7.
Zum „Admiral Benbow“
Während ich voller Angst auf dem Boden vor der Gasthaustür lag, stimmte Ben Gunn, der sich im Schatten auf den Beinen gehalten hatte, mit einer schönen, klingenden Tenorstimme an: „Wie süß klingt Jesu Name mir. .
Die Gasthaustür wurde abrupt geöffnet, und eine Frauenstimme rief: „Das warst du, Ben Gunn, du Schuft, Jim wußte es gleich. Doch ich gehe kein Risiko ein.“
Ben hüpfte die Stufen hinauf und rief:
„Recht habt Ihr, Mrs. Hawkins. Kein Risiko, sagt ihr. Und kein Risiko, sag ich, weshalb ich die Lampe dem jungen Tom hier gab. Und der sagt ebenfalls, kein Risiko, und löschte das Licht aus, bevor Ihr ,Käpten Flint’ sagen konntet.“
„Tom, wer ist Tom?“
„Nun, der Junge, der gekommen is, um in der Gaststube und bei allem zu helfen.“
„Wir brauchen keinen Jungen“, kam eine Männerstimme. „Squire sagt, Ihr braucht einen, und Ben Gunn sagt: Squires Wort is Gesetz.“
„Bringt ihn rein. Er kann über Nacht bleiben, und morgen früh setzen wir ihn mit einem Frühstück und einem Shilling auf die Straße.“
So gingen wir rein. Es war mitten in der Woche, und so saßen nur ein paar Leute da. Weniger, als ich selbst an einem einsamen Ort wie diesem erwartet hätte. Schankstuben müssen voller Männer sein, die trinken, sich beim Wetten ereifern, ausspucken und ab und zu singen. Wir gingen durch einen Türvorhang in eine Nebenstube. Dort saß eine rundliche, freundlich aber ernst dreinschauende alte Dame in dunklem Kleid und sauberer Schürze. Sie hatte ihr Nähzeug auf dem Schoß ausgebreitet und eine große Sattelpistole darübergelegt. Ein jüngerer breitschultriger Mann schloß die Fensterläden. Er wandte sich um, um mich anzuschauen. Er hatte ein feines, wenn auch etwas bleiches Gesicht, eine Stirn, die Temperament verhieß, und ein hervorstehendes Kinn. In seiner Miene lag Strenge, doch seine Augen waren freundlich. Er musterte mich und nahm meine dreckigen Hosen wahr. Er wies mit einem Nicken auf die Bank unter dem Fenster.
„Setz dich, mein Junge.“
„Ben, geh in die Schankstube und füll dir einen Krug, aber nur einen, wohlgemerkt.“ Als Ben außer Hörweite war, senkte Master Hawkins die Stimme.
„Abgehauen, wie?“
Ich nickte.
„Du kannst den Squire und den Doktor zum Narren halten, aber nicht mich. Hier kommen alle Arten von Leuten durch, vornehme Männer, Lehrlinge, alles. Ich weiß, wann sie eine Fahrkarte haben und wann nicht. Ich wünsche dir nichts Böses, Tom, aber Mutter und ich können diesen Betrieb allein schaffen — bei der Kundschaft, die wir haben.“
„Und das ist wenig genug“, bemerkte die alte Dame scharf. „Mutter“, antwortete Master Hawkins, „was fehlt uns denn?“
„Wenn man dich reden hört, nichts. Die Freigebigkeit, mit der du unser Vermögen an alle und jeden austeilst: Gesellen, Viehhändler, Bettler und“, sie rümpfte die Nase bei dem Wort, „Schauspieler.“
„Mutter, es ist wenig genug, was jeder von ihnen bekommt und auch das nur in der Not.“
„Ja, ja, du gibst und gibst, bis die“, sie sprach leise, „jene Kiste dort leer ist.“
Er lachte. „Kein Grund zu flüstern, Mutter. Jeder im Dörfchen weiß, was dort drin ist. Und keiner, ob Ehrenmann oder Betrüger, wagt es, ihr nahezukommen, solange du mit der Pistole quer vor der Treppe sitzt.“ Jetzt senkte er die Stimme wieder. „Was möchtest du, daß ich tue? Den vergnügten Wirt spielen, und es vertrinken wie Ben Gunn oder Lord...“
Mrs. H. kniff die Lippen zusammen.
