KAPITEL 26

 

In der Hieroglyphenkammer

 

Lex sah durch das Guckloch zu, wie der Predator, der sich mit dem Alienblut bemalt hatte, jetzt in der angrenzenden Kammer seine Beute ausnahm und präparierte. Der Blitz, den er sich auf die Stirn gebrannt hatte, brachte ihm nicht nur den Status eines Kriegers ein, sondern auch den Namen „Scar“, den ihm die beiden einzigen Menschen verliehen hatten, die die Ereignisse mit angesehen hatten: Lex und Sebastian.

Mit Hilfe seines Zeremonienmessers zog Scar das schwarze, gummiartige Fleisch von den Kiefern des Aliens und trennte das Gewebe ab, das das innere Maul des Monsters an Ort und Stelle hielt. Dann besprühte der Predator seine Trophäe mit einer flüssigen Lösung, die das ätzende Blut des Aliens neutralisierte. Als er damit fertig war, legte er das scheußliche Relikt beiseite und kleidete sich für den Kampf an.

Einen Moment lang verschwand die Kreatur außer Sicht. Lex presste ihr Gesicht näher an das Guckloch und bemühte sich etwas mehr zu sehen. Auf einmal erschien der Predator wieder – und starrte durch dasselbe Loch, durch das sie schaute. Die haifischartigen Augen des Monsters befanden sich nur wenige Zentimeter vor ihren.

Lex schnappte nach Luft und sprang zurück. Nach ein, zwei Sekunden nahm sie ihren Mut wieder zusammen und spähte erneut durch das Loch.

Die Kreatur war bereit, die Jagd fortzusetzen. Sie hatte wieder den metallenen Gesichtspanzer aufgesetzt, der das immer noch blutende, selbst zugefügte Ehrenbrandmal abdeckte. Trotz des Dunkels der angrenzenden Kammer konnte Lex deutlich das gleiche Blitzsymbol auf der metallenen Maske der Kreatur erkennen.

Mit angelegter Rüstung griff der Predator zu seinem Speer, hängte sich die Trophäe um den Hals und begab sich zu dem Steinblock, der die Säulenkammer von dem Raum trennte, in dem sich die Menschen befanden.

„Er ist da draußen und wartet, dass sich die Tür öffnet“, flüsterte Lex, während sie sich eilig ihren Rucksack umhängte. Dabei fiel Sebastian ein, dass sie ja noch einen Rucksack dabei hatten. Den von Weyland, in dem die Waffen des Predators gepackt waren.

„Ich glaube, wir haben die Ordnung, wie die Dinge hier unten ablaufen, gestört, als wir die Waffen genommen haben. Wir haben den Stein erst ins Rollen gebracht.“

Lex zog den Rucksack hervor. „Er braucht seine Knarren zurück.“

Sebastian blickte auf seine Uhr und schüttelte dann den Kopf. Die Zeit lief ihnen davon. „Wenn sich diese Tür öffnet, sind wir tot.“

„Nicht, wenn wir die Dinge wieder grade biegen.“

Sebastian war überrascht. „Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Diese Pyramide. Sie ist wie ein Gefängnis. Wir haben den Wachen ihre Kanonen weggenommen und jetzt laufen die Gefangenen frei herum. Um die Ordnung wieder herzustellen, brauchen die Wachen ihre Kanonen zurück.“

Sebastian lief es eiskalt den Rücken hinunter. „Gebrauch diese Metapher bloß nicht noch mal.“

„Wenn sich die Tür öffnet, geben wir diesem Ding seine Waffe zurück.“

„Bist du verrückt?“, schrie Sebastian. „Hier hast du noch eine Metapher: Auf einer Safari bewaffnet die Beute ihre Jäger nicht auch noch.“

„Sie jagen nicht uns. Wir befinden uns mitten in einem Krieg. Es wird Zeit, dass wir uns auf eine Seite schlagen.“

