Und laß gelten mein beginnen /

Wo nicht / muß in einem Nuh /

Mein verliebter Geist zerrinnen.

 

Das Fräulein / die solcher strången anlåuffe allerdinge ungewohnet wahr / antwortete ihm mit sehr trauriger Rede: Ach mein Fürst / sagte sie / was vor Ursach hat eure Liebe / sich über mich zubeschweren / ja sich und mich in so herzlichen Kummer zuversenken? ist es nit schon unglüks gnug / daß wir unserer Fürstlichen Hocheit vergessen / und umb eines schändlichen Mörders willen / unsere Lebensfristung in einer elenden Bauren Hütten suchen müssen? und wollen uns durch unnöhtige Gedanken uñ falsche einbildungen selbst ersticken / da doch wildfremde zu unserer Erhaltung bemühet sind? wird mein Furst solcher gestalt fortfahren / so bestelle er nur bey dem Alten / daß etliche Mörder herzugeruffen werden / die konnen uns mit leidlichern Schmerzen abschlachten / als daß wir uns selbst durch langwierigen herzängstenden Jammer algemehlich verzehren; und O wie wol hätte mein Fürst an mir getahn / wann er mich nur heut bey erster Erlösung in meiner Ohmacht hätte ersticken und vergehen lassen. Sie wolte weiter reden; so wahr auch Arbianes schon mit einer guten Antwort fertig: Sie höreten aber / daß jemand mit hartem Ungestüm ins Hauß trat / und den Alten zurede steilete / ob er wahnwitzig worden währe / daß er das schöne Rind umb so ein liederliches verkauft hätte. Der Alte gab zur Antwort; biß zu frieden / lieber Sohn / ich wil keinen Pfennig davon zu Beutel stecken; meine grosse Schwacheit nöhtiget mich darzu / und wann ich nur die zween empfangene Gulden davon verzehre /magstu das übrige alles einfodern / und nach deinem Willen anlegen; kanstu auch ein mehres davor bekommen / gönne ich dirs gerne / und wil dich nicht auffhalten / wann du liebere Geselschaft als deinen alten schwachen Vater hast; nur laß Wolfgang meines Bruders Sohn zu mir kommen / der heut aus der Stad hieselbst angelanget ist / daß er mir ein wenig handreichung tuhe; ich sehe doch wol / daß dir kein sonderliches Gluk bescheret ist. Der ungerahtene Sohn wahr mit dieser Antwort sehr wol zufrieden / rieff Wolffgangen herzu / und ging wieder nach der Schenke /soffe und spielete vier Tage und Nachte aneinander /biß das verkaufte Rind verzehret wahr. Wolffgang aber kam geschwinde gelauffen / und fragete seine alten Vetter / was er von ihm begehrete / erboht sich auch zu aller auffwartung / als lange er von seines Herrn Dienst abseyn könte. Der alte antwortete ihm: Lieber Sohn / nachdem mein leibliches Kind das bevorstehende Glük nicht erkennen kan / noch dessen wirdig ist / so warte du mir diese Nacht nur wenig Stunden auff / des wil ich dir lohnen / daß du mirs Zeit deines lebens solt zu danken haben: dann wie Arm ich mich gleich bißher gestellet / bin ich doch der allerreicheste in dieser ganzen Dorffschaft / und wil dir / wann ich sterbe / meinen heimlichen Schaz zum Erbe vermachen. Der junge Knecht wuste umb seine kurzweiligen Schwänke sehr wol / lachete darüber / und sagete: Ja lieber Vetter / seid meiner eingedenk bey auffsetzung eures lezten willens / daß ich des vergrabenen Schatzes mit geniesse / welcher bißher ungezählet und unsichtbar gewesen ist. Was? sagte der Alte / meinestu / es sey mein Scherz? sihe /da gebe ich dir alsbald fünf Kronen zum neuen Kleide / damit du wissest / was du schier heut oder Morgen von mir zugewarten habest. Wolffgang nam sie zu sich / in meinung es währen einzelne Groschen; und als er sie beim brennenden Kreusel besahe / weil er des Goldes gute erkäntnis hatte / sagte er mit nicht geringer verwunderung; lieber Vetter / woher kommen euch diese wunder schöne Kronen / dergleichen ich bey meinem Herrn nie gesehen habe? Was gehets dich an / woher ich sie habe? anwortete der Alte / laß dirs gnug seyn / daß ich sie habe; nim sie zu dir / und lege sie zu deinem besten an / unter der Versicherung / dz du deren noch vielmehr von mir erben wirst. Dieser bedankete sich des gar zu grossen Geschenkes / und erboht sich aller mögligkeit. Ja umsonst schenke ich sie dir auch nicht / sagte der Alte / sondern daß ich deiner Dienste dagegen geniessen wil / welche doch also beschaffen sind / daß sie dir weder unmöglich noch beschwerlich seyn können; nur nim diese Groschen / gehe nach der Schenke / und hohle mir Wein und Speise / so gut es zubekomen / und als viel auff drey hungerige Menschen gnug ist; hast aber nicht nöhtig zu sagen / wem du es hohlest / damit nicht jemand wegen meines Reichtuhms Argwohn fasse; dann diese Verschwiegenheit fodere ich von dir am allermeisten. Dieser wahr willig / ging hin / und verrichtete den Befehl. Arbianes hatte sein herzliebes Fräulein auff seiner Schoß sitzen / lehnete sein Häupt an ihres / und horcheten miteinander fleissig zu. Unterdessen nun Wolfgang nach der Schenke wahr / fing Arbianes an / da ers zuvor gelassen hatte / und sagte zu ihr: O du allersusseste Vergnügung der glükhaften Liebe! O wann werde ich mich deiner dereins auch zuerfreuen haben? mein auserwähltes Fräulein / gönnet bitte ich / eurem bereitwilligsten Knechte / daß durch betrachtung eurer vortreflichsten Volkommenheit er seine Gedanken / welche fast leztzügig sind /ergetzen möge / und labet doch seine verzweiffelten Geister mit dem allersüssesten erquikwasser eurer kraftbringenden Barmherzigkeit und güte / damit meine schwachen Glieder gestärket / und zur Reise /welche wir diese Nacht werden tuhn müssen / düchtig und bestand seyn mögen; kan aber dieses mein inbrunstiges ansuchen nicht erhöret werden / so freue ich mich doch / daß der junge Baur sich ohnzweiffel bemühen wird / mein Fräulein zu den lieben ihrigen sicher durchzubringen. Dieses redete er mit so schwacher Stimme / und abgebrochenen Worten; daß daher gnug erschiene / wie heftig seine Geister von der Liebe geplaget wurden. Dem Fräulein ging diese Rede sehr zu herzen / kunte doch schamhalber ihm die vergnügliche Versprechung nicht leisten / ob gleich ihr Herz darzu willig wahr / sondern fing also an: O wehe mir armen verlassene Tochter! wil mein Fürst so unbarmherzig mit mir handeln / und in dieser allerhöchsten Gefahr / meine Ehr uñ Leben einem groben unverständigen Baurenflegel anvertrauen / der umb eines Groschen willen mich verrahten und verkäuffen dürfte / da doch seine so wol schrift-als mündlich mir getahne verheissungen viel anders klungen; so hätte er weit besser an mir getahn / daß er mich mit samt den Räubern erschlagen hätte / dann so währe ich ja dem Unglük auff einmahl entgangen /und dürfte mich nicht aufs neue einiger Entfuhrung und angedräueten Schande befürchten. O Träue / O Glaube wo bistu? schwebestu auch nur in der mächtigen Fürsten Feder und Munde / und bist von ihren Herzen so weit entfernet? Mit welchen Worten die Trähnen håuffig aus ihren åugelein hervor drungen /daß sie über Arbianes Hände flossen / aber sein Herz viel stärker traffen / als die allerheftigsten Meerswellen / wann sie gegen die Felsenschlagen / und ganze Fuder Steine hinweg reissen. O ihr allerschönsten Augelein; sagte er / wollet ihr dann durch diese Trähnen-Bach mein bißher lichterlohe brennendes Herz nun ganz und gar ersäuffen? O stillet stillet euch / und lasset meine Augen dieses verrichten. Aber O ihr Trähnen / bin ich eures fliessens Ursach / so machet mirs kund / damit wegen dieses unverantwortlichen frevels ich mich gebuhrlich abstraffe. Nein / sagte sie / kein lebendiger Mensch ist dieser Trähnen Ursach / nur das leidige Glük / welches mich in diese Gefahr gestürzet / dem boßhaften Wendischen Räuber mich überliefert / und einen solchen Fürsten mir zum Erretter / zugeschicket hat / welcher ohn Ursach mich in der einsamen Fremde verlassen / und mich einem unflätigen Bauren anvertrauen wil. Arbianes wischete ihr mit seinem Tüchlein die Trähnen ab / und sagete: Ach Gott / ich bekeñe willig / daß meine unvorsichtige Reden ihre Durchl. veranlasset haben / meine Träue und Glauben in zweiffel zuzihen / und wåhre ungleich besser gewesen / ich hätte meines Herzen mattigkeit verschwiegen gehalten / und meine Reise so weit fortgesetzet / als mein Leben mich begleiten wird / wann ihrer Liebe ja nicht gefallen kan / durch eine beständige Erklärung meine arbeitende Geister auffzurichten. Küssete hiemit ihre annoch nassen Augelein / und traff zu unterschiedlichen mahlen ihr Mündichen / gleichsam als aus Irtuhm / so daß / wie geherzt er sich zuerzeigen bedacht wahr / doch alles sein beginnen entweder in einer gar zu kühnen Furcht / oder zu furchtsamen Kühnheit bestund; wodurch er dannoch so viel schaffete / daß sich das hochbekümmerte Fräulein im Weinen mässigte / und zu ihm sagete: Ach mein hochwerter Fürst; wie froh werde ich seyn / wann ich uns nun aus dieser Gefahr wissen sol; mein Herz aber trägt mir eigen zu / wir werden so leicht nit entgehen / doch es gerahte nach der Götter Schluß / so danke ich ihnen dannoch / daß sie mich aus des Wendischen Råubers Fäusten erlöset / und dieses Fürsten Kundschaft mir gegöñet haben / auff welchen meine Fr. Schwester so hoch hält (wie aus deren Schreiben euer Liebe ich hoffe zuerweisen /) ja welcher meiner wenigkeit viel höhere Gunst und Liebe zugewendet / als mit alle meinem vermögen ich nicht ersetzen kan / und doch nach vermögen zuersetzen / mich stets werde befleissigen. Dieser Rede gebrauchete sie sich zu dem Ende / ihm seinen zweiffel zubenehmen / schaffete auch hiedurch so viel bey ihm / daß er seiner schwermühtigen Gedanken einen grossen Teil fallen ließ / und ihr solcher gestalt antwortete: Durchleuchtigstes Fråulein / ist es wol möglich /daß ihre vortrefligkeit wegen des unwerten Arbianes Kundschaft einige vergnügung haben solte? O mein auserwählter Seelen Schaz / verfolget / bitte ich / dieses holdselige erbarmen / bekräftiget diese mitleidige Gunst durch eine ehrenverbündliche Erklerung / die meinem fast abgezehreten Herze mehr stärkung als das kräftigste Korallen-oder Perlen Wasser mitteilen wird. Als er dieses redete / griffe das Fräulein in ihren Busem / und fragete den Fürsten / ob dann das heut ihr eingelieferte Schreiben von ihrer Fr. Schwester selbst durchhin geschrieben währe / oder sie nur die Auffschrift mit eigener Hand verfertiget hätte; auch /was doch der eigentliche Inhalt seyn möchte. Daß sie es selbst geschriebe / antwortete er / kan ich wol beteuren / wird auch die Hand schon ausweisen; den Begrieff aber weiß ich in wahrheit nicht / nur als ich gestern Abend in meinem Herzen beschlossen hatte /mich vornehmlich in ihrer Liebe Erlösung zugebrauchen / baht ich die GroßFürstin / sie möchte mir einen kleinen Schein zustellen / bey welchem mein höchstwertes Fräulein mich erkennen könte / da mir etwa der almächtige Gott die Gnade verleihen würde / sie aus Räuber Händen zuerretten / und sie vielleicht aus Furcht mir nicht trauen würde; da sie dann alsbald in ihrem Zelte sich nidersetzete / dieses Brieflein schrieb / und nach versiegelung zu mir sagete: Sehet da /mein Bruder / göñet euch Gott das Gluk / meine Frl. Schwester in meinem abwesen anzutreffen / so gebet ihrer Liebe / wann ihr so viel raum allein haben könnet / dieses Brieflein / und das ich nähst vermeldung Schwesterlicher Liebe und Träue sie herzlich ersuchen und bitten lasse / diesen Brieff selbst zu lesen / den Inhalt keinem Menschen / als dem Einhändiger zuverständigen / und dafern sie ein tröpflein Blut in ihren Adern zu meiner Liebe ubrig hat / meinem Schwesterlichen ansuchen genüge zu tuhn. Diese Werbung /Durchl. Fräulein / hätte bey einreichung / ich herzlich gerne verrichtet / dafern beydes ihr Kummer und die Eile fortzureiten es nicht verhindert hätten. Das Fräulein antworte ihm: Daß müste gar ein unmögliches seyn / und über meine Kraft sich erstrecken / welches bey so hoher Errinnerung ich meiner werten Fr. Schwester versagen solte / nachdem ich mir ohndas vorgenomen / ihr in allem schlechter dinge / als einer gebietenden Mutter zugehorsamen / weil nach ihrem hochgewogenen Herzen sie mir nichts unmögliches /viel weniger unanständiges zu muhten wird noch kan. Ach mein Gott / sagte der Fürst / daß wir doch nur so viel Licht hätten / dieses Schreiben zu lesen / ob vielleicht etwas drinnen enthalten währe / daß zu meiner Vergnügung könte ersprießlich seyn. Dem Fräulein kam schon die Reue / wegen gar zu offenherziger Erklärung / daß sie sagete: O mein Fürst / wiewol wird Euer Liebe der Inhalt bewust seyn / solte er auch meiner Fr. Schwester den Brief selber in die Feder gesaget haben / welches mich dann bald zum Wiederruff bewägen solte / sintemahl das Schreiben solcher gestalt mehr euer Liebe / als meiner Fr. Schwester begehren an mich fodern würde. Dieser hingegen bekräfftigte mit sehr teuren Worten / es währe ihm kein Wörtlein daraus bewust / nur daß er aus der GroßFürstin frölichen Geberden gemuhtmasset hätte / es würde seinem hefftigen Seelen-Wunsche nicht allerdinge zuwider seyn. Das Fräulein fing an / ihre getahne Erklärung in gewisse Schranken der Jungfräulichen Zuchtbedingungen einzuzihen / und sagete: Meiner Fr. Schwester Sin zur gebührenden Keuscheit ist mir schon gnug gerühmet / daher sie derselben zuwider an mich nichts begehren wird / und solte gleich ihr Schreiben wegen etlicher Redearten auff etwas mehres / als ein schamhafftiges Fräulein leisten kan / durch gelehrte Ausdeutelungen können gezogen werden /getraue Eurer Liebe ich dannoch ohn bösen Argwohn zu / sie werde meiner Fr. Schwester Scherz Schreiben als ein Zuchtliebender Furst schon zuverstehen wissen. Arbianes wolte hierauff Antwort geben / hörete aber / daß Wolffgang wieder kam / und mit dem Alten ein heimliches Gespräch hielt / auch bald darauf mit einer alten dunkelen Leuchte zu ihnen hinauff flieg /und neben einem guten Kruge Wein / Brod kalt Gebratenes und etliche Kähse ihnen mit diesen Worten vorlegete: Hochgeehrter Ritter / verdenket es meinem alten Vettern nicht / bitte ich demühtig / daß er mir unwirdigen ihre Anwesenheit offenbahren wollen; ich gelobe ihnen bey fester unbrüchiger Träue / daß ich weder durch Gewalt noch Geschenke mich bewägen lassen wil / euch gegen einigen Menschen zumelden /sondern mich hiemit zu allen ihren Diensten verbunden haben / dann unter dieser ausdrüklichen Bedingung habe ich ihres Geldes 5 Kronen von meinem Vetter gehoben / welche ich nicht anders als MietGelder rechnen wil. Guter Freund / antwortete Arbianes / uns wil nicht gebühren / an eines redlichen Menschen Auffrichtigkeit und Träue zuzweifeln / möget euch aber wol versichern / daß da ihr euer Versprechen haltet / ihr vor einen kurzen Dienst dergestalt sollet belohnet werden / daß ihr zeit eures Lebens solche Glükseligkeit nicht hättet hoffen können. Ach ja /guter Freund / sagte das Fräulein / lasset euch keine unbilliche Gedanken zur Verrähterey bewägen / und nehmet diesen Ring von mir an / als ein Zeichen der künfftigen Belohnung / welchen ihr umb 400 Kronen verkäuffen könnet. Davor behüten mich die Götter /antwortete er; Ihrer Gnaden Zusage ist mir Versicherungs gnug der zukünfftigen Leistung / unb bitte ich untertähnig / sie wollen sich zu mir aller Träue versehen / die ich nimmermehr zubrechen / bey Straffe aller himlischen und hellischen Götter verheissen wil. Ließ ihnen hierauff die Leuchte / bittend / sich vor Feurschaden zuhühten / und mit den geringen Speisen vorlieb zunehmen; womit er von ihnen hinweg ging. Fräulein Klara wahr von Herzen hungerig / schikte sich zum essen / und mit ihrem kleinen Brodmesser schnitte sie ihrem lieben Fürsten Brod und Fleisch in die Hand / sagend: Hochwerter Freund / Eure Liebe wird mir zu sonderlichem gefallen dieses wenige zu sich nehmen / und die erste Mahlzeit mit mir halten /unter dem Wunsche / daß deren mehr und bessere erfolgen mögen. Er hingegen hielt inständig an / weil das Glük ihm so viel Licht gegönnet / das Schreiben erst zulesen / ob etwa er daher seiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speise zunehmen hätte / alsdann wolte er der Leibes Kost gerne etliche Tage entbehren; über welche Worte sie eine sonderliche Liebes bewägung in ihrem Herzen empfand / daß sie zusage sich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fürst /wessen besorget er sich doch widriges an meiner Seite / da er mich auff seiner Schoß hält? findet sich etwas in meinem Schreiben / daß ihm behäglich und zuträglich ist / wird es ja unter so kurzer Zeit weder schädlich werden noch verschwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speisen verschmähet / und im essen und trinken mir nicht Geselschafft leistet / wil im rechten Ernste ich den Brieff vor morgen Abend nicht lesen / oder ihn wol gar ungelesen zureissen. Ey mein Fräulein / antwortete er; wie könte eure Liebe eine solche Grausamkeit an den allerliebsten Buchstaben verüben / die von so angenehmer Hand in schwesterlichem Vertrauen geschrieben sind? Jedoch bin ich schuldig einen bereitwilligsten Gehorsam zuerzeigen /und wil über mein Vermögen essen und trinken / auff daß in dessen Wegerung Eure Liebe hernähst nicht gelegenheit uñ ursach suche / des lieben Briefes Lesungs weiter aufzuschieben. Mein Freund antwortete sie / hat sehr grosse Hoffnung auff diesen Brief gesetzet / und möchte vielleicht wol ein solches darinnen enthalten seyn / welches zuleisten / uns / wegen abwesenheit von den unsern beiderseits unmöglich währe. Solches kan nicht seyn / antwortete er / in Betrachtung / daß unsere Fr. Schwester bey Auffsetzung solches Briefes der gewissen Hoffnung gelebete wir würden diesen Abend bey ihr und der ganzen Fürstlichen Geselschafft anlangen. Zum wenigsten hat sie nicht muhtmassen können / daß wir beyde uns allein in solcher Einsamkeit beyeinander finden würden. Ein solches gestehe ich / sagte sie / werde auch desto williger seyn / des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulassen. Fingen hierauff beyderseits an mit gutem Lust der Speisen zugeniessen / und rühmete Frl. Klara daß die ganze Zeit ihrer Gefängniß uber / ihr die Speisen nicht den tausendsten teil so wol geschmäcket hätten. Bald ergriff sie auch das Trinkgeschir / und brachte ihm eins auff Großfürstin Valisken Gesundheit und Wolergehen / wiewol ich nicht zweifele / sagte sie /alle die meinen neben ihr / werden unsers aussebleibens herzlich bekümmert seyn / wo sie uns nicht wol gar als erschlagene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine frische Mahlzeit mit einander / bey welcher Arbianes sich immerzu an ihren liebreichen Augelein speisete / so viel er dieselben bey der tunkelen Leuchte beschauen kunte. So bald das Fräulein rühmete / daß sie sich allerdinge gesättiget hätte /hielt er auff ein neues an / das Brieflein zuverlesen /dessen sie nur zum Scherze / umb sein Vornehmen zuerforschen / sich wegerte / vorgebend / sie hätte bey dem tunkeln Wasser- oder Knatterlichte kaum die Speisen erkennen können / wie sie dann so klein geschriebene Buchstaben dabey lesen solte? Aber weil sie sahe / daß nach kurzgebehtener Verzeihung er sich erkühnen wolte / den Brief aus ihrem Busem hervor zulangen / kam sie diesem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entführung das erste wahr) selber zuvor / nam das Schreiben in die Hand / und entschuldigte sich / daß sie so viel Herzens nicht hätte / es zuerbrechen. Ließ auch gerne geschehen / daß er solches verrichtete; da er nach Eröffnung denselben Brief kussete / und ihn solcher gestalt anredete: O du allerliebstes Briefelein / hastu einige Glukseligkeit in dir / so teile doch dem bißher allerunglükseligsten Arbianes etwas mit / auff daß er in seinem Leiden nicht gar untergehe / noch dieses Häu sein Todten Bette seyn möge. Reichete ihn hiemit dem Fräulein ganz ehrerbietig über / und baht mit freundlicher Umfahung / diesem Schreiben die Lesens-wirdigung anzutuhn / in betrachtung der Herz Schwesterlichen Liebe / damit die GroßFürstin ihr zugetahn währe. Dieses ist eine hohe und kräfftige Ermahnung / sagte sie / dere ich mich nicht zuwider setzen weiß; legete den Brief von einander und lase / da Arbianes ihr leuchtete / folgenden Inhalt / ohn einiges Wortsprechen.

