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Zeke fuhr nach Battle Ridge und kümmerte sich um die an einem Montagmorgen fälligen Besorgungen, die er jedem seiner Rancharbeiter hätte übertragen können. Er musste beim Baumarkt vorbei, beim Futtermittelgeschäft, und ein paar Kuchen von Kat mitnehmen. Spencer hatte schon Lebensmittel für die Woche eingekauft, daher blieb ihm diese Aufgabe erspart. Er hatte tausend Sachen im Kopf, und wenn er allein fuhr, hatte er Zeit nachzudenken. Der Ranchbetrieb stand ganz oben auf seiner Liste – Herrgott, die Ranch war seine einzige Liste –, einschließlich seines Unvermögens, einen geeigneten Koch und Hausmeister zu finden. Übers Wochenende hatte er es erneut versucht; er hatte mit ein paar Bewerbern telefoniert in der Hoffnung, jemanden zu finden, der vorübergehend einspringen könnte. Wenn er doch nur einen Koch fände, der sie über den Winter bringen würde …
Aber kein einziger Bewerber war geeignet gewesen. Ja, er hatte die Auswahl beträchtlich eingeschränkt, als er beschlossen hatte, keine weitere Frau ins Spiel zu bringen, aber man sollte doch meinen, dass er in Anbetracht der Wirtschaftslage jede Menge Männer zur Auswahl hätte, ehrliche Männer, deren Leumundsprüfung sich bezahlt machte, und es wäre verdammt gut, eine Bewerbung von jemandem ohne gewalttätigen, kriminellen Hintergrund zu bekommen.
Verflixt, es sah allmählich so aus, als würde ab sofort nur Spencer kochen, was keinen glücklich machte, am wenigsten Spencer selbst. Zeke wusste, er ging das Risiko ein, den Jungen zu verlieren, wenn er seine häusliche Situation nicht in den Griff bekam, aber vorerst funktionierte es. Zeke versorgte seine Wäsche nicht gern und verabscheute Hausarbeit – nicht wegen der Arbeit selbst, sondern weil sie zu seinen ohnehin schon langen Stunden hinzukam. Aber was blieb ihm denn anderes übrig? Spencer konnte keine drei Mahlzeiten am Tag kochen, seinen normalen Aufgaben auf der Ranch nachgehen, das Sperma von Bullen sammeln, und auch noch Vollzeit-Hausmeister sein. Dass der Arbeiter, der Sperma sammelt, auch noch kochte, war schlimm genug; als würde jemand vor jeder Mahlzeit fragen: »Spencer, hast du dir auch die Hände gewaschen?«
Spencer war ein guter Junge, und er ließ sich von der Hänselei nicht aus der Ruhe bringen – jedenfalls noch nicht. Die Situation war stabil. Zeke suchte nicht nach Perfektion – das war Libby gewesen –, aber im Moment hatte er auch keine Not. Er würde schließlich einen älteren Mann finden, der das Leben auf einer Ranch liebte, kochen konnte, und dem es nichts ausmachte, die Wäsche zu waschen und den ganzen anderen Haushaltskram zu übernehmen. Er musste sich nicht mit jedem zufriedengeben.
In Battle Ridge herrschte wenig Verkehr, wie neuerdings üblich. Nicht zum ersten Mal fragte sich Zeke, was er tun würde, wenn noch mehr Geschäfte in der Stadt dichtmachten. Das Notwendigste war noch zu haben, aber wenn der Baumarkt oder das Futtermittelgeschäft schlossen, wäre er aufgeschmissen. Das würde bedeuten, zwei Stunden länger unterwegs zu sein, um nach Cheyenne zu fahren und die Vorräte einzukaufen, die er lieber nicht über das Internet bestellte. Im Übrigen hatte er gern eine Heimatstadt. Vielleicht war er nicht der geselligste Mann auf der Welt, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er ein Eremitendasein führen wollte.
