UNGLEICHE
BRÜDER
»Gut, dass es die Fischers gibt«, freut sich der 16-jährige Lutz Kunze im August 1980. Wie so oft seit er Judith kennt, sitzt er mit der Freundin im Wohnzimmer der Fischers auf der Couch und tauscht mit ihr Zärtlichkeiten aus. Seine Eltern und auch die von Judith sind nicht sehr begeistert über die Verbindung der beiden Jugendlichen. Bei Judith, die mit ihrer Familie im Nebenhaus wohnt, dürfen sie sich gar nicht aufhalten, doch bei ihren Nachbarn können sie sich ungestört treffen. Die Brüder Dieter und Georg Fischer bewohnen das Gehöft in der Gemeinde Brieske seit dem Sommer ganz allein. Die Mutter hat nach dem Tod ihres Mannes - pikanterweise war er der Vater des Vaters von Georg - wieder geheiratet und ist mit ihrem jüngsten Sohn zum Ehepartner in die benachbarte Kreisstadt Senftenberg gezogen. Sie hält Verbindung zu ihren Jungs, obwohl ihr Ein-fluss auf die beiden schon seit langer Zeit gering ist.
Dieter, mit 25 Jahren der Älteste, ist ein einfacher Mensch. Er hat ein schlichtes Gemüt, das Denken fällt ihm mehr als schwer. Ärzte vermuten, dass bei der Geburt etwas schiefgegangen ist und sein Hirn unter Sauerstoffmangel gelitten haben könnte. Die Hilfsschule hat er nach der sechsten Klasse verlassen. Das Rechnen überfordert ihn schon, wenn die Zehnerreihe überschritten wird, und was er aufschreibt, strotzt vor Fehlern.
Georg ist anders. Zwar hat es der inzwischen 23-Jährige auch nur bis zur achten Klasse geschafft, doch das immerhin in der normalen Oberschule. Georg hätte es auch weiterbringen können, wenn er sich nur ein bisschen mehr auf den Hosenboden gesetzt hätte. Statt dessen lässt er sich von hochtrabenden Träumen treiben, ohne mit Ernsthaftigkeit an die Verwirklichung seiner Ziele zu gehen. Einmal will er eine Gaststätte mit gehobenem Niveau übernehmen, ein anderes Mal Klavierstimmer werden oder Musik studieren. Realität ist eine kriminelle Kar-riere, die bereits im Alter von 16 Jahren Anfang der neunten Klasse beginnt. Zwischen 1973 und Mai 1980 sitzt er dreimal Im Gefängnis, jeweils verurteilt wegen Diebstahl und Betrug. Georg will Frauen mit Großzügigkeit imponieren, die er sich nicht leisten kann. Von seinen 500 Mark Nettolohn, die er als Montierer im Gleichrichterwerk Großräschen bekommt, gehen monatlich 80 Mark Unterhalt und 100 Mark Schadenersatz für die einstigen Gaunereien weg.
Die Defizite im Sein versucht er durch Schein zu vertuschen. Er kleidet sich besonders auffällig, lackiert die Fingernägel, spricht geschraubt. Tabletten gehören zu seiner täglichen Ernährung und machen ihn »high«. Nur von ehrlicher Arbeit hält Georg nicht viel. Nach seiner letzten Haftentlassung Mitte Mai 1980 wird er an seinem Arbeitsplatz nur selten gesehen. Von 111 Arbeitstagen ist er 53 Tage krank, genießt acht Tage Urlaub und leistet sich 25 Fehlschichten. Im September hat er ganze vier Pfennige Lohn ausbezahlt bekommen, nachdem ihm wegen verschiedener Verstöße das Krankengeld gestrichen wurde. Im Portemonnaie herrscht chronische Schwindsucht.
Zum Glück hat er seinen einfältigen Bruder Dieter. Der arbeitet ebenfalls im Gleichrichterwerk und verkauft dort für Georg Schallplatten, die dieser sich günstig besorgt hat. Dabei legt Dieter ein Engagement an den Tag, das die Kollegen von ihrem Hilfsarbeiter ansonsten gar nicht kennen. Nur unter strenger Kontrolle erreicht er einigermaßen zufriedenstellende Leistungen. Ansonsten lässt er sich leicht ablenken und beeinflussen. Wenn Bruder Georg in der Nähe ist, wirkt er ängstlich und verschüchtert und macht nur, was der ihm sagt. Dieter weiß, dass sein Bruder brutal zuschlägt, wenn er nicht nach dessen Pfeife tanzt. Bei aller Kritik schätzen die Kollegen, dass Dieter ein gutmütiger Kerl ist, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Das Leben hat ihn leider mit wenig Intelligenz ausgestattet.
