14

Zeke und ein paar Männer fuhren gerade zum Mittagessen vor das Haus, als die Hintertür aufflog und gegen die Wand krachte. Carlin stürmte heraus, eine lodernde Pfanne in der Hand. »Gaaaa!«, schrie sie aus Leibeskräften. Zeke stieg in die Bremsen, schob den Schalthebel in die Ruheposition und sprang aus dem Pick-up. Er lief um die Kühlerhaube herum auf sie zu, zu Tode erschrocken. Die Flammen könnten ihr ins Gesicht schlagen …

»Fallen lassen!«, brüllte er.

Verdutzt kam sie seiner Aufforderung nach, und die Pfanne schlug direkt vor ihren Füßen auf. Zum Glück landete sie mit der Unterseite nach oben. Ein paar kleine Flammen züngelten noch unter dem Rand hervor und verloschen.

Schwer atmend starrte sie auf die Pfanne. Vorsichtig stiegen die Männer aus den anderen Wagen und fragten sich, ob es ihr Mittagessen war, das vor ihren Augen heruntergefallen und verbrannt war – na ja, verbrannt und hinüber. Zeke trat zu ihr und wirbelte sie herum. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Jaah«, sagte sie, noch immer schwer atmend. Sie schaute wütend auf die Pfanne herunter. Dann trat sie dagegen. Der erste Tritt schickte sie polternd ein Stück über die Veranda, etwas Schwarzes, Klebriges kam hervor. Beim zweiten Tritt flog sie weiter, wahrscheinlich weil sie jetzt nicht mehr so schwer war. Offensichtlich unzufrieden ging Carlin an einen der Pick-ups und nahm einen Hammer von der Ladefläche. Sie ging auf ein Knie, holte mit aller Kraft aus und drosch auf die Pfanne ein wie auf den Teufel, stand dann auf und trat noch einmal dagegen, als Zugabe.

»Verdammt«, murmelte Walt. »Ich werde nie wieder ein einziges schlechtes Wort über ihre Kochkünste sagen.«

»Jaah«, raunte Eli zurück. »Ganz egal, was es ist, ich werde es lieber essen, als sterben. Sogar diesen komischen Kuchen.«

»Das wäre dann eher essen und sterben«, warf Patrick ein.

Zeke hätte gelacht, wenn sein Herz nicht noch immer vor Angst hämmern würde. »Verdammt«, schrie er sie an, »man rennt doch nicht mit einer brennenden Pfanne …«

»Doch, wenn man den Scheiß-Feuerlöscher nicht in Gang kriegt«, fuhr sie ihn an. Offensichtlich hatte sie ihre Wut an der Pfanne ausgelassen, denn sie legte den Hammer wieder in den Wagen und betrachtete die herumstehenden Männer, die sie beklommen ansahen, mit grimmiger Miene.

Spencer kannte sie besser, daher nahm er als Erster seinen Mut zusammen. »Huch … was war das denn, Miss Carly?«

»Ein Experiment«, antwortete sie, und ihr Tonfall sagte allen, lieber keine weiteren Fragen zu stellen. »Keine Sorge, es war nicht das Mittagessen. Geht alle rein und esst. Sofort.«

Einer nach dem anderen, auch Zeke, drehte sich um und ging ins Haus.

Das Mittagessen wurde manchmal in Schichten serviert. Die Männer kamen herein und aßen, wann sie Zeit hatten. Das war nicht ideal, aber Carlin sah die Logik dahinter, weshalb sie gelernt hatte, mit dem Strom zu schwimmen. Nach dem Vorfall mit der brennenden Pfanne war sie froh, an diesem Tag mit Männern zu tun zu haben, die ein und aus gingen, denn das verschaffte ihr Zeit, wieder herunterzukommen. Verdammte Biscuits. Sie hatten nicht einmal wie Biscuits ausgesehen; sie hatten viel eher lodernden Eishockeypucks geglichen, aber sie würde herausfinden, was sie falsch gemacht hatte. Sie war sich ziemlich sicher, dass Biscuits nicht so aufflammen sollten.