Er entdeckte einen Parkplatz vor dem Baumarkt und steuerte ihn an, als eine Frau direkt vor ihm über die Straße lief. Er bremste, um sie vorbei zu lassen und schenkte ihr automatisch einen raschen, abwägenden Blick: blonder Pferdeschwanz, Baseballmütze, Sonnenbrille … toller Arsch in engen Jeans. Sie hob eine Hand und winkte flüchtig, wobei sie nicht einmal langsamer wurde. Wegen der Baseballmütze konnte er ihr Gesicht nicht gut erkennen, aber er war sich sicher, dass er ihr noch nie begegnet war. Er kannte zwar nicht jeden, der in der Nähe von Battle Ridge wohnte oder dort einkaufen ging, aber an den Arsch hätte er sich auf jeden Fall erinnert.
Auf dem würde ich gut aussehen, dachte er und schaute dem hübschen Hinterteil bis zur Bücherei nach.
Bei dem spontanen Gedanken wurde ihm sofort heiß in der Lendengegend, und ihm fiel ein, dass es verdammt lange her war, seitdem er Sex gehabt hatte, nicht einmal eigenhändig. Er war viel zu müde gewesen, wenn sie von der Heuernte nach Hause gekommen waren, aber Gott sei Dank war die jetzt erledigt, und ihm ging es besser, da er genug Heu hatte, um die Tiere durch den Winter zu bringen. Jetzt konnte er an etwas anderes denken, in erster Linie daran, wie es sich wohl anfühlen würde, eine Frau unter sich zu haben – vielleicht sogar die kecke Blondine, wer sie auch sein mochte. Er konnte sich nicht erinnern, sie schon einmal gesehen zu haben, aber die Stadt war so klein, dass er wahrscheinlich herausfinden könnte, wer sie war, wenn er den einen oder anderen fragte.
Vielleicht sollte er sich ein Buch ausleihen …
Nachdem er den Wagen abgestellt hatte, begab sich Zeke zum Baumarkt, nicht zur Bücherei. Hübscher Arsch beiseite, er hatte Besorgungen zu machen, und die Blondine hatte wahrscheinlich einen Mann oder einen Freund. Oder ein Gesicht, das den Verkehr zum Stillstand brachte – und nicht im positiven Sinn. Ein hübscher Arsch bedeutete noch lange nicht, dass der Rest genauso reizvoll war. Vielleicht sollte er einfach die Erinnerung an den unerwarteten Anblick genießen und seinen Tag fortsetzen.
Dennoch war erstaunlich, dass allein der Anblick eines herzförmigen Hinterteils in engen Jeans seine Laune aufbesserte.
Carlin war seit elf Tagen in Battle Ridge, lange genug, um den Rhythmus der Stadt kennenzulernen. Das Frühstücksgeschäft war vorbei, Kat arbeitete an den Kuchen des Tages, und eine Viertelstunde Pause reichte ihr, um rasch quer über die Straße in die kleine Bücherei zu laufen, die gerade mal zwei Türen neben dem Baumarkt lag. Ein Pick-up, der die Straße entlangkam, bremste ab und ließ ihr reichlich Zeit zum Überqueren. Sie konnte den Fahrer nicht so gut sehen, um sagen zu können, ob sie ihn erkannte, aber sie winkte ihm kurz ein »Danke schön« zu und beschleunigte ihre Schritte. Sie gewöhnte sich allmählich daran. Ein paar Leute – Stammgäste aus dem Pie Hole – lächelten und winkten, wenn sie Carlin sahen, als wäre sie eine alte Bekannte, als gehörte sie zu ihnen.
Das war ein wenig befremdlich. Bevor Brad sie aus ihrem bequemen Leben hinauskatapultiert hatte, war sie die Anonymität von Städten gewohnt, in denen sie kommen und gehen konnte, ohne von jemandem außerhalb ihres Kreises von Freunden und Bekannten zur Kenntnis genommen zu werden. In dieser Anonymität hatte sie sich stets sicher gefühlt. Ja, war doch super gelaufen, oder? Trotzdem fühlte sie sich noch immer ungeschützt, wenn sie bemerkt wurde.