„Wir sind auf einer Seite. Auf unserer.“

„Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass wir es hier vielleicht nicht mehr herausschaffen“, sagte Lex. „Aber wir müssen sicher gehen, dass diese Schlangen nicht an die Oberfläche kommen, denn wenn das passiert, könnte überall alles sterben.“

Sebastian schwieg für einen Moment, dann nickte er. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“

Lex nickte ebenfalls. „Pass auf. Wir geben ihm seine Knarren und wenn er uns in Ruhe lässt, können wir hier raus. Wir müssen uns nur zusammenreißen und es zur Oberfläche schaffen.“

Der Alarm an Sebastians Uhr ging los. Dann folgte das Donnergrollen und das Geräusch knirschender Steine, während die Pyramide begann, sich neu zu ordnen.

„Suchen wir unseren Freund“, schlug Lex vor.

Sebastian ergriff ihren Arm, als sie sich vor die Tür stellten. Das Rumpeln ging weiter, aber das Portal rührte sich nicht von der Stelle.

„Was passiert, wenn diese Tür sich nicht öffnet?“

Lex runzelte die Stirn. „Versuch, positiv zu denken.“

In diesem Moment hob sich der Steinblock hinter ihnen zur Decke. Sebastian blickte über die Schulter. Auch zu ihrer Linken hatte sich eine Tür geöffnet. Dahinter sahen sie eine schwankende Gestalt, die sich auf sie zu bewegte. Und sie war nicht humanoid.

„Komm“, drängte Sebastian. „Wir müssen hier raus.“

Die beiden rannten durch den Korridor, aufs Neue verloren in diesem steinernen Irrgarten. Während die Pyramide weiter rumpelte, fiel eine Staubschicht nach der anderen von den Wänden und raubte ihnen die Sicht.

Sebastian, der die Führung übernommen hatte, bog um eine Ecke und fand sich vor einer tiefen Kluft wieder, die sich vor ihnen geöffnet hatte. Die Spalte schien gute vier Meter breit zu sein.

Obwohl sie so schnell rannten, wie sie konnten, schien der Sprung unmöglich zu schaffen zu sein, aber sie hatten keine andere Wahl.

„Bereite dich auf einen Sprung vor!“ schrie Sebastian.

Ohne zu zögern warf er sich mit ausgestreckten Armen nach vorn.

Als er durch die Luft schoss, erkannte Sebastian, wie unmöglich dieser Sprung war – und doch schaffte er es beinahe. Beinahe.

Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, als er gegen den gegenüberliegenden Rand krachte. Der Aufprall ließ seine Rippen brechen, aber er bezwang den Schmerz und klammerte sich trotzdem an der Kante fest. Seine Fingernägel gruben sich in die Ritzen zwischen den Steinplatten, während er versuchte, Halt zu finden.

Einen Augenblick später knallte auch Lex gegen die Wand, jedoch etwas tiefer als Sebastian, wodurch sie nicht in der Lage war, mit ihren Händen die Kante zu erreichen. Ihre Handschuhe schrammten über den Felsen, als Lex die Wand hinabrutschte und jeden Augenblick abzustürzen drohte.

Sebastian streckte einen Arm aus, um Lex festzuhalten. Ein harter Ruck stoppte ihren Fall. Immer schärfer brannte der Schmerz in Sebastians Brust, aber er ließ nicht los. Ächzend grub er seine Finger tief in Lex’ Ärmel und hielt sie fest. Lex schaukelte und baumelte unsicher über dem dunklen Abgrund.

Während sie dort hingen, bemerkte keiner der beiden, wie sich Scar von der anderen Seite der Kluft näherte. Er ging in die Hocke und beobachtete ihren Überlebenskampf. Dann schaltete der Predator auf Wärmesicht und konzentrierte sich auf den Rücken der Frau. Dort, eingepackt in den Rucksack, befand sich deutlich erkennbar die Plasmakanone, die Lex bei sich trug.

