Die Rolle der Forschung beim Schutz der Wölfe

Immer wieder wird auch bei Wölfen von Tierschützern die Behauptung aufgestellt, dass ein Schutz der Wölfe nur ohne jegliche Forschung und technische Hilfsmittel erfolgen dürfe. Der nachfolgende Bericht beleuchtet die Notwendigkeit und die Rolle der Forschung beim Schutz der Wölfe und insbesondere bei der Wiederansiedlung von Wölfen.

Wissen ist die Grundlage für jedes Managementprogramm für Wölfe. Vor der Erfindung der Radiotelemetrie war nur wenig über Wolfszahlen, Populationstrends und natürliches Habitat bekannt. Schließlich waren Wölfe aus fast jedem U.S.-Staat (mit Ausnahme von Minnesota und Alaska) verschwunden, und im Allgemeinen meiden sie Menschen wie die Pest.

Wie viele Wölfe gibt es? Laufen sie ziellos herum? Der Wolfsbiologe Dave Mech wusste, dass er nur mit Radiotelemetrie hierauf eine Antwort erhalten würde. Von 1963 bis 1965 erlernte er diese Technik am Biotelemetrie-Labor der Universität von Minnesota mit Waschbären und Rehen. Dabei entwickelte experimentierte er damit, Radiosender in Acrylhalsbänder einzuschweißen. So waren die Halsbänder wasserdicht und er konnte den Wölfen folgen.

1966 begann Mech zusammen mit Dr. Dan Frenzel vom Macalester College in Minnesota, begann Mech, Wölfe im Superior National Forest zu studieren. Finanzielle Unterstützung kam von verschiedenen Quellen, einschließlich dem U.S. Fish & Wildlife Service und der North Central Forest Experiment Station des U.S. Forest Service. 1968 gelang es Mech zum ersten Mal, Wölfe in der Wildnis des Superior National Forest lebend einzufangen und mit Radiohalsbändern zu versehen. Sein Projekt expandierte und perfektionierte das Fallenstellen. Die Luftüberwachung mittels Telemetrie und wurde schließlich auch bei den Wolfsprogrammen in Wisconsin, Michigan und Montana angewandt. Als seine Erfolge bekannt wurden, verbreitete sich die Technologie auch bis zu den Wolfshochburgen von Alaska und Kanada. Sogar Länder wie Italien, Portugal und Spanien benutzten die Technologie, um ihre kleinen Wolfspopulationen zu studieren.

Mithilfe der Luftüberwachung entwickelte sich Mechs Forschung über die Grundlagen der natürlichen Entwicklung der Wölfe rapide. Luftbeobachtungen und Bodenstudien von Wölfen wurden auf der Isle Royale, Michigan, schon in den 1950er und 1960er Jahren gemacht, aber Fortschritte hinsichtlich der sozialen Ökologie und des Territoriums von Wölfen mussten bis zur Erfindung der Telemetrie warten. „Die Tatsache, dass Wölfe territorial sind, war bis 1968 unbekannt, als wir die Luft-Radioüberwachung begannen. 1971 hatten wir das Konzept klar dargelegt“, sagt Mech.

Während der nächsten zwei Jahrzehnte revolutionierte die Wolfsforschung, basierend auf Radiotelemetrie, die Qualität und Quantität von Informationen über Wölfe. Viele Daten von Wolfspopulationen wurden revidiert.

Als die Forscher feststellten, dass Wolfsreviere mithilfe von durch Radiotracking festgelegt und Wölfe gezählt werden konnten, entwickelten sie wissenschaftliche Zählungsmethoden von Wolfspopulation in Minnesota. Mit denselben Methoden konnten die Forscher auch den Populationsanstieg im benachbarten Wisconsin überwachen.

Wolfsbewegungen und Abwanderungen werden ebenfalls studiert. Eine Serie von Radiomessungen gibt groben Aufschluss über die Reiseroute eines Tieres. Zum Beispiel Wolf Nr. 1051, der erste mit einem Radiohalsband versehene Wolf der Welt, wanderte einhundertdreißig Meilen in einer schnurgeraden Linie. Radiotracking gibt auch Aufschluss über die Größe, Form und geografische Lage eines Wolfsgebietes.

Indem auch die Hauptbeutetiere der Wölfe, die Weißwedelhirsche, Radiohalsbänder erhielten, gewann Mechs Projekt neue Erkenntnisse über die Interaktionen von Hirschen und Wölfen. Das Projekt beobachtet seit nunmehr neun Jahren einzelne Hirsche und seit über elf Jahren einzelne Wölfe.

Werden ausreichend Mitglieder einer Wolfspopulation über einen längeren Zeitraum beobachtet, können verschiedene Generationen während ihrer Abwanderungen und bei Neugründungen von Rudeln verfolgt und die soziale Ökologie oder persönliche Interaktion mit Wölfen beschrieben werden. Bemerkenswert in Mechs Studien war das Harris-Lake-Rudel, das seit zwölf Jahren beobachtet wurde, und das Perch-Lake-Rudel, von dem zehn abgewanderte Wölfe mit Sendern ausgerüstet worden waren.