Schließlich beendeten die beiden letzten Rancharbeiter, Darby und Patrick, ihre Mahlzeit, während sie sich in der Küche eine Pause gönnte und an einem Teeglas schlürfte. Sobald sie aus dem Weg waren, würde sie aufräumen und sich an die Wäsche machen, die anscheinend nie ganz fertig wurde. Wenigstens war keine Viertelmeile schmutziger Sachen mehr vor der Waschmaschine und dem Trockner aufgestapelt, die Aufgabe war neuerdings viel leichter zu schaffen. Sie hatte einen Wäschekorb ausschließlich für ihre Sachen, Zeke ebenso, sowie einen zusätzlichen für Handtücher. Diese Körbe quollen nie über. Manchmal wäre es sinnvoller gewesen, wenn sie seine und ihre Sachen zusammen gewaschen hätte, aber das machte sie nie; eine gemeinsame Wäscheladung hätte auf eine Vertrautheit hingedeutet, die sie nicht hatten.

Patrick schlenderte durch die Küche, bedankte sich bei ihr für das Mittagessen – er war immer so höflich – und ging hinaus, um weiterzuarbeiten. Womit nur noch Darby übrig blieb, der im Esszimmer war. Toll. Sie fragte sich, worüber er sich wohl wieder beklagen würde, wenn er das Haus verließ. Er hatte immer irgendetwas auszusetzen. Wäre er einer der Zwerge von Schneewittchen gewesen, hätte er »Brummbär« geheißen.

Kurz darauf kam Darby aus dem Esszimmer. »Der Auflauf war verdammt gut«, sagte er.

Carlin ließ beinahe ihr Teeglas fallen. Ein Kompliment? Von Darby? Er war derjenige, der sich beschwert hatte, er wolle genau wissen, was er esse, und bei einem Auflauf könne man nicht immer sicher sein. Da stimmte etwas nicht. Ihre Nackenhaare stellten sich warnend auf, als er am kleinen Küchentisch stehen blieb und sie eine Weile unangenehm anschaute.

»Ich bin nicht mehr lange hier, wissen Sie«, sagte er.

Wie sollte sie darauf reagieren? Zu sagen, das täte ihr aber leid, wäre glatt gelogen, und »Gott sei Dank« war zu brutal. Daher brachte sie ein unverbindliches Brummen zustande und erhob sich vom Tisch, um ein wenig mehr Raum zwischen ihnen zu schaffen, vorsichtshalber. Sie mochte ihn nicht und vertraute ihm nicht.

Er nahm den Hinweis nicht auf und ging weiter. »Nach dem Oktobermarkt«, sagte er stattdessen mit einer Andeutung von Keckheit, »fahre ich runter nach Texas zum Rodeo. Im Winterrodeo bin ich Bullenreiter, habe auch schon Wildpferde geritten. Wollen Sie die Preise sehen, die ich gewonnen habe?«

O Gott, war das seine Version von »wollen Sie meine Briefmarkensammlung sehen«? Hätte sie gerade einen Schluck Tee getrunken, wäre er ihr zur Nase herausgekommen.

»Nein, danke«, erwiderte Carlin und wünschte, er würde einfach verschwinden. »Aber ja, viel Glück.« Sie konnte kaum sagen, sie hoffe, dass er einen Tritt in die Eier bekommen würde, oder? Eine Sekunde lang hatte sie sogar ein schlechtes Gewissen, diesen gemeinen Gedanken überhaupt gedacht zu haben.

»Sind Sie sicher?« Er zog die Wörter in die Länge, schenkte ihr einen sexy Blick, wie er meinte, der ihr aber eher wie ein schäbiges Grinsen vorkam. »Ich hab sie in der Baracke. Waren Sie je bei einem Rodeo? Viele Frauen macht es an, wenn sie zusehen, wie ein Mann ein Tier so beherrscht, wie ich es kann.«

Diese Äußerung klang aus seinem Mund zweideutiger, als sie sollte, und das sagte einiges. Ihr schlechtes Gewissen löste sich sofort in Wohlgefallen auf. Unter keinen Umständen konnte er ihre sorgsam nichtssagenden Reaktionen als intensives Interesse auslegen, nicht einmal als beiläufiges Interesse an seinen Worten oder Taten.