Sie hatte auch Schuldgefühle, wenn ihr derart uneingeschränkte Freundlichkeit entgegengebracht wurde. Sie war keine von ihnen, und sie hatte nicht vor, lange in der Gegend zu bleiben. Aber weil es sich so gehörte und die Reaktion am wenigsten Aufmerksamkeit erregte, erwiderte sie das Lächeln immer und winkte zurück.
Die kühle Stille der Bücherei umfing sie, und sie ging direkt zu den öffentlichen Computern. Sie würde ihre Familie nicht in Gefahr bringen und direkten Kontakt mit ihnen aufnehmen, aber das hieß nicht, dass sie Kinison oder Robin und deren Familie komplett aus den Augen verlieren wollte. Ein künstliches Facebook-Profil, verbunden mit einem freien E-Mail-Konto und einer alten Freundin, die als Vermittlerin diente, ermöglichten es Carlin, sich hin und wieder bei ihnen zu melden. Sie konnte ihrer Familie mitteilen, dass es ihr gut ging, und das eine oder andere Foto von ihren Nichten und ihrem Neffen ansehen. Sie wuchsen so schnell und veränderten sich von Tag zu Tag. Dabei hatte Carlin sie gar nicht so oft gesehen, bevor ihr Leben in die Brüche ging, aber sie hatten regelmäßig miteinander gesprochen. Außerdem hatte sie immer gewusst, dass sie ihre Familie jederzeit besuchen konnte, wenn sie wollte. Jetzt ging das nicht, und der Verlust war ein harter Schnitt. Wenn sie am Computer saß und sich um bruchstückhafte Nachrichten von ihrer Familie bemühte, war sie am wütendsten. Brad hatte ihr die Familie genommen, und sie wusste nicht, ob sie die jemals zurückbekommen würde.
Sie loggte sich unter ihrem falschen Namen bei Facebook ein, Zoey Harris. Ihre Schwester hatte den Namen Zoey vorgeschlagen, weil er so ungewöhnlich war, dass jemand, der nach einem nichtssagenden, unauffälligen Namen suchte, nie darauf kommen würde. Das war so ungefähr wie »vor aller Augen sichtbar und doch verborgen«.
Die erfundene Zoey Harris lebte in Florida und war offensichtlich nicht mehr als eine zufällige Freundin ihrer Schwester. Carlin hinterließ nie eine vertrauliche Nachricht auf der Seite ihrer Schwester, denn Facebook-Benutzerkonten konnte man hacken, was vermutlich bedeutete, dass vertrauliche Nachrichten gelesen werden konnten. Sie war sich nicht sicher, wollte aber das Risiko nicht eingehen. Wenn sie etwas auf die Seite ihrer Schwester stellte, machte sie es offen, damit es nicht wichtig aussah.
Sie las Robins Beiträge; nichts Außergewöhnliches, nur die üblichen Familienaktivitäten. Dann ging sie auf die Seite ihres Bruders und fand dasselbe vor, nur ging es in Kins Kommentaren eher um Sport. Dann wechselte sie wieder auf die Seite ihrer Schwester, auf der sie die kurze Nachricht hinterließ, sie wünsche sich, die Sommerferien wären zu Ende und die Kinder wieder in der Schule. Diese unauffällige Botschaft signalisierte der Familie, dass es ihr gut ging.
Während sie an einem Computer saß, war sie versucht, Brads Namen in eine Suchmaschine einzugeben, um zu sehen, ob er verhaftet worden war. Er war mit dem Mord an Jina ungeschoren davongekommen, aber vielleicht hatte er sich an eine andere Person herangemacht und war in Schwierigkeiten geraten. So verlockend es jedoch auch war, sie gab seinen Namen nicht im Suchfenster ein. Sie wagte es nicht. Es gab Programme, die man dazu verwenden konnte herauszufinden, wer nach dem eigenen Namen gesucht hatte. Falls Brad ein solches eingerichtet hatte, würde er sofort wissen, wo die Suche ihren Ursprung hatte. Vielleicht würde sie kurz vor Verlassen der Stadt eine Suche aufgeben, um zu sehen, ob etwas auftauchte.
