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AM TAG VOR der Verhandlung waren Joona, Summa und Lumi bei Samuel und seiner Familie zum Essen eingeladen. Zu Beginn des Essens hatte die Sonne noch durch die Leinenvorhänge hereingeschienen, aber mittlerweile war es Abend geworden. Rebecka zündete eine Kerze auf dem Tisch an und blies das Streichholz aus. Ihr Licht flackerte über ihre glänzenden Augen mit der seltsamen Pupille. Sie hatte ihnen irgendwann einmal erklärt, dass man dies Dyskorie nenne und es nicht gefährlich sei, sie sehe mit dem Auge genauso gut wie mit dem anderen.
Die ruhige Mahlzeit wurde mit einem dunklen Honigkuchen abgeschlossen, und anschließend durfte Joona sich für das Tischgebet Birkat Hamason eine Kippa leihen.
Es war das letzte Mal, dass er Samuels Familie sah.
Wohlerzogen spielten die Jungen eine Zeitlang mit der kleinen Lumi, bevor Joshua sich in ein Computerspiel vertiefte und Ruben in seinem Zimmer verschwand, um Klarinette zu üben.
Rebecka ging auf der Rückseite des Hauses ins Freie und rauchte eine Zigarette, und Summa leistete ihr mit einem Weinglas in der Hand Gesellschaft.
Joona und Samuel räumten den Tisch ab und begannen sofort, über die Arbeit und den Prozess am nächsten Tag zu sprechen.
»Ich werde nicht da sein«, bemerkte Samuel ernst. »Ich weiß nicht, ich habe keine Angst oder so, aber es kommt mir vor, als würde meine Seele beschmutzt … als würde sie mit jeder Sekunde in seiner Nähe schmutziger.«
»Ich bin mir sicher, dass er schuldig ist«, sagte Joona.
»Aber?«
»Ich glaube, dass er einen Komplizen hat.«
Samuel seufzte und stellte die Teller ins Spülbecken.
»Wir haben einen Serienmörder gestoppt«, sagte er. »Einen irren Einzeltäter, der …«
»Als wir zu dem Grab kamen, war er nicht allein«, unterbrach Joona ihn.
»Doch, das war er«, widersprach Samuel lächelnd und begann, Essensreste abzuspülen.
»Es ist nicht ungewöhnlich, dass Serienmörder sich Gesellschaft suchen«, wandte Joona ein.
»Das ist richtig, aber es deutet absolut nichts darauf hin, dass Jurek Walter zu dieser Gruppe gehören könnte«, sagte Samuel fröhlich. »Wir haben unsere Arbeit getan, wir sind fertig, aber du musst natürlich einen warnenden Zeigefinger heben und אכפיא אמליךו sagen.
»Sage ich das?«, fragte Joona lächelnd. »Was bedeutet das denn?«
»Aber vielleicht ist auch das Gegenteil richtig.«
»Das kann man natürlich immer hinzufügen«, bestätigte Joona.