An ihr lag es nicht. Sie konnte sich nicht von Zweifeln unterwandern lassen. Als Brad angefangen hatte, ihr nach nur zwei Verabredungen nachzustellen, hatte sie Gewissensbisse gehabt, immer wieder über diese Verabredungen nachgedacht und nach etwas gesucht, das sie gesagt oder getan haben könnte, was ihn auf den Gedanken gebracht hatte, er sei ihr ein und alles. Beim ersten Rendezvous hatte sie ihn einigermaßen gemocht, aber nur einigermaßen, gerade so, dass sie sich auf eine zweite Verabredung eingelassen hatte. Diese zweite hatte sie jedoch abgetörnt. An Brad war nichts Schreckliches gewesen, nur so ein allgemeines Gefühl, dass sie nicht hingehen sollte. Wie sich herausstellte, hatte sie instinktiv den Nagel auf den Kopf getroffen, aber es war zu spät, was Brad betraf, weil er bereits auf sie fixiert war. Ein ähnliches Gefühl beschlich sie bei Darby, ein Unbehagen, und sie wollte nicht mit ihm allein sein. Stalker? Nein, das glaubte sie nicht. Arschloch? O ja.

»Rodeos haben mich nie angemacht«, sagte sie leichthin, was auch stimmte, obwohl sie aus Houston kam. Sie hatte nie ein Rodeo besucht, hatte weder eine positive noch eine negative Meinung dazu.

»Vielleicht sollten Sie es mal versuchen, ein paar echte Männer in Aktion zu sehen.«

»Glaube ich nicht. Kein Interesse.«

Herrgott, wie deutlich musste sie denn noch werden?

Er kam näher, so nah, dass ihr Puls alarmierend schnell schlug. Ein verschlagenes Lächeln lag auf seinem Gesicht. »Werden Sie nicht einsam, Carly? Eine hübsche Frau wie Sie, die braucht doch bestimmt mehr als Kochen und Putzen, um zufrieden zu sein. Darby ist für dich da, Baby, du musst nur sagen …«

Carlin machte einen Satz zur Seite und griff nach dem Besen, den sie vorher herausgeholt hatte, packte ihn fest und zeigte mit dem Griff auf Darby, als wäre es eine Waffe. »Raus«, fuhr sie ihn an.

»Holla!«, sagte er verblüfft. Er setzte eine Unschuldsmiene auf und hob die Hände, als richte sie einen Revolver auf ihn, und er würde sich ergeben. »Ich hab doch gar nichts gemacht. Ich wollte nur freundlich sein.«

»Freundlich sein können Sie woanders. Raus hier!«, sagte sie noch einmal, etwas heftiger.

»Schon gut, ich gehe. Herrjeh, du bist ein bisschen meschugge, oder? Hat dir schon mal einer gesagt, dass du überreagierst?«

»Versuchen Sie nicht, mir den Scheiß anzuhängen. Nur jemand mit Wahnvorstellungen hätte geglaubt, ich wäre auch nur im Geringsten interessiert.« Sie folgte ihm in den Vorraum, den Besen die ganze Zeit auf ihn gerichtet. Er hatte gesagt, er werde die Ranch bald verlassen, aber wenn das nicht auf der Stelle passierte, war es ihr nicht schnell genug.

»Der Boss muss von unserem kleinen Missverständnis ja nichts erfahren«, sagte er beklommen, als er die Tür erreichte.

»Ich habe überhaupt nichts missverstanden«, fauchte Carlin. Sie hatte nicht vor, zu Zeke zu laufen und sich zu beschweren, aber sie hatte auch nicht vor, Darby das auf die Nase zu binden. Sollte er doch schmoren, das geschähe ihm gerade recht. Würde es Zeke überhaupt kümmern, dass einer seiner Rancharbeiter einen groben, unbeholfenen Annäherungsversuch ihr gegenüber gemacht hatte? Wahrscheinlich nicht. Immerhin hatte Darby sie nicht angerührt. Damit würde sie allein klarkommen.

»Sie dürfen nicht wieder allein mit mir hier in diesem Haus sein«, teilte sie ihm kurz angebunden mit. »Sie kommen nicht als Erster zum Essen und gehen nicht als Letzter. Wenn Sie sich daran halten, werde ich Zeke nichts davon sagen, oder aber ich werde es der ganzen Mannschaft bei Kuchen oder Brownies erzählen. Ich glaube, die werden verstehen, warum ich nach unserem Missverständnis nicht mehr will, dass Sie hier herumhängen.«

»Sie machen viel Wind um nichts«, knurrte er, als er zur Tür hinausging. »Ein Versuch wird doch wohl noch erlaubt sein.«

»Bei mir nicht.« Sie schlug die Tür hinter ihm zu, schloss ab und blieb eine Weile stehen, um ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen.