„Und wie hoffst du, die feine Dame mit einer leeren Kiste zu gewinnen? Sie wird niemanden mit weniger als zehntausend Pfund anschauen.“
Der Hieb saß.
„Ich will nicht über Lady Alice streiten. Mutter, geh du zu Bett. Ich kümmere mich um alles hier unten. Tom kann mir zur Hand gehen und sich sein Abendessen verdienen.“
Gerade da kam jemand in die Schankstube. Kann mich ebensogut willig zeigen, dachte ich und ging schnurstracks hinein, um zu bedienen. Ich zapfte einen Schoppen und schnupperte daran. Der Kunde blickte mich düster an. Ich goß das Bier in den Eimer und zapfte noch einmal.
„Kommt nix Besseres“, knurrte der Mann und knallte seinen Halfpenny auf die Theke.
Ich beugte mich zu ihm und flüsterte „Wird diese Mückenpisse hier im Haus gebraut?“
Er schüttelte den Kopf. „Mrs. Hawkins ist jetzt zu alt, und Lord Jim ist es gleichgültig. Er kauft es von einer Brauerei — weit fort, und die hauen ihn grausam übers Ohr.“
Gerade da rief Master Hawkins aus dem Wohnzimmer.
„Nimm dir selbst einen Schoppen, Tom!“
„Recht schönen Dank, Master Hawkins, aber ich hab oben im Herrenhaus gegessen.“
Eine halbe Stunde später war die Gaststube leer. Als er sah, daß es kein Freibier mehr gab, sagte selbst Ben unter vielem Zwinkern und Rippenstößen gute Nacht und ging fort. Ich schob den Vorhang zum Wohnzimmer zurück. Mrs. Hawkins war hinaufgegangen und hatte die Tür zur Treppe hinter sich geschlossen. Aber Master Jim saß an dem kleinen Tisch, die Kerze dicht neben sich, Papiere vor sich, und zählte etwas an den Fingern ab. Ich dachte, er machte die Abrechnung.
Doch statt dessen starrte er in die Ferne und murmelte:
„Ihr Felsen fürchterlich und wild,
Ihr düsteren Kiefern- und Eichenforste!“
„Wälder, Sir“, sagte ich.
„He, wie?“
„Wälder würde besser klingen, Eichen- und Kiefernwälder.“ Er schien mich nicht zu hören, sondern fuhr fort, etwas an den Fingern abzuzählen. Ich ging zurück in die Schankstube, räumte die Bierkrüge zusammen und spülte sie aus. Als ich mich im Brauhaus auf der Rückseite des Hauses umsah, fand ich alles Gerät zum Bierbrauen und dick verkrustete Säcke mit Korn und Malz. Alles war mit Staub bedeckt. Aber ich fand auch eine Hängematte, die in einer Ecke verstaut war, und knüpfte sie an einen Balken. Nach ein paar Versuchen rollte ich mich hinein und machte mich zum Schlafen fertig. Am besten gut die Nacht durchpennen, dachte ich.
Morgen würde Tom Carter wieder auf der Straße sitzen. Pech. Trotz all ihrer komischen Angewohnheiten mochte ich Master Jim und seine Mutter, Pistole und alles. Und über dem ganzen Ort hing etwas schön Geheimnisvolles — das Herrenhaus, der Squire, der Doktor, Lady Alice, mit ihrem Gerede von Silber, versiegelten Lippen, offenen Augen und was nicht allem. Als ich fast eingeschlafen war, hörte ich ihn in der Stube auf und ab schreiten und deklamieren:
„Ihr Felsen fürchterlich und wild,
Ihr düstern Eichen- und Kiefernwälder!“