Nein. Das konnte sie nicht.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie würde Brad niemals absichtlich hierher locken, an einen Ort, in dem Menschen lebten und arbeiteten, die sie mochte, der klein genug war, dass Brad Informationen über sie einholen konnte. Vielleicht würde sie bei ihrem nächsten Halt in einer großen Stadt, wo sie auch sein mochte, eine Suche nach ihm eingeben. Vielleicht würde sie nach Chicago fahren. Jaah, sollte er doch ein paar Wochen lang versuchen, sie dort zu finden, nachdem sie schon längst weitergezogen war.
Carlin war rechtzeitig wieder im Pie Hole, konnte ihre Uniform wieder anziehen – rosa, wie Kats, mit einem geschwungenen »C«, das über der Tasche eingestickt war – und den großen Speiseraum für das Mittagessen eindecken. Die Kuchen waren im Backofen, und es duftete überall. Es duftete wie … zu Hause. Kein Zuhause, das Carlin je gekannt hätte, denn die häuslichen Künste waren in ihrem Leben nie vorrangig gewesen, aber sie hätte den Duft nicht anders beschreiben können.
Die Zeit verging schnell, wenn das Lokal voll war, und wie üblich verfielen Carlin und Kat in einen gewissen Rhythmus, während das Geschäft lief. Beinahe wie ein Tanz: Mahlzeiten servieren, mit den Gästen sprechen, über Witze lachen, die mal witzig waren, mal nicht, dafür sorgen, dass kein Glas oder Becher leer war, etwas kochen, wenn jemand sich nicht für das Tagesgericht entschied. Ihre Arbeit galt vielleicht als untergeordnet, aber Carlin hatte ihre Freude daran. Ihr gefielen die Leute hier, und Kat wurde allmählich zu einer echten Freundin.
Das Mittagsgeschäft war in vollem Gang – Carlin stand hinter der Theke, und Kat drehte ihre Runden mit einer Kanne Tee in der einen und einer Karaffe Kaffee in der anderen Hand, denn sie schaffte es besser als Carlin, im Vorbeiflitzen nachzuschenken –, als der Cowboy das Café betrat. Carlin kam nicht umhin, ihn zu bemerken. Welche warmblütige Frau wäre nicht auf ihn aufmerksam geworden? Er war groß und muskulös, bewegte sich mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein, aus dem ersichtlich war, dass er seine Stärke kannte und noch nicht Vielem begegnet war, das ihn aufgehalten hätte. Er sah einfach gut aus, musste sie zugeben, obwohl es eigentlich nicht stimmte. Sein Gesicht war nicht perfekt geformt, eher rau und hart, aber Carlin ging eher danach, wie sie auf ihn reagierte, statt nach dem äußeren Anschein. Ihr wurde warm, ihr Atem stockte, und sie schaute weg, denn ihn anzustarren war entschieden zu viel, zu gefährlich in einer Weise, die sie spürte, aber nicht ganz begreifen konnte, zumindest nicht bewusst. Er war in jeder Hinsicht der Herzen brechende Cowboy, vor dem Kat sie gewarnt hatte – und verdammt, ja, er lud die Luft auf, wenn er irgendwo eintrat.
Er war die Hiobsbotschaft schlechthin, das erkannte sie auf den ersten Blick. Sie ignorierte ihren rasenden Herzschlag, als sie eine Tasse Kaffee wieder auffüllte, und lächelte dem älteren Mann zu, der an der Theke saß, während sie sich darauf konzentrierte, den neuen Gast nicht anzuschauen.
Der Cowboy nickte Kat zu, die ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. Sie konnte nicht winken, schließlich trug sie eine Kanne Tee und eine Karaffe Kaffee, aber ihre Freude, ihn zu sehen, lag auf der Hand. Er nahm eine Nische, dieselbe, die Carlin an ihrem ersten Tag gewählt hatte, rutschte auf den Sitz an der Wand, von dem er freie Sicht auf die Tür hatte. Und vor wem lief er jetzt davon?
