KAPITEL 29
In dem Labyrinth rasten Hunderte von Aliens durch die Dunkelheit, krabbelten die Wände entlang und huschten zischend und gackernd über den Boden. Sie waren sich bewusst, wie nah sie ihrer Beute waren – nahe genug, sie zu hören, zu riechen und bald auch zu schmecken.
Hinter dem Meer aus schwarzen, blutrünstigen Monstern erhob sich eine wuchtige Gestalt, die die anderen winzig erscheinen ließ, etwas sehr Großes, Monströses und sehr, sehr Wütendes: die Alienkönigin.
Scar stand über dem schwelenden Leichnam seines gefallenen Kameraden und hörte die Aliens näher kommen. Er hielt inne und legte in einer beinahe menschlichen Geste den Kopf schräg.
Einen Moment später hörte Lex sie auch. Obwohl sie ihre Verfolger nicht sehen konnte, war klar, dass sie sich rasch näherten.
Scar rannte los, in Richtung Ausgang. Lex heftete sich an seine Fersen. Sie preschten Hals über Kopf aus der Pyramide und sprangen die Stufen hinab. Durch den flackernden Nebel der Erschöpfung konnte Lex in der Ferne die grellen weißen Lichter des unterirdischen Lagers erkennen. Es schien verlassen zu sein.
Sie atmete die eisige Luft ein und riskierte einen Blick über die Schulter, aber da war noch immer keine Spur von der Horde, die sie verfolgte.
In der Eisgrotte
Als sie schließlich die Grotte erreichten, fanden sie die Ausrüstung der Expedition zerschlagen und verstreut vor, als hätten dort Vandalen gehaust.
Dann entdeckte Lex die Leiche des Roughnecks Quinn am Fuß des Eistunnels. So wie er zugerichtet war, musste er hart um sein Leben gekämpft haben. Während Scar Wache stand, suchte Lex das Lager rasch nach weiteren Personen ab, aber sie waren entweder alle verschwunden oder tot.
Am gähnenden Schlund des Schachtes, der zur Oberfläche führte, hatten die Roughnecks ein Flaschenzugsystem aufgebaut, um Ausrüstung hinunterzulassen und Proben hinaufzuziehen. Für Lex und den Predator war die Vorrichtung der einzige Weg aus dieser Hölle. Lex sah sich um und erblickte eine große, hölzerne Packkiste. Sie riss den Deckel herunter. Außer einer Hakenpistole befand sich nichts darin. Lex warf den Deckel beiseite und hängte die Kiste an das Zugkabel.
Als Nächstes überprüfte sie die Kontrolltafel der Winde und stellte fest, dass die Maschine für ein Gegengewicht von vier Tonnen kalibriert war. Das bedeutete, dass ein vier Tonnen schwerer Schlitten mit einer Geschwindigkeit von acht Metern in der Stunde den Tunnel hinaufgezogen werden würde, wenn man den Schalter umlegte. Lex nahm an, dass sie und Scar zusammen nicht einmal eine halbe Tonne wiegen würden. Bei einem derartigen Gegengewicht würde ihre Reise an die Oberfläche also recht schnell vonstatten gehen.
Sie lenkte Sears Aufmerksamkeit auf sich und zeigte auf den Schlitten.
„Rein da!“
Als Scar sich jedoch daran machte, an Bord zu steigen, sprang ihn das Alpha-Alien aus dem Schatten heraus an. Der Stumpf seines abgetrennten Schwanzes peitschte herum und traf Sears Schulter. Die Wunde explodierte in einem Regen grün leuchtenden Blutes.
Lex schnappte sich die Hakenpistole und schnellte herum – genau in der Sekunde, in der sich ein zweites, kleineres Alien über ihr aufbäumte. Überrascht stolperte sie zurück und fiel in die leere Kiste. Als sich das Alien nach ihr ausstreckte, drehte sie sich auf den Rücken und stopfte der Kreatur den Lauf der Hakenpistole zwischen die zuschnappenden Kiefer.
„Betrachte dich als erledigt“, schrie sie und drückte ab.
Der Hinterkopf des Aliens platzte auf, als die Kreatur schlaff zu Boden fiel. Ein paar Tropfen Alienblut zischten und verbrannten die Wände der Holzkiste.
Lex spähte über den Rand und konnte gerade sehen, wie Scar ein Alien köpfte, nur um von einem weiteren angegriffen zu werden. Es war wieder das Alpha-Alien mit dem eingebrannten Gittermuster. Sein blitzschneller Angriff war ein einziges Gewirr aus Zähnen, Klauen und einem um sich schlagenden Schwanzstumpf.
Unaufhaltsam ließ der Predator die Klinge einer Wurfscheibe auf den Kopf des Alpha-Aliens hinunterkrachen.