Sie konnte nicht zulassen, dass jeder Idiot, auf den sie stieß, sie in Panik versetzte oder an sich selbst zweifeln ließ. Hier ging es nicht um sie. Sie war keine umwerfende Schönheit, sie trug neuerdings kein Make-up auf, und ehrlich gesagt, warum sollte sie mit ihrer Frisur mehr anfangen, als nur die Haare auszubürsten und in einen Pferdeschwanz zu binden? Da sie die einzige Frau auf der Ranch war, stieg ihre Attraktivität vielleicht um ein oder zwei Punkte, aber sie signalisierte keineswegs, dass sie auf der Jagd war. Manche Männer würden gelegentlich flirten, denn so waren sie gestrickt. Zum Glück ging dieser oberpeinliche Flirtversuch von einem Rancharbeiter aus, den sie am wenigsten leiden konnte.

Sollte sie jemandem von diesem peinlichen Augenblick erzählen? Sie hatte ihren Freundinnen in Houston berichtet, dass Brad eine Lusche war, und sie hatte ihnen mitgeteilt, als er angefangen hatte, sie zu verfolgen. Aber keine von ihnen hatte etwas mit eigenen Augen gesehen, und Brad war klug genug gewesen, erfahren genug, um seine Spuren zu verwischen. Am Ende hatte Aussage gegen Aussage gestanden, und seine Aussage hatte größeres Gewicht.

Und wenn sie sich nun wieder in derselben Lage befand? Und wem sollte sie sich anvertrauen? Zeke war der naheliegendste Ansprechpartner, aber Darby hatte eigentlich nichts gemacht, außer widerwärtig zu sein. Sie war ohnehin nie eine Heulsuse oder eine Petze gewesen. Sollte sie es beiläufig Spencer gegenüber erwähnen, der ihr bester Freund auf der Ranch geworden war? Nein, er war zu ritterlich; wenn er wüsste, dass Darby sie in Bedrängnis gebracht hatte, könnte er sich verpflichtet fühlen, ihre Ehre zu verteidigen, und er musste weiß Gott nichts unternehmen, womit er seine Schulter wieder in Gefahr brächte, gerade jetzt, da er kurz davor war, seine Schlinge abzulegen.

Sie konnte auf sich selbst aufpassen. Sie würde auf sich selbst aufpassen. Sollte es ein nächstes Mal geben, würde sie Darby nicht mit einem Besen bedrohen, sondern mit einem Messer.

Und sie hatte es ernst gemeint, als sie ihm verbot, sich noch einmal allein mit ihr im Haus aufzuhalten.

Der Oktobermarkt war endlich vorbei, und Zeke hatte Gelegenheit, die Bücher durchzugehen. Finanziell gesehen war es ein gutes Jahr, besser, als er erwartet hatte. Der Markt war gut für ihn gelaufen, und jetzt konnte er sich auf einen geruhsamen Winter einlassen. Das Wetter machte jede Arbeit schwieriger, aber es gab auch viel weniger zu tun. Endlich hatte er eine Chance, durchzuatmen, das nächste Jahr zu planen und sich zu entspannen. Immer standen Wartungsarbeiten an, Tiere waren zu füttern, aber jetzt war die Ruhephase seines Jahresablaufs angebrochen, und alles lief so gut für ihn, wie er es sich nur wünschen konnte.

Bis auf Carlin.

Er kam nicht weiter bei ihr. Dabei hatte er es nicht ernsthaft probiert, denn er wollte sie nicht verängstigen, aber sie hatte in ihrer Wachsamkeit nicht nachgelassen. Er hatte darauf gebaut, dass sie aufgrund von Vertrautheit allmählich aus sich herausgehen würde, und das war sie auch – bei den Rancharbeitern. Ihm gegenüber waren jedoch noch alle Stacheln vorhanden.

Was ihn betraf, so hatte es nicht lange gedauert, bis er sich an ihre Anwesenheit hier gewöhnt hatte. Sie konnte ganz gut kochen, sie hielt das Haus und seine Kleidung sauber. Die Rancharbeiter mochten sie alle, zumindest hatte es den Anschein, und sie kam gut mit ihnen aus. Immer wenn er vorfuhr und das Licht in der Küche brennen sah, oder sogar tagsüber, spürte er, wie sein Puls schneller schlug, weil er wusste, dass sie drinnen war, und das hatte überhaupt nichts damit zu tun, wie gut sie das Haus putzte.