Herzallerliebste Fräulein Schwester; nach dem der gütige Gott uns ingesamt wieder nach Hause geleitet / auch unsern Lieben Eltern und Euer Liebe Rettung zutuhn /Gelegenheit bescheret hat / haben Euer Liebe Herren Brüder und ich / den Durchleuchtigsten GroßFürstlichen Herren auß Meden / Fürst Arbianes / dessen hefftiger Verliebung gegen eure Vortreffligkeit / keine andere gleichen mag / mit über bringen / und ihr denselben als ihren versprochenen Bräutigam und Gemahl zuführen wollen /nicht zweiffelnd / dieselbe werde unserm festgemachten Schlusse keines weges wiedersprechen / sondern / wann dem lieben Fürsten seine vorgenommene Bemühung /Eure Liebe aus Räuber Händen zureissen / glücken solte /ihn dessen nach seinem ehrliebenden Begehren geniessen zulassen / uñ nicht anders gedencken / als daß sie in Begleitung ihres versprochenen Bräutigams sich befinde /massen wir unsers Orts gar nicht zweiffeln / es werden eure liebe Eltern in diese Heyraht einwilligen / und ihrer Herren Söhne / wie auch meinen wolgemeineten Vortrag gelten lassen; daher wir der gänzlichen Zuversicht zugleich leben / Eure Liebe werde / ehe sie bey uns anlanget / also bald nach Lesung dieses Brieffleins / ihr Herz und Willen dem unsern gleich stimmend machen / und diesen Lieben ihr gantz und gar zu eigen ergebenen Fürsten ihr Herz zur steten Wohnung einräumen / dafern sonsten noch ein einziges Blutäderchen an ihrem Leibe übrig ist /welches ihren Herren Brüdern und mir mit Schwesterlichem Willen zugetahn verbleibet. Inzwischen bewahre der Allmächtige Gott eure Ehre / Leben und Gesundheit vor den boßhafftigen Räubern / und bringe uns in wenig Stunden wieder zusammen / wie solches wünschet und hoffet / Euer Liebe inbrünstig-ergebene Schwester und geträue Freundin

 

Valiska.

 

Der Fürst gab fleissige Achtung auff ihr Gesichte /weil sie den Brieff lase / und auß ihren unterschiedlichen Verenderungen merkete er / daß seiner Sache bester massen darinnen würde gedacht seyn / baht daher inständig / dafern möglich / ihm des Brieffes Inhalt wissen zulassen. Ja warumb nicht Durchl. Furst? sagte sie / legte inzwischen das Schreiben wieder zusammen / steckete es an den vorigen Ort / und fuhr in ihrer Rede fort / sie würde / von ihrer Fr. Schwester wegen glüklicher Wiederkunfft ihrer Herrn Brüder berichtet und daß ihre Liebe auß guter Gewogenheit gegen ihre Wenigkeit mit uberkommen währe / umb bey ihren lieben Eltern zuvernehmen / ob einige Heyraht zwischen ihnen könte gestifftet und verabredet /auch über etliche Zeit / wann sie zu den verständigen Jahren würde kommen seyn / volzogen werden; da dann ihre Fr. Schwester bey ihr ansuchete / sich hierin gegen ihrer lieben Eltern und Brüder Willen nicht zu wiederspenstigen. Dieses ist der ganze Inhalt / Hochwerter Fürst / sagete sie / welchem nachzukommen /ich mich schon im Anfange von mir selbst erkläret habe. Sie brachte dieses mit einer angenommenen Ernsthafftigkeit vor / und gedachte nochmals / ihn damit hinzuhalten / würde auch in ihren Gedanken nicht betrogen seyn / wann sie nur der weiten Außstellung des Beylagers nicht gedacht hätte; welches dem verliebeten Fürsten allen Glauben benam / sintemahl die Großfürstin ihm viel andere Verheissungen getahn hatte / und er daher / nach freundlicher Umfahung / die ihm züchtig gegönnet ward / diese Antwort gab: Mein Fräulein / ich bedanke mich sehr der beschehenen Erzählung deß schrifftlichen Inhalts; habe aber durch Einlieferung des Briefes meiner Fr. Schwester Befehl und Willen nur zur helffte erfüllet / nachdem sie mir ernstlich aufferleget / ich ihr auch mit einem Handschlage mich verbindlich machen müssen / alle Mittel zugebrauchen / daß / nachdem ihre Vortreffligkeit das Schreiben würde gelesen haben / ich solches auch zu lesen bekommen möchte; zweiffele nicht / es werde Eure Liebe ihr solches gefallen lassen / und mir dasselbe zuzeigen unbeschweret seyn. Ich weiß nicht / Durchl. Fürst / antwortete sie / ob meine Fr. Schwester diesen Befehl erteilet habe / wiewol Euer Liebe vorbringen der Unwarheit zubeschüldigen / mir nicht gebühren wil; nur dieses weiß ich wol /daß die Auffschrifft nicht zugleich an Eure Liebe mit /sondern nur allein an mich gerichtet ist / es währe dann / daß mein werter Fürst an meiner auffrichtigen Erzählung zweiffel tragen / und der Ursach wegen das Schreiben selbst lesen wolte / welches ich doch nicht eins fürchten noch gedenken wil. Dieses sey ferne von mir antwortete er; nur muß ich dem Befehl meiner Fr. Schwester geträulich nachkommen / dafern ich sonst nicht in ihre schwere Ungnade / die mir gar zu unerträglich seyn würde / fallen wolte. Bitte demnach von Herzen / mein Fräulein wolle umb eine frevelhaffte Bemühung zu hinterhalten / mir das Briefflein unbeschweret zeigen / nachdem ich so auffrichtig gespielet / daß / ob ichs gleich brechen müssen / mich dannoch der ersten Lesung gebührlich enthalten habe. Ach nein mein Fürst / gab sie zur Antwort / dann ob er dieses gleich noch so ernsthafftig vortragen würde /versichere ich ihn doch / daß ohn außdrüklichen schrifftlichen Beweißtuhm ich solches ihrer Liebe gar nicht trauen werde. Diesem nach stehe er nicht so hart auff des Briefes Besichtigung / sondern glaube meinen Worten / weil ich ja nicht hoffen wil / daß er mich von Anfang her dieser unser gemachten guten Kundschafft falsch gespüret haben solte. Nicht rede oder begehre ich solches / meiner Fr. Schwester / oder deren Willen mich zu widersetzen / wann es ja von ihr also solte geordnet seyn / sonden weil nur etliche wenig Worte darinnen enthalten sind / die mir eine Röhte abjagen könten / bitte ich nochmahls freundlich / seine Lesungs Begierden einzustellen / und wil Eure Liebe ich versichern / daß meine Fr. Schwester deßwegen gar keine Unganst auff ihn legen sol. Ach mein Fräulein / sagte er / sie wolle / bitte ich / ihren ergebenen Knecht durch solche Wegerung nicht zu hoch betrüben / dafern sonst meine Hoffnung ich nicht auff ungewissen und betrieglichen Trieb Sand sol gebauet haben / sondern meiner gebehtenen Verzeihung stat geben / damit sie nicht schier heut oder morgen mir meine Blödigkeit vorzulegen und schimpflich auffzurücken habe; umfing sie damit sehr inbrünstig / und nam die Kühnheit den Brieff in ihrem Busem zu suchen / wogegen sie sich / als viel Höffligkeit leiden wolte / sehr sträubete / aber endlich doch gewonnen geben muste / da er das Schreiben mit den spitzen Fingern ergriff / und zu sich nam. Als dieser Raub erhalten wahr / wolte dannoch das Fräulein sich einer schlauheit gebrauchen / und griffe nach der Leuchte /in Meinung das Licht auß zulöschen; aber der Fürst kam ihr zuvor / baht auffs neue um verzeihung / nam einen Abtrit und durchlase den Brief mit guter Bedachtsamkeit / löschete nachgehends daß Licht auß /setzete sich vor ihr in die Knie / und hielt folgende bewägliche Rede: Allerschönstes Fräulein / Euer Liebe händige ich dieses Schreiben gebührlich wieder ein / dessen Inhalt ich weder loben noch schelten darff / so lange Eure Liebe ihre Wolmeinung daruber außzulassen bedenken träget; nur bitte ich nochmals um hochgünstige Verzeihung / daß ich mich der Gewaltsamkeit gebrauchet / und es durchzulesen / ihrer Liebe hinweg geraubet habe. Zwar ich gestehe ja willig und allemahl / daß der Liebe und Gunst ich unwirdig bin / welche von Euer Liebe mir erzeiget zuwerden / meine Durchl. Fr. Schwester unter so hoher Erinnerung ansuchet / daher ich forthin nicht weiters als noch dieses letzemahl / mich unterstehen wil / Eure Vortreffligkeit mit meiner inbrunstigen Bitte anzuliegen / daß / wofern möglich / dieselbe mir unbeschweret anzeigen wolle / ob von ihrer Gnade ich meine Vergnügung zugewarten / oder wegen meiner gar zu hoch gefasseten Gedanken / welche meine Fr. Schwester in mir ernähret / die endliche Urtel meines verbrechens anzuhören habe / dann wo dieselbe meinen würde / mich etwa in fernerer Ungewißheit hinzuhalten / muß ich zwar in ihren Willen mich schicken; weil ich aber über mein Herz und dessen Wirkungen weiter nicht zugebieten habe / als wann durch ihre tröstliche Erquickung / das geringe übrige Fünklein des Lebens darinnen auffgeblasen wird / so hoffe ich /es werde Eure Liebe nicht über wüterichs Art mit mir handeln / und mir nicht befehlen zuleben / wann alle Lebens Mittel mir entrissen sind / die einig und allein in diesem bestehen / und erhalten werden / was meiner Durchl. Fr. Schwester freundliches gesinnen von ihrer Durchl. bittet. Hiemit entging ihm alle Krafft /sich länger auff den Knien zuerhalten / legte sich sanfft neben ihr nieder / und gedauchte ihn nicht anders / als daß ihm die Seele außfahren wurde. Das liebe Fräulein kunte wegen der Tunkelheit seine Mattigkeit nicht erkeñen / und befahrete sich doch deren /deßwegen sie ihm die Hand fassete / und als er dieselbe als ein Todter Mensch hangen ließ / empfand sie daher seine harte Ohmacht / welche sie mit Trähnen beweinete / und bald darauff allen möglichen Fleiß anwendete / ihn mit den Wein aufzumuntern / welchen sie ihm nicht allein unter das Gesichte sprützete / sondern nachdem sie ihm das Wammes gar auffgerissen / in den Busem goß / dz er dessen Krafft endlich emfindend / seine Entwerffung durch einen schweren Seuffzen zu verstehen gab / da sie zu ihm sagete: Hat mein Fürst so grosse Beliebung / sich und mich zutödten / warumb hat er solches dann nicht heut bald anfangs mit seinem blutigen Schwerte verrichtet? dann also hätte ich dieser Angst ja noch entubriget sein können. Ach davorbehüte mich Gott / allerschonstes Fräulein / antwortete er / daß zur Verkürzung ihres Lebens ich behülfflich seyn solte; nur bitte ich dienstlich / sie wolle doch eines so unwerten Mensche halben / als ich bin / sich weiters nicht bemühen / sondern ihn den Unglüks Lauff dereins endigen lassen / weil nach dessen leztem ihn bißher stets / aber unter viel susserer Hoffnung / verlanget hat. Mein Fürst hat durchauß keine Ursach / sagte sie / dergleichen Rede zuführe / es währe dann / daß er mir gar verbieten wolte / meine Erklärung auff meiner Fr. Schwester begehren außzulassen / auff welchen fal ich mehr ihn / als er mich vor einen Wüterich anklagen müste; solches nun abzuwenden / wolle mein Fürst Zeit nehmen / sich zuerhohlen / und mir auch selbige zugönnen / damit ich mich ein wenig bedenken möge. Hierauff richtete er sich wieder in die höhe / drückete und küssete ihre Hände mit solcher inbrünstiger Bewägung / daß sie es länger mit stilschweigen nicht ertragen kunte / ein Herz ergriff / und ihm diese Erklärung gab: Durchleuchtigster Fürst; wann die Jungfräuliche Blödigkeit und Schahm / die mein Herz bißher stets unter ihrem vollen Gehorsam gehabt / mir so viel Kühnheit zugeben wolte / daß der Mund außreden dürffte / was das Herz ihm gnug bewust ist / alsdann würde ich nicht allein hie in dieser Einsamkeit /sondern vor der ganzen Welt frey öffentlich bekennen / daß Eurer Liebe ich mehr als aus einer Ursach / zu alle seinem ehrliebenden Willen ohn Ausrede verbunden bin. Vor erst sehe ich an die Vertrauligkeit / welche zwischen Euer Liebe und meinen Herrn Brüdern /auch meiner Fr. Schwester ist / die allein gnug währe / mich Euer Liebe willen zu unterwerffen. Hierzu kömt die hohe Bedienung / welche dieselbe meinen ietzgedachten nähesten Blutsverwanten Zeit ihres Elendes erzeiget / welche von Leches und Neklam mir grosses teils erzählet sind. Aber wañ solches alles schon nicht währe / meinet dann mein Fürst / daß ich so unempfindlich seyn / und nicht mit Dankbarkeit erkennen würde / daß er bloß durch das anschauen meines unachtsamen Brustbildes sein Herz mir zugewendet / und darauff alsbald so wol bey mir als bey meinen lieben Eltern gebührliche und mehr als gebuhrliche Ansuchung getahn? was wirds dann erst seyn und gelten / wann ich der heutigen Erlösung eingedenk bin / die weder Zeit noch Unglük noch wolergehen auß meinem Gedächtniß reissen sol? muß ich dann nicht gestehen / mein Fürst / daß ich schuldig bin /mich vor die Eure zuhalten? aber ich vernehme über diß alles / daß meine Herren Brüder / und Fr. Schwester / die mir zugebieten haben / den Schluß schon abgefasset / ich solte des Durchleuchtigsten Großfursten auß Meden seine verlobete seyn; da sie zugleich die Versicherung hinzu tuhn / meine Herzliche Eltern werden solches vorgenehm halten / wie ich dann an deren Willen zu zweiffeln keine Ursach habe / zugeschweigen / daß inkünfftig mir noch dergleichen Gefahr zustossen möchte (ach ja / ich fürchte sehr / sie werde nicht aussen bleiben) auß welcher ohn ihrer Liebe Hülffe und Beistand ich nicht errettet werden könte; und also mein hochwerter Fürst mich noch mehr ihm verbunden machen dürffte wann ich gleich anjetzo aller Vergeltungs-Schuld frey wåhre; hätte schier wegen Menge meiner Pflichten ausgelassen /daß ohn gegebene endliche Erklärung ich meiner hochgeliebeten Fr. Schwester Hulde und Liebe schwerlich würde erhalten können. Dieses alles und jedes / Durchl. Fürst / dränget mich nicht weniger als sein mündliches bitten / und ängstiges verhalten / seiner Liebe dessen völlig und ohn alle Bedingung zuversprechen / was einer geträuen verlobeten Braut ihrem Bräutigam und künfftigen Gemahl schuldig ist /wil solches auch hiemit und krafft dieses / Euer Liebe mit gutem Wolbedacht unwiederruflich geleistet haben / jedoch mit diesem billichen und ernstlichen Vorbehalt / daß Eure Liebe mit mir als seiner verlobeten Braut zugeberden / zwar freye Macht haben / aber doch meiner Jungfräulichen Zucht und Keuscheit nicht weniger wider sich selbst / als wider andere Schuz halte / und dieselbe in keinerley weise anfechten / viel weniger beleidigen oder kränke sol / biß dahin aus freyem ungezwungene willen / uñ ungenöhtigter einwilligüg ich in unsere endliche Heiraht gehehle werde / welche dañ uber die gebühr ich nit auffschiebe / sond'n hierin meiner Fr. Schwester willen / uñ der meinige Anordnung gerne folge wil. Also hat nun eure Liebe / hochwerter Furst uñ Bräutigam / von mir alles / wz ein züchtiges Fräulein über ihr Herz und Zunge bringen kan; und solte er mir die hinangesetzete Bedingung / die nur auff kurze frist sich erstrecken möchte / zweiffelhaftig machen wollen / so wil und kan ich ihn nicht anders als einen muhtwilligen Feind meiner wolgebührlichen Zucht / ja als einen boßhaftigen Freveler / der kein Häärlein als die vorige Räuber besser sey / vor allen meinen Anverwanten anklagen / und was Dienst er mir gleich tuhn möchte / doch alles vor nichts rechnen / sondern vielmehr umb Rache wieder seine (wie ich nicht verhoffe) geubete Boßheit / bey allen Göttern und Menschen inständig anhalten / wo zu doch mein allerliebster Fürst und versprochener Bräutigam / weiß ich gar gewiß /keine Ursach geben wird. Arbianes aus ubermässiger Freude bezwungen / kunte seine hohe vergnügung länger nicht einhalten / umfing sie mit inniglichen ehrliebenden küssen / deren ihm etliche in züchtiger Scham bezahlet wurden / und fing nachgehends also an: Durchleuchtigstes herzallerliebstes Fräulein / mit was duchtigen Worten sol oder kan vor diese überhohe Gunst und Gnade ich mich bedanken? Ach nehmet von mir das begierige Herz / welches bereit ist / viel lieber alle Welt Angst auszustehen / als zu gönnen /daß in meiner gegenwart ihrem Leibe oder Willen einige Wiederwertigkeit angetahn wurde. Ich gestehe zwar / mein unvergleichlicher Schaz / daß der hinzugesetzete Vorbehalt meinen hitzigen Liebesbegierden sehr zuwieder ist / nachdemmahl ihre Liebe dasselbe vor ein ungebührliches hält / und anklagen wil / was Gott den jungen Eheleuten selbst gönnet und frey gibt; jedoch aber wil ich mich auch in diesem Stük ihrem Willen gemäß verhalten / mit angehängter sehr demühtiger bitte / mir eine gewisse Zeit zubestimmen / zu welcher diese Bedingung sol auffgeruffen seyn. Ach mein Schaz / antwortete sie / dringet nicht weiter in mich / sonst werde ich gezwungen / mich vor euch mehr zufürchten / und zuverwahren / als euch zu lieben; Zeit zu berahmen / stehet keinem Fräulein zu /und fürchte sehr / meine Fr. Schwester werde mehr eilen als mir lieb seyn wird; aber dessen sey mein Fürst und wahrer herzens Freund versichert / daß wo ich meinen lieben Eltern nicht in reiner jungfräulicher Keuscheit wieder geliefert werde / wil ich demselben nun und nimermehr / weder geträu noch hold seyn /der mir solches hindern und abzwingen wolte. Sonsten hat mein Fürst sich gar zu weiter aussetzung unser Heyraht so groß nicht zubefürchten / weil er mit meiner Fr. Schwester so wol und brüderlich daran ist /daß dieselbe ihm allen Vorschub tuhn wird. Dieses sagete sie mit grosser Scham / nur daß sie seiner heftigkeit durch solche gemachte Hoffnung einen Zaum anlegen möchte; wie er dann sich hierauff erklärete /sich selbst zu überwinden / und in den Schranken ihres Willens sich zuverhalten; welches dann das liebe Fräulein so froh und kühn machete / daß sie ihm mannichen Kuß lieferte / biß ihr endlich die müdigkeit den Schlaf brachte / da sie ihn