Sebastian rang wegen der herkulischen Anstrengung nach Luft und schaffte es, ein Bein über die Kante zu hieven. Dann machte er sich daran, sich und Lex in Sicherheit zu ziehen. Während ihm der Schweiß über das Gesicht lief und in seinen Augen brannte, hörte er ein klackendes Geräusch, wie das einer gepanzerten Krabbe, die sich über einen steinigen Strand bewegt. Er drehte sich um und sah einen Face-Hugger, der sich – näher bei Lex als bei ihm – mit seinen gezackten Gliedmaßen an die steile Kante klammerte.

Sebastian rief eine Warnung.

Noch ein Face-Hugger trippelte aus einer Öffnung in der Steinwand. Sein Schwanz peitschte umher und schlug nach Sebastians Arm.

„Festhalten!“, schrie Sebastian und versuchte, sich von dem Hugger fernzuhalten, während er gleichzeitig Lex nach oben zog.

Als er zu ihr hinunterblickte, bemerkte Sebastian eine Bewegung im Schatten. Hinter Lex kletterte ein weiterer Face-Hugger die Wand hinauf und schlang seinen Schwanz um die Spitze ihres Stiefels.

Sebastian schlug mit der Faust auf die scheußliche Spinnenkreatur ein, die neben seinem Kopf schnatterte. Von seinem Sims gestoßen, schrie der Face-Hugger schrill auf und stürzte hilflos in den Abgrund.

Jetzt blieben nur noch zwei der krebsartigen Monster übrig. Eines huschte die Wand empor und schlug dabei mit seinem Schwanz gegen Sebastian Wange. Fast wäre er von der Kante abgerutscht, aber er konnte sich gerade noch festhalten. Sebastians ruckartige Bewegung hätte beinahe auch Lex abstürzen lassen.

Der Face-Hugger zischte Sebastian an und auf einmal schob sich ein langer, schlangenartiger Schlauch aus dem Bauch der Kreatur und tastete in Sebastians Gesicht nach einer Öffnung. Er hob den Arm und ließ seinen Ellbogen auf das Biest hinabsausen.

Betäubt stürzte der Face-Hugger über die Kante und in die dunkle Tiefe.

Sebastian rollte sich mit schmerzenden Armen herum. Er schaute über den Rand und sah den Face-Hugger, der neben Lex die Wand hinaufhuschte. Noch bevor er sie warnen konnte, trat Lex mit aller Kraft gegen die widerliche Obszönität. Die Kreatur fuchtelte hilflos mit den Beinen und fiel trudelnd in den gähnenden Schlund.

„Festhalten!“, rief Sebastian erneut, während er immer noch Lex’ Hand umklammert hielt.

Er zog Lex zur Kante hoch und blickte in ihr nach oben gerichtetes Gesicht. Ihre Augen weiteten sich, als ein Schatten hinter seinen Schultern auftauchte.

„Was?“, fragte er und drehte sich um.

Sebastian stockte der Atem. Fassungslos erlebte er, wie etwas seine Arme nach hinten zog und er von der Kante weggezerrt wurde. Lex hörte ein Zappeln, dann ein Krachen. Sie spähte über den Rand und konnte gerade noch sehen, wie Sebastian von einer schwarzen, bestialischen Gestalt zu Boden gerissen wurde. Mit einem peitschenden Geräusch schlang sich ein segmentierter Schwanz um Sebastians Bein. Es war nicht zu erkennen, ob er bewusstlos oder tot war, aber der Mann war so schlaff wie eine Stoffpuppe, als ihn das Alien in einen finsteren Korridor zerrte. Einen Augenblick später waren beide verschwunden.

Während sich Lex an die Kante klammerte, kullerte etwas an ihrer Schulter vorbei: Sebastians alter Pepsi-Deckel. Er drehte sich um die eigene Achse, als er langsam über die Kante rollte.