Verdammt, vor nichts und niemandem. Carlin kannte ihn nicht, aber sie bezweifelte, ob er im Leben jemals vor etwas zurückgeschreckt war. Er sah einfach schon so aus, was bedeutete, dass er wahrscheinlich nervig im Umgang war, aber wenigstens war das Äußere ganz ansehnlich.
Zwei Cowboys an der Theke begrüßten den Neuankömmling wie einen alten Bekannten. Hey, Zeke. Er erwiderte die Begrüßung, aber mehr nicht. Seiner etwas grimmigen Miene war zu entnehmen, dass er schlecht gelaunt war, obwohl das auch seine Standardeinstellung sein könnte.
Aus den Augenwinkeln sah Carlin, wie Kat in Zekes Richtung ging. Sie sprachen wie gute Freunde miteinander, sie nahm seine Bestellung auf – wie üblich, ohne etwas aufzuschreiben –, und dann kam sie wieder an die Theke. »Ein Tagesgericht und Kaffee, schwarz, für meinen launischen Vetter.«
»Launisch?« Und ihr Vetter?
»Er kommt selten hier vorbei. Wären meine Pies nicht, könnte ich von Glück sagen, wenn ich ihn zwei Mal im Jahr sehen würde.«
Das Pie Hole war klein, und natürlich bekam Zeke jedes Wort mit. »Ich hab zu tun«, erklärte er mit leicht erhobener Stimme, damit Kat ihn hörte. »Verschon mich!«
Dann wanderte sein Blick zu Carlin, hielt an ihr fest, konzentriert, und sie überlief unwillkürlich ein Schauer. Er mochte zwar schlecht gelaunt sein, aber schüchtern war er nicht. Er wandte den Blick nicht ab, so wie die meisten männlichen Gäste von Kat, wenn sie dabei erwischt wurden, dass sie zu lange und zu angestrengt hingesehen hatten. Nein, er starrte einfach weiter, ruhig und reglos und … tödlich. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, ein instinktives Kribbeln. Zeke starrte sie an wie ein ausgehungerter Mann, der auf ein Stück von Kats Apple Pie schaute.
Oh, Scheiße. Das war ein Vergleich, den sie gar nicht erst im Kopf haben sollte, auch wenn sie ihn nicht laut geäußert hatte. Sie spürte, wie sie rot wurde.
»Ich hole seine Bestellung«, sagte sie, drehte sich auf dem Absatz um und schoss förmlich in die Küche. Ihr war fast so, als wäre sie auf der Flucht.
Der Himmel möge sie vor Machos bewahren, die sich für die Herrscher der Welt hielten, nur weil sie einen Penis hatten. Ja, in diese Schublade steckte sie ihn, denn sich darauf einzulassen, war das Letzte, was sie brauchte. Ihre starke Reaktion auf ihn war Warnung genug.
Sie stellte die Mahlzeit auf seinem Teller zusammen: Hackbraten, Kartoffelpüree und Soße, grüne Bohnen, die für ihren Geschmack zu bissfest waren, allerdings mochte sie ihre grünen Bohnen auch so lange gekocht, bis sie überhaupt nicht mehr wie Bohnen aussahen, so wie ihre Mom sie gemacht hatte; ein weiches Brötchen – selbst gemacht, was Carlin schlichtweg umhaute. Wer machte schon Brötchen selbst, wenn die vorgebackenen in Ordnung waren? Okay, die hier waren ganz besonders gut, aber trotzdem. Kat machte die Brötchen nicht jeden Tag selbst, aber mindestens ein Mal die Woche war das ganze Lokal erfüllt vom Duft nach frisch gebackenem Brot; daher war es Kats Schuld, wenn Carlin nie wieder vollauf zufrieden mit einem fertigen Brötchen war. Auch die Gäste mochten sie; allem Anschein nach verbreitete sich das Gerücht, sobald frische Brötchen auf der Speisekarte standen.