höchlich baht /seine Ruhstete von ihr absonderlich zunehmen / wo er sonst ihr die Freyheit ohn Furcht zuschlaffen gönnete. Ja mein auserwähltes Seelichen / antwortete er / ich erkenne mich allerdinge schuldig / ihrer Liebe hierin zugehorsamen; hielt doch noch umb ein Viertelstündichen an zum Gespräch / und daß er sich aller ehrliebenden ergetzung an ihrer unsäglichen Schönheit / als ein versprochener Bräutigam gebrauche möchte; welches sie ihm nach vorgeschriebener gemässigter Weise einwilligte. Ehe dann diese kurze Zeit verfloß /wurden sie etlicher Reuter auff der Gasse hin uñ wieder reitend gewahr / welche vor der Inwohner Hauß Tühren anklopfeten / deren einer auch mit zimlichem ungestüm an ihr Tührlein stieß / und eingelassen zu werden begehrete. Worüber das Fräulein so heftig erschrak / daß sie als ein Espinlaub zitterte. Wolfgang machte die Tühr alsbald auff / und fragete nach seinem begehren; da dieser von ihm wissen wolte / ob nicht ein junger Ritter in blau angelauffenem Harnische mit güldener Verblümung / eine schöne adeliche Jungfer im himmelblauen Silberstük bekleidet / in oder durch / oder neben dieses Dorff hinweg geführet hätte; welches das Fräulein hörend / nicht anders meinete / als der Wendische Råuber hätte sie schon wieder in ihrer gewalt; rückete auch gar hart an ihren Liebesten und sagete mit sanfter wehmühtiger Stime und zitterndem Leibe; Ach mein auserwåhlter Freund uñ Lebensschaz / ach schützet die eurige; gewiß gewiß lässet der alte Räuber mich suchen / dem ich doch lebendig nicht zuteile werden wil. Mein Seelen Schaz /antwortete er / gebt euch doch zu frieden / und erschrecket nicht so hart / wir sind ja nicht alsbald gefunden / ob man uns gleich nachfraget; dann des jungen Bauren Antwort gibt uns anzeige gnug / daß er uns zuverrahten nicht gemeinet ist. Wie er dann dem Reuter diesen bescheid erteilete; er hätte den ganzen Tag biß in die sinkende Nacht hart vor dem Dorffe in einem Garten ohn unterlaß gearbeitet / aber dergleichen Leute nicht vernommen / würde auch ausser allem zweiffel hieselbst vergeblich nachfragen / massen eine Stunde vor Abends ein vorübergehender Bohte / welchen er kennete / berichtet / er hätte ein sehr schönes Weibesbild mit einem geharnischten Ritter nach dem Iselstrohm zureiten sehen / und wie ihn gedäuchte / währe sie mit gutem willen von dem Ritter geführet worden. Wo ist diser Bohte dann geblieben? fragete der Reuter. Davon weiß ich nichts zu melden / antwortete er / nur daß er wegen seiner Reise grosse Eile vor gab / und noch vier Meile diese Nacht zu lauffen hätte / wohin er sich nun gewendet / kan ich gar nicht wissen. So höre ich wol / sagte der Reuter / ich werde meinem Fürsten das Bohtenlohn nicht abverdienen; kehrete sich hiemit zum Dorffe hinein und ritte seinen Gesellen nach / deren Wolfgang 10 gezählet hatte / und sie alle miteinander / wie fleissig sie auch nachfrageten / gar keine weitere Nachricht erhalten kunten. Unsere Verliebeten zweiffelten nicht /es würden des Wendischen Fürsten Ausspeher seyn /welcher etwa mit etlichen Völkern aus der Schlacht entrunnen / und an einen sichern Ort sich gelagert håtte; woran sie doch sehr irreten / und dadurch sich in grosse trübseligkeit und angst stürzeten. Dann es wahren die von Herkules ausgeschikte Reuter / mit welchen sie fein sicher hätten können überkommen; aber die himlische Versetzung wolte ihnen ihre Vergnugung so frühzeitig nicht zuschicken / sondern sie musten zu ihrer besserung zuvor scharff bewehret werden / und einen herben Becher der Wiederwertigkeit austrinken / wie hernacher folgen wird.

Wir wenden uns aber wieder hin nach dem sieghaften Kriegsheer / bey welchem der alte GroßFürst mit seinen Kindern sich in aller fröligkeit finden ließ /weil sie annoch gute Hoffnung hatten / Arbianes würde sich schier einstellen; wie dañ dazumahl seine 150 Reuter mit dem erschlagenen jungen Wendischen Fürsten / wiewol zimlich späte ankahmen / uñ den Bericht einbrachten / ihr Oberster hätte diesen mit eigener Hand nidergehauen / und nachgehends nicht geringe mühe gehabt / das flüchtige Fräulein / welche ihn vor eine Feind gehalten / zuerhaschen / und aus der Ohmacht wieder zurechte zubringen / da er inzwischen ihnen hart befohlen / nicht zuseumen / sondern mit dem erschlagenen fortzugehen; doch hätten sie ihn endlich gesehen das Fräulein vor sich auff dem Pferde führen / und als sie in die 400 flüchtige Feinde durch den Strom gesehen hindurchsetzen / und durch winken ihm solches zuverstehen gegeben / währen sie gewahr worden / daß er mit ihr den sichersten Weg Südwerz genommen / worauff sie ihn bald aus dem Gesichte verlohren / weil sie selbst umb gefahr willen den Strom auffwarz gehen müssen / und den gar zu häuffig herzu dringende flüchtigen Feinden sich entzihen. Worauff Valiska die Anwesende tröstete / und zu ihnen sagete: So wollen wir uns zufrieden geben /dann Arbianes ist ein so verständiger Fürst / welcher mit Gottes hülffe schon Mittel und Wege finden wird / entweder durch zukomen / oder sie auff eine kurze Zeit in gute gewahrsam zubringen. Die alte GroßFürstin ward hiedurch in etwas getröstet / daß sie bey ihren Schwieger Töchtern sich frölicher erzeigete /weder vorhin / zwischen welche sie sich gesezt hatte /und es nicht wenig beklagete / daß sie mit Fr. Lukrezien nicht Unterredung halten kunte / weil sie kein Teutsch verstund / wiewol Valiska sich als eine Dolmetscherin bey ihnen vielfältig gebrauchen ließ. Es meldete sich abermahl ein Teutscher Kriegs Knecht an / vorgebend / man hätte mit dem gefangene Wendischen Obersten Niklot viel Mühe / welcher nicht allein seine verbundene Wunden auffrisse / sondern alle Gelegenheit suchete / sich selbst zuentleibe; würde demnach das beste seyn / daß er fest gebunden würde. Der alte GroßFürst antwortete: Dieser wird ohn zweifel der verrähterische Bube seyn / welcher mich nicht allein mit List von meinem Schlosse gelocket / sondern hand an mich gelegt / und gleich einem gemeine Bauren mich gebunden fortgeschleppet massen ich mich erinnere / daß derselbe von seinen Leuten Herr Niklot geneñet ward. Also ward ernstlich befohlen /man solte ihn fest an einen Pfal oder Leiter binden /den Wunden auffs beste Raht schaffen / und ihm allerhand Labung beybringen / dann es müste ihm seine Boßheit andern zum abscheuchlichen Beyspiel vergolten werden. Da wusten nun die Kriegsknechte ihm schon recht zutuhn / daß er gezwungen / Speise und Trank nehmen / und ihres willens geleben muste. Den unsern wolte die Zeit ohn Gespräch zu lange wehren /weil sie willens wahren / der Fräulein Ankunfft biß an die Mitternacht zuerwarte; Weil dann die alte GroßFürstin gerne gewust hätte / durch was gelegenheit ihr lieber Herkules zu dem neuen Glauben kommen währe / welchen er so hoch und über alles schätzete /und sich gleichwol erinnerte / wie lieb ihm ehemahls ihr landüblicher Gottesdienst gewesen / bey dem er so manniches andächtiges Opffer vor sich hätte verrichten lassen / begehrete sie an ihn / ihr die ursach und gelegenheit solcher seiner Glaubensverenderung anzuzeigen. Herkules hörete ihr begehren mit sonderlicher Freude an / und taht einen inniglichen Seuffzer zu Gott / er möchte seinem Donner durch seine unverständige Zunge Krafft uñ Nachdruk verleihen / und die Herzen seiner lieben Eltern rühren / daß sie zur Erkäntniß der Warheit gebracht würden. Wie er in diesem andächtigen Wunsche stilleschweigend saß /gedachte sein Gemahl / er trüge dessen etwa bedenken / daher sie ihn in Persischer Sprache erinnerte / diese gute gelegenheit zu seiner Eltern Bekehrung nicht vorbey zulassen / sondern vielmehr mit beyden Händen zuergreiffen; vielleicht schickete es Gott also /daß seine Fr. Mutter selbst anlaß darzu geben müste; fuhr nachmahls fort / und sagete auff Teutsch zu ihm: Mein allerwerdester Schaz / lieber wegert euch nicht /unser Fr. Mutter begehren zu erfüllen / dann ich selbst habe vorlängst gerne wissen wollen / wie sichs mit euer Bekehrung zu dem seligmachenden Glauben begeben hat. Herkules gab durch ein freundliches Lachen seinen guten Willen zuverstehen / und fing also an: Gnädigste herzallerliebste Fr. Mutter; euer mütterliches Herz ruffet mir eine solche unaussprechliche Freude in mein Gedächtniß / welche mich des zeitlichen pfleget vergessen zumachen / so daß meine Seele nichts höhers wünschet / als diesen sündlichen unnützen Leib zuverlassen / und mit allen außerwählten Kindern Gottes der himlischen Wollust in ihres Heylandes Gegenwart zugeniessen / deren Herligkeit keines Menschen Zunge beschreiben kan. O was elender Mensch und nichtiger Erdwurm würde ich seyn /wann ich zu dieser Erkäntniß der göttlichen allein seligmachenden Warheit nicht kommen währe / welche nunmehr mein Herz in dem Vertraue zu Gott dermassen fest geankert hat / daß alles ubrige / wie hoch es von der Welt mag gehalten seyn / mich nur wie ein unflätiger Koht anstinket. Nicht sage ich dieses / ob verachtete ich Gottes zeitliche Gaben / die er mir in kurzer Zeit häuffiger als einigem Menschen mag mitgeteilet haben / und ich / wann ein mächtiges Königreich zu kauffe währe / solches mit Golde wol an mich bringen könte / nachdem meines geträuen Bruders / Königes Ladisla / und meine Gelder fast nicht zuzählen sind / als die nach Silberwerd angeschlagen / an die 70000 Zentner oder Hundert schwehr sich belauffen; zugeschweigen aller zeitlichen Ehre und Herschafft / die mir unwirdigen im Parthischen / Persischen und Römischen Reiche aufgetragen sind / und zum teil fast auffgedrungen werden wollen. Noch wolte ich solches alles verfluchen / und als einen Wust in des Meeres Abgrund versenken / wann ich das allergeringste der zur Seligkeit notwendigen himlischen Erkäntniß davor entrahten solte. Mir zweifelt nicht / Gn. Fr. Mutter / diese meine Reden dünken euch kindisch / ja lächerlich seyn; und zwar eben so ist mirs anfangs mit meinem Bruder Ladisla auch gangen / daß er mich vor einen aberwitzigen Menschen hielt / welches ihn sider deß offt gereuet hat /aber es dazumahl nicht endern kunte; dann ehe Gottes Geist in des Menschen Seele den Glauben wirket /hält er göttliche Weißheit vor ein kindisches Affenwerk; und solches alles kömt von dem argen Menschen-Feinde dem leidigen Teufel her / als der nicht leiden kan / daß dem Menschen das Licht der Erkäntniß Gottes scheine / und dadurch sein schändliches Reich verstöret oder doch verringert werde; wie er dann ein Hasser und Verleumder alles guten ist. Wo aber die Furcht Gottes sich nur zuregen beginnet / so daß der Mensch gedenket und nachsinnet / was doch nach diesem kurzen vergänglichen Leben seyn werde /weil unsere Seel nicht verschwindet / sondern ewig bleibet / dann ist er schon bemühet / etwas zufassen /worauff er sich eigentlich verlassen / sein Gewissen befriedigen / und sein künfftiges höchstes Gut fest gründen und bauen möge / weil doch in dieser Sterbligkeit nichts gewissers ist / als die Ungewißheit unsers wolergehens; nichts beständigers / als des falschen Glückes Unbeständigkeit. Diese Gedanken /herzliebe Fr. Mutter / haben in meinen kindlichen Jahren mich offt angefochten und gereizet / auch in eurer Gegenwart (wo ihrs euch erinnern könnet) zu wünschen / wie gerne ich wissen möchte / was eigentlich Gott währe / wie er von uns wolte geehret seyn /und womit er nach diesem Leben die wahre Frömmigkeit beseligen wolte. Ein solches aber lehrete mich weder Krodo noch die Irmen Seul / noch die vermeinete Göttin / die man zu Magdeburg verehret. Fragete ich dann die Pfaffen darum / lacheten sie mich noch darzu höhnisch aus; warumb ich durch die Wolken steigen / und in der himlischen Götter geheimen Raht mich einmischen wolte; Ich solte mich an ihren Gottesdienst halten / dem Vaterlande gute Dienste leisten / und der Tugend mich befleissigen / dann würde mir nach diesem wol seyn / und könte ich wol gar dadurch erwerben / daß ich dereins unter die Zahl der Götter auffgenommen würde; an welcher lezten Rede ich ein Greuel hatte / und mit den ersten muste ich mich abspeisen lassen / ohn daß wol etliche hinzu setzeten /ich solte mich der Fröligkeit dieses Lebens gebrauchen / und mit guter Geselschafft lustig und guter dinge seyn. Andere; ich solte nur frey auff die Feinde der Teutschen Freyheit streiffen / und von der eingehohleten Beute der Pfaffheit milde Opffer zukommen lassen / alsdann würde ich eine hohe Stuhffe im Himmel erwerben; Und also ging ich unwitziger und verwirreter von ihnen / als ich kommen wahr. Mein damahliger Römischer Lehrer Tibullus / gab mir des Römischen Bürgemeisters Tullius / und anderer gelehrter Heiden Schrifften von der Götter Wesen zulesen / in welchen ich gleichwol noch etwas fand / aber in Warheit / nur ein Fünklein / welches unter der Vemunfft-Aschen ein wenig glimete und hervor blickete / und ich dannoch dadurch auffgemuntert ward /den Sachen etwas fleissiger nachzudenken; sahe und befand / dz gewißlich ein Gott seyn müste / der dieses grosse Rund erschaffen hätte / und in unverrükter Ordnung / welche wir vor Augen sehen / erhielte /auch demnach seine Herschafft ungleich weiter / als über das enge Teutschland reichen wurde. Mein Bruder Ladisla wird sich erinnern können / wie offt ich mich gegen ihn vernehmen lassen / daß weder Krodo /noch Irmen Seul derselbe Gott seyn könte / welcher die Welt in ihrem Stande und Wesen erhält; und daß ichs vor einen Unverstand hielte / daß man Gott unter so ungestalter Bildung schnitzen und mahlen dürffte. Wie offt hat dieser mein Bruder / wann wir mit einander zur Luft ausritten oder gingen / mich gefraget /worauff ich so emsig gedåchte / und was ich so viel und offt hinauff sähe gen Himmel / daß ich alles Gesprächs drüber vergässe; ich ihm aber allemahl zur Antwort gab: Ich betrachtete entweder der Sonnen Wunderlauff / oder etwas anders am Himmel; wiewol alsdann meine Gedanken sich immerzu nach dem mir unbekanten Gott richteten / und ihn herzlich anfleheten / er wolte sich mir gnädig offenbahren / damit ich ihn erkennen / und nach seinem Willen leben möchte /weil ich keinen Menschen zusuchen noch zufinden wüste / von dem ich dessen könte berichtet werden. Lieber Sohn / sagte hieselbst die Großfürstin / warumb aber stundestu so hefftig nach solcher Erkäntniß und Wissenschafft? Gn. Fr. Mutter / antwortete er; ich wahr dessen versichert / daß unsere Seelen nicht umkommen / wann sie von dem Leibe durch den zeitlichen Tod abgeschieden werden / sondern daß ihnen hernach von Gott also gelohnet werde / wie mans in diesem Leben verdienet hat; solte ich dañ nicht geflissen seyn / mich umb mein künfftiges / das ewig wehret / mehr zubekümmern / als umb das hiesige / dessen wir keine Stunde lang versichert sind? Nun sahe ich aber / daß ich meiner Seele nicht füglicher noch beständiger rahten könte / als wann ich des wahre Gottes Erkåntniß erlangete / unter dessen Gewalt wir alle sind; auff daß ich hernach eigentlich lernete / was derselbe Gott von denen erfodert und haben wil /denen er das höchste Gut nach dieser Sterbligkeit gedenket mitzuteilen. Zwar es bekümmern sich leider wenig Menschen umb dieses / aber mit ihrem unaussprechlich grossem Schaden / welches sie in dieser Welt nicht empfinden / aber es ihnen doch nicht aussebleiben wird. Nun auff mich selbst wieder zukommen / ob ich gleich dazumahl des einigen wahren Gottes Erkäntniß annoch nicht hatte / so erstrecketen sich dañoch so weit meine kräfftige Nachsinnungen /daß demselben die Unfläterey / Unreinigkeit / Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gefallen könte / weil er selbst das volkommenste Gut seyn / und nichts als gutes / das ist / Erbarkeit und Tugend / von uns Menschen begehren müste; daher ich weiters schloß / es würde eine vergebliche Hoffnung seyn / wann man Gottes Zorn wider die Gottlosigkeit durch Opffer und der unvernünfftigen Tihre Blut versöhnen und stillen wolte / sondern es müste das bmse hinweg getahn /und nach Ordnung der löblichen Gesetzen gestraffet werden / welches mich dañ jensmahl bewägete / den frechen unzüchtigen Buben Ingevon / wiewol vor freyer Faust zufelten / wodurch ich schier in Lebensgefahr hätte gerahten dürffen. Ich muß mich aber erinnern / was vor eine Erzählung meine Gn. Fr. Mutter vor dißmahl von mir gewärtig ist / damit ich deren /und anderer anwesenden Geduld mich zuhören / nicht mißbrauche; welche ingesamt an mir ein Beyspiel vor Augen haben / an dem die Barmherzigkeit GOttes so wunderlich und kråfftig hat wollen erscheinen lassen /daß niemand von der Seligkeit solle ausgestossen werden / der ihr herzlich nachtrachtet / und der allerhöchste GOTT sich keinem Menschen wolle verbergen / der ihn von herzen zuerkennen begehret; dann ich bin dessen in meinem Glauben versichert / Gott habe meine Seuffzen / die in meinem Heydentuhm ich ihm zuschickete / gnädig erhöret / wiewol auff solche Weise / die ein Unverständiger mehr vor eine Straffe /als vor eine Woltaht schätzen würde / und ist doch meine allergröste Glükseligkeit gewesen / so