3

Als Jack die Straßenecke erreichte, knotete er die Schnürsenkel seiner Turnschuhe auf und ließ die Zungen heraushängen. Er knöpfte seinen Mantel schief zu, und dann ging er den Bürgersteig gegenüber dem Wagen mit den Wächtern hinauf.

Etwa auf halbem Weg trottete er über die Straße und näherte sich dem Wagen von vorn. Er wollte die beiden nicht erschrecken, indem er plötzlich wie aus dem Nichts bei ihnen auftauchte – jemand könnte vielleicht falsch reagieren und irgend etwas Dummes tun.

Jack blieb etwa drei Meter von der vorderen Stoßstange entfernt stehen und deutete grinsend auf den Wagen. Er holte sein Fensterputzzeug aus dem Eimer und hielt es hoch, während er sich dem Wagen näherte.

Mr. Scheibenputzer hatte einen Kunden entdeckt.

Durch die Windschutzscheibe konnte er die beiden Muskelprotze sehen, die ihm mit Handzeichen zu verstehen gaben, er sollte verschwinden, aber Mr. Scheibenputzer ließ sich niemals von einem unfreundlichen Fahrer verscheuchen. Autofahrer schienen nur sehr selten zu würdigen, um wieviel effizienter und sicherer sie ihre Aufgaben wahrnehmen konnten, nämlich fahren, nachdem ihre Windschutzscheibe mit Seifenwasser eingeweicht und anschließend sauber gewischt worden war.

Das Fenster auf der Fahrerseite wurde nach unten gekurbelt, und ein Kopf lehnte sich heraus. Das, was Jack im trüben Licht an Gesichtszügen erkennen konnte, verriet, daß die Evolution auch schon mal in umgekehrter Richtung wirksam war.

»Zieh Leine, Arschloch«, sagte der Kopf.

Jack lehnte sich über den Kotflügel und seifte rasch die Windschutzscheibe ein.

Die Fahrertür öffnete sich. »Verdammt noch mal!« schimpfte die Stimme. »Hast du nicht verstanden …?«

»Ich hab’ schon verstanden, Mann«, sagte Jack und schlüpfte in seine Rolle, »aber Mr. Scheibenputzer veranstaltet heute eine Sonderaktion unter dem Motto ›Erst ausprobieren, dann bezahlen.‹ Es läuft folgendermaßen: Ich putze dein Fenster, so wie jetzt gerade, und wenn ich fertig bin und du findest nicht, daß es das sauberste Fenster ist, das du je gesehen hast, dann brauchst du nichts zu bezahlen. Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder? Schließlich bin ich hier draußen in der Kälte und mache meine Arbeit, während du gemütlich und warm im Wagen sitzt und keinen Finger zu rühren brauchst. Verrat mir mal, was noch günstiger ist. Na los – sag schon!«

Der Fleischberg zögerte und starrte ihn an, während seine beiden Gehirnzellen offensichtlich Überstunden machten, als er über Mr. Scheibenputzers Angebot nachdachte. Dann sagte der Typ auf dem Beifahrersitz etwas, und der Fahrer zog die Tür zu.

Jack grinste. Er hatte damit gerechnet, daß sie sich zurückhalten und keine Szene veranstalten würden, die vielleicht die Polizei auf den Plan gerufen hätte. Aber falls es ganz schlimm kommen sollte, hatte er immer noch die 9 mm Tokarew Automatik in seinem Schulterhalfter.

»So ist es okay«, sagte er. »Dreh das Fenster hoch, mach’s dir gemütlich und warte ab, wie schön die Welt aussieht, wenn ich mit der Scheibe fertig bin.«

Das Fenster schnurrte nach oben. Jack spritzte noch ein wenig Seifenwasser auf die Windschutzscheibe. Als sie ausreichend undurchsichtig war, fischte er eine kleine Ampulle T-72 aus dem Eimer und kippte ihren Inhalt in die Ansaugöffnung der Wagenheizung unterhalb der Scheibe.

Dann begann er, das Glas abzuwischen und trockenzureiben. Er ließ sich Zeit mit der Windschutzscheibe, tupfte die Winkel trocken, wischte langsam nach und spielte seine Rolle absolut perfekt. Und nebenbei leistete er auch noch hervorragende Arbeit.

Als er fertig war, grinste er triumphierend, ging um den Wagen herum zur Fahrertür und hielt fordernd die Hand auf.

Der Fahrer erwiderte das Grinsen – und zeigte ihm den Finger.

Jack verzog beleidigt das Gesicht und faltete die Hände wie zu einem Bittgebet.

Das Grinsen des Fahrers wurde noch breiter, als er auch die andere Hand hob und dem Fensterputzer einen zweiten Finger zeigte.

»Lach ruhig weiter. Wer zuletzt lacht, lacht am besten«, sagte Jack leise.

Und dann sackte der Kerl auf dem Beifahrersitz gegen den Rücken des Fahrers. Der Fahrer fuhr herum, stieß ihn von sich und schüttelte ihn, aber der Kerl war so schlaff wie eine verkochte Makkaroni. Dann drehte der Fahrer sich wieder zum Fenster um, und Jack konnte erkennen, wie ihm plötzlich ein Licht aufging.

»Du hast völlig recht, mein Freund«, sagte Jack. »Du bist in Schwierigkeiten.«

Der Fahrer tastete nach dem Türgriff und machte Anstalten, die Tür zu öffnen, aber Jack stemmte sich dagegen und hielt sie geschlossen. Der Fahrer wurde hektisch, kämpfte und hätte es vielleicht sogar geschafft, auszusteigen – er war um einiges größer und massiger als Jack –, wenn das T-72 nicht auch bei ihm endlich gewirkt hätte. Er warf sich noch einige Male schwerfällig mit der Schulter gegen die Tür, dann sackte er auf dem Lenkrad zusammen und folgte seinem Freund ins Schlummerland.

Jack wartete einige Sekunden, um sicherzugehen, daß er wirklich weggetreten war, dann öffnete er die Tür und durchsuchte schnell die Taschen des Fahrers. Er fand zwei Schlüsselbunde und nahm beide an sich. Dann drückte er behutsam die Tür ins Schloß und ließ den Motor laufen.

Er schaute sich prüfend um – niemand war zu sehen. Gut.

Nachdem er die T-72-Ampulle in die Tasche gesteckt hatte, stellte er den Eimer und die Fensterputzutensilien am Bordstein ab und wartete auf Alicia.

Handyman Jack 02 - Der Spezialist
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