Schließlich begann Lex zu klettern, eine Hand nach der anderen, bis sie den Rand erreicht hatte. Sie zog sich hinauf und sah sich um. Der Bereich um die zerfallene Brücke und der Korridor dahinter waren verlassen. Von Dr. De Rosa war nichts zu sehen.

Lex kehrte dem Abgrund den Rücken und begab sich in einen weiteren Korridor. Der Strahl ihrer Taschenlampe wurde schwächer und ihr wurde klar, dass die Batterien zur Neige gingen. Bevor sie allerdings völlig leer waren, blickte sie noch einmal auf den Kompass, um sich zu orientieren, musste aber feststellen, dass er beim Aufprall kaputt gegangen war.

Lex fluchte.

Zum ersten Mal, seit sie die Pyramide betreten hatte, spürte sie Verzweiflung. Ihr war klar, dass es ohne Licht, ohne Kompass, ohne Kameraden und nur von tödlichen Aliens und unsichtbaren Predatoren umgeben, immer unwahrscheinlicher für sie wurde, diesen Ort jemals wieder lebendig zu verlassen.

Überall türmten sich Schatten auf. Schwarze Gänge gähnten bedrohlich. Korridore wanden sich dahin und gabelten sich zu immer neuen Tunnels. Lex war hoffnungslos und unwiderruflich verloren. Sie beschleunigte ihr Tempo, bog um eine Ecke und rannte in eine Sackgasse.

„Verdammt.“

Sie drehte sich um, wollte ihren Weg zurückverfolgen – und blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen, als sich ihr die riesige Silhouette eines Predators entgegenstellte.

„Der Feind meines Feindes ist mein Freund… Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“ Lex flüsterte Sebastians Worte wie ein Mantra vor sich hin. .

Der Predator hielt eine kurze Metallröhre in der Hand und hob sie hoch. Plötzlich zischten an beiden Enden Teleskopschäfte heraus und bildeten einen tödlichen Speer. Die Kreatur drückte die wuchtige Brust durch, und seiner bulligen Kehle entwich ein tiefer, leicht schnurrender Laut.

Dann schwang der Predator seinen Speer, umfasste ihn mit beiden Händen und rammte ihn in den Steinboden. Die Bedeutung dieser Geste war klar: Die Zeit für den Kampf war gekommen.

Mach schon, tu mir den Gefallen, dachte Lex mit einer Kühnheit, die sie gar nicht besaß.

Ohne sich weiter zu bewegen, hob der Predator den Kopf. Seine Augen glühten schwach in dem bedrückenden Zwielicht. Lex spürte, wie eine merkwürdige, elektrische Wärme ihre Brust, ihre Arme und ihr Rückgrat kitzelte. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass die Kreatur irgendeinen Apparat benutzte, um sie zu scannen.

Nachdem er sein Ziel gefunden hatte, hob der Krieger abermals den Speer, zielte mit der gezackten Spitze auf Lex’ Herz und verharrte dann in der Position.

Wie hypnotisiert von dieser Verkörperung ihres Untergangs stand Lex aufrecht und herausfordernd da und wartete auf den Todesstoß.

Langsam und ohne ihren Blick von der Kreatur abzuwenden zog sie den Rucksack mit der Waffe des Predators von den Schultern und hielt ihn hoch. Als er ihn nicht nehmen wollte, legte sie ihn auf den Boden und schubste ihn hinüber.

Ein endloser Augenblick verging. Dann senkte der Predator den Speer und hob den Rucksack auf – gerade, als der lang gezogene Kopf eines Alienkriegers aus dem Schatten hinter ihm hervortrat.

Lex öffnete den Mund, um einen Warnschrei loszulassen, aber der Predator spürte die Gefahr und schnellte herum, noch bevor sie einen Ton von sich geben konnte.