mir jemahls begegnet ist / und in dieser Welt begegnet kan; nehmlich / da ich im Böhmer Walde von den Pannonischen Räubern gefangen / von Römischen Buschklöpfern ihnen wieder abgenommen / und von ihnen in der Stad Rom vor einen Leibeigenen verkauffet ward. O der glükseligen Leibeigenschaft! dann dieselbe hat mich nicht allein zu der Erkäntnis Gottes fein geschikt gemacht / in dem sie den hohen Muht des stolzen fleisches in mir gebrochen / und zur Demuht mich angehalten / sondern mir auch anlaß gegeben /meine Seuffzer je mehr und mehr nach Gott zu wenden / welche auch nicht vergebens noch umbsonst vor der Himmelstühr angeklopffet haben. So vernehmet nun / Fr. Mutter / was Gott an mir vor ein Wunder getahn hat / und erkennet daher seine Liebe damit er uns armen Sündern zugetahn ist. Ich dienete dazumahl meinem Herrn zu Rom geträu und fleissig / mich schämend / daß ich meinen elenden Zustand den lieben meinigen zuschreiben und offenbahren solte; dann ich gedachte / es würde mir schimpflich seyn /wann ich nicht vor mich selbst Mittel und Weise ergreiffen könte / mich wieder in freien Stand zu setzen; welches sich doch nach meinem Willen nicht fugen wolte. Ich hatte anfangs einen harten Herrn / dessen Tochter bald darauff mir gar zugeneiget ward / und endlich sein Eheweib mich noch schlimmer liebete; ich aber baht den wahren mir annoch unbekanten Gott / daß er mich vor aller Unzucht und Schande gnädiglich bewahren / und mich wieder in mein Vaterland geleiten wolte. Als ich nun einsmahls mit solchen Gedanken des Abends auf meinem schlechten Lager einschlieff / kam mir in derselben Nacht dieses Gesichte im tieffen Schlaffe vor; Ein kleiner schöner Engel Gottes trat vor mir / mit überaus freundlichen Geberden / hatte in der rechten Hand einen offenen Brieff /an welchem ich diese Worte lase; Gottes Erkäntnis gehet über alles. In der Linken hatte er eine kleine Ruhte / daran hing ein Brieflein mit dieser Schrifft: Diese züchtiget und heilet. Als ich solches alles mit grosser herzensfreude (wie mich schlaffend däuchte) ansahe uñ betrachtete / redete der Engel mich also an: Mein Bruder / Gottes erbarmung beut sich allen Menschen an / und wirket bey denen die ihn suchen und seine Erkäntnis begehren; so mache dich nun früh mit dem Tage auff die Strassen / da wirstu einen Mañ antreffen / welcher dir des Himmels Schlüssel zeigen /und auff deine Bitte gerne mitteilen wird. Nach welcher Rede endigung / däuchte mich / er in einen Winkel getreten / und unsichtbar worden währe. Bald hernach stellete sich ein heßlicher ungestalter Teuffel vor mir / mit feurspeiendem Rachen / und scheußlichen Geberden / ohn zweiffel / den die unwissende Teutschen unter dem nehmen Krodo verehren; derselb dräuete mir mit einer grossen Keule / uñ ließ sich zugleich vernehmen / dafern ich diesem falschen und verführischen Bilde (so nennete er den Engel) folge leisten würde solte mit seiner Straffkeule ich Zeit meines lebens geschlagen werden. Er währe derselbe wahre Gott / welcher bisdaher den Teutschen Königen und Fürsten wieder alle ihre Feinde Schuz geleistet /und des Landes Freyheit erhalten håtte. Kaum kunte er diese Dräuungen ausreden / da ging vorgedachter Engel auff ihn loß mit einem feurigen Schwert / vor welchen er sich im geringsten nicht schützen kunte /sondern unter zitternder Furcht davon lauffen muste. Gleich hierüber erwachete ich / hörete meine Pferde wrinschen und kratzen (dann ich schlieff im Mahrstalle) empfand anfangs etwas grausen wegen des teuflischen Gespenstes / aber bald darauff eine herzliche Freude / mich auff des Engels Trostund beystand verlassend / daher ich des lieben tages mit grossem verlangen erwartete / welcher kaum hervor ragete / da ich meine Kleider anlegete und mich auff die Gassen hinaus machete / die eine ab / die andere auff ging / wie mirs vorkam / der gewissen Hoffnung / Gott würde mir den durch seinen Engel verheissenen Lehrer zuschicken; stund auch nicht lange an / daß ein alter und hagerer Mann / ehrbahres ansehens mir auffsties /welcher unter einem langen Mantel ein zimlich grosses Buch verborgen trug. Diesen grüssete ich freundlich / und fragete ihn / was vor ein Buch das währe; dann der Mantel schlug ihm ohngefehr vorne auf / dz ich dasselbe eigentlich sehen kunte. Er aber nach geschehenem Wiedergrusse antwortete mir; Lieber Sohn / wer seid ihr / uñ warumb fraget ihr darnach? Ich bin ein Leibeigener Knecht / antwortete ich / wie meine Kette ausweiset / und durch blossen ungluksfal aus Fürstlichen Stand in dienstbarkeit gerahten; habe sonst vor diesem auch meine Lehrer gehabt / und liesse mich noch gerne in allem guten / sonderlich in göttlichen Sachen unterrichten / hoffe auch schier einen solchen anzutreffen / der meinen Begierden / die nach der erkäntnis des wahren Gottes streben / ein genügen tuhn werde; massen ich dessen versichert bin /daß / wann ich nur dessen Erkäntnis haben möchte /wolte ich durch unablässiges Gebeht schon bey demselben erlangen / daß ich aus der Knechtschaft wieder in freien Stand gesetzet würde. Der alte sahe mich an als in höchster verwunderung / weiß nicht was ihm an mir gefallen möchte / und gab mir zur Antwort: Schönster ädler jungling / ich halte euch in warheit mitten unter eurer knechtischen Kette vor einen solchen / und wunsche euch des almächtigen wahren und einigen Gottes Gnade zu eurem Gottseligen vorhaben / kan auch inbetrachtung eures äusserlichen wesens /nicht gläuben / daß ihr aus Spot oder verachtung solches redet; darumb folget mir unvermerket nach /dann dieses (auff sein Buch zeigend) ist des Himmels Schlüssel / und die einige geöfnete Pforte zur heilsamen erkäntnis des wahren Gottes / der allein Gott ist; dann alle Götter der Heyden sind falsche Götzen /aber der HErr / der einige / ewige almächtige Gott hat den Himmel gemacht / und uns denselben zum ewiglichen Sitze erworben. O mein lieber Vater / antwortete ich; des Himmels Schlüssel ist mir hint diese Nacht im Gesichte verheissen / und zweifele nicht / eben ihr seid derselbe / welcher ihn mir mitteilen sol. Der Alte boht mir einen Kuß / und sagete: Lieber Sohn / nehmet von mir an den Kuß des Friedes / uñ folget mir nach / der Himmels Schlüssel sol euch mitgeteilet /und das Geheimnis der erkäntnis Gottes zur Seligekeit offenbahret werden. Ich wahr hierzu gar willig / und ließ mich von ihm in ein Hauß führen / da wir miteinander auff ein Gemach allein gingen / und er anfing mich zu unterrichten / was zur erkäntnis des wahren Gottes zu wissen und gläuben nöhtig ist; und als ich ihn fragete / woher ihm diese Wissenschaft und himlische Lehre kähme / davon ich noch nie etwas gehöret / auch in andern Buchern nichts davon gelesen hätte /sagte er: Dieses Buch / welches ihr bey mir auff der Gassen gesehen / hält diese göttliche Weißheit in sich / und ist das aller älteste Buch und dz allerheiligste auff der ganzen Welt / in welchem durchaus nichts falsches kan gefunden werden / sintemahl es nicht aus Menschlichem Gehirn entsponnen / sondern etlichen wenigen sehr heiligen Männern von Gott selbst eingeblasen ist / auff dessen Befehl sie auch haben schreiben / und diese Lehre zu unser unterrichtung und Seligkeit hinterlassen müssen / da zwar die Feinde der Warheit allen Mensch- und möglichen fleiß angewendet / wie sie dieses Buch samt der darinnen enthaltenen Lehre möchten vertilgen und aufheben / ist ihnen aber unmöglich gewesen / und wird ihnen wol / so lange die Welt stehet / unmöglich bleiben / nachdem unser Gott selbst uns die versicherte Zusage getahn hat / daß weder Teuffel noch Menschen diese Lehre ausrotten / oder dieses Buch vertilgen sollen. Hierauff fuhr er fort / mich in den ersten Häuptstücken der Christlichen Lehre zu unterweisen / und vermahnete mich endlich / wañ ich des vorhabens währe / den wahren Gott aus der Christlichen Lehre zuerkennen /müste ich zugleich auch den steiffen Vorsaz haben /die wahre ungefärbete Gotseligkeit in meinem ganzen Leben fortzusetzen / aller Gottlosigkeit / Untugend /Unzucht / Völlerey / und andern Lastern / wie sie nahmen haben möchten / mich zuenthalten / und hingegen die Warheit / Keuscheit / Gerechtigkeit / Versöhnligkeit / Geduld / Mässigkeit und insgemein alle Zucht und Erbarkeit zu lieben und nach äusserstem vermögen zu üben geflissen seyn; insonderheit müste ich an der einmahl erkanten Warheit fest und beständig halten / und weder durch Wollust / noch Noht /weder durch Gefahr noch Leyden / weder durch Lebensbegierde noch Todesfurcht mich davon abtreiben lassen; welches da ichs ihm aus gutem Herzen versproche hatte / führete er mich mit sich in die Christliche Versamlung / woselbst ein ander Lehrer aufftrat /etliche Christliche geistreiche Gebehter ablase / und darauff etliche Worte aus obgedachtem heiligen Buche / welches man die heilige Schrifft / oder Gottes Wort nennet / erklärete; nachgehends die Anwesenden zur beständigkeit im Glauben / zur Geduld / Gottesfurcht und frömmigkeit vermahnete / das Gebeht wiederumb zu Gott hielt / und damit die Versamlung von einander gehen ließ / ihnen daneben vermeldend /welches Tages / und zu welcher Stunde die zusammenkunft zum Gebeht uñ zur unterrichtung solte wieder gehalten werden. Mein erster Lehrer aber schenkete mir ein Gebeht- und Glaubens-Büchlein / welches man die Christliche unterrichtung neñet / befahl mir /alle tage eine Stunde zu ihm zukomen / uñ tröstete mich herzlich in meiner Leibeigenschaft / unterrichtete mich auch täglich / und zeigete mir die unbewäglichen Grundfeste / auff welche diese Lehre gebauet ist / und fest bestehet / daß die Pforten der Hellen selbst sie nicht überwältigen noch erschüttern können / da ich dann in Erkäntniß dieses heilsamen Glaubens wol zunam / und dem frommen Lehrer zeit meines Lebens werde zudanken habe. Ich gestehe auch gerne / daß bloß allein die Liebe zu dem Christentuhm mich abgehalte hat / meinen lieben Eltern den Zustand meiner Knechtschafft zuzuschreiben / weil ich mich gar zeitig fürchtete / man würde mir diesen unbekanten Glauben in meinem Vaterlande schwerlich zulassen / wie ich dann dessen gnug zu funde kommen bin; ja mein liebster und geträuester Ladisla selbst durffte mir bedraulich gnug zuschreiben / wie er mich wegen meines Christentuhms anklagen / und zum Wiederruff zwingen wolte; nachdem er aber sahe / daß alles vergebens wahr / geduldete er meinen Glauben / und ich seinen Unglauben / biß ihn Gottes Barmherzigkeit erleuchtete / daß er seine nichtige falsche Götzen fahren / seiner armen Seele rahten ließ / und den wahren einigen Gott bekennete. Also sehet ihr nun / Gn. Fr. Mutter /daß meine damahlige Leibeigenschafft / welche die meinen vor einen sonderlichen Unfal und Straffe rechnen / mir ungleich besser und heilsamer / als meine Freiheit und Fürsten Stand / ja als mein zeitliches Leben gewesen sey / weil eben dieselbe mich an solchen Ort gebracht hat / wo selbst mir die heilsame Lehre zur künfftigen himlischen Seligkeit hat können mitgeteilet werden / und hat mein Gott an mir erfüllet / was ein grosser Christlicher Lehrer Paulus genant /an einem Orte schreibet / daß denen / die Gott lieben /alle Dinge / dz ist / nicht nur die glüklichen / sondern auch die wiederwertigen Dinge zum beste dienen müssen. Sehet / herzliebe Fr. Mutter / also hat mein wunder-gnädiger Gott mich geführet / uñ sich über mich erbarmet / welches mir doch der hellische Feind nicht gönnen wollen / der sich durch seine Werkzeuge die leidigen Pfaffen bemühet hat / mich und meinen heiligen Glauben bey meinen lieben Eltern in Verdacht zubringen / ob hatte ich mich zu einem häuffen gottloser frecher Buben gesellet / welche nichts als üppigkeit und Schande begehen / abscheuhliche Vermischungen / heimlichen Mord und zäuberische Künste: reiben / die wahre Gottheit verachten / und mit kurzen zusagen / die ärger als das tumme Vieh leben /und nit werd seyn / daß sie der Erdbodem trage und ernähre. Nun stelle ich euch aber diese meine Geselschafft dar / umb nachzusinnen / ob jemand unter ihnen allen sey (dann wir sind Gott Lob / alle eines Christlichen Glaubens) von dem ihr solchen gottlosen teuflischen Sinn euch auch nur vermuhten köntet /und hoffe zu meinem Gott / er werde den boßhafftigen Pfaffen auff ihren Kopff vergelten / was sie mir zugerichtet / und ihnen doch / Gott sey ewig Lob / nit hat gelingen müssen; dann ich vor mein Häupt bin ganz nicht willens / mich im geringste an ihnen zurächen /weil ich dem / der über alles herschet / vorlängst schon alle Sache und Rache befohlen und heimgestellet habe. Hierauf fing Baldrich an: Ja mein Herr Bruder; freylich hat das teuflische Pfaffengeschmeiß alle Lügen-mittel hervor gesuchet / Eure Liebe bey unsern geliebten Eltern schwarz und verhasst zumachen / und kenne ich die Redlensführer sehr wol / denen mit der Hülffe Gottes kan gelohnet werden. König Ladisla mischete sich mit ein / und fing also an: Großmächtigster GroßFürst / Gn. Herr Vater; ich erinnere mich / was Gestalt ich der erste gewesen bin / der Euer Liebe meines Herkules Christentuhm zuwissen gemacht / und seine Schreiben von Rom übergeschicket / auch dazumahl grosses mißfallen an solcher seiner Enderung getragen; aber niemahls habe ich mir einbilden können / daß seine Tugendhaffte Seele einen solchen Glauben solte angenommen haben / in welchem man zu allen Lastern Freiheit suchete und fünde; dann ich bin seines Lebens und Wandels bester Zeuge; so gedenke mein Herr Vater nicht / daß dieser sein Sohn / den alle Welt liebet und ehret / deswegen nach seinem Vaterlande verlange getragen hat /daß er dereins die Herschafft daselbst überkähme /wiewol er von Gottes und Rechtswegen der billiche Erbe ist / dafern er überleben sol; sondern bloß die Begierde seine Eltern zusehen / und deren Wolfahrt zusuchen / hat ihn über Meer und Land gefuhret / da er sonst das trefflichste Fürstentuhm Morgenlandes /nehmlich Susiana wol besitzen möchte / in welchem mehr Goldgülden / als in Teutschland Pfennige zuheben sind / welches ihn auch so lange er lebet / vor seine Obrigkeit erkennen / und ihm jährlich und alle Jahr / drey Toñen Goldes übermachen wird / ob er sich gleich dessen zuentbrechen / äusserste Bemühung angewendet hat. Und wann gleich dieses nicht währe / so stehet ihm zu Rom der gleichmässige Gewalt- und Ehren-Stuel neben dem Käyser schon fertig / wann er sich nur darauff setzen wolte. In betrachtung dessen alles / wolle nun mein Herr Vater den Unwillen gegen seinen Sohn gänzlich fallen lassen; da er auch durch falsche Verleumdungen hintergangen ist / wird er mit Gottes Hülffe erfahren / wann er meinem und der ganzen erbaren Welt Zeugniß nicht gläuben kan / was vor einen Sohn er allen fromen zum besten an diese Welt gezeuget hat. Der GroßFürst hatte diese ganze Zeit uber sich des Königlichen Ansehens sehr verwundert / welches Ladisla zuhalten wuste / hörete auch aus seinen ernstlichen Reden / daß ihm sein Vorbringen von Herzen ging / und antwortete ihm also: Großmåchtigster König / geliebter Herr Sohn; es ist nicht ohn / daß mein Vaterherz aus Mißverstand meinem Sohn der Gebühr nicht begegnet ist / aber bloß aus Furcht der Götter / deren Ehre ein jeder Mensch ihm billich låsset angelegen seyn / als lange er sie vor Götter achtet. Meinen Sohn habe ich nie vor einen Freund der Laster gehalten / aber wol dieselben / welche ihn zu dem neuen Glauben verleitet / weil man mirs dazumahl einmühtig also vorgetragen hat / und ich dessen nunmehr viel eines andern berichtet werde. Nun kan ich zwar den begangenen Irtuhm nicht allerdinge entschuldigen / dann ich hätte der blossen Anklage und Verleumdung nicht sollen alsbald Gehör geben / sondern der Verantwortung erwarten; jedoch kan mein Fehler / wie ich meyne / leicht verbessert /und das unterlassene ersetzet werden. Vor dißmahl hat meine Seele ihre völlige Vergnügung / daß der gütige Gott mir meine Söhne / Töchter und Anverwanten auff einmahl hat wollen zuschicken / von denen ich meinete / keinen nimmermehr wieder zusehen; Insonderheit aber / und vor allen andern / bin Euer Liebe ich hoch verpflichtet / daß dieselbe meinem lieben Sohn Herkules so geträue Geselschafft / und ein besser Herz / als seine Eltern selbst / hat erzeigen wollen / werde mich auch äusserst bemühen / es nach allem Vermögen zuersetzen. Nachdem es aber sehr späte ist / wil mir nicht gebühren / Eure Liebden ingesamt von der Ruhe noch länger auffzuhalten / in betrachtung / sie heut in der Schlacht ihre volle Arbeit gehabt / und ich selbst deren in etlichen Nachten sehr wenig genossen / ich auch nicht gläuben kan / daß in 24 Stunden einiger Schlaff in ihre Augen kommen sey; überdas werden wir geliebts Gott morgen zeitig gnug beyde Hände vol zurahten und zuschaffen finden. Dem Frauenzimmer wahr solche Erlassung nicht unangenehm / und begab sich ein jeder nach seinem Schlaffzelte / die Ruhe einzunehmen / wiewol die GroßFürstin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht schlafloß blieb / und ihrer Trähnen nicht schonete.