Die Schranke, die sie zwischen ihnen heruntergelassen hatte, war frustrierend, besonders seitdem er wusste, dass Carlin nicht so großen Wert darauf legen würde, wenn sie sich nicht auch zu ihm hingezogen fühlte. Das war schon daran zu sehen, dass sie sogar vermied, ihn beim Namen zu nennen. Sie hatte keine Probleme, alle anderen beim Namen zu nennen, nur ihn sprach sie nicht mit Namen an. Weder mit Zeke, noch mit A.Z., weder mit Mr. Decker, nicht einmal mit Boss. Herrgott, sie sagte nicht einmal »Hey«. Das war wie in diesem alten Country-Song … sie nannte ihn nie beim Namen, und Liebling sagte sie erst recht nicht zu ihm.

Bis jetzt hatten sie alle so viel zu tun gehabt, dass es ihm leichtgefallen war, ihr Raum zu lassen. Sie erledigte ihren Job und er seinen, und bis auf die Mahlzeiten hatten sich ihr Wege nicht so oft gekreuzt. Aber was zum Teufel sollte er jetzt tun, nachdem der Markt vorbei war und er viel öfter hier im Haus sein würde? Die Tage wurden immer kürzer, und während sie ihren Teil des Hauses hatte, in dem sie wohnte, und er seinen, würden sie sich unweigerlich öfter als bisher begegnen.

Auch ihr Arbeitspensum würde abnehmen. Spencer würde bald seine Schlinge loswerden. Sobald Bo und Darby sich auf den Weg nach Texas gemacht hätten und Patrick und Eli für ein paar Monate nach Hause fuhren, wären viel weniger Mäuler zu stopfen. Was sollten sie machen? Stundenlang das Haus belegen, ohne miteinander zu reden? Oder erwartete sie von ihm, dass er seine Tage in der Scheune verbrachte?

Sie brauchten einen Waffenstillstand. Er brauchte eine Bresche in ihrer Mauer. Und er wollte, dass sie ihn ansprach … irgendwie.

Mit diesen Gedanken schob er sich von seinem Schreibtisch weg und machte sich auf die Suche nach ihr, dabei war sie nicht schwer zu finden. Wenn sie keine Hausarbeit erledigte, war sie in der Küche, die oft so aussah, als hätte ein durchgeknallter Wissenschaftler dort experimentiert. Sie hatte immer noch Blindgänger, aber im Allgemeinen war sie inzwischen eine gute Köchin, und sie war allem Anschein nach darauf erpicht, sich auf diesem Gebiet zu beweisen. Bestimmt würde er sie in der Küche finden. Das Radio lief, und sie führte eine Art Tanz auf, während sie aufwischte, wobei sie den Besen als Partner benutzte und den schönen Arsch hin und her wiegte. Er hätte tot sein müssen, um es nicht zu bemerken, besonders da er ohnehin schon empfänglich für ihren Arsch war.

Sie hatte schon wieder experimentiert. Im Ofen stand etwas, das gut roch, und anscheinend hatte es eine kleine Mehlexplosion gegeben. Das weiße Zeug lag auf dem Boden, auf der Arbeitsfläche und auf ihrem Gesicht. Er war sich ziemlich sicher, dass es auch in ihrem Haar war.

Der Besen richtete nicht viel aus, verschmierte den Boden, statt ihn aufzuwischen, doch solange sie weitertanzte, machte es ihm ganz bestimmt nichts aus.

Sie musste im Hinblick auf den Besen zum selben Schluss gekommen sein, weil sie aufhörte zu tanzen und sich umdrehte. Sobald sie ihn erblickte, versteifte sich ihr Rückgrat.

»Carlin«, sagte er zur Begrüßung und fragte sich, ob sie wohl mit einem kurzen Zeke antworten würde.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie stattdessen nur, eine fast höfliche Form der Frage, Was zum Teufel haben Sie hier in meiner Küche zu suchen?

Er konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, dass er sie bedrängen wollte. »Irgendetwas riecht gut«, sagte er daher.

»Unfehlbarer White Cake.« Sie schaute ihn trotzig an, wandte sich dann ab und stellte den Besen in den Schrank, um sich stattdessen einen Schrubber zu holen.