Die Wunde war tief, aber nicht tödlich. Säure strömte aus der Kerbe, spritzte auf Scar und verbrannte Teile seiner Rüstung. Dann machte das Alien einen Satz zurück, erhob seine Klauen und griff erneut an.
Das Alien und der Predator schlugen in einem erschütternden Aufprall zusammen, der beide zu Boden gehen ließ. In tödlicher Umarmung rollten sie über das Eis. Schließlich trat Scar mit seinem mächtigen Fuß zu und stieß das Alien gegen eine Eiswand.
Lex nutzte den Moment, um Scar zu der leeren Kiste zu ziehen. An der Eiswand rappelte sich das Alpha-Alien wieder auf und schlug mit dem segmentierten Stumpf seines Schwanzes Funken vom Eis. Mit einem zornigen Zischen jagte es Lex und dem Predator nach.
In seiner Sturheit wollte Scar sich der Kreatur unbedingt stellen. Mit lautem Brüllen drehte er sich um und blickte die schwarze Monstrosität an.
Aber Lex wollte nur noch fliehen. Sie stieß den Predator mit aller Kraft zurück und ihr Gewicht ließ beide in die leere Kiste fallen. Sie streckte den Arm aus dem Kasten und umfasste den Kontrollhebel, dann drehte sie ihn auf Notaktivierung.
Ein Ruck riss sie nach hinten und sie schlug mit dem Rückgrat gegen die Kante des Kastens. Scar landete neben ihr auf dem Boden der Kiste, als diese den Eistunnel hinaufschoss, wie ein Expressaufzug aus der Hölle.
Sie jagten hoch und die Seitenwände der Kiste schrammten über das Eis, bis sie durch die Reibung zu rauchen begannen. Lex betete, dass das Holz lange genug halten möge, bis sie oben waren.
Als sie sich der Oberfläche näherten, bemerkte sie Schneeflocken und sah hinauf. In der Ferne erkannte sie den Schlund des Tunnels, über dem sich ein wolkenverhangener Himmel ausbreitete, und den Dreifuß, der über dem Schacht aufgestellt worden war und ihrem Schlitten jetzt den Weg versperrte.
Lex konnte gerade noch einen Warnschrei ausstoßen. „Festhalten!“
Die Kiste schoss aus dem Tunnel und krachte so heftig in die Plattform der Winde, dass sie völlig zertrümmert wurde und der stählerne Dreifuß klappernd den Schacht hinunterpolterte.
Scar wurde hinausgeschleudert. Er riss Lex mit sich und legte seine Arme schützend um sie, als sie beide im Schnee landeten und über das harte Gletschereis rollten.
Als der Predator sie endlich losließ, taumelte Lex in eine Wehe und blieb bewegungslos liegen, während der Wind ihre zerschlissenen Kleider flattern ließ und der Schnee um sie herum sanft zu Boden fiel.
Der Predator war im Nu wieder auf den Beinen und nahm die Wunde, aus der immer noch grünes Blut in kleinen Bächen über seine Brust rann, anscheinend gar nicht wahr. Er suchte die Umgebung nach Gefahren ab. Ein tief liegender, kalter Nebel hielt die Bouvetoya-Walfangstation in seinem eisigen Griff gefangen und der Schnee fiel immer noch dicht, obwohl sich die Fallwinde des Orkans inzwischen gelegt hatten.
Nervös bewegte sich der Predator zu dem Schacht und spähte hinab. Zunächst sah Scar gar nichts, obwohl er surreal widerhallende Schrei hörte, die aus den Tiefen hinaufstiegen. Dann sah er verdrehte Schatten, die an den glatten Wänden emporschlüpften.
Schließlich erblickte der Predator die Alienkönigin, die ihre Höllenbrut den Schacht hinauf in die Welt der Menschen führte. Ihre Klauen gruben sich tief ins Eis, während ihre Kinder auf ihr herum und an den Wänden entlang krabbelten wie Ameisen, die aus einem brennenden Haufen fliehen. Auf dem breiten Rücken seiner Mutter ritt das Alpha-Alien, den augenlosen Kopf mit gebleckten Zähnen und wild fauchend nach oben gerichtet. Als es Scar entdeckte, sprang es vom Rücken seiner Mutter, um den Schacht selbst zu erklimmen.
Scar aktivierte seine Schulterkanone, aber aus seiner Rüstung begannen Funken zu sprühen und der rote Ziellaser erlosch. Knurrend riss er eine Kontrolltafel auf und hantierte an dem Mechanismus herum. Nach wenigen Augenblicken zielte er wieder mit der Plasmakanone und feuerte. Diesmal schoss ein Kugelblitz in den Schacht und ließ ein erstes Alien geradewegs explodieren. Die Königin zischte wütend, als der Säureschleim auf sie herabregnete.