Die Bestellung war fertig; Carlin verließ die Küche mit dem Teller auf einem Tablett, das sie Kat reichen wollte, die Zeke, den Cowboy-Vetter, bedient hatte. Aber Kat unterhielt sich mit einem Gast an der Theke und gab Carlin mit Gesten zu verstehen, zum Tisch ihres Vetters zu gehen.
Ja toll.
Während Carlin die Bestellung vorbereitete, hatte Kat ihrem Vetter eine dampfende Tasse Kaffee und ein in eine Serviette gewickeltes Besteck gebracht. Carlin musste nur noch die Mahlzeit vor ihn hinstellen, fragen, ob er noch etwas brauche, und dann nichts wie weg. Sie musste ihn nicht ansehen, musste nicht prüfen, ob er sie anschaute oder nicht.
Aber natürlich schaute er sie an. Fest. Und das zu übersehen war unmöglich.
Sie konnte nicht sagen, dass der Cowboy und Kat starke Familienähnlichkeit hatten, aber die Augen der beiden hatten so etwas. Nicht die Farbe – seine waren grün, Kat hatte diesen fesselnden blaugrauen Farbton. Auch an der Gestalt lag es nicht. Aber wenn es um Intensität ging, dann lag eine deutliche Ähnlichkeit vor. Diese Augen konnten direkt durch sie hindurch sehen. Carlin ging auf ihn zu und kam sich vor wie Superman, der dem Kryptonit immer näher kam.
Als sie ihm die Mahlzeit vorsetzte, wich sein Blick nicht eine Sekunde von ihr. Er war nicht gerade freundlich, aber auf jeden Fall männlich und abwägend. Der Mann machte nicht einmal einen symbolischen Versuch, seine Gedanken zu verbergen. Im Geist hatte er Carlin bereits ausgezogen. Hätte sie nicht so intuitiv auf ihn reagiert, wäre sie imstande gewesen, den Blick zu ignorieren, aber da sie sich ebenso mit sich selbst wie mit ihm zu beschäftigen hatte, waren ihre Nerven angespannt.
»Danke«, sagte er, schaute den Teller aber nicht an.
Nur mit Mühe behielt sie eine nichtssagende, unempfängliche Miene bei. »Darf es noch etwas sein?«, fragte sie beiläufig. Das war gut, sie klang genau wie Millionen anderer Kellnerinnen, die einfach nur ihre Schicht problemlos hinter sich bringen wollten.
»Nein, ich hab alles.«
Na bitte. Ging doch. Im Stillen atmete sie erleichtert aus. Sie wollte schon die Flucht ergreifen, als er sagte: »Sie sind neu.«
Verdammt! So nah … Ärger stieg in ihr auf, denn sie mochte das Gefühl nicht, sich nicht unter Kontrolle zu haben, und sie hatte eine Abneigung gegen ihn, weil er so ein Testosteronträger war, verabscheute sich, weil sie dafür so empfänglich war. Ihr gefiel sein Interesse nicht, sie freute sich nicht über seine Fragen. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort – aber nicht hier und nicht jetzt, sie hatte schon genug Lasten zu tragen und brauchte nicht auch noch einen Cowboy mit Knackarsch.
»Eigentlich nicht«, erwiderte sie kurz angebunden. »Ich bin älter, als ich aussehe.«
Zeke zog unmerklich die Augenbrauen hoch. Sein Blick flackerte, wurde noch intensiver. Statt sich von ihrer Entgegnung abschrecken zu lassen, spornte sie ihn anscheinend noch mehr an.
Er schaute auf ihre Brust. »Wofür steht das C?«
»Clever«, schoss sie zurück. Wer war bloß auf die Idee gekommen, das Monogramm auf die Brust zu setzen? Warum war es nicht am Ärmel? Oder am Kragen?