Zeke verzog das Gesicht. »In echt?«

»Ich hatte ja vor, das Rezept noch einmal zu probieren, aber ich war so beschäftigt, dass ich keine Zeit hatte.«

»Ich nehme an, Sie haben sich nicht an Spencers Rat gehalten, und diesmal mit einer Backmischung angefangen?«

»Nein. Das wäre geschummelt. Klein beigegeben. Dann würde ich mich von einem blöden Kuchen ausstechen lassen.« Sie grinste ein wenig, als machte sie sich über sich selbst lustig. »Sie klingen beinahe ängstlich.«

»Ja, zum Teufel, ich habe Angst«, gab er offen zu. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den ersten Bissen noch immer nicht verdaut habe.«

»Der hier wird besser«, sagte sie zuversichtlich. »Ich habe das richtige Mehl verwendet, und ich habe den Teig nicht zu lange gerührt.«

»Diesmal haben Sie den Beton weggelassen, ja?«

»Sehr witzig.« Sie wollte schon lächeln, merkte dann aber, was sie tat, und ließ daraufhin ein Rouleau herunter, als hätte sie ein Licht ausgeschaltet. Sie hielt den Schrubber wie eine Waffe in der Hand. »Was kann ich für Sie tun?«, wiederholte sie.

Das Bild, das ihm dabei durch den Kopf schoss, war nicht geeignet, an sie weitergegeben zu werden, aber sein Schwanz reagierte rasch. Mann, wenn sie nach unten schaute – obwohl, die Gefahr bestand nicht. Sie würde ihm kaum in die Augen schauen, erst recht nicht in die Lendengegend.

»Ich habe etwas Gutes gerochen und bin gekommen, um nachzusehen, was es ist. Kann ein Mann nicht in seiner eigenen Küche herumlungern?«

»Zur Zeit ist es nicht Ihre Küche, sondern meine. Sie müssen schon woanders herumlungern. Haben Sie keine Kühe, die Ihre Aufmerksamkeit brauchen?«

»Im Augenblick nicht.«

»Dann eben ein Pferd.«

»Nicht dass ich wüsste.«

»Tja, ich brauche Ihre Aufmerksamkeit auch nicht«, sagte sie und scheuchte ihn dann buchstäblich in den Vorraum. »Gehen Sie und graben Sie ein Loch, oder irgendetwas. Stecken Sie einen Pfosten hinein und nennen es einen Zaun.« Weil ihm einzig und allein daran gelegen war, dass sie ihm vertraute, ließ er sich sogar verscheuchen. Dabei fiel ihm auf, dass sie ihn noch immer nicht angeredet hatte. Unter diesen Umständen würde er sich sogar mit der Anrede »Arschloch« zufrieden geben.

Im Vorraum blieb er stehen, um einen Mantel anzuziehen. Als er hinunterschaute, entdeckte er ein Paar kleine, hässliche grüne Stiefel. Er bückte sich und hob einen auf, drehte ihn um und prüfte die Sohle. Was für ein Mist. »Jetzt sagen Sie bloß nicht, dass das Ihre Stiefel sind«, rief er mit erhobener Stimme, damit Carlin ihn hörte.

Er vernahm so etwas wie ein Schnauben. »Nein, die gehören dem anderen Ranchangestellten«, rief sie barsch zurück, »der Frauengröße achtunddreißig trägt.«

Zeke begab sich wieder in die Küche, einen Stiefel Größe achtunddreißig in der Hand. Sie hatte ihr Geld verschwendet, weil diese Stiefel einen Winter in Wyoming nicht überdauern würden. Sie waren gut für Regenwetter, höchstens. Er wusste, was sie brauchte, und er würde es ihr, verdammt noch mal, sagen: ein anständiges Paar Stiefel, einen dicken Mantel, Thermosocken und warme Unterwäsche, eine Kopfbedeckung. Dann hielt er inne. Er wusste, warum sie diese Stiefel gekauft hatte: Sie waren billig. Sie sparte möglichst jeden Cent, damit sie sich weiterhin vor dem Psychopathen verstecken konnte, der sie in Angst versetzte.

Zeke stellte den Stiefel wieder zurück und ging zur Tür hinaus. Ein kalter Wind wehte ihm ins Gesicht. Er war ein paar Schritte gegangen, als ihm klar wurde, dass Carlin ihn aus seinem eigenen verdammten Haus vertrieben hatte.