Das Alien wand sich und schlug den Speer aus Sears Faust. Ein zweiter Schlag ließ den Predator umkippen. Bevor der Krieger mit dem Rücken auf den kalten Steinboden fiel, saß das geifernde Alien schon auf ihm. Seine Klauen zerschrammten Sears Rüstung und sein Schwanz peitschte von einer Seite zur anderen, wobei die knochigen Segmente Funken aus den Wänden schlugen.

Der Predator versuchte vergeblich, das Monster loszuwerden, das Alien verbiss sich nur tiefer in seinen Feind und riss Fleischfetzen unter der Rüstung hervor. Scar heulte auf und versetzte der Bestie einen Fausthieb. Das Alien zog seinen Kopf zurück, sperrte die Kiefer auf und spie heißen Geifer auf die Maske des Predators.

Sears Finger rissen an dem Panzer des Aliens, bis das Säureblut aus Dutzenden Wunden hervorsprudelte. Dann beugte sich das Alien nahe über Sears Gesicht. Es riss seine Kiefer noch weiter auf, wie eine Schlange, die ihre Beute verschlingen will. Das innere Maul bewegte sich nach vorn und sabberte über Sears Haut, während seine Zähne grotesk knirschten.

Der Predator zeigte erste Anzeichen von Ermüdung. Seine Wehrhaftigkeit wurde weniger brutal und Lex schien es, als wäre die Kreatur nahe daran, den Tod zu akzeptieren, so wie sie kurz zuvor. Schließlich blieb Scar still liegen und seine leeren Sehschlitze starrten ausdruckslos das Schicksal an, das sich über ihm aufbäumte.

Das Alien fauchte triumphierend und senkte dann den Kopf, um seine Fänge in Sears Kehle zu schlagen.

Erst jetzt schlug der Predator zu. Er nutzte das Gewicht des Aliens zu seinem Vorteil, rollte sich zurück und warf das Alien in einer Bewegung über seinen Kopf, die für Lex wie ein Judogriff aussah. Zu ihrem Entsetzen wurde das Alien jedoch in ihre Richtung geschleudert. Sie griff nach unten, packte den Speer des Predators und hielt ihn mit beiden Händen hoch.

Das Alien prallte von den engen Tunnelwänden ab und richtete sich wieder auf. Diesmal hatte es sich aber eine andere Beute ausgesucht: Lex.

Scar brüllte und wollte sich gerade wieder seinem Gegner zuwenden, als ein zweites Alien aus dem Schatten sprang: das Alpha-Alien.

Das riesige Alien mit dem vom Predatorennetz verbrannten Körper warf sich unerschrocken auf Scar. Der Predator drückte sich an die Wand und zog eine Wurfscheibe. Das Gerät entfaltete sich mit einem elektronischen Summen und gab zwanzig Zentimeter lange Klingen frei, die an seinen Kanten herausragten.

Aber Scar bekam keine Chance, die Scheibe zu benutzen.

Das Alpha-Alien stieß einen überirdischen Schrei aus und rammte mit voller Kraft die Brust des Predators, sodass dieser zu Boden ging. Verschlungen in einem tödlichen Tanz rollten Scar und das Alien über den Boden, während der Predator versuchte, mit seinen Klauen den schwarzen, zerschrammten Panzer des Monsters aufzubrechen.

Dem Beispiel des Alpha-Aliens folgend wandte sich die kleinere Kreatur Lex zu und griff mit schnappenden Kiefern, in denen unzählige Zähne knirschten, an. Das Monster machte einen Riesensatz und wollte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den zerbrechlichen Menschen stürzen.

Dieses Manöver sollte jedoch den Untergang des Aliens besiegeln. In kühler Berechnung trat Lex einen Schritt zurück und stemmte den Speer des Predators gegen den harten Steinboden. Als das Alien aus der Luft herabsauste, landete es auf der Spitze des scharfen Speeres und pfählte sich.

