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AN DIESEM TAG ist Saga als Erste im Aufenthaltsraum und steigt sofort aufs Laufband. Vier Minuten hält sie laufend durch und hat die Geschwindigkeit gerade wieder gesenkt und geht, als Bernie Larsson aus seinem Zimmer kommt.
»Wenn ich erst einmal frei bin, werde ich Taxi fahren … scheiße, wie so ein verdammter Fittipaldi … und du darfst umsonst mitfahren, und ich darf dich dann zwischen den …«
»Halt’s Maul«, unterbricht sie ihn.
Er nickt verletzt, geht zu dem Palmblatt, dreht es um und zeigt mit einem schmallippigen Grinsen auf das Mikrofon.
»Jetzt bist du mein Sklave«, sagt er lachend.
Saga stößt ihn schnell fort, so dass er nach hinten taumelt und auf den Boden plumpst.
»Ich will auch abhauen«, faucht er. »Ich will Taxi fahren und …«
»Halt dein Maul«, sagt Saga und wirft schnell einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob die Wärter auf dem Weg durch die Schleuse sind, aber anscheinend hat sie bisher niemand auf dem Überwachungsmonitor beobachtet.
»Du wirst mich mitnehmen, wenn ihr ausbrecht, hörst du …«
»Still«, unterbricht Jurek Walter ihn, der plötzlich hinter ihnen steht.
»Entschuldigung«, haucht Bernie zum Boden gewandt.
Saga hat nicht gehört, dass Jurek in den Aufenthaltsraum gekommen ist. Ihr läuft ein Schauer über den Rücken, als sie darüber nachdenkt, dass er das Mikrofon unter dem Palmblatt gesehen haben könnte.
Ist sie etwa schon enttarnt worden?
Gut möglich, dass es jetzt passiert, denkt sie. Dass es jetzt zu der Krisensituation kommt, die sie so gefürchtet hat. Sie spürt den Adrenalinstoß und versucht, sich den Bauplan des Sicherheitstrakts vor Augen zu führen. In Gedanken geht sie rasch die markierten Türen, die verschiedenen Zonen und die möglichen Orte für eine kurzfristige Zuflucht durch.
Wenn Bernie sie verrät, muss sie sich als Erstes in ihrem eigenen Zimmer verbarrikadieren. Am besten wäre es, das Mikrofon mitzunehmen und hineinzurufen, dass sie sofort Hilfe braucht, dass man sie retten muss.
Jurek Walter bleibt vor Bernie Larsson stehen, der auf dem Boden liegt und seine Entschuldigungen murmelt.
»Du musst das Kabel vom Laufband abreißen, in dein Zimmer gehen und dich über der Tür erhängen«, sagt Jurek Walter zu ihm.
Bernie schaut mit angsterfüllten Augen zu Jurek auf.
»Wie bitte? Was zum Teufel …«
»Binde das Kabel außen an der Klinke fest, wirf es über die Tür und ziehe den Plastikstuhl dorthin«, weist Jurek Walter ihn an.
»Ich will das nicht, ich will nicht«, flüstert Bernie Larsson mit zitternden Lippen. »Wir können nicht länger zulassen, dass du lebst«, erklärt Jurek ruhig.
»Aber … verdammt, ich habe doch nur einen Witz gemacht, ich kapier doch, dass ich nicht mitkommen darf … Ich weiß ja, dass das euer Ding ist … ganz allein euer Ding …«