Carlin betrachtete die Gesichter der Rancharbeiter, als sie den White Cake auf den Tisch stellte. Sie erkannten den Kuchen natürlich wieder, und die Mienen variierten von skeptisch bis alarmiert. Carlin vernahm den einen oder anderen Fluch, und mehr als einen sehr traurigen Seufzer. »Miss Carly«, sagte Spencer schließlich, »der Kuchen sieht bestimmt hübsch aus, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich noch einen Bissen runterkriege.«

Das brachte die anderen in Gang. Ein allgemeines »ich bin so satt« und »ich hätte nicht so viel essen sollen« und ein zaghaftes »ich glaube, ich bin allergisch gegen White Cake« machten die Runde.

Das überraschte Carlin nicht, aber sie war ein bisschen enttäuscht. Sie hatte sich so große Mühe gegeben, und obwohl der Teig gut geschmeckt hatte, war nicht zu sagen, ob das Endprodukt besser schmeckte als der erste Versuch, wenn niemand es probierte. Wie es aussah, war sie die einzige Versuchsperson, und selbst wenn es gut schmeckte und sie es ihnen sagte, würden sie ihr wahrscheinlich nicht glauben.

Sie machte auf dem Absatz kehrt, um mit dem ganzen Kuchen wieder zurück in die Küche zu gehen, als Zeke aufstand, über Walt hinweg nach einem Teller und einem Messer griff und Carlin zu sich winkte.

Tapferer Mann. Oder Dummkopf – sie konnte sich nicht entscheiden. Dennoch kam sie nicht umhin, ihm dankbar zu sein. Sie stellte den Kuchen vor ihn hin und sah ihm zu, wie er ein großes Stück abschnitt. »Wenn alle anderen zu vollgestopft sind, heißt das nur, ich kriege mehr«, sagte er, ohne sie anzuschauen.

Sie drehte sich um und eilte in die Küche, um den Koffeinfreien zu holen, goss Zeke eine Tasse ein, während er sich hinsetzte und das große Kuchenstück in Augenschein nahm, als wäre es ein Hindernis, das er zu überwinden hatte, eine Aufgabe, eine Herausforderung. Sie sah ihn stirnrunzelnd an, Dankbarkeit verwandelte sich in Zorn. Er musste gespürt haben, dass er zu lange zögerte, denn endlich stach er hinein. Er nahm ein großes Stück auf die Gabel und führte sie an den Mund. Alle sahen zu. Carlin hielt die Luft an, und sie glaubte, dass es alle am Tisch genauso machten. Zeke kaute, schluckte, und die Erleichterung in seinen Augen sprach Bände.

Es schmeckte gut.

Sie jauchzte und stieß mit der Faust in die Luft, und alle außer Darby brachen in Gelächter aus.

Zeke spülte den großen Happen mit einem Schluck Kaffee hinunter. »Euch entgeht richtig guter Kuchen. Wie gesagt, dann bleibt mehr für mich.«

Dann schnitt Walt sich ein Stück ab, und Spencer entschied, dass er vielleicht doch nicht ganz so vollgestopft sei. Einer nach dem anderen bediente sich, sie lachten und scherzten, hatten aber im Allgemeinen nur Gutes über den Nachtisch zu sagen. Na ja, Darby hatte nichts Gutes zu sagen, aber das war nicht ungewöhnlich. Wahrscheinlich wären alle vom Stuhl gekippt, wenn er jemanden oder etwas gelobt hätte. Carlin ging wieder in die Küche, um mehr Kaffeebecher zu holen, aber sie blieb im Türrahmen stehen und schaute zu Zeke hinüber. Sie fing seinen Blick ein, und obwohl sie wusste, dass es keine gute Idee war, formte sie lautlos mit den Lippen »danke«.

Er nahm ihren Dank mit leichtem Kopfnicken zur Kenntnis. Sonst bemerkte niemand diese kleine Nebenhandlung, denn alle waren zu sehr mit dem Kuchen beschäftigt.

Leichten Schrittes sammelte sie die zusätzlichen Becher ein. Der White Cake war ein Erfolg! Sie hatte ihn in Angriff genommen und gewonnen.

Was kam als Nächstes?

Biscuits.

Dir bleibt nur Angst
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