Mit einem Todesschrei, der den Staub von den Wänden fallen ließ, zappelte und wand sich das Alien am Ende des Schaftes. Lex hatte Mühe, den Speer nicht zu verlieren und das zuckende Monster auf Abstand zu halten. Säureblut spritzte an die Wände, lief den Schaft hinunter und ließ das Metall schmelzen. Aber das kreischende Schreckgespenst, das auf der Spitze des Speeres baumelte, wollte noch nicht sterben. Lex nahm das Risiko chemischer Verbrennungen auf sich, die mit Leichtigkeit das Fleisch ihrer Hände bis auf die Knochen hätte versengen können, und richtete den Speer weiter auf, sodass die Bewegungen des Aliens und sein Gewicht den Speer tiefer in seinen schwarzen Körper trieben.

Inzwischen waren Scar und das Alpha-Alien noch immer in ihren tödlichen Zweikampf verstrickt. Der Predator war unter seinem Gegner hervorgerollt und hatte sich wieder seiner Wurfscheibe bemächtigt. Wieder und wieder trieb er die langen, glänzenden Klingen in den dicken Panzer des Monsters. Das Alien jaulte auf und riss noch mit seinen Klauen an dem Predator, als schon Ströme brennender Säure aus mehreren Wunden flossen, Sears zerschrammte Rüstung durchlöcherten und sein blasses graues Fleisch versengten.

Lex riskierte einen Blick zu dem Predator, bevor die Alienkiefer nach ihrem Gesicht schnappten. Die Monstrosität, die sie aufgespießt hatte, wollte einfach nicht sterben und versuchte sie zu beißen, während sie an dem Schaft hinunterglitt. Lex schüttelte den Speer und verspritzte brutzelnde Säuretropfen über die Wände und den Boden. Das Alien schrie auf und Lex auch, als der erste Säuretropfen die Spitze ihres Handschuhs traf.

Lex schreckte zurück und ließ den Speer mit dem Alien daran los. Beides fiel auf den Boden, wo das Monster noch einmal zuckte und dann still liegen blieb. Lex verpasste dem Alien einen schnellen Tritt an den Kopf, dann noch einen – und für alle Fälle noch einen dritten, um sicherzugehen, dass es tot war. Die Kiefer des Aliens öffneten sich und Schaum trat hervor. Das innere Maul hing schlaff dazwischen und das Blut hörte auf, aus den Wunden zu fließen.

„Der Bastard ist tot.“

Jetzt wusste Lex, dass diese Dinger sterblich waren. Sie hatte sogar eines getötet – und es fühlte sich gut an.

Plötzlich begann der Boden erneut unter ihren Stiefeln zu beben, während sich die Pyramide wieder veränderte. Für einen Augenblick geschah nichts weiter. Dann begann die „Sackgassen“-Wand zu rumpeln und sie schob sich in die Decke, um hinter sich eine weitere Kammer freizugeben.

Lex sah Bewegungen und warf sich an die Wand. Immer noch in einen zähen Kampf verwickelt rollten Scar und das Alpha-Alien an ihr vorbei.

Scar drückte das Alien zu Boden und holte mit dem Diskus zu einem enthauptenden Schlag aus. Bevor die Klingen aber die Kehle des Monsters erreichten, entwand es sich Sears Griff und die Klingen zerbarsten auf dem Steinboden. Der Predator packte eines der langen, zylindrischen Hörner, die aus dem Rückgrat des Aliens wuchsen, und kletterte so auf dessen Rücken, um mit den abgebrochenen Klingen auf den glänzenden Schädel einzustechen.

Das Alien versuchte ihn abzuschütteln und beide stürzten Hals über Kopf durch die Tür in eine neue Kammer.

Lex sah, dass es in der nächsten Kammer heller war, aber sie zögerte. Wenn sie den anderen Weg einschlagen würde, könnte sie dem Predator entwischen und vielleicht lebendig dort herauskommen.

Dann musste sie lachen.

