30.

Waffen und Pulver

 

 

(Bericht von Dr. Livesey fortgesetzt)

 

Wir näherten uns dem Ankerplatz der Skelett-Insel langsam und vorsichtig vor dem Morgengrauen. Gray ist ein ausgezeichneter Schiffsführer, und Silver kennt den Kanal gut, doch fünfzehn Jahre verändern eine Menge. Silver kam jedoch äußerst zögernd an Deck.

Squire Trelawney berief eine geheime Konferenz in seiner Kabine ein. Anwesend waren Kapitän Gray, Josh Hall, erster Maat, und Henry King, Matrose, von der Mannschaft; von unserer Gruppe Lady Alice, Jim Hawkins, Ben Gunn, Betsy und ich; von der Argent-Gruppe Mr. Somerscale und Mr. Wilton und natürlich Argent-Silver selbst.

Der Squire umriß einen Plan, alle Bergleute und Schwarzen (Daniel eingeschlossen, obwohl Squire verletzt, dies tun zu müssen) in Sicherheitsverwahrung unter Deck zu halten, während unsere Gruppe landet, um das Silberversteck ausfindig zu machen. Dann werden die Frauen unter „Nannys“ Führung an Land gebracht, während eine bewaffnete Wache Posten bei den Gefangenen bezieht. Eine Muskete, eine Pistole, ein Entermesser, Kugel und Pulver sollten an alle außer Lady Alice und Betsy ausgegeben werden.

Lady Alice brachte starke Einwände vor. „Die Vernunft legt nahe“, sagte sie, „daß Gott Mann und Frau mit gleichem Geist ausgestattet hat.“ Somerscale unterstützte sie. Aber als die Sache zur Abstimmung kam, wurde sie abgelehnt, Jim Hawkins, Wilton und ich enthielten uns der Stimme. Aber ich sah Somerscale Lady Alice etwas unter dem Tisch geben, und als sie die Kabine verließ, hatte sie eine Pistole im Gürtel stecken, die Röcke hochgezogen und einen Seemannshut auf dem Kopf. Sah auch sehr gut aus. Betsy wurde diskret entlassen, um „Nanny“ und die anderen Frauen von dem Plan zu unterrichten. Dann verschwanden alle auf ihre Posten, und eine Wache bezog Stellung bei den Waffen und dem Pulver.

Doch um vier Uhr dreißig war klar: Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wir kamen hinaus an Deck und sahen das große Beiboot im Wasser und auf die Küste zustreben. Es lag tief im Wasser und war schwer beladen. An Bord waren Ned Barker und die Bergleute, des Squires Diener, Daniel, eingeschlossen, und noch verblüffender, die Frauen, Betsy eingeschlossen. Kapitän Gray befahl ihnen zu halten, da sie das Schiff ohne Erlaubnis verließen. Barker antwortete, aber seine Worte waren bei der Entfernung kaum zu hören. Eine der schwarzen Frauen machte die Angelegenheit durch ein Zeichen verständlicher, das ich nicht gesehen habe, seit ich mit den Truppen seiner Majestät bei Fontenoy lag.

Der Squire brüllte jetzt mit lauter Stimme in Richtung des Bootes: „Daniel, ich spreche jetzt mit dir. Ich befehle dir, zu deinem Herrn zurückzukehren. Ich weiß, daß du im Grunde ein anständiger Kerl bist, und keiner von euch allen ist so schlecht, wie er oder sie sich ausgibt. Ich halte meine Uhr in der Hand. Ich gebe euch dreißig Sekunden, euch wieder uns anzuschließen.“

Eine heftige Bewegung an Bord des Beibootes, irgendein Streit. „Komm, Bursche“, sagte Squire, „häng nicht so lang in der Takelage.“

Ein plötzliches Hin- und Hergeschiebe, und Daniel tauchte vom Boot und schwamm kräftig aufs Schiff zu. Als er in der Mitte zwischen Boot und Schiff war, befahl Kapitän Gray, die Persenning vom langen Neunpfünder zu ziehen. Josh Hall, der Maat, der ein ausgezeichneter Kanonier war, hatte ihn aktionsbereit gemacht, während das Boot noch ein wenig von der Küste entfernt war. Er richtete ihn meisterhaft, und das Boot, das in voller Breitseite auf die Küste zuschaukelte, bot eine Zielscheibe wie ein Scheunentor.

„Feuer!“ rief der Kapitän.

Genau da bewegten die schwarzen Frauen das Boot so stark rückwärts, daß das Heck vollständig unter Wasser gesetzt wurde. Der Kanonendonner krachte im selben Augenblick. Wo die Kugel entlang ging, wußte niemand genau, aber es muß über ihren Köpfen gewesen sein. Jedenfalls sank das Boot am Heck um ein paar Fuß Wassertiefe. Einige machten richtige Kopfsprünge und kamen durchweicht und gurgelnd wieder hoch. Aber niemand hatte sein Leben verloren. Als Daniel wieder an Bord der Hispa-niola gehievt und mit seinem dankbaren Meister vereint wurde, wateten die anderen so schnell sie konnten an Land und ließen das Boot mitsamt ihrer ganzen Ausrüstung auf dem sandigen Grund des Meeres zurück.

Sie verschwanden außer Sicht- und Hörweite, doch nicht bevor uns einer von ihnen ein letztes Zeichen ihres Widerstandes gegeben hatte.

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel
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