Inzwischen lag dieses Fräulein mit ihrem lieben Fürsten auff dem Häu in grosser Herzens Angst / und hätte ohn Zweiffel vergehen müssen / wann der verliebte und nunmehr zimlich befriedigte Arbianes sie nicht mit allerhand TrostReden gestärket hätte. Dann die auß geschikten Reuter gingen schier die ganze Nacht / und kahmen vier unterschiedliche Hauffen an / da einer in der Güte / der ander mit pochen wissen wolte / ob nicht die in Himmelblau gekleidete Jungfer des weges hergeführet währe / aber von Wolffgang alle einerley Bescheid bekahmen / worüber dem lieben Fräulein der Schlaff bald verging / daß sie zu Arbianes sagete; ach mein teurer Schatz / hülffen uns doch die Götter nur auß dieser Gefahr / alsdann wolte ich an weiterem glüklichen Verfolg nicht groß zweiffeln. Hingegen stellete er sich geherzt und baht sehr /sie möchte ihr doch gefallen lassen / ein stündichen oder etliche zuschlaffen / damit sie durch Müdigkeit an der künfftigen Reise nicht verhindert würde; worin sie ihm endlich gehorchete / legete sich neben ihn /wickelte die Kleider fest um sich / und schlieff immerhin biß an den lichten morge. Ehe dañ der Tag anbrach / trat Wolfgang zu Arbianes / und sagete in aller stille zu ihm; er fürchtete sehr / die Jungefrau würde in ihren schönen Kleidern schwerlich durchkommen / es liessen sich im Felde hin und wieder zustreuete Völker ohn Waffen sehen / als ob sie flüchtig währen / welche dann der Beute am meisten pflegeten nachzutrachten / daher hielte sein alter Vetter vor rahtsam / daß er Pferd und Harnisch nach der Stad brächte / und daselbst schlechte Bürger Kleider entlehnete / in welchen sie den geringen Weg zu Fusse gingen / welcher in anderthalb Stunden wol könte geendiget werden; wurden demnach diesen Tag sich alhier auffhalten müssen / biß gegen Abend / dann wolte er sie im langen Korn biß vor die Stad bringen /da sie nach-gehends keine Gefahr mehr zufurchten hätten. Arbianes lies ihm den Vorschlag wolgefallen /reichete ihm 20 Kronen / davon er alte Kleider und gute frische Speisen bezahlen solte / und legete sich noch eine Stunde schlaffen / biß die Sonne am klaren Himmel schiene / und durch den offenen Giebel ihre Strahlen auff sie warff / wodurch ihm der Schlaff gebrochen ward / daß er sich recht gegen sein Fräulein übersetzete / und die volkomene Schönheit ihres Angesichts betrachtete / dessen er so eigentlich noch nicht wahr genomen hatte. Das Brustbildichen stellete er neben sie / umb zu erforschen / ob es eigentlich getroffe währe / da er als ein Kunstverständiger eine zimlichen Mangel befand / dann die lebendige Farbe ihres zarten Angesichts wahr ungleich schöner als des Gemäldes / daß er endlich anfing: O du allerschönstes Engelchen / ist dann nur Böhmen und Teutschland so glukselig / die volkommene Zier hervor zubringen / so muß ich ja billich von den glükseligsten mich mit rechnen daß ich in Teutschland kommen / und so hohe Gunst und Liebe bey diesem wunderschönen Fräulein erhalten habe. Das Fräulein erwachete / da er diese Rede anhuhb / stellete sich doch als schlieffe sie / um zuvernehmen / was vor eine Endschafft er seinem Wunsche geben würde; da er also fort fuhr: O mein Gott / wie sol ich doch der unvergleichlichen GroßFürstin Valiska gnug danken / daß sie mein Herz auffgemuntert / und die Kühnheit in mich gebracht hat / um dieses allerschönste Tugend ergebene fromme Fräulein zuwerbe / der ich mir sonst vorgenommen hatte / mich in meiner verborgenen Gluht selber zuverzehren / und dieses Gemälde / welches doch den tausendsten Teil an ihre Schönheit nicht reichet / Zeit meines wenigen übrigen Lebens zuverehren. O aller liebreichstes Fräulein / wann wird die höchst gewünschete Stunde erscheinen / da an dieser volkommenen Schönheit / nach so langen unaußsprechlichen Liebes Schmerzen / in züchtiger ehelicher Liebe und vergnügung ich mich ersättigen werde? er wolte weiter reden / aber das Fräulein / welche ohn das sehr mitleidig wahr / kunte ihm ohn Bewägung länger nicht zuhören; so hatte sie auch ihren lieben Fürsten noch nicht recht beschauet / wie er ungeharnischt von Leibe und Angesicht eigentlich gestaltet währe / schlug deßwegen ihre klare Augelein auff / und empfand wegen getahner ehelichen Zusage nicht geringe Schahm im Herzen. Als sie ihn nun in seiner dünnen Kleidung vor sich in den Knien sitzen / und das Gemählde in der Hand halten sahe / richtete sie sich auff / daß sie gegen ihn zusitzen kam / und nach Wünschung eines frölichen morgens rühmete sie / wie sanfft und wol sie nach außgestandenem Schrecken auff diesem Häu geschlaffen hätte / auch sonsten sich sehr wol befünde Aber mein Hochwerter Fürst / sagte sie mit einem freundlichen Anblik / hat auch Eure Liebe etwas Ruhe gehabt? ach in was grosse Sorge / Angst und Gefahr ist er doch meinet wegen gerahten / da sonst / wann ich nicht währe / er in seinem trefflichen Großfürstentuhm wol ruhig und sicher sitze / und aller zulässigen Wollust geniessen möchte. Hierauff setzete er sich zu ihr an die Seite / umfing sie mit inniglichen küssen / daß sie ihm einzureden nicht umhin kunte / hernach antwortete er ihr also: O Sonne aller Schönheit / O einiger Glanz und wärmender Strahl meiner Seele! schätzet mein Fräulein mich diese Stunde vor unglükselig / in welcher ich der allergrössesten Wollust genossen / und das volkommene Meister Stük des gütigen Himmels / an der Vortreffligkeit ihres wunderschönen Angesichts betrachtet habe? Mein Seelen Schätzchen / gläubet mir / daß mein Herz in grösserer Freude niemals geschwebet hat. Mein Fräulein / ihr / ihr seid mein Großfurstentuhm; ihr seid meine sichere Wollust / und die einzige Ruhe aller meiner auffwallenden Gedanken / ohn welche nach diesem ich keine Stunde werde ruhen können. Ja hette der Himmel Eure Liebe gleich im nidrigen Baure Stande lassen gebohren werden / und nur dieses Hütlein ihr eigentuhm wäre / wolte ich mein Medisches GroßFürstentuhm gerne damit vertauschen /und mich zum Haußknechte hieher vermieten / nur daß ich der allerdurchdringendesten Strahlen dieser voll-schönen Augelein (die Er zugleich kussete) in meiner Seele empfinden / und gegenwärtig geniessen möchte. Die innigliche Liebe wolte ihm nicht mehr worte gönnen / sondern er saß als ein gehauenes Bilde mit unverwendeten Augen / dem allerschönsten Angesichte seiner Herzgeliebeten Fräulein gerade entgegen; wodurch das keusche fromme Herz durch mitleiden der Gestalt bewogen ward / daß sie selbst wünschete / schon bey ihren Eltern zuseyn / damit sie seine Seele in keuscher ehelicher Liebe völlig befriedigen könte; vor dißmahl aber boht sie ihm einen züchtigen Kuß / legte ihr Häupt an seines / streich ihn mit der zarten Hand über seine Augen und Angesicht her / und sagete; ihr mein ehren-höchstgeliebeter Fürst und Erretter / was finden doch eure Augen an mir sonderliches / welches eine solche unerhörete Liebe in eurem Hochfürstlichen Herzen erwecken solte / daß ihr um meinet Willen den Großfürstlichen Stand verlassen / und in bäurischer Knechtschafft euch zubegeben einwilligen woltet? vielleicht hat Libussa Euer Liebe etwas von mir erzählet / welches sich doch im wenigsten bey mir nicht finden lässet; es sey aber wie ihm wolle / so befinde ich mich nicht allein unwirdig solcher gar zugrosser Liebe / sondern auch hart verpflichtet / dieselbe nach äusserstem vermöge mit allem Gehorsam / und was meinem Fürsten kan behäglich seyn / zuersetzen / dessen ich auch / sobald wir bey den lieben meinigen ankommen werden /mich in keinem begehreten und mir zuleisten möglichen Stücke entbrechen wil. Arbianes hatte sich wieder erhohlet / zog das Fräulein auff seine Schoß / und betrachtete ihr Angesicht mit sonderlicher Anmuht; hernach erinnerte er sich ihrer Reden / daß sie sich vor unwirdig so grosser Liebe gescholten hätte / und beantwortete es folgender Gestalt / in dem er sie immer steiff ansahe; O du unvergleichlicher Pracht aller Schönheit / sagete er; ja du volkommenes Muster der jungfräulichen Tugend und Wirden; könnet ihr beyde zugleich der Zungen es so gar ungestraffet hingegen lassen / daß sie sich an euch so hoch vergreiffet / und eure Werdigkeit in zweiffel zihen darf? mein löbliches und liebliches Seelichen / höret auff / euch selbst zuverachten und gebet nicht Ursach / daß ich etwas an euch hassen solte / welches mir doch unmöglich ist / gläubets bey meinem äide / daß es meinem Herzen lauter tödliche Stiche sind / wann ich solches anzuhören gezwungen werde / daß ihr unbarmherziger Mund wider die herliche Volkommenheiten wütet; lasset / bitte ich / die Warheit meiner Reden frey gehen / und tadelt nicht / was Gott selbst über andere weit erhoben hat. Was solte mir Libussa vorgeschwätzet haben? zwar ich lasse sie in ihren Wirden /als eine adeliche verständige Frau / aber von meiner Liebe hat ausser meiner Fr. Schwester kein einiger Mensch ein Wort auß meinem Munde gehöret / auch GroßFürst Herkules selber nicht. Ach mein teurer Fürst / antwortete sie; eben als wann auff diesem unachtsahmen Häu ich mich von ihm zu solchem Stolze würde auffblasen lassen / daß ich mich wirdig schätzete / um deret Willen wol Großfürstliche Herren zu Bauer Knechten gedeien solten; nimmermehr wird mein Schaz ein solches bey mir erhalten / ungeachtet ich mich schon zu allem möglichen Gehorsam / wie billich / verbunden habe; dann ein solches würde mich unwirdiger machen / als kein Ding in der Welt; aber wie mein Fürst; werden wir uns nicht schier zur Reise fertig machen / oder müssen wir den starken Grase Geruch uns noch heut den ganzen Tag unser Häupter füllen lassen? Arbianes erzählete ihr was gestalt sie vor abends wegen Unsicherheit nit auffbrechen dürften / würden auch ihre Kleider mit burgerlicher schlechter Tracht verwechseln müssen / damit sie ohn angefochten in die Stad kähmen. Ach ach! antwortete sie / es währe alles wol angelegt / wann nur meine wenige Schönheit / wie geringe sie auch ist /mich nicht verrahten möchte daß ich etwas mehr als Bürger-Standes bin. Darauff habe ich mich bey Zeiten geschikt / sagte er / und mit einem Kunstpulver mich versehen / damit ich mein Fräulein unkäntlich gnug machen / und der Farbe nach / sie wie ein heßliches Bauren-Mägdlein zurichten wil / daß ihre Eltern selbst sie nicht kennen sollen; nur scheue ich mich /ihrer außbündigen Schönheit diesen Schimpf anzulegen / und möchte die Sonne am Himmel selbst auff mich zürnen / daß ich ihr das anschauen eurer trefflichen Zierde / durch diesen Nebel entzihen wolte. Ach nein ach nein mein Fürst / antwortete sie / wie würde ich ihm hernähst in solcher heßlichen Gestalt gefallen können? hat Eure Liebe eine zimliche vergnügung an meiner wenigen Schönheit / so beraube er mich derselben nicht / es sey dann daß die unvermeidliche Noht es erfodern würde. Der Furst merkete ihren Irtuhm / und sagete; solte ich ihrer Schönheit Abbruch zutuhn mich unterstehen können? ehe müste meines Lebens Fadem selbst gebrochen werden. O nein nein mein Fräulein / diese Meinung hat es durchauß nicht; sondern mein Pulver streichet ihr eine heßliche Farbe zwar an / aber die ich / wann michs geliebet / abwischen und vertreiben kan. Ey das währe ein gutes mittel durchzukommen / antwortete sie / daß wir aber die lange Zeit vertreiben mögen / so wolle mein Fürst / bitte ich / mir unbeschweret erzählen /wie mein lieber Bruder Baldrich zu so schleuniger Heyraht kommen sey / und was vor ein Fräulein er gefreyet / dann ich erinnere mich / daß er gestriges Tages seiner Gemahl gedacht hat. Arbianes wahr ihr hierin gerne zugefallen / wiederhohlete alle begebnissen zu Padua / und mischete zugleich Siegwards Heyraht ein; wodurch sie die Zeit biß an den Mittag verzehreten / da Wolffgang wiederkam / gute Speise und Trank in einem Trage Korbe neben alter Kleidung herzubrachte / auch dabey berichtete / es streiffeten hin und wieder Wendische und Friesische Reuter /mehrenteils hart verwundet / welche einhellige Zeitung brächten / die Sachsen und Böhme hätten ihr ganzes Heer erleget und den alten Wendischen Fürsten im Streite lebendig gefangen / daß zubefürchten stünde / es würde gantz Frießland und andere einverleibete Landschafften in ihre Gewalt gerahten. Ey Gott Lob / sagete das Fräulein / so wird der gottlose Räuber zweifels ohn mit dem Halse bezahlen müssen. Schwerlich kan ich solches gläuben / antwortete Arbianes / wofern er sonst nur demütig seyn / und zum Kreuz kriechen kan; dann GroßFürst Herkules und sein Gemahl sind viel zu barmherzig / und ihren ärgesten Feinden zuvergehen so willig / als boßhafftig jene immer seyn mögen / sie zubeleidige / dessen ich so mannichen Beweiß mit meinen Augen angesehen /daß jederman sich uber solche Gelindigkeit zum höchsten verwundern muß. Ey so wünsche ich dem verwägenen Menschendiebe ein auffgeblasenes trotziges Herz / sagte sie / daß er nicht ungestrafft uñ mit dem Leben davon komme / er dürffte sonst dereins gelegenheit suchen / sein Schart wieder auszuwetzen /und möchte der lezte Betrug wol ärger werden als der erste. Ich wil nicht hoffen / antwortete er / daß wir uns dessen vor ihm werden zubefürchten haben / dann zum wenigsten wird man ihm die Finger dergestalt beschneiden / daß er des kratzens nicht mehr machen kan; nur möchte ich wol wissen / wie seines Sohns Tod ihm gefallen werde. Sehr lieb / sehr angenehm wird ihm derselbe seyn / antwortete sie; dann über einem Raub / der ihrer / dem Himmel sey Dank / keinem bescheret wahr / entstund eine solche unversöhnliche Feindschafft zwischen Vater und Sohn / daß wo meine Brüder und Freunde diese scheidung nicht gemacht hätten / würden sie ausser allem Zweifel sich unter einander auffgerieben haben / massen aus des Sohns Munde ich selbst gehöret / es müste ihm sein Vater in der Liebe / oder durch den Tod weichen /oder aber er wolte seinen Kopff dran strecken. Es verließ sich aber dieser auff der gemeinen Kriegsknechte und der Häuptleute Gunst und Beistand / welche er als einen Mann auff seine seite gebracht hatte; hingegen verfuhr der Vater mit Troz und Verwägenheit /welcher / nach meines Herr Vaters Meynung / den Sohn in kurzer frist mit eigener Faust erwürgen / oder durch einen Meuchelmörder es verrichten würde. Ich vernehme / sagte Arbianes / der Sohn sey schon einmal mit meinem Fräulein auff der Flucht gewesen /und wieder eingehohlet worden. Ja / antwortete sie; so bald er auff der Reise verstund / daß sein Vater selbst willens währe / mich zuheirahten / suchete er gelegenheit / mir solches zuoffenbahren / nebest dem Vorschlage / dafern ich sein Gemahl mit gutem Willen werden wolte / hätte er ein Mittel erdacht / mich davon zubringen; welches mein Vater mit einer zweifelhafften Zusage beantwortete / und von ihm die äidliche Verheissung nam / daß er mich / ehe wir ingesamt in völlige Freiheit gesetzet währen / nit berühren wolte. Worauff er zwar mit mir davon ging / des Vorsatzes / mich in der Römer Gebiet hinzuführen /aber er ward von seines Vaters Leuten zu fruh an ausgekundschaffet / und zurük gehohlet. Wir werden uns aber vor dißmahl in solchem Gespräch mässigen / uñ uns an die Speisen machen / weil es hohe Zeit ist / das Mittagsmahl einzunehmen. Er ließ sich darzu leicht bereden / legte dem Fräulein vor / und assen mit gutem Lust; Hernach setzeten sie allerhand Unterredungen fort / biß es zeit wahr / sich zu der Reise oder Wanderschaft fertig zumachen.