Als die Waffe auf Sears Schulter wieder Funken zu sprühen begann, trat der Predator vom Schacht zurück und legte auch noch die letzten Teile seiner angeschlagenen Rüstung ab, einschließlich der inzwischen nutzlosen Plasmakanone und den Resten seiner durchlöcherten Panzerung. Als er fertig war, blieben von seiner ursprünglichen Ausstattung nur noch Sears Maske, ein Lendenschurz, Stiefel und der Brustpanzer. Selbst das Wärmenetz, jetzt an dutzenden Stellen gerrissen und seiner Energiequelle beraubt, begann sich unter den erbarmungslosen antarktischen Bedingungen abzukühlen. Der eisige Wind biss in die Haut des Predators, entzog ihm seine Körperwärme und senkte seine innere Temperatur auf ein gefährlich niedriges Niveau.
Mit einem letzten Blick in den Schacht, zog sich Scar zurück, um auf die Explosion zu warten, die jeden Augenblick erfolgen musste…
Lex bewegte sich leicht und stöhnte. Sie spürte, wie der Wind auf ihren nackten Wangen brannte und der Schnee ihr ins Gesicht stach. Dann wurde sie von einer kräftigen Hand am Kragen ihres Overalls gepackt und auf die Beine gestellt wie ein hilfloses Kätzchen.
Sie kam rasch wieder zu sich und Lex blickte in eine vertraute Gesichtsmaske.
„Festhalten“, sagte der Predator mit einer elektronischen Stimme, die vom Wind gedämpft wurde.
Scar hob sie hoch und rannte von dem Schacht weg, in Richtung der verlassenen Walfangstation. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, während er Lex ins Zentrum der Anlage trug. Die Gebäude waren beinahe völlig mit treibendem weißen Pulver bedeckt. Lex blickte über Sears blutende Schulter zurück.
Sie sah das Alpha-Alien aus dem Schlund des Tunnels schlüpfen. Die Kreatur fauchte, als sie sie sah. Dann wurde Lex von einem grellen grünen Lichtblitz geblendet. Schnell wandte sie den Blick ab. Ein glühend heißer Strahl brennender Energie durchflutete den Tunnel und verbrannte alle Aliens in seiner Bahn. Dann brandete das Plasma über das Alpha-Alien hinweg, das nicht einmal mehr Zeit hatte zu schreien, bevor es in Stücke gerissen wurde.
Als die Druckwelle der Explosion über sie hereinbrach, verdoppelte Scar sein Tempo, aber ein starkes Nachbeben warf Mensch und Predator zu Boden. Die Erschütterung ließ Lex aus Sears Griff fallen. Als sie sich aufrappelte, sah sie Scar auf ein Knie gestützt, seine Schulter wieder stärker blutend. Dann wurden beide von einem dritten Beben wieder aufs Eis geworfen.
Die Explosion ließ alles in der unterirdischen Höhle verdampfen. Millionen Tonnen Eis wurden von einer Sekunde auf die andere in Dampf verwandelt, der wiederum noch mehr Eis schmelzen ließ, um weiteren Dampf zu erzeugen. Auf einmal wurde das Packeis um den Schlund des Schachtes und die Messe neben dem Loch in die Luft katapultiert. Das Wetter gegerbte Bauholz splitterte und das Gebäude fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Dann begann der gesamte Boden einzusacken, nachdem sich die Eisgrotte und die Pyramide in Nichts aufgelöst hatten. In den immer größer werdenden Krater rutschten weitere Teile der Walfangstation, das verlassene Basislager und die mobilen Bohrplattformen. Alles stürzte zusammen und wurde tief in den Bauch der Erde gesogen.
Voller Angst beobachtete Lex, wie der Bereich des einsackenden Eises sich weiter ausdehnte wie Wellenringe auf einem Teich – Wellen, die mehr und mehr von der Landschaft auffraßen, während sie unaufhaltsam auf sie und Scar zurollten.
Scar packte Lex und zog sie hoch, gerade als das Eis unter ihren Füßen zu bersten begann. Der Predator rannte stur weiter und schleifte sie mit sich, obwohl es keine Hoffnung gab, dieser Zerstörungswelle zu entkommen.
Lex stolperte, als sich das Eis unter ihr verschob. Sie fiel hilflos in den Abgrund, der sich zwischen dem auseinanderklaffenden Eis auftat und sie für immer zu verschlucken drohte, aber plötzlich wurde sie wieder so ruckartig noch oben gezogen, dass es ihr fast den Arm aus dem Gelenk gerissen hätte und sie laut aufschrie. Bevor sie verstand, was vor sich ging, hatte Scar sie schon wie eine Stoffpuppe auf ein unbeschädigtes Stück Packeis geschleudert. Sie überschlug sich und krachte in eine Schneewehe.
Dann sprang auch der Predator mit einem verzweifelten Satz von dem Eis, das unter seinen Füßen in die Tiefe abrutschte, und brachte sich in Sicherheit.