Auch Dieter ist bereits straffällig geworden. 1974 weist ihn das Kreisgericht Senftenberg wegen Nötigung und Diebstahl in eine Nervenklinik ein, nachdem ein Gutachter ihm Schwachsinn attestiert hatte. 1978 wird er wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, die ihm später durch eine Amnestie des Staatsrates der DDR erlassen wird.
Lutz Kunze mit seiner Judith auf der Couch weiß von diesen Lebensläufen wenig. Natürlich ist in Brieske bekannt, dass der Dieter »nicht ganz richtig im Kopf« ist. Doch mit dem älteren der Fischer-Brüder hat Lutz sowieso kaum Kontakt. Der werkelt in Haus und Scheune herum oder kümmert sich um das Kleinvieh. Mit Georg ist das anders. Das ist ein richtiger Kumpel. Er besitzt Schallplatten mit guter Musik, hat Ahnung von Autos und Mopeds und offenbar auch tolle Beziehungen. Georg hat ihm erzählt, dass er über einen Bekannten bis zu 1500 DDR-Mark im Verhältnis 1:1 in Westmark umtauschen kann, was ein prima Deal ist, der illegale Wechselkurs liegt bei mindestens 1:5. »Hast du Interesse«, fragt Georg seinen jungen Freund, von dem er weiß, dass dessen Familie durchaus solche Summen zusammenkriegen kann. »Musst dich ja nicht gleich entscheiden«, fügt er hinzu, als Lutz Kunze zögert.
Die Aussicht, so viel Westgeld in die Hand zu bekommen, ist verlockend. Lutz überlegt, welche Geldquellen er anzapfen kann. Er »schlachtet« sein Sparschwein, in dem 150 Mark stecken. Er pumpt Verwandte und Bekannte an. Die Mutter steuert 300 Mark bei, der Schwager 200, der Großvater 40 und der große Bruder 250 Mark.
Die verheiratete Schwester unterschreibt einen Blankoscheck für das Umrubeln der weichen Ost- in harte Westwährung.
Der Geldumtausch ist für den 10. Oktober 1980 organisiert. Am Nachmittag braust Lutz Kunze mit seinem Moped S 50 voller Vorfreude, wenn auch mit mehr als einer halben Stunde Verspätung heran. Georg ist sauer. »Mensch, kannste nicht pünktlich sein? Jetzt ist mein Geschäftspartner weg. Er kommt aber später noch einmal wieder«, beruhigt er den enttäuschten Freund. Beide sitzen mehrere Stunden im Wohnzimmer beisammen, quatschen und trinken Bier und Kräuterschnaps. Lutz hält sich beim Trinken zurück, schließlich ist er mit dem Moped unterwegs.
Inzwischen ist es Abend geworden und der Geschäftspartner noch immer nicht aufgetaucht. »Komm, lass uns noch einen Kaffee trinken«, schlägt Georg vor. Das Getränk hat auf Lutz eine merkwürdige Wirkung. Die Beruhigungs- und Schlaftabletten, die ihm Georg heimlich mit dem Kaffee verabreicht hat, beginnen zu wirken. Lutz Kunze zieht die Schuhe aus, legt sich auf die Couch und fällt kurze Zeit später in einen tiefen Schlaf.
Georg Fischer ist zufrieden. Bisher läuft alles nach Plan. Lutz ist auf das Märchen vom Umtausch hereingefallen und hat eine Menge Geld bei sich. Dumm nur, dass der Kerl auf der Brieflasche liegt. Die Gefahr, dass er munter wird, wenn er sie aus der Tasche zieht, ist zu groß. »Der muss weg«, beschließt Georg. Er holt aus dem Schuppen eine Axt und stellt sie im Vorraum vor die Wohnzimmertür. Zwei Säcke und Stricke legt er griffbereit neben dem Moped von Lutz Kunze ab, das im Hof steht.