Unsere Fürstliche Geselschaft feirete desselben Tages auch nicht / dañ so bald der Tag anbrach / ward zu allererst durch das ganze Lager ausgeruffen / daß der GroßFürsten älterer Sohn / Fürst Herkules aus der Fremde wieder zu Lande geschlagen / und bey der Furstlichen Versamlung sich befünde / währe eben der ertichtete Persische Gesanter / Valikules / unter angenommener fremder Gestalt / welcher die Schlachtordnung gestellet / die Völker an den Feind geführet / und durch seine Tapferkeit die überwindung erhalten hätte; und ob dieser trefliche Held gleich vor diesem bey seinem Herr Vater währe angetragen / als ob er einen schändlichen Glauben angenommen / der Tugend abgesaget / und ein Feind aller Erbarkeit / des Vaterlandes / und der Teutschen Freyheit worden währe / so hätte doch sein H. Vater nunmehr das Wiederspiel gnugsam erfahren / und daher diesen seinen lieben Sohn gerne und willig zu Gnaden auff und angenommen / welcher hingegen sich gnug und übergnug verpflichtet / seine unverschuldete Verleumdung / als welche aus unwissenheit / und falschem Geschrey entstanden / an keinem einigen Menschen zurächen / ungeachtet ihm sehr wol bewust währe / daß ihrer gar wenig Ursach und Schuld daran trügen / denen doch ohn Nachfrage solte verzihen und vergeben seyn. Diesen Raht gab Herkules selbst /damit die anwesende Pfaffen / die sich bey dem Heer funden / keinen Auffstand seinetwegen erwecken und aus furcht der Straffe uneinigkeit machen solten. Das Heer / welches gleich umb erläubnis zur Plunderung anhielt / erfreuete sich dieser Zeitung sehr / insonderheit die gemeinen Knechte / als denen wol bekant wahr / was gestalt Herkules vor acht Jahren die Gewaltsamkeit etlicher ädlen von ihnen abgekehret / und sie in gute Freyheit gesetzet hatte / stelleten ein grosses Freudengeschrey an / Unser junge GroßFürst Herkules lebe; und begehreten untertähnig / daß er sich ihnen zeigen möchte / als welchen sie vor ihren Erlöser hielten / und ihn in langer Zeit nicht gesehen hätten. Er wahr hierzu willig / ritte neben seinem H. Vater und Bruder Baldrich hinaus / da ihnen alle Völker entgegen jauchzeten / er aber nach gegebenem Wink / daß er gerne von ihnen möchte gehöret seyn /also anfing: Ihr ädle und freie Teutschen alhie versamlet; was vor herzliche Vergnügung ich an eurem guten Willen trage / kan ich mit Worten nicht aussprechen; gläubet mir aber / als einem redlichen Ritter und gebohrnen Teutschen Fürsten / daß ich nimmermehr unterlassen werde / vor das Vaterland und die Teutsche wolher gebrachte / und bißher löblich erhaltene Freyheit / wieder alle und jede Feinde / Römische und Unrömische zu fechten / und aller deren Anfal und feindseligkeit abzutreiben / als lange ich einen warmen Blutstropffen bey mir verspüre. Ich bin noch niemahls meines Vaterlandes oder der der Teutschen Feind worden / dessen ich mein Gewissen / und denselben Gott zum zeugen nehme / welcher Himmel und Erden beherschet; wie auch die wenig Teutschen / so mit mir aus den fremden Låndern wieder zu Hause angelanget / und sich unter euch befinden / bezeugen werden. Darumb so bleibet auch ihr hinwiederumb beständig / und eurem GroßFürsten / meinem Gn. Herr Vater / auch uns seinen beyden Söhnen getråu /als angebohrnen Untertahnen in ihrer ungestöreten Freyheit gebühret / und versichert euch / daß ihr an uns dreyen habet / welche vor euer Heyl und Wolfahrt ihr Blut zuvergiessen / und ihr Leben in die Schanze zuschlagen sich nimmer wegern werden. Der alte GroßFurst fing darauff an: Ihr meine redliche auffrichtige Teutschen / und liebe geträue; in diesem Ritterzuge habt ihr mir eurem GroßFürsten euer Herz dargelegt / und augenscheinlich sehen lassen / wie fest ihr mir anhanget und zu meiner Rettung gefliessen gewesen seid / welches euch mit allen väterlichen Gnaden sol vergolten werden. Diesen meinen Sohn Herkules hat mir der Himmel wieder zugeschikt / welchen ich frey und unschuldig finde aller falschen und lügenhaftigen aufflagen / deren ihn etliche haben zeihen wollen / welches weil es aus unverstand und unwissenheit geschehen ist / sol ihnen nochmahls durchgehend verzihen seyn; vor dißmahl gehet hin die Beute einzusamlen / welche ihr gestriges Tages durch eure sieghaften Fäuste habt erstritten; inzwischen werden wir dasselbe abzuhandeln vornehmen / was zu unsers Teutschen Reichs Wolfahrt / Ehre und Auffnahme dienet. Es erhub sich abermahl ein grosses Freudengeschrey / welches sehr wüste durcheinander ging / und machte das Heer sich darauff nach der Wahlstat / da sie mehr bey den Erschlagenen funden / weder sie gehoffet hatten. Die gesamten Fürsten aber / denen Fr. Valiska auff des alten GroßFursten begehren beywohnen muste / hielten Raht / was weiter würde vorzunehmen seyn / da sie einhellig schlossen / man solte gleich mit dem Heer in Frießland gehen / sich aller feindtähtligkeit enthalten / und bey den Stånden des Landes vernehmen / ob sie sich gutwillig bequemen /und einen von des GroßFursten Söhnen vor ihren König annehmen / oder des wolbefugeren Kriegszwanges wolten gewärtig seyn. Wurde das erste stat haben / alsdann solten des Landes schwere aufflagen alsobald und wirklich abgeschaffet / und alle Inwohner ein ganzes Jahrlang aller gewöhnlichen Schatzung erlassen seyn; ihre Gerechtigkeiten solten bestätiget /die Zölle geringert / die Frohndienste auss leidlichste gemässiget / uñ alles in den uhralten Stand gesetzet werden. Im wiedrigen würden ihre Dörffer verbrennet / ihre Städte verstöret / ihre Güter geraubet / die Weibsbilder geschändet / sie selbsten in harte Dienstbarkeit hinweggeführet / und das Land mit neuen Inwohnern besetzet werden / weil ohn alle gegebene Ursach / sie den mit ihrem lezten Könige auffgerichteten Frieden gebrochen / indem sie mit dem Wendischen Erzräuber ihre Macht zusammen gesetzet zu / nicht allein der schåndlichen Entfuhrung / sondern auch der Schlacht beygewohnet / und alle feindliche bezeigung vorgenommen hätten. Nach gemachtem diesen Schlusse ward umbgefraget / was mit dem gottlosen Råuber Krito wurde vorzunehmen seyn; da Herkules vor gut ansahe / dz der Bube Niklot allererst vorgenomen / und nach befindung gestraffet würde / welches in des alten GroßFursten abwesenheit geschahe / als welcher ihn seines ausschauens nicht wirdigen wolte. Als derselbe vor dieses Hochfürstliche Gericht gestellet werden solte / begehrete er zuvor vergünstigung /mit seinem gefangene Fürsten zu reden / welches alle Fürsten ihm zu wegern willens wahren / ohn daß Ladisla riet / man könte ihm solches gönnen / jedoch daß es in Leches und Prinsla gegenwart geschehen solte. So bald Niklot zu seinem Fürsten nahete / empfing derselbe ihn also: Sihe da mein lieber geträuer /sind wir also beyderseits unter der Feinde Ketten und Banden gerahten? es ist mir sehr lieb / daß du zu mir komst / nach dem ich ein und anders in diesem Unfal mit dir zubereden habe; ihr beyden aber / sagte er zu Leches und Prinsla / tretet mit der ubrigen Wache etwas ab / damit ich diesem meinen Geträuen anzeigen möge / was meinetwegen eurem GroßFürsten sol vorgetragen werden. Wir sind unter des gefangenen Wendischen Fürsten gehorsam nicht / sagte Leches /sondern bereit und schuldig unsern gnädigsten Herren zugebohte zustehen / deren ausdruklicher befehl ist /daß wann sie miteinander reden wollen / solches laut /und in unser gegenwart geschehen solle. Wil man mir verbieten / mit meinen Leuten zu reden? sagte Krito /daß würde ein ungütlicher handel seyn. Fürst Krito hat keine Leute mehr / antwortete Leches / sondern sie sind unter des Teutschen GroßFürste Gewalt; so haben wir uns darüber nicht zuzanken; befahl auch den Steckenknechten / mit Niklot wieder davon zugehen. Welcher aber also anfing: Mein Herr / sagte er zu Leches / gönnet mir zuvor ein Wort mit meinem Gn. Fürsten zu reden / wie mir solches von euren Gnn. Fürsten erläubet ist. Wendete sich hernach zu Krito / und sagete: Gn. Fürst uñ Herr / eure Hochfürstl. Durchl. weiß uñ sihet / wie unglüklich unser Anschlag gerahten ist / in welchem ich mich als ein geträuer und gehorsamer Diener habe lassen gebrauchen / und nichts über Befehl getahn / fürchte aber sehr / man werde solches nicht ansehen / sondern allerhand Ursachen / mich hart zustraffen / hervorsuchen; doch helffen die Götter / daß Eure Hoch-Fürstl. Durchl. einen guten und ehrlichen Vergleich erhalten mögen / alsdann wil ich mit Freuden vor ihre Wolfahrt sterben. Mein Kerl / sagte Leches / ob du würdest sterben müssen / wird solches gewißlich nicht vor eines andern Wolfahrt / sondern wegen deines befindlichen Verbrechens geschehen / würde euch auch beyderseits die Demuht und Anruffung der Gnade viel zuträglicher seyn / als solcher Stolz und eigene Rechtfertigung. Als auch Leches des Wendischen Fürsten weiteres Großsprechen nicht anhören wolte / eilete er mit Niklot davon / welcher als er vor die Versamlung der Fürsten trat / fragete er ohn einige Ehrerbietung /ob sich geziemete / einen redlichen gefangenen Ritter und freyen Herren des ädlen Wendischen Volkes mit Hundes Ketten zubelegen. Worauff Ladisla ihm antwortete: Du stolzer und verwägener Tropff wirst ohn mein erinnern wissen / daß du deine wolverdienete Ketten nicht als ein Ritter / oder freier Herr / wie du dich nennest / sondern als ein gefangener Räuber /Menschendieb / und Beleidiger eines grossen freyen Fürsten trägest. Hastu nun etwas einzuwenden / welches dich von solcher kurzen aber sehr harten Anklage frey machen kan / wird man dir mehr Gnade erzeigen / als du gedenken magst. Ein Diener / antwortete Niklot / wann derselbe tuht und verrichtet / was seine höchste Obrigkeit ihm aufleget und anbefihlet / sol und muß wegen seines Gehorsams vielmehr gerühmet / als gescholten werden / woher wird man dann ursach finden köñen / ihn zustraffen? Wann ein Diener auff seines Herrn Befehl etwas gutes und löbliches verrichtet / wiederantwortete Ladisla / ist es lobens wert; aber die Bosheit und übeltaht muß so wol an dem Knechte / der sie verrichten hilfft / als an dem Herrn /der sie anstifftet / gestraffet werden; wiewol man sich hieruber mit dir einzulassen nicht gesinnet ist / sondern weil du nicht leugnen kanst / was vor grosse und unverschämte Beschimpfung du nichtwerter Tropf dem Großmächtigsten herschenden GroßFürsten der Teutschen durch Verrähterey / Meinäid / und schändliche eigentähtliche Beleidigung angetahn hast / soltu einen kurzen Abtrit nehmen / und deiner wolverdienten rechtmässigen Urtel gewärtig seyn. Er wolte in seiner Großpralerey fortfahren / fing auch schon also an: Ein redlicher Diener ist seinem Herrn gehorsam wider alle seine Feinde und Beleidiger; und weil der Sachsen GroßFürst sich als einen solchen / durch Unwerdhaltung der Heyraht mit seiner Fräulein Tochter / gegen meinen mächtigen Fürsten. Aber es ward ihm alhie gebohten zuschweigen / und musten die Häscher mit ihm hinweg eilen / da dieser Bube noch wol über Gewalt / und Gehörs Verwegerung sich beschweren durffte. Die Fürsten fasseten eine geschwinde Urtel in die Feder / gingen davon / und hinterliessen Neda / dieselbe dem gefangenen vorzulesen / und ohn Verzug / auch ungeachtet alles einwendens /selbe an ihm zuvolstrecken; Welcher dann den gefangenen vor sich foderte / und ihm diesen Todes Spruch vortrug: Demnach des Wendischen Fürsten Kriegs Bedieneter / Nahmens Niklot / nicht allein freiwillig gestehet / sondern es noch als eine lobwirdige Tahtrühmet / daß er den herschenden GroßFürsten aus Teutschland durch falschen äidschwuhr von seinem Schlosse gelocket / und wider versprochene Träue / nebest seinem Gemahl und Frl. Tochter / nicht ohn spötliche Verhönung gefänglich angenommen /auch seine Diener mördlich erschlagen / und man überdas gnugsame Nachricht hat / daß er solches unredliche Vorhaben nicht allein gut geheissen / sondern es seinem Fürsten selbst an die Hand gegeben / und dessen alles ungeachtet gar keine Demuht und Reue erscheinen lassen / noch einige Gnade begehret / Als sol ihm auch das gestränge Recht ohn Gnade wiederfahren / und sein hohes Räuberisches und Menschendiebisches Verbrechen dergestalt eingebracht werden /daß man ihn zwanzig Schrit von dieser Gerichtsstelle nach dem Lager zu / lebendig spiessen sol / und solches von Rechtswegen / andern dergleichen gottlosen Buben zum Beyspiel / uñ ihm selbst zur wolverdienten Straffe. Der Räuber entsetzete sich über dieser Urtel / daß er zitterte und bebete / dann er hatte ihm nicht einbilden können / daß ihm ein hårteres als das Richt Schwert dürffte angemuhtet werden. Zwar er wolte nunmehr anfahen sich zustellen / als währe ihm sein Verbrechen leid / und hielt umb Gnade an / aber es wahr zu spåht / dann Neda wahr mit Leches und Prinsla schon davon gangen / und seumeten die Henkers Buben nicht / die Urtel zuvolstrecken / da sie ihm anfangs die Hände auff den Rücken bunden / ihn oben auff den spitzige Pfahl setzeten / und ihn darauff zogen / daß die Spitze ihm zur rechten Schulder ausging / und er etliche Stunden lang unsäglichen Jammer trieb. Unterdessen berahtfragete sich unsere Fürstliche Geselschafft / mit was vor Straffe der Verrähter Krito solte beleget werden / da von König Ladisla an / welcher seine Meynung zuerst sage muste /biß an den alten GroßFürsten / welcher ihm den Schluß vorbehielt / alle Stimmen dahin gingen / es solte / könte und müste das grobe Verbrechen nicht gelinder als mit dem Leben gebusset werden; womit der GroßFurst einig wahr / und dabey anzeigete / wie er willens währe / diesen Menschendieb mit sich nach Teutschland gefangen zuführen / und ihn auf der Stelle enchäupte zulassen / woselbst er den verrähterischen Raub begangen hatte. Welches alle anwesende in des GroßFürsten freyen Willen stelleten /ohn allein Valiska hielt solches nicht vor rahtsam /und brachte dagegen dieses vor: Gnädigster Herr Vater; ich bin zu jung und unverständig / Eurer Gn. Willen und Vortrag zutadeln oder zuverbessern / erinnere mich auch meines weiblichen Geschlechtes / daß mir nicht geziemen wil / in dergleichen Gerichtligkeiten mich einzumengen; aber eure väterliche Gewogenheit gegen mich / gibt mir die Kühnheit / meinem Herr Vater dieses zubedenken vorzustellen; obs nicht vorträglicher seyn würde / daß der boßhaffte Räuber vor unserm Auffbruche seinen Lohn empfinge; dann also würden die Land Stände dieses Reichs nicht vorzuschützen haben / ihr Reichs-Verwalter / dem sie mit äid und Pflichten verbunden / lebete noch / und ob er gleich gefangen währe / hätte man doch Hoffnung zu seiner Erledigung / welches die Handelung gewaltig auffzihen und hinterhalten / und wol ursach zu allerhand Ungelegenheit geben dürffte. Ja wie bald könten sich etliche zusammen rotten / einen sonderlichen Dank / nicht allein bey ihm / sondern auch bey dem Dänischen Könige seinem Schwager zuverdiene / als welcher schon damit schwanger gehet seinem Sohn dieses Königreich / nicht ohn Nachteil und Gefahr des Teutschen Reichs / in die Hand zuspielen / wie er darzu vermeynet nicht wenig ursach und recht zuhaben / nachdem der ohn Leibes Erben verstorbene König seiner Schwester Sohn gewesen. Ich geschweige / daß es von allenthalben her an Vorschrifften / den Räuber zubegnaden / nicht ermangeln wird / denen man offt / wie ungerne auch / weichen muß. Hingegen / wann er kalt ist / bricht sich solches fast alles auff einmahl; Die Untertahnen / als von ihrem äide hiedurch entlediget / werden unsere Macht scheuhen /und vor unsern Waffen sich demühtigen; ja vielleicht der Dänische junge Fürst selber / als ein berümter friedliebender und gerechter Herr / dürffte seine Festung / darinnen er sich auffhält / in der Gute abtreten / nach dem man ihm vielleicht da es eurem väterlichen Willen also gefiele / mit dem Wendischen Fürstentuhm an die Hand gehen könte. Der GroßFürst verwunderte sich zum höchsten ihrer vernunfftreichen Anführungen / umfing sie mit einem Kusse / und gab zur Antwort: Meine herzgeliebete Fr. Tochter hat recht und wol geurteilet / und kan ich mir solches sehr wol gefallen lassen. Ward demnach Prinsla abgefertiget / nachdem Niklot eine gute halbe stunde zuvor gespiesset war / de gefangene Krito diese Urtel mündlich vorzutrage: Nachdem er Krito der Wenden Fürst sich sehr wol eriñern würde / und durchaus nit leugne könte / wie unredlicher / verrähterischer uñ räuberischer weise er den Großmächtigsten GroßFürsten /samt seinem Königl. Gemahl und Frl. Tochter / unabgesaget / und unter dem schein einer freundlichen Beredung / durch seine meinäidige Niklot hintergange /gefange genomen / uñ aus seinem eigene Reiche hinweg geschleppet / auch sonst allerhand unverantwortliche Händel vorgenommen / die keinem ehrliebenden Menschen / geschweige einem Fürsten und Königlichen Vorsteher zustunden / so hätte er sich dadurch nicht allein der Königlichen Verwaltung dieses Friesischen Reichs / sondern auch feines eigenen Wendischen Fürstentuhms / ja seines Leib und Lebens verlustig gemacht; solte demnach auff ernstlichen Befehl des großmächtigsten Großfursten der Teutschen /Herre Henrichs / und Beltebung des auch Großmåchtigsten Königes auß Böhmen / Herren Ladisla / dann auch der beyden Durchleuchtigsten Großfürstlichen Herren als Herrn Herkules und Hern Baldrichs / und endlich des auch Durchleuchtigsten Königlichen Schwedischen Fürsten Siegwards / sich zum willigen Tode gefasset halten / und nicht unerschrockener zur empfahung der Straffe seyn / als verwägen er gewesen / solche zuverdienen / wie dann nach Endigung einer Stunde er durch des Nachrichters Hand als ein gewaltähtiger Strassen Räuber und Menschen Dieb vom Leben zum Tode mit dem Schwerte solte hingerichtet werden. Der Furst erschrak der gesträngen Urtel hefftig / machte aber doch ihm Hoffnung / es würde zum Schrecken angesehen seyn / daß er seiner Königlichen Verwaltung sich desto leichter begäbe / daher er diese Antwort gab: Gehet hin Ritter / uñ nähst Vermeldung meiner Dienste und Grusses / zeiget der hochgedachten Fürstlichen Geselschafft an / daß ob ich gleich auß Liebes Zwang habe eine Taht begangen / die ich nicht aller Dinge zuverantworten weiß / so ist sie dannoch der Wichtigkeit bey weitem nicht / daß sie nicht auff andere Weise / als mit meinem hochfürstlichen Blute solte können / abgetragen und gebüsset werden; vielmehr zeiget ihnen an / sie haben wol und fleissig zuerwägen / was vor ein Gewaltiger und mit vielen Königen und mächtigen Fursten nahe befreundeter Fürst ich bin / dessen Blut auff unerhörete Weise von den Pannoniern / Pohlen / Dänen / Wenden / und andern Völkern würde an ihnen sämtlich / und an ihren Helffers Helffern gerochen werden; dann auch daß ich nicht der erste Fürst bin und gefunden werde / der auff solche Weise / die ehmals vor rühmlich und Tapffer gehalten worden / ihm ein wirdiges Gemahl gesuchet hat; daher ich bey ihnen bitlich begehre / sie wollen mich dieser schmähliche Hafft entnehmen / ihrem Väter-Brüder- und schwägerlichen Willen mir zuneigen / und durch freundwillige Außfolge des Durchleuchtigsten Fräuleins mich vor einen Schwieger Sohn / Bruder