Er gab einen leisen, kehligen Laut von sich, eine Art Bestätigung, das Signal »Hände weg« empfangen zu haben, das sie ausstrahlte. Er nahm es zur Kenntnis, aber das hieß noch lange nicht, dass er aufgab. »Woher kommen Sie, Clever? Nicht aus der Gegend, soviel weiß ich.«
»Kennen Sie alle, die im Umkreis von hundert Meilen um Battle Ridge wohnen?«
»Nöh, aber der Akzent passt gar nicht, und Sie haben ein bisschen Farbe im Gesicht. Sie verblasst, aber sie ist noch da. Das ist auch keine falsche Farbe, wie man sie im Solarium bekommt. Ich habe Sie vorhin auf der Straße gesehen, und Sie haben eine Jacke getragen. Eine leichte zwar, aber mehr, als Ortsansässige benötigen, deshalb würde ich sagen, dass Sie an wärmeres Wetter gewöhnt sind. Vom Akzent her vermute ich … Texas.«
Sein Treffer ließ sie erschauern. Sie brauchte niemanden, der irgendetwas über sie erriet, vor allem nicht, woher sie kam. Das war eine Warnung, sofort daran zu arbeiten, ihren Akzent zu verändern. »Sie sind ja ein regelrechter Sherlock Holmes«, sagte sie und brachte einen äußerst beiläufigen Tonfall zustande. Den sie dann wieder zunichtemachte, als sie bemerkte: »Sie haben Farbe im Gesicht.«
»Ich arbeite draußen. Sie nicht.«
»Ich verbringe nicht mein ganzes Leben drinnen. Sie müssen essen, bevor ihre Mahlzeit kalt wird«, fügte sie hinzu und wollte schon auf schnellstem Wege verschwinden, vertat sich noch einmal und zeigte mehr Interesse, als sie wollte.
Endlich schaute er auf seinen Teller und seufzte schwer. Das kam so unerwartet, so … menschlich, dass sie stehen blieb. »Das dürfte die beste Mahlzeit sein, die ich seit Wochen hatte, auch wenn sie eiskalt ist.« Dann kehrte sein Laser-Blick wieder zu ihr zurück. »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
Carlin schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln. »Hab ich auch nicht vor.« Sie wandte sich von ihm ab, ging wieder an die Theke, wo sie sich eine Karaffe Kaffee schnappte und die Tassen auffüllte, obwohl Kat kurz zuvor noch die Runde gemacht hatte. Sie schaute alle an, außer Zeke. Sie lächelte den Männern zu, die sie bereits als Stammgäste kannte, aber ihre Gedanken waren in Aufruhr. Würde Zeke mit den harten grünen Augen und viel zu großem Interesse sie zwingen, eine gute Stellung aufzugeben, bevor sie dazu bereit war? Schon möglich. Vielleicht sogar wahrscheinlich.
Sie hatte immer gewusst, dass Battle Ridge, Kat und das Pie Hole nicht von Dauer wären; sie hatte nie die Absicht gehabt, zu bleiben. Obwohl sie über Unterkunft und Verpflegung und nette Leute gestolpert war, hatte Carlin in Bereitschaft gestanden aufzubrechen, womöglich mitten in der Nacht, ohne sich zu verabschieden, ohne weitere Erklärungen. Als hätte sie am Rande eines Canyons gestanden, wohl wissend, dass sie früher oder später springen musste.
Aber sie wollte nicht springen, noch nicht, und der Gedanke, dass sie vielleicht aufbrechen musste, weil ein Cowboy anfing, zu viele Fragen zu stellen, machte sie wütend. Was ging es ihn überhaupt an, woher sie kam? Nichts, nur mal so.
Sturheit war ein Charakterfehler, aber in dem Augenblick schaltete sie auf stur. Vielleicht konnte sie nicht immer hierbleiben; vielleicht konnte sie nicht ganz in ihrer Wachsamkeit nachlassen, aber sie wollte verdammt sein, wenn ein naseweiser Cowboy sie aus der Stadt vertreiben sollte, bevor sie dazu bereit war.