Dieter hat inzwischen seine Arbeiten erledigt. Er hat draußen von der Pumpe Wasser für den nächsten Tag geholt und die Eimer in die Küche gestellt. Einen zentralen Trinkwas-seranschluss gibt es nicht. Der Abwasch ist weggeräumt und der Fußboden gefegt. »Endlich fertig mit dem ganzen Geröll«, murmelt er zufrieden vor sich hin, als Georg bei ihm auftaucht. »Der Kunze hat Geld bei sich, der muss ein paar auf die Rübe kriegen«, sagt er und weist an: »Du machst das. Die Axt steht schon draußen. Du fasst hinten am Stil an und haust dem Lutz zweimal mit der stumpfen Seite auf den Kopf.«
Dieter glaubt, seinen Ohren nicht zu trauen. »Das mach ich nicht«, widerspricht er. Georg zwingt seinen Bruder, ein paar Schnäpse zu trinken, damit der seine Hemmungen verliert, und droht ihm mit Prügel, wie er sie noch nie bezogen hat. Georg geht ins Wohnzimmer und stellt den Plattenspieler auf volle Lautstärke, damit eventuelle Schreie des Opfers übertönt werden, und verlässt den Raum wieder. »Los jetzt«, herrscht er den Bruder an.
Dieter gibt das bisschen Widerstand auf, das sich in ihm geregt hatte. Er nimmt wie befohlen die Axt, stellt sich ans Kopfende der Couch und lässt sie mit voller Wucht zweimal auf den Schädel von Lutz Kunze niedersausen. Bereits beim ersten Hieb vernimmt er das knirschende Geräusch zerberstender Knochen und sieht das Blut spritzen. Georg kommt in das Zimmer, dreht das Opfer, so dass er bequem an die Brieftasche kommt, und steckt sie ein. Gemeinsam schleppen die Brüder Lutz Kunze auf den Hof. Es ist ihnen, als hörten sie noch einmal ein Röcheln. Das erstirbt in dem Sack, den sie dem Opfer über den Kopf gestülpt haben. Sie binden den leblosen Körper auf dem Moped fest und lassen alles, was ihre Tat verraten könnte, wie den Sturzhelm und die Schuhe, in dem zweiten Sack verschwinden. Georg baut noch schnell die vier Blinkleuchten des Mopeds vorn und hinten ab und versteckt sie auf dem Grundstück. Die will er später verkaufen. Dann schieben die Fischer-Männer die tödliche Fuhre Richtung »Schwarze Elster«, die etwa 500 Meter vom Gehöft entfernt vorbeifließt, und versenken sie mit Schwung im Fluss. Auf dem Rückweg erhält Dieter von seinem Bruder strenge Verhaltensregeln. »Du sagst keinem Menschen, dass der Lutz bei uns war. Und zur Elster gehst du in den nächsten Tagen auf keinen Fall.«
Zu Hause wartet noch jede Menge Arbeit auf die beiden Brüder. Auf dem Hof ist eine Blutlache, Vorraum und Wohnzimmer sind voller Blutflecke. Die Couch ist am Kopfende ebenfalls dunkelrot vom Blut. Mit viel Wasser versuchen sie, alle Spuren zu beseitigen. Beim Putzen erklärt Georg seinem einfältigen Bruder, dass der Kunze nur schlappe fünf Mark bei sich hatte. »Warum soll ich die Beute mit dem Blödmann teilen«, denkt er sich.
Am Montag bittet Georg Fischer einen Freund, den Scheck einzulösen. Er hat die Summe von 500 Mark in das Blanko-formular eingetragen. Gern hätte er eine größere Summe aufgeschrieben, doch die Gefahr, dass der Scheck dann nicht eingelöst wird, ist ihm zu groß. Dem Kumpel erklärt er: »Der Scheck ist von meiner Mutter. Ich soll von dem Geld Malerzeug zum Renovieren einkaufen, habe aber meinen Ausweis verlegt.« Der Freund schöpft keinen Verdacht, zumal Georg tatsächlich Pinsel und Farben besorgt.
Die nächsten Tage verbringt Georg Fischer in Saus und Braus, Er kauft reichlich Alkohol und schmeißt in Gaststätten eine Lage nach der anderen. Das erregt Verdacht bei den Angehörigen von Lutz, die sich das Verschwinden des Jugendlichen nicht erklären können, aber auch bei den Saufkumpanen Georgs.