Superchance. Wenn Scar mich nicht erwischt, dann tun es die Aliens.

Aber es gab noch einen Grund zu bleiben. Vielleicht war es ihre Neugier oder auch etwas Ursprünglicheres – eine Art tiefer Bewunderung –, jedenfalls hatte Lex soeben beobachtet, wie es der leidenschaftlichste Jäger im Universum mit der perfektesten Killermaschine der Natur aufgenommen hatte.

Ein Teil von ihr wollte einfach wissen, wer gewinnen würde.

Hinkend näherte sie sich der Tür. Überall auf dem Boden waren Pfützen widerlich grünen Blutes und schmorende Löcher im Gestein, wo das Alien den Saft vergossen hatte, der durch seine Adern floss. Lex folgte der grausigen Spur zur Schwelle.

Im schwachen Licht erkannte sie einen langen, mit Säulen gesäumten Korridor. In die Wände und Säulen waren komplizierte, kunstvolle Hieroglyphen eingekerbt. Das Duell tobte, dauerte noch immer an und die Kämpfer rangen in der Mitte des Durchgangs. Es sah so aus, als würde der Predator schwächer werden, und diesmal spürte Lex, dass es keine Finte war. Obwohl er nach wie vor den zerschlagenen Diskus schwang, waren seine Hiebe jetzt schwächer und keiner davon war tödlich. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Scar tot sein würde. Und dann wäre Lex allein mit dem Biest, das ihn getötet hatte.

Aber Lex sollte eine Überraschung erleben.

Trotzig aufheulend schleuderte der Predator das Alien in einer letzten Demonstration seiner Stärke zur Seite. Das Alien krachte gegen eine Reihe von Säulen, wodurch sich mehrere große Steine aus der Decke lösten. In einem Regen aus Schutt und Staub prasselten sie herab.

Scar taumelte zurück, um nicht erschlagen zu werden – und knallte direkt in Lex hinein.

Verwirrt blickten sie sich an und bevor Scar die Scheibe in seiner Hand hochheben konnte, hörten sie ein zorniges Fauchen.

Gemeinsam drehten sie sich um und sahen noch mehr Aliens, insgesamt vier, die sich an der Decke und am Boden entlangschlängelten. Eines davon, das Stücke des Mauerwerks beiseite warf, senkte den Kopf und zischte sie vor Wut kochend an. Lex erkannte, dass diese Soldaten die Aufgabe hatten, das Alpha-Alien zu befreien, das unter der Schuttlawine gefangen war.

Währenddessen brachte der Predator die Plasmakanone, die Lex ihm gebracht hatte, an seiner Schulterplatte an. Mit Energiestößen aus der mächtigen Waffe, die Lex’ Augen blendeten, trieb Scar die Aliens Schuss für Schuss zurück.

Als sie nicht mehr zu sehen waren, senkte der Predator die rauchende Scheibe und ließ sie auf den Boden fallen. Dann schaltete er die Waffe auf seiner Schulter aus und sah Lex an. Sie stand da und war wie hypnotisiert vom Anblick der Aliens, die über die Felsbrocken und entlang dem Boden und der Wände flüchteten.

Ohne einen Ton drehte der Predator ihr den Rücken zu und stolzierte davon.

„Hey! Hey!“, rief Lex. „Ich komme mit dir.“

Sie rannte der Kreatur hinterher und packte sie am Arm. Der Predator drehte sich so abrupt um, dass er sie beinahe umgestoßen hätte.

„Hörst du mich, du hässlicher Mistkerl?“, schrie Lex. „Ich komme mit!“

Der Predator starrte Lex an.

Für einen langen Moment geschah gar nichts. Dann öffnete Lex einfach nur ihre Hände. Der Predator starrte auf den Menschen mit den ausgestreckten Armen. Schließlich griff Scar mit einem Grunzen in seine Rüstung, zog ein Messer hervor und legte es in ihre Hände.