und Schwager auff und annehmen / alsdann wil ich nicht allein dem Großfürsten oder seiner Herre Söhne einem die Verwaltung dieses Königreichs willig abtreten / sondern auch die gar zu kühne Entfühung mit einer ansehnlichen Geldbusse ersetzen / welche sie mir nach ihrer Höffligkeit aufflegen werden. Prinsla wolte ihm diesen Dienst nicht versagen / vermahnete ihn gleichwol / seines verbrechens etwas bessere Erkäntniß sehen zulassen / und hinterbrachte diese Werbung an behörigen Ort / deren sich die Fürstliche Geselschafft nicht gnug verwundern kunte /gaben ihm endlichen Bescheid / und liessen ihn wieder hingehen / welcher nach empfangenem Befehl den Gefangenen also anredete; Krito / euer anmuhten ist sehr stolz und unverschämt / welches keine Stat finden kan / und lassen vor höchstgedachte meine allergnädigste und gnädigste Herren euch hiemit schließ-und unwiederrufflich andeuten; ob ihr euch darauff beruffet / erstlich / daß ihr Fürstliches herkommens /und mit hohen Häuptern nahe befreundet seyd / hättet ihr eben dasselbige ja auch von dem Großmächtigsten Großfürsten wissen und bedenken sollen / als an dessen Hochheit ihr gewaltsahme Hand unverwarnet legetet. Hernach / daß dergleichen boßhaffte Raub- und Entführung wol ehemals vorgangen und von unverständigen Gewalttähtern gelobet / sey dieselbe auch wol ehemahl am Leben gestraffet / wann man des Räubers hat können bemächtiget seyn; und gesetzet /daß frevelmühtige Wüteriche solche gottlose Art zu heyrahten vortrefflich mögen geschätzet haben / können sie doch dessen sich nicht bereden lassen / solches mit gut zuheissen; vernehmen aber noch nicht /wie ihr dieses verantworten oder beschönen wollet /daß ihr einen so mächtigen Beherscher Teutschlandes nicht allein Verrähterlich hintergangen / sondern ihn nebest seinem Gemahl als Hunde fort schleppen / und kaum nöhtigen Leibes Unterhalt habt abfolgen lassen / wie sie dann gestriges Tages ungegessen und ungetrunken auff euren außdruklichen Befehl haben in der Hitze zubringen müssen / welcher Schimpf von ihnen höher als die Ermordung selbst gerechnet wird / daher es weder mit Abtretung einer Verwaltung (deren ihr schon wirklich entsetzet seyd) noch Außzahlung etlicher Gelder / wans gleich etliche hundert Tonnen Goldes währen / sondern durchauß mit eurem Blute muß außgesöhnet werden / wornach ihr euch zurichten /und nach verlauff einer halben Stunde den Tod so willig antreten werdet / als wolbedacht und vorsetzlich ihr die Freveltaht an so Großfürst- und Königlichen Hocheiten begangen / und überdas noch neulich den Großmächtigsten König in Böhmen nicht wenig beschimpffet habt / welches mit eigener Faust an euch zurächen er keines weges unterlassen würde / wann ihr nicht als ein Ubeltähter schon verdammet währet. Das wil ich nimmermehr gläuben / antwortete Krito /daß man mit einem herschenden Fürsten und Königlichen Verwalter dergestalt verfahren wolle. Ich weiß nicht anders / sagte Prinsla / als daß der Stab schier über euer Håupt solle gebrochen werden / und alle fernere Einrede nur ein Uberfluß sey. Ging hiemit davon / und ließ den Gefangenen in erschreklicher Herzensprast sitzen / welcher nunmehr den Ernst spürend / einen von der Wache absendete / Prinsla zurucke zuruffen / welcher aber zuvor nach der Fürstlichen Geselschafft ging / und neben getahner Antwort berichtete / daß Krito ihn hätte zu sich fodern lassen. Also gab man ihm zum drittenmahle Unterricht / und ließ ihn gehen / ward auch von dem Gefangenen mit neuer Hoffnung empfangen / welcher inständig um Gnade anhielt; er wolte sich seines Fürstentuhms auff ewig verzeihen / und in Polen weichen / daneben äidlich angeloben / keine Ansprach nimmermehr an sein Fürstentuhm zuhaben; hoffete gänzlich / man würde ihm hierin zu Willen seyn / weil mit einer Hand vol Blut ihnen wenig / ja gar nichts gedienet währe. O nein / gnädiger Herr / sagte Prinsla / ein solches darff ich meinen allergnädigsten Herrn nicht hinterbringen / massen dieselben mit euch in keine Handelung sich einlassen / sondern als einen auff scheinbahrer Ubeltaht ergriffenen euch bestraffen wollen /als welcher durch seinen Raub zu so grosser gestriger Blutstürzung Ursach gegeben / daß ganze Bächlein Menschen-Blutes haben müssen rinnen / und demnach ihr so gewiß mit dem Kopfe bezahlen müsset /als gewiß ich lebe / weil derselbe euch zu dieser unverantwortlichen Taht verleitet hat. Die Hochfürstliche Geselschafft würde auch eurem äyde wenig zutrauen haben / sondern mit Polen ein neues Feur befürchten müssen / angesehen eures Vaters Bruders Sohn / welcher doch ein redlicher Fürst ist / daselbst die Herschafft führet; so ist über das nunmehr schon bey Leibes Straffe verbohten / daß kein Mensch eurer Begnadigung gedenken sol; man hat euch vor der Schlacht billiche Vorschlåge getahn / die habt ihr hochmühtig verachtet / und dadurch die Gnaden Zeit versessen. Demnach verzeihet mir / daß ich euch nicht gehorsamen kan. Als Krito hierauß merkete / daß seine ertichtete Demuht nicht helffen wolte / ließ er seinen Trotz hören und sagete; Was solte man einem Herschenden Fürsten des Henkers Schwert anbieten /und um einer Liebetaht Willen ihm den Tod ansagen /der bißher ein Furcht und Schrecken aller seiner Feinde / auch der Römer selbst gewesen ist? dahin müste es noch in langer Zeit nicht kommen / sondern zuvor dz oberste zu unterst gekehret werden / dürffte auch eine solche Rache drauff erfolgen / daß Kindes Kinder darüber zuklagen hätten; darum gehet hin / und warnet eure Herren / daß sie sich nicht selbst in das unvermeidliche verderben stürzen / welches auff meinen Tod nohtwendig erfolgen muß. O mein Herr dräuet ja nicht / sagte Prinsla / ihr habt gewißlich nicht mit Kindern und furchtsamen Memmen / sondern mit Fursten und Tapffermuhtigen Helden zutuhn / deren Muht und Macht unüberwindlich ist; bedenket demnach vielmehr wie ihr wol sterben möget / weil euch zuleben nicht mehr möglich ist. Wie nun zum Henker / antwortete Krito / nennestu Lecker mich nur schlecht hin einen Herrn / und weist daß ich der Großmächtige freie Beherscher des unüberwindlichen Volkes der Wenden bin? Er wolte in seinem Trotze fortfahren /aber Prinsla fiel ihm in die Rede und sagete: Du bist aber auch ein boßhafftiger Räuber und Menschendieb / und viel zu wenig in deinen Banden / daß du einen redlichen Ritter beschimpffen / und vor einen Lecker schelten soltest; hast dich auch zuversichern / daß wann du dem Henker nit schon zugesprochen währest / ich bey meinem allergnädigsten Könige leicht erhalten wolte / es mit dir durch eine ritterliche Kampf auszutragen / worzu ich dich aber nunmehr / nicht als einen gewesenen Fürsten / sondern als einen schmäh süchtigen schändlichen Räuber / der seiner übeltaht überwiesen ist / unwerd halte. Hiemit ging er von ihm hinweg / vol Zorn und Grimmes / daß er diesen Schimpff muste ungerochen über sich gehen lassen. So bald er den Fursten solches hinterbrachte / ward das Gericht gehäget / Siegward / Fabius / Leches und Neda zu Richter verordnet / uñ Gallus befohlen / mit dem Scharff Richter und seinen Steckenknechten hinzugehen / welcher die gesprochene Urtel an dem boßhafften Räuber ohn verweilen volstrecke / auch wañ er mit willen nicht nach der Richtstat gehen wolte /ihn durch sechs Kriegsknechte dahin schleppen lassen / und ihm den Schedel herunter schlagen solten. Der Scharff Richter / als er zu dem gefangenen in das Zelt trat / ward er von ihm ganz verwägen gefraget / was sein begehren währe. Worauff er antwortete: Der Furst würde ihm gnädig verzeihen / und sichs gefallen lassen / die Volstreckung der Urtel von seiner Hand gutwillig anzunehmen / weil es anders nicht seyn könte. Was? sagte Krito / woltestu ehrloser Schelm einen herschenden Fürsten berühren? geschwinde packe dich hinweg aus meinen Augen / und sage deinem GroßFürsten / ich lasse ihn wegen dieses unleidlichen Schimpffs zum Kampffe auff Leib und Leben ausfodern. Dessen habe ich keine Volmacht / sagete dieser / sondern ich frage nochmahls / ob der Furst willig mitgehen wolle / alsdann wil ich oder meine Diener keine Hand an ihn legen; wo nicht / ist mir aufferlegt / den Fürsten hinzuschleppen / und das Nachrichter Amt zuvolstrecken / da der Fürst wählen kan / was ihm beliebet / dann ich bin schuldig meines Gn. Herrn Befehl nachzukommen. Hier fing Krito an zuzittern und zu beben / drängete sich in einen Winkel / und rieff ohn unterlaß bald über Gewalt / bald umb Gnade. Gallus redet ihm etwas tröstlich zu / und ermahnete ihn / sich des mitgehens nicht zuwegern /es möchte leicht bey der Gerichtsstat durch bitte mehr Gnade / als hieselbst durch Widerspenstigkeit zuerhalte seyn. Also ließ der erschrockene Mensch sich bereden / und ging hin. Er ward aber auff Befehl des Weges hergeführet / woselbst Niklot am Spiesse steckete / und ein über alle masse grosses Elende betrieb /kennete ihn doch nicht / und fragete Gallus / was dieser arme Mensch so schwer verbrochen hätte / daß man so grausam mit ihm verführe. Mein Herr / antwortete er / es ist der verwägene Schelm / welcher meinen gnädigsten GroßFürsten durch falschen Schwuhr in die Gefängniß gebracht. Was? sagte er /ist das mein getråuer Niklot? So sol sein Nahme seyn / antwortete Gallus. Krito entsetzete sich über der harten Straffe / daß ihm alle Krafft entging / trat ihm näher / und sagete: Du mein geträuer Niklot / dein Jammer gehet mir sehr zu herzen / weil ich dir aber nit helffen kan / wünsche ich dir einen schleunigen Tod zu Abhelffung deiner unleidliche Pein. Dieser sahe zwar seinen Fürsten an / aber weil ihm die Vernunfft aus übergrosser Pein schier vergangen wahr /antwortete er nichts / sondern brüllete vor Angst immerhin wie ein Ochse / trieb auch mit den gebundenen Händen und freyen Füssen solchen Jammer / daß alle Zuseher ein Abscheu daran hatten / und doch bekenneten / er hätte noch wol ein mehres verdienet. Krito kunte seine wehmühtige Trähnen nicht einzwingen /uñ begehrete an Gallus / daß dem redlichen Ritter seine Pein verkürzet würde. Aber er antwortete ihm: Währe er ein redlicher Ritter / dürffte er nicht am Pfale stecken / weil aber sein begangener hoher Verraht solches verdienet / muß er andern zum Abscheuh und Schrecken ihm diesen Lohn gefallen lassen / biß ihm Gott den Tod zuschicket; und nimt mich wunder über wunder / daß der Fürst nicht erkennen kan noch wil / wie hohe Beleidigung dem Großmächtigsten GroßFürsten in seinem eigenen Reiche / unter dem schein eines guten Willen / von ihm und diesem seinem verrähterischen Niklot angetahn ist. Dieser schwieg stille darzu / taht gleichwol als wann ers beantworten wolte / aber als er sahe / daß er schon bey dem Gerichte angelanget wahr / stellete er sich vor die obgedachte Richter / und fragete / wer sie währen / dz sie sich unterstehen dürfften seine Richter zuseyn / da er doch keines Menschen Oberbotmässigkeit unterworffen währe. Siegward gab ihm zur Antwort: Es könte ihm gleiche viel seyn / wer sie währen / nachdem er leicht zuerkennen hätte / daß sie von dem Großmachtigsten GroßFürsten verordnet währen /ihm seine wolverdiente Straffe anzusagen. Ich höre eurer keinen / wiederantwortete er / sondern wil und muß den GroßFürsten selber sprechen / dem ich durch meine entschuldigung ein solches Vergnügen geben werde / daß er meines Blutes nicht begehren wird. Habt ihr / Krito / so erhebliche entschuldigungen sagte Siegward / die sollet und müsset ihr vor uns euren Richtern anmelden / oder in dessen verwegerung die Endurtel über euch nehmen / massen der Großmächtigste GroßFürst seinen frechen / unbefugten und meinåidigen Räuber vor seinen Augen nicht dulden kan. Er wolte antworten / sahe sich aber ohngefehr nach der linken Hand umb / und ward gewahr /daß seines Sohns Leichnam daselbst in der nähe auff dem Rücken lage / welches ihn wunder nam / und zu den Richtern sagete: Ehe ich mich weiter mit euch einlasse / begehre ich zu wissen / auff was weise dieser mein ungerahtener Sohn / welcher ohnzweiffel meines Unglüks und der erlittenen Niederlage die gröste Ursach ist / umbkommen sey. Leches gab ihm auff Siegwards befehl zur Antwort; Dieser sein Sohn /weil er Zeit wehrender Schlacht sich hätte durffen gelüsten lassen / dz Durchleuchtigste Fräulein als einen Raub über den Iselstrohm davon zu führen / hätte man ihn verfolget / ertappet / und als einen Räuber nidergehauen / daß er noch also dem wolverdienetem Henkersschwert entgangen währe. Ihm ist recht geschehen / antwortete Krito / massen er seinem leiblichen Vater das Herz hat stehlen und die Seele rauben wollen. Euch aber ihr vermeineten Richter frage ich nochmahl / was euch hat können so verwågen machen / daß ihr einen freyen mächtigen Fürsten vor Gericht zu fodern / und einige Urtel anzudräuen / euch unterstehen dürffet / noch ehe und bevor seine Sache erörtert ist? Siegward gab ihm zur Antwort: Was bedarff eure Sache des erörterns? stehet eure freche ubeltaht nicht Sonnenklar vor Augen? so müsset ihr demnach billich leiden / was ihr dem Großmächtigsten GroßFürsten / welcher euch und die eurigen niemahls beleidiget hat / zugemässen habet / welchen ihr ausser zweiffel umb keiner andern Ursach willen diebischer weise aus seinem Reiche hinweg geführet / als daß ihr durch seine schändliche ermordung alle Rache von euch abkehretet / und euch wol gar zum GroßFürsten über die Teutschen machetet / nachdem ihr den Wahn hattet ergriffen / daß keine Teutsche junge Herschaft mehr im Leben währe. Dieses ist ja eine solche Taht die ohn allen zweifel das Leben verwirket / und an deren bestraffung andere eures gleichen ein Beyspiel nehmen und sich spiegeln müssen / auff daß sie hinfort sich scheuhen / solcher boßheit sich zu unterfangen. Weil ihr dann gleich jetzo die Urtel selbst uber euren Sohn gesprochen habt / daß ihm recht geschehen sey / und derselbe doch viel bessere entschuldigung einzuwenden gehabt hätte / so werdet ihr ja erkennen / daß euch als vornehmsten Uhrheber dieser schändlichen Entführung / weder unrecht noch gewalt geschehe / wann ihr mit gleichmässiger Straffe beleget werdet. Daß ihr aber auff euren freien Fürstenstand euch beruffet / so müsset ihr bedenken / das Gott und das Schwert euer Oberherr sey / welche euch als einen Räuber und Menschendieb aus solchem Stand gehoben und in die Fessel gelegt / auch gleich jetzt fertig sind / eure begangene schlime Boßheit abzustraffen. Krito redete ihm ein / er solte sich mässigen einen so grossen und gewaltigen Fürsten vor einen boßhafften / und desgleichen auszuruffen / seine Taht währe bey weitem so schlim und unverantwortlich nicht / als man sie ihm aus egen wolte / würde ihm auch leicht seyn / daß auffgebürdete von sich abzulehnen / uñ der ganzen erbaren Welt darzutuhn /daß er keines weges mit mörderischen Gedanken umbgangen / und also den Tod nicht verdienet hätte; dero behueff er keine längere / als sechswöchige Frist begehrete / welche man ihm keines weges würde versagen können. Krito / antwortete Siegward / ihr suchet Zeit und weile / nicht eure Taht zurechtfärtigen /welches euch unmöglich ist; sondern euren Kopf zu retten / welches nicht geschehen kan; lase ihm demnach die Urtel vor / also lautend. Der gewesene Wendische Fürst Krito / weil er an dem Großmåchtigsten GroßFürsten der Teutschen die allerschelmichste Verrähterey begangen / so jemahls von einem Fürsten ist erhöret worden / und der gerechte Gott ihn in des verrahtenen Hände und gewalt zur Straffe überliefert hat / sol und mus der Gerechtigkeit / allen seines gleichen Verråhtern zur Warnung und abscheuh / ein genügen geschehen / und dieser Verrähter durch des Henkers Schwert vom leben zum Tode gebracht werden. Krito wolte sich dawieder bedingen / aber Leches winkete dem Scharfrichter / welcher hinter dem Verurteileten stund / daß er mit der Volstreckung verfahren solte; derselbe nun zohe ganz leise das Richtschwert aus /und schlug ihm also stehend den Kopf vom Rumpfe glat hinweg / daß er ohn sonderliche Todesangst dahin fuhr. Worauff seinem Sohn der Kopf auch abgeschnitten / und beyde auff Spiesse gestecket wurden / da sie von dem ganzen Heer und allen Gefangenen musten beschauet werden; es wurden sonst noch 36 vornehme Wenden an Bäume / nach empfangener harten Geisselung / auffgeknüpffet / als welche bey der Verrähterey sich hatten wirklich gebrauchen lassen /und weil der Tod den Niklot nicht durch die Spiessung so bald würgen wolte / ward endlich ein Steckenknecht befehlichet / ihm das Herz abzustechen. Drey Stunde vor Abends brach der GroßFürst mit dem Heer auff / und ging damit Nordwerz nach der Vechte auff Frießland zu / blieben auff der Grenze liegen / und enthielten sich aller tähtligkeit / sendeten aber an die Stände und Städte / daß nach empfangener angebohtenen schrifftlichen Gnade sie sich stündlich erkläreten / oder des Ernstes gewärtig seyn solten. Als sie auff dem Zuge wahren / kahmen die ausgeschikten Reuter Schaarsweise wieder an / aber kein einiger wuste das geringste von Arbianes oder dem Fråulein zu sagen / dessen die Fürstliche Geselschaft von herzen betrübt ward / ohn Valiska hatte noch gute Hoffnung / und fragete / vor was Leute sie sich im nachfragen ausgegeben hätten; uñ als sie antworteten /weil es in Feindes Land wåhre / hätten sie sich vor Wendische Reuter angemeldet; ward sie dessen sehr unwillig / und sagete: Hiedurch habt ihr trauen die allergrösseste Narrey und Tohrheit begangen; dann meiner ihr nicht / daß der Fürst mit dem Fräulein sich etwa in einem Dorffe heimlich verstecket habe / und bey seinem Wirte durch Geschenk und Verheissungen es leicht dahin gebracht / daß sie ihn ungemeldet gelassen? Hättet ihr euch vor die ihr seid / angegeben /was gilts / ihr würdet sie schon angetroffen haben. O nein mein Schaz / sagte Herkules / so leicht glåubet man einem nachforschenden Reuter nicht / daß man umb eines Worts willen sich ihm alsbald vertrauen solte; der almächtige Gott nehme sie in seinen väterlichen Gnadenschuz / sonst könten sie leicht in ungelegenheit / und unter die flüchtigen Wenden gerahten; gelebe aber der gänzlichen Hofnung / sie werden sich etliche Tage verbergen / biß die flüchtige Schaaren vorbey gangen sind / die sich nicht lange pflegen auffzuhalten. Baldrich scherzete druber / und sagete: Ohn zweifel sitzet mein Bruder Arbianes mit meiner Frl. Schwester an Ort und Enden / welche er umb diß Königreich nicht vertauschete / nachdem ich mich nit erinnern kan / jemahls einen verliebetern Menschen gesehen zu haben. Sie sitzen / wie es ihnen beyden beliebt / sagte der Vater / wann sie nur frisch und gesund wieder bey uns anlangen; das übrige sey der göttlichen Versehung heimgestellet / und meiner geliebten Tochter Fr. Valiska / als deren ich sie in meinem herzen geschenket habe / sie nach ihrer wilkühr zuverheyrahten. Ich bedanke mich dessen kindlich und demühtig / antwortete sie / und wünsche nähst meiner herzallerliebsten Frl. Schwester Gesundheit nicht mehr / als daß mein Bruder Arbianes / das aufrichtige geträue Herz / diese Worte anhören möchte.