Genau eine Woche nach seiner Versenkung in der Elster wird die Leiche von Lutz Kunze gefunden. Bei der Obduktion stellen die Gerichtsmediziner massive Schädelhirnverletzungen fest. Sie finden aber auch Wasser in der Lunge. Lutz Kunze hat noch gelebt, als er in den Fluss geworfen wurde.
Am 19. Oktober werden Dieter und Georg Fischer verhaftet. Das Kreisgericht Senftenberg erlässt Haftbefehl. Nach anfänglichem Leugnen gesteht Dieter die Tat:
»Den ... habe ich erschlagen. Es war wegen dem Scheißgeld. ... Mein Bruder wollte das Geld. Mein Bruder sagte, dass er eins mit der Axt kriegen sollte. Ich schlug zweimal mit der Axt zu.«
Auch Georg äußert sich vor dem Haftrichter. Er leugnet jede aktive Tatbeteiligung, schiebt alles seinem Bruder in die Schuhe. Er räumt lediglich ein, dass er den Toten mit auf das Moped gebunden und seinen Transport zur Schwarzen Elster begleitet hat. Seine Begründung:
»Ich wollte meinen Bruder nicht in Schwierigkeiten bringen.« Dieter Fischer bleibt in allen Vernehmungen durch die MUK und den Staatsanwalt bei der Aussage, dass ihn Georg zum Mord angestiftet hat. In einem der Verhöre versichert er:
»Ich hätte nie auf den ... eingeschlagen, wenn es mir mein Bruder nicht gesagt hätte. Ich hätte ja gar keinen Grund gehabt, ihn zu erschlagen.«
Wie abhängig Dieter in seinem schwachsinnigen Gemüt von seinem Bruder war, macht eine andere Aussage deutlich:
»Mein Bruder ... ist sehr launisch. Wegen Kleinigkeiten fing er an zu schreien und zu bläken. Er beschimpfte mich mit Ausdrücken wie Schwein, Mistsau, dreckiger Lump und ähnliches. Wenn er richtig in Wut geriet, schnappte er mich und schlug mit den Fäusten ins Gesicht und trat mich mit den Füßen überall hin, wo er treffen konnte. Ich war danach immer fix und fertig und konnte nicht mehr. ... Mein Weinen hat... überhaupt nicht gestört. Besonders brutal war er, wenn er vorher etwas getrunken hatte. Ich hatte richtige Angst vor ihm und versuchte nach Möglichkeit, ihm alles recht zu machen.»
Georg Fischer wird im Laufe der Ermitdungen innerhalb des halben Jahres nach seiner Verhaftung über 30 Mal vernommen. Seine Bereitschaft, bei der Aufklärung des Verbrechens mitzuwirken, scheint nahezu umwerfend zu sein. In einem handschriftlich verfassten Geständnis heißt es:
»... Außerdem sehe ich ein, dass durch unser Verschulden der Ermordete sein Leben beenden musste, die Bevölkerung, das heißt die Bürger der DDR, die von unserem Fall unterrichtet sind, eine gerichtliche Verurteilung sowie Aufklärung des Falles verlangen dürfen.«
Zwei Jahre zuvor hatte er in einem Verfahren wegen Betrugs und Urkundenfälschung ähnlich salbungsvoll geschrieben:
»Da ich endlich vernünftig werden muss, habe ich eingesehen, dass ich keine strafbaren Handlungen mehr machen darf. Um meine Einsicht zu beweisen, soll diese Stellungnahme mein erster Schritt in ein vernünftiges Leben sein.«
Die scheinbare Bereitschaft, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, ist bei Georg nichts als Lüge. Mit frappierender Kaltschnäuzigkeit bietet er den Ermittlern immer neue Fakten an, die seine Unschuld beweisen sollen und die sich bei näherem Hinsehen als Hirngespinste erweisen. Lügen hält er so lange aufrecht, bis sie durch unwiderlegbare Beweise entlarvt werden. So bestreitet er vehement, dass er mit Kassibern versucht hat, seinen Bruder sowie Zeugen zu beeinflussen. Die Botschaften hatte er in Kleidungsstücke eingenäht, die seine Mutter nach Besuchen in der Haftanstalt zum Waschen mit nach Hause nehmen sollte. In einem Kassiber unterbreitet er seinem Anwalt ein generöses Honorar-Angebot, das er ihm wahlweise in Ost- oder Westmark, auszahlen wolle. In einem anderen, mehrere Seiten umfassenden Geheimpapier nennt er angebliche Zeugen, die seine Unschuld beweisen könnten und die er der Polizei bisher verschwiegen habe. Ein Kassiber richtet er an seine Mutter mit der Aufforderung, ihm zu helfen. Georg
