
Haben Zwene was zu üben /
Ach das sättigt die Begier /
Vielmehr als wir sagen können /
Ob mans gleich uns nicht wil gönnen /
Noch so sucht mans für und für.
4
Wol! so sol die Traur sich legen /
Jaget Angst aus eurer Brust /
Nach dem Sommer kompt der Regen /
Da du Kummers vol seyn must.
Trauren wil uns nicht behagen /
Eh wir uns auff Krücken tragen;
Mein / so suchet LiebesLust.
Nach geendeter Verlesung reichete das Fråulein solches Königin Valisken / welche den Dänischen Fürsten Olaff in Verdacht zog / er währe des Hochzeit Liebes Tichter / wie wol derselbe sich niemahls darzu gestehen wolte; daher man sich des weitern Nachforschens enthielt. König Baldrich aber / welcher mit dieser seiner Frl. Schwester in der Kindliche Jugend sich nicht allemahl gleiche brüderlich zuvertragen pflegete / hatte diese Zeit über so herzliche Liebe ihr zugewendet / daß ihre Eltern sich darüber höchlich verwunderten; dann er sahe daß ihre Frömigkeit ihr von Herzen ging / welche er sonst an ihr vor eine Heucheley gehalten hatte. Sein Gemahl Königin Lukrezia / welche in Tichtung lateinischer Reimen eine anmuhtige Gnade hatte / ward diesen Tag von ihm fleissig ersuchet / seiner Frl. Schwester zuehren ein Hochzeit Geticht aufzusetzen / worzu sie dann ganz willig wahr / es innerhalb weniger Zeit zu Papier brachte / und es Königin Valisken / welche sie bey der Tichtung antraff / zuverlesen geben muste; deren es dann so wol gefiel / daß sie alsbald es in folgende Teutsche Reimen ubersetzete.
1
So muß noch dannoch Unfals Wuht /
Nicht immerzu die Frommen trillen.
Es heisst nicht stets / Gut oder Blut /
Nach frevelhaffter Räuber willen.
Die Gottesfurcht muß endlich siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
2
Ein Fräulein / deren Frömmigkeit
Und hoher Tugend nichts mag gleichen /
Hat zwar vom herben Unglüks Neid
Sich scharff gnug müssen lassen streichen;
Doch ihre Tugend muste siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
3
Sie ward geraubt / und schlim geliebt;
Feur / Wasser / Schmach und Hungerbissen
Hat ihren schwachen Geist betrübt /
Sie lag dem Frevelmuht zun Füssen;
Doch ihre Demuht muste siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
4
Sie must' in Unschuld flüchtig seyn /
Nicht anders als des Unglüks Ballen;
Noch zwang sie sich geduldig ein /
Ließ böß- und gutes ihr gefallen.
Des must' auch ihre Tugend siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
5
Diß Lämlein hatte wol die Bach
Den Raube-Wölffen nie getrübet;
Noch strebten sie ihr grimmig nach /
Gleich wie man leichte Kegel schiebet.
Doch endlich must' ihr' Unschuld siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
6
So prüfet Gottes Vater Hand /
Die er vor Kinder ihm erwehlet;
Sie müssen manchen harten Stand
Aushalten / der rechtschaffen quälet /
Und müssen durch Geduld doch siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
7
Du wunder-frommes Seelchen hast
Gott Lob geduldig ausgehalten /
Darumb benimt dich Gott der Last /
Und lässet lauter Gnade walten;
So hastu kräfftig müssen siegen /
Dann Gottes Wort kan nimmer liegen.
Dieses / als es kurz vor schlaffengehens der G. furstlichen Braut von Libussen eingehändigt ward / wie wol ohn Nennung / von wanne es kähme / lase das fromme Fräulein es nicht ohn Trähnen uñ echtzen durch /erholete sich doch bald / und aus begierde den Tichter zuerkeñen / redete sie Libussen so bewäglich zu / daß sie ihr alle beide ins Ohr raunete. Weil dann Königin Valiska ihr zur Seite stund / bedankete sie sich gegen dieselbe mit so demühtiger Bezeigung und Rede / daß sie derselben die innigsten LiebeTrähnen aus den Augen lockete / und sie mit solcher herzlichen Inbrunst sich küssend umbfangen hielten / daß Herkules durch freudliche Anmahnung daran ein Ende machen muste. Noch kunte das fromme Fräulein sich nicht zuruhe geben biß sie der ersten Tichterin / Königin Lukrezien sich auf gleichmässige Weise dankbahrlich erzeiget hatte. Worauff sie von ihrer Fr. Mutter und Königin Valisken nach Bette ihrem lieben Fürsten zugeführet ward / da sie sich in züchtiger ehelicher Liebe zusammen hielten / und dem allerhösten herzlich dankete / daß derselbe sie mit Gnaden-Augen angesehen / und nach so mannicher Gefahr ihnen den Schein seiner Väterlichen Hulde so reichlich mitgeteilet hatte.