Diese beyde Verliebeten aber sassen denselben Tag noch immerzu auff dem starkriechenden Häu / und unter ihrem Liebes Gespräch und unnachlässigen kussen beklageten sie dannoch / daß die ihrigen ohn allen zweifel ihres aussenbleibens sehr betrübt seyn würden / daher das Fråulein zu ihrem Liebsten sagete: Höchster Schaz / wir lassen uns unser Unglük wenig anfechten / und gedenken nicht eines auff das zukunfftige; meynen vielleicht auf dieser Sträu immerhin zufaulenzen / oder im nähesten Städlein das Ende unsers Kummers zufinden / da es wol erst recht angehen möchte / massen unter der Vergnügung eurer herzlichen keuschen Liebe / mir dannoch mein Herz so schwer als ein Stein unter der Brust lieget / und mir nicht viel gutes verspricht; Ach daß doch meine liebe Eltern und Brüder nur wissen möchten / wo wir uns auffhalten / zweifelt mir nicht / sie würden schon ein zimlich fliegendes Heer ausschicken / uns abzuhohlen / und dafern solches nicht geschihet / sehe ich nicht /wie wir durch die verschlagenen Völker sicher kommen werden / unter denen sehr wenig sind / die mich nicht kennen solten. Ja wer weiß / ob nicht unsere lieben Freunde uns ehe als erschlagene beweinen / als daß sie errahten solten / wir hätten auff diesem Häu unsere Heiraht abgeredet; auch dürffte ich allem ansehen nach / fast gläuben / die nächtlichen Reuter sind unsers Volks gewesen / und uns zum besten ausgeschikt / massen sie sich ja nicht als fluchtige anstelleten / und aber der Feind ja gänzlich sol geschlagen seyn / wie Wolfgang berichtet. Mein allerschönstes auserwähltes Fräulein / antwortete er / sie mögen Freund oder Feind gewesen seyn / der Almächtige Gott wird uns dannoch helffen / dem wir vertrauen wollen; Und O mein Gott / göñe uns beyden doch /unsere keusche Liebe durch schleunige Heyraht zuergetzen hernach beschere uns dereins die ewige Seligkeit / die dein Sohn uns armen Sündern erworben /und durch sein Verdienst zuwege gebracht hat; Inzwischen habe Geduld mit unsers Fleisches Schwacheit /und leite Zeit unsers Lebens uns auf dem Wege / den du uns selbst in deinem Heiligen Worte vorgeschrieben hast. O das ist wol ein guter und köstlicher Wunsch / sagte das Fräulein; was mich betrifft / wil meinem Fürsten ich wol äidlich versprechen / mich nach aller Mögligkeit der Zucht und Tugend zu befleissigen / und wolle Eure Liebe mir nur diese Gesetze vorschreiben / nach denen ich wandeln sol / und wie er meynet / ich unter des wahren Gottes Gnade verbleiben könne / denen wil ich zufolgen mich nimmermehr beschwerlich finden lassen. Ach mein herzgeliebeter Schaz / antwortete er / ich nehme ein solches erbieten von ganzem Herzen frölich an / wann euer Liebe mir nur in diesem Stük folgen / und den allein seligmachenden Christliche Glauben ihr gefallen lassen wolte / welcher von euren Herren Brudern und deren Gemahlen / auch von mir gutwillig und zu unser Seelen Wolfahrt angenommen ist / alsdann hätte Eure Liebe ich nichts mehr anzufodern / weil an ihrem Tugendergebenen Herzen mir zu zweifeln durchaus nicht gebühren wil. Solte ich mich dessen wegern? sagte sie; solte ich andere Götter ehren als mein Gemahl / oder einem andern Glauben anhangen? Ich nehme ja billig ein Beyspiel von meiner Fr. Schwester / und wie dieselbe sich alsbald nach meines Herrn Bruders Willen gerichtet / also wil ich ebenmässig mich hierin verhalten / insonderheit / weil zu diesem Glauben ich von der Zeit her grosses belieben getragen / wie Leches denselben meinem Herr Vater zu Prag so sehr rühmete; und noch mehr / nachdem Neklam dessen gegen mich absonderlich gedachte. Arbianes nam dieses erbieten mit herzlicher Vergnügung auff / und beteure / daß ihren Herren Brüdern und Frauen Schwestern diese Erklärung erfreulicher als ihre leibliche Errettung seyn würde; unterrichtete sie doch dabey / sie muste nicht ihm / als ihrem Bråutigam zugefallen / sondern bloß aus Liebesbegierde zu der Erkäntniß des wahren Gottes / und zur Erlangung der ewigen Seligkeit solche Enderung ihres Glaubens vornehmen / dann sonst würde sie in ihrem Christentuhm keinen festen fuß setzen / sondern in stetem Wankelmuht bleiben / und nach Menschen Willen ihren Glauben endern und umwechseln / welches eine grössere Sunde wåhre / als wann man aus Unwissenheit im Unglauben verbliebe. Hierauff unterrichtete er sie gar einfältig in den vornehmsten Stücken des Christlichen Glaubens / wie nur ein einiger wahrer Gott währe / und derselbe doch dreyfaltig; hiesse Vater / Sohn / uñ Heiliger Geist; Dieser Gott hätte Himmel / Erde / Meer / und alles was drinnen ist / vor ohngefehr 4000 und mehr Jahren erschaffen /und den ersten beyden Menschen grosse Volkommenheit mitgeteilet / sie auch zu Erben der Seligkeit eingesetzet / welche aber von dem Teuffel zur Sünde sich verleiten lassen / und darüber unter Gottes Zorn zur ewigen Verdamniß / mit allen ihren Nachkommen /denen die Sunde angebohren würde / gerahten währen; aber der ewige Sohn Gottes hätte sich über alle Menschen wieder erbarmet / und sie durch eine sonderliche Gnugtuhung wieder zu Gnaden gebracht /daß wann sie an denselben gläubeten / und im Christlichen gottseligen Wandel verharreten / ihnen die Seligkeit wiederum solte mitgeteilet werden. Diesen kurzen einfältigen Begriff trug er dem Fräulein vier oder fünff mahl nach einander vor / biß sie ihm denselben fast von Wort zu Wort (wie sie dann ein überaus herlich Gedächtniß hatte) nachsagen kunte / dabey sie unterschiedliche Fragen taht / umb alles desto desser zubegreiffen / und von ihm / so viel sein Vermögen kunte / guten Unterricht bekam. Hernach behtete er ihr dz Vater Unser / den Christlichen Glauben / und die Heiligen zehen Gebohte offt vor / daß sie solches alles gleicher gestalt ohn Anstoß hersagen kunte / jedoch wünschete / daß das Gebeht des HErrn ihr möchte etwas deutlicher erkläret werden / weil wegen der kurzen Bitten / so darin begriffen / es ihr etwas schwer vorkäme. Mein Herz / sagte er / ihr tuht sehr wol uñ weißlich / dz ihr begehret dasselbe zuverstehen / was ihr behtet / massen / wo ein Gebeht ist ohn Verstand /da ist keine Andacht / wo aber keine Andacht ist / da ist auch kein Gott wolgefälliges Gebeht / und erfolget auch darauff keine Erhörung noch Hülffe. Versichert euch aber / daß wann alle Menschen in der ganzen Welt / sie mögen so heilig / und in Gottes Wort und Erkäntniß so erfahren seyn / als sie immer wollen / sie doch kein besser / noch kunstlicher noch volkommener Gebeht machen köñen / ja auch keines / welches in solchen Stucken diesem gleich sey; massen in diesem kurzen Gebeht alles dasselbe begriffen ist /wessen wir von Gott zubitten bedürffen. Da wir anfangs sprechen: Unser Vater / der du bist im Himmel; anzudeuten / daß unser Gebeht nicht an irgend ein Geschöpff / sondern allein an den Schöpffer / an Gott muß hingerichtet werden / der in dem Himmel der Herligkeit / seine Almacht und Herschafft führet / und doch allenthalben gegenwärtig ist; denselben nennen wir unsern Vater / und solches aus Befehl unsers Heylandes / auff daß wir durch solchen süssen liebreichen Vater Nahmen sollen versichert werden / der allerhöchste Gott trage gegen uns ein Vaterherz / und wolle uns keine Fehlbitte tuhn lassen / gleich wie ein Vater seines lieben Kindes Bitte / nach seinem Willen angestellet / unerhöret nicht lassen kan. Also müssen wir durch diesen Vater Nehmen in dem Vertrauen zu Gottes Güte / gestärket werden / damit unser Gebeht nicht aus Zweifelmuht herrühre / welcher alles behten undüchtig machet. Hierauff folgen nun die sieben kurze Bitten in einer wolgefügten Ordnung. Dann sehet / mein Schaz / unsere höchste bemühung / ja alles unser tichten und trachten sol vornehmlich und vor allen Dingen dahin gerichtet seyn / daß es zu Gottes Ehren gereiche; daß nun solches von uns geschehen möge / bitten wir von Gott in der ersten Bitte: Du unser lieber himlischer Vater / gib und verleihe uns diese Gnade / daß dein Heiliger Nahme von uns nimmermehr geunehret / oder geschändet / sondern allemahl gebührlich geehret werde; daß wir in allem tuhn und lassen deine Ehre suchen. Das heisset: Geheiliget werde dein Nahme. Nähst dieser Bemühung nach der Ehre Gottes / muß dieses unser vornehmstes seyn / daß wir mögen in der Gnade Gottes stets verbleiben / also / daß wir in diesem Leben wahre Gliedmassen seines Gnaden-Reichs / oder der Christlichen Kirchen; und in dem künfftigen ewigen Leben wahre Gliedmassen seines herlichen Reichs oder der himlischen Seligkeit seyn. Dieses bitten wir von Gott /wann wir in der andern Bitte sprechen: Zukomme dein Reich. Weil wir schwache sündige Menschen aber durch uns selbst nicht wissen uns also zubezeigen in unserm tuhn und lassen / als Gottes Wille erfodert /und wir allemahl wider Gottes Ehre handeln / wañ wir wider seinen Willen handeln / auch die angebohrne Sünde uns immerzu reizet / dasselbe vorzunehmen und fortzusetzen / was den fleischlichen Lüsten und Begierden lieb und angenehm ist / welches dann allemahl wider Gottes Willen / und folgends wider Gottes Ehre streitet / so müssen wir Gott den HErr bitlich ersuchen / daß wie die Heiligen Engel / und die Seelen der verstorbenen gläubigen Menschen nicht sündigen / sondern dem Willen Gottes sich in allem gemäß bezeigen / also wolle unser gnädiger himlischer Vater uns mit seinem Heiligen guten Geist erleuchten und fuhren / daß wir ja nicht wider seinen heiligen Willen handeln / das ist / daß wir ja nicht sündigen / sondern uns von Sunden enthalten / und nach seinem Willen unser Leben anstellen und fuhren mögen. Sehet mein Schaz / dieses bitten wir von Gott in der dritten Bitte /wañ wir sprechen / Dein Wille (du lieber Himlischer Vater) geschehe / (werde bey uns und von uns im heiligen Wandel geleistet) wie im Himmel (von den Engeln und von den in die Seligkeit auffgenommenen Seelen) / also auch auff Erden (von uns annoch hieselbst lebenden Menschen). Darauff fahren wir fort / und bitten von unserm himlischen Vater / weil wir durch unsere eigene Krafft und Vermögen uns nicht können die leibliche Nahrung schaffen / sondern dieselbe als arme dürfftige Kinder aus Gottes Gnadenhand empfangen müssen / dz er uns solche Nahrung / als viel wir zu unsers Lebens Unterhalt bedürffen / alle Tage /biß an unser Lebens Ende bescheren wolle / und solche Lebens Nohtturfft heissen wir das tågliche Brod /da wir in der vierden Bitte sprechen: Unser tägliches Brod gib uns heute; Oder; gib uns alle Tage / wessen wir Zeit unsers Lebens zu unser Unterhaltung bedürffen. Weiters / so müssen wir uns erinnern / daß weil wir die Erbsünde an uns haben / und wir dieselbe nicht gänzlich ablegen können / so lange wir in dieser Schwacheit leben / sondern solche Erbsünde uns täglich zu sündigen anreizet / so daß wir nicht allerdinge uns von den Sünden der Schwacheit enthalten können; und aber auch solche Sünden uns die Verdamniß zuwendete / wann sie uns nicht von Gott aus Gnaden vergeben würden; Gott aber dieselben niemand vergeben wil / als welche ihn in wahrer Busse herzlich darumb ersuchen; sehet so haben wir hoch von nöhten /daß wir unsern himlischen Vater anflehen / er wolle nicht mit uns handeln nach unsern Sünden / und uns nicht vergelten nach unser Missetaht / sondern uns dieselben um seines lieben Sohns JEsus Christus willen (welcher vor unser Sünde hat gnug getahn) gnädiglich vergeben; daher bitten uñ spreche wir in der fünften Bitte: Und vergib uns unsere Schulde; unsere Sündenschulde / auch diese / damit wir O Gott dich täglich aus schwacheit beleidigen. Wir setzen aber ganz merklich diese Wort hinzu: Als wir vergeben unsern Schuldigern. Gott hat uns befohlen / daß wann wir von andern beleidiget werden / sollen wir denen solches gerne vergeben / und sie deswegen nicht hassen noch anfeinden / so gar / daß wo wir diesem Befehl Gottes zur brüderlichen Versöhnligkeit nicht nachstreben /sondern uns suchen aus eigener Bewägung zurächen /so wil uns Gott unsere Sündenschuld auch nit vergeben / damit wir ihn täglich beleidigen / sondern er wil uns unsere Sünde vorbehalten zur ewigen hellischen Verdamniß. Und solches hat uns unser Gott nicht allein in seinem Heiligen Wort gedräuet / sondern auch hieselbst in diesem Gebeht befohlen / daß wir uns selbst Gottes Straffe über den Halß bitten sollen /wann wir unsern Beleidigern nicht vergeben wollen; dann wir müssen ja außdrüklich sprechen: Gleich wie wir unsern Beleidigern ihre Beleidigung vergeben /also wolle und solle unser Gott uns unsere Sünde auch vergeben. Und eben dieses treibet uns Christen an / daß wir langmühtig sind / und unsern Feinden gerne vergeben. Das Fråulein fiel ihm hieselbst in die Rede / und sagte: Ich habe Gott Lob alles wol verstanden / was mein Schaz mir an stat einer Erklärung mitgeteilet hat / und ich solchen Verstand von mir selbst nicht würde gefunden haben. Aber es fält mir bey dieser fünften Bitte eine Frage ein / ob wir dann den Wendische Räubern / Krito / Gotschalk / uñ ihren Gehülffen auch die Beleidigung vergebe / und sie deswege ungestrafft lassen müssen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit selbst / daß solche Räuber und Gewalttähter gestraffet werden. Der Fürst antwortete: Mein Fräulein tuht wol / daß sie diesen Einwurff auffgelöset zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Sünde / welche vorsezlicher muhtwilliger weise begangen werden / als da sind / Mord / Raub / Diebstahl / Ehebruch und dergleichen / hat Gott in seinem Wort ernstlich gebohten / daß sie von der Obrigkeit gestraffet werde / so gar / daß wo dieselbe inbestraffung solcher Boßheit nachlåssig ist / wil Gott diese Nachlåssigkeit hart und schwer an der Obrigkeit straffen; aber solche Straffe mus nit ergehen aus Nachgier oder sonderlicher Feindschafft wieder denselben der solche Boßheit verübet hat / sondern es mus geschehen aus Liebe zur Gerechtigkeit / und aus gehorsam gegen Gott; und mus doch inzwischen / wann die Obrigkeit selbst durch solche Ubeltähter beleidiget wird / mus sie zwar die Ubeltaht an den Tähtern straffen / aber doch so viel an ihnen ist / es dem Beleidiger vergeben / der dannoch dasselbe zur Straffe ausstehen mus was ihm Gott aufferlegt hat. Ein Mensch aber / der nicht Obrigkeit ist / und von seinem Nähesten beleidiget wird / mus nicht sein eigen Richter oder Rächer seyn /sondern der Obrigkeit es klagen / derselben es als Gottes Dienerin in die Hand geben / und in allem ohn Rachgier verfahren. Jedoch ist niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn / wann er von einem andern mördlich überfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden /sagte das Fräulein / und ist mir mein zweifel dadurch benommen / wolle demnach mein Schaz in Erklärung der übrigen zwo Bitten fortfahren. Die sechste Bitte /antwortete Arbianes lautet also / Und führe uns nicht in versuchung. / Die versuchung ist zweyerley; Eine heilsame / und eine schädliche Versuchung. Die heilsame rühret her von Gott / und ist diese / wann er uns zeitliches Unglük zu schicket / durch welche er uns von den weltlichen Lüften abzihen / und zu seinem Gehorsam leiten; oder dadurch er unsere Geduld und Beständigkeit im Glauben prüfen und bewehren wil. Welche Versuchungen / weil sie uns gut und zur Seligkeit beföderlich sind / müssen wir von Gott willig annehmen / und nicht wieder seine Schickungen murren / sondern nur bitten / daß Gott gnädig seyn /und dieselben uns nicht zu schwer machen wolle. Die andere Versuchung ist die schädliche / da ein Mensch versuchet oder angetrieben wird zu einer oder andern groben Sünde / oder wann er wegen der begangenen Sünde versuchet und angetrieben wird zur Verzweifelung; welche aber nicht von Gott herrühret / sondern von dem Teuffel / von den gottlosen verführischen Leuten / und wol von unserm eigenen bösen willen des üppigen Fleisches. Daß wir nun in dieser sechsten Bitte sprechen: Du lieber himlischer Vater / führe du uns nicht in Versuchung / ist also zuverstehen; du

 
Des Christliche Teutschen Herkules [...] Wunder-Geschichte
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