schreibt ihr detailliert eine Aussage vor, die sie bei der Polizei machen müsse. Dort soll sie beschwören, dass der Geldumtauschen ein gewisser Müller, zwei Tage vor seinem Selbstmord bei ihr ein Geständnis abgelegt hat. Danach habe er, Müller, den Dieter gezwungen, Lutz Kunze zu töten und in die Elster zu werfen. Ihr Sohn Georg sei zur Tatzeit in Senftenberg gewesen, besagter Müller war tatsächlich Anfang Februar bei einem Verkehrsunfall gestorben. Nachweislich aber war er zur Tatzeit bei seiner damaligen Verlobten. In einem weiteren Kassiber fordert er Bruder Dieter nachdrücklich auf, die alleinige Schuld auf sich zu nehmen. Ihm könne schließlich angesichts seines Schwachsinns und der damit verbundenen Unzurechnungs-fähigkeit nichts passieren.
Über ein Jahr lang ziehen sich die Ermittlungen hin. Am Ende sind 27 Aktenordner gefüllt. Darin befinden sich mehrere Stellungnahmen von Georg Fischer. Darunter ist ein Geständnis, das 108 handschriftliche Seiten umfasst.
Doch es ist das Papier nicht wert, auf dem es verfasst ist. Wie schon zuvor im Ermittlungsverfahren, widerruft Georg Fischer im Prozess vor dem Bezirksgericht Cottbus Anfang Februar 1982 alle ihn belastenden Aussagen. Er behauptet, dass ihn die Kriminalisten geschlagen hätten. Durch Schlafentzug sei er völlig übermüdet und mit den Nerven am Ende gewesen. Letztlich habe er die von der Polizei gewünschten und vorgegebenen Angaben gemacht, um endlich Ruhe zu haben. Außerdem habe ihm sein Bruder Dieter noch vor der gemeinsamen Inhaftierung Details des Mordes geschildert. Daher stamme das in den Geständnissen offenbarte Täterwissen.
Das Gericht glaubt ihm nicht. Es verurteilt Georg Fischer am 8. Februar 1982 gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft wegen in Mittäterschaft begangenen Mordes in Tateinheit mit Raub und wegen verbrecherischen Betrugs zum Nachteil sozialistischen Eigentums zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Gegen Dieter Fischer verhängt der erste Strafsenat wegen gemeinschaftlichen Mordes zwölf Jahre Gefängnis. Ihm wird verminderte Schuldfähigkeit zuerkannt.
Die Verteidiger legen Berufung gegen die Urteile beim Obersten Gericht der DDR ein und haben damit zum Teil Erfolg. Bei Georg Fischer sieht es nur die Anstiftung zum Mord als bewiesen an. Alleiniger Mörder sei Dieter Fischer gewesen. An den verhängten Strafen ändert das jedoch nichts. Sie werden von den obersten Richtern bestätigt.
Dieter Fischer wird im Januar 1989 aus dem Strafvollzug entlassen. Georg Fischer richtet 1993 Gnadengesuche an den Ministerpräsidenten und den Justizminister des Landes Brandenburg, nachdem einem Antrag auf Haftaussetzung nicht stattgegeben wurde. Die Gnadengesuche werden abgelehnt.
Im Januar 1996 öffnen sich für Georg Fischer die Gefängnistore. Inzwischen hat er geheiratet und den Namen seiner Ehefrau angenommen. Wieder in Freiheit, kommt er erneut mit dem Gesetz in Konflikt. Die Amtsgerichte Berlin-Tiergarten und Senftenberg verurteilen ihn wegen kleinerer vollendeter und versuchter Betrügereien, Urkundenfälschungen und Trunkenheit im Straßenverkehr zu Geldstrafen.