Radiotracking hilft auch bei der Bestimmung der Sterblichkeit, indem nachgewiesen werden kann, wie viele Wölfe überleben und welcher Prozentsatz der beobachteten Tiere stirbt. Und was noch viel wichtiger ist: Mit Radiohalsbändern lassen sich Tiere lokalisieren, die sich nicht bewegen, und so die Todesursache feststellen. Hunger und Tod durch andere Wölfe sind die natürlichen Todesursachen von Wölfen, bei auch Krankheiten immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wenn Wölfe eingefangen werden, um ihnen Radiohalsbänder anzulegen, entnehmen ihnen die Biologen Blutproben für die Untersuchung auf mögliche Krankheiten und zur genetischen Bestimmung – ein Feld von zunehmendem Interesse für den Schutz des Wolfes. Serologische Tests haben gezeigt, dass Wölfe in verschiedenen Landkreisen von Minnesota und Wisconsin an Parvovirose erkrankt waren, woran auch Hunde leiden. Auch Herzwürmer könnten ein Problem für die Kaniden werden.

Genetische Untersuchungen für Inzuchtstudien konzentrieren sich auf die Isle Royale in Michigan, deren Wolfspopulation 1980 noch einen Höhepunkt von fünfzig Tieren hatte und kürzlich auf nur noch zwölf Tiere zurück gefallen ist. Die Ergebnisse der genetischen „Fingerabdrücke“ zeigen, dass die verbleibenden Wölfe der Isle Royale genetisch wie Geschwister verwandt sind.

Der Rückgang der Isle-Royale-Wolfspopulation kann die Folge von vierzig Jahren Inzucht sein. Das misst dem Bedürfnis nach genetischen Studien von gesunden Wolfspopulationen als Vergleich noch mehr Bedeutung bei. Wie viel nicht verwandtes Blut brauchen Wölfe? Solche genetische Studien werden immer mehr gebraucht, je mehr Wolfspopulationen wiederangesiedelt werden.

Indem man die Grundzüge der Wolfsbiologie lernte, half dies auch beim Verständnis der Wolfsbeutezüge gegen Nutzvieh, was eher eine Abweichung vom natürlichen Lebensstil der Wölfe ist. Forschung war wichtig, um Minnesotas „Raubier-Kontrollprogramm“ zu entwickeln. „Kontrolle“ (Tötung), die nur nach nachgewiesener Tötung von Nutzvieh durch Wölfe angewandt wurde, half bei den Bemühungen, die Unterstützung der Öffentlichkeit für den Wolf zu erhalten, während sie gleichzeitig auch die Bauern schützte.

Forschung brachte auch Licht in die Wiederansiedlung und Umsiedlung von Wölfen. Wenn sie umgesiedelt werden, neigen Wölfe dazu, an den Ort zurückzukehren, an dem sie eingefangen worden sind. Sie verhalten sich ebenso wie natürlich abgewanderte Wölfe und haben dieselben Überlebenschancen. Menschen sind die Haupttodesursache von umgesiedelten Wölfen – durch Fallenstellen, Erschießen und Überfahren. Sechs bis neun Monate alte Welpen scheinen in neuen Gebieten länger zu bleiben und eignen sich daher besser als Kandidaten für die Wiederansiedelung als Erwachsene. Auf der anderen Seite können sie sich aber bis zur Geschlechtsreife während der ersten zwei Jahre nicht verpaaren.

Wölfe besiedeln neue Gebiete, indem sie dort einwandern. Die Forschung hat nachgewiesen, dass jeder vierte Wolf sein Heimatgebiet verlässt, einige als Erwachsene, andere schon als Jungtiere, aber die meisten waren etwa ein Jahr alt, meist von Februar bis April oder später im Oktober und November. Im Durchschnitt wandern sie etwa fünfzig Meilen fort, einige wandern über fünfhundert Meilen. So siedelten sich die Wölfe aus Minnesota in Wisconsin und Michigan an.

Die Forschungsergebnisse und Techniken, die beim Studium der Grauwölfe seit 1967 entwickelt wurden, waren bei der Entwicklung der Wiederansiedlungspläne für den nördlichen Rocky-Mountain-Wolf und den östlichen Timberwolf (beides Grauwölfe) sowie für den Rotwolf in den Südstaaten sehr hilfreich. Diese Forschungen sind weit über die Planung hinausgegangen. Sie haben die Wissenschaftler unterstützt, Zugang zu Populationen zu erhalten und haben bei der Wiederansiedlung und Beobachtung der Wölfe geholfen, ebenso wie bei der Erforschung Krankheiten und vom Menschen verursachter Sterblichkeit.

Während Wölfe wieder in Wisconsin und Michigan, in Montana, Idaho, Washington und Wyoming anzutreffen sind, macht es die Forschung den Biologen möglich, ihre weitere Entwicklung zu beobachten, den Prozess zu verstehen, einzugreifen wo nötig und an der Lösung von Problemen mitzuwirken, bevor vollständiger Schutz der Wölfe erreicht ist.
(Jay Hutchinson; International Wolf, Spring 1993, WM Sommer 1993)

 

Buchtipp

„Wolfsforschung“ Wolf Magazin 2-2011
Elli H. Radinger (Hrsg.), edition tieger 2011
www.wolfmagazin.de/html/wolfsforschung.html