28

Was für ein Scheißnest machte alles zu, bloß weil Sonntag war? Brad stellte den Wagen auf der fast menschenleeren Hauptstraße ab und ging zu Fuß an den Geschäften vorbei. Alle waren dunkel, die Türen geschlossen.

Er hatte Schwein gehabt, wenn man bedachte, wo er war. Die Temperaturen waren in den letzten paar Tagen sprunghaft über null angestiegen. Auf seinem Weg senkte er den Kopf gegen den kalten Wind. Er hatte seine Schneeketten nicht gebraucht, und obwohl ihm zwar kälter war, als ihm lieb war, hatte er nicht das Gefühl, dass er sein Leben aufs Spiel setzte, nur weil er draußen war. Allerdings war es entschieden zu kalt für einen Spaziergang.

Die Läden in der Stadt mochten geschlossen sein, aber die Tankstelle, an der er auf dem Weg in die Stadt vorbeigefahren war, hatte geöffnet. Dort würde jemand sein, vielleicht jemand, der Carlin auf dem Foto erkennen würde. Da alles andere geschlossen war, würden sich auf der Tankstelle mehr Menschen als sonst aufhalten, also war das der richtige Ort.

Er wusste, wo die Suche ihren Ursprung gehabt hatte, und das war ein ganzes Stück außerhalb der Stadt. Zwei Dinge hielten ihn davon ab, sich direkt dorthin zu begeben. Zum einen, weil nur dort jemand Carlins Namen eingegeben hatte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie auch dort war. Sie hatte einen Fehler gemacht, und jemand hatte ihren Namen herausgefunden. Es ergab einen Sinn, dass sie in der Nähe war, und Battle Ridge war die nächste Stadt – wenn man diese Beule am Ende einer Sackgasse als Stadt bezeichnen konnte.

Zweitens war er nicht bis hierher gekommen, weil er Carlin unterschätzt hatte. Sie wusste, was er mit einem Computer anstellen konnte. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sie ihren Namen absichtlich in die Suchmaschine eingegeben hatte, um ihn aus der Reserve zu locken. Der Privatdetektiv, der Nachforschungen über Brad angestellt hatte, könnte ein Teil desselben Plans sein. Vielleicht war Carlin es leid, wegzulaufen, so wie er nicht mehr hinter ihr herjagen wollte. Wenn er zu dem Haus hinaus fahren würde, wo die Suche gestartet worden war, würde sie dort auf ihn warten? Womöglich wäre sie nicht allein. Vielleicht hätte sie eine Waffe.

Sie wollte das Ganze wohl ebenso gern beenden wie er. Es würde zu Ende gehen, schön, aber nicht so, wie sie es plante. Kurz dachte er über diese Möglichkeit nach, dass sie ihn absichtlich hierher gelockt hatte, aber das erschien ihm unwahrscheinlich. Sie war von Anfang an davongelaufen. Sie hatte nicht versucht, mit ihm ins Reine zu kommen, sie war einfach weggerannt. Das machte sie. Aber sie wusste nicht, dass er hier war, daher hatte er die Sache jetzt im Griff. Und Carlin war so nah, dass er sie beinahe riechen konnte.

Es würde Ärger geben, so oder so. Zeke rief die Rancharbeiter in der Baracke zusammen und legte alles offen. Sie hatten es verdient, informiert zu werden, die Chance zu erhalten, fortzugehen. Als er fertig war, wartete er auf Anschuldigungen und Fragen, aber die Männer nickten nur einhellig und fragten, wie sie helfen könnten.

Er hatte gewusst, dass sie alle gute Männer waren, war aber trotzdem überrascht, dass sie bereit waren, Carlin zu verteidigen.

Zusätzlich zu den Aufgaben, die nicht warten konnten – alle, die mit Tieren zu tun hatten – würden die Männer das Haus und die Straße bewachen, bis Brad auftauchte oder sie erfuhren, dass er woanders festgenommen worden war. Wenn Carlin recht hatte mit dem Mann, müssten sie wohl nicht lange warten – wahrscheinlich ein paar Tage, da er von dort, wohin ihn seine Suche womöglich geführt hatte, erst herfahren musste. Sie wären alle bewaffnet, jeder Mann wählte seine eigene Waffe.

Spencer ging mit Zeke wieder zum Haus zurück, wo sie sich Kaffee und Sandwichs holen und dann hinaus auf die Weide gehen würden. Er hatte sich freiwillig angeboten, die erste Wache zu übernehmen, aber Zeke brauchte an diesem Nachmittag Spencers Geschick mit dem Bullen. Sobald Patrick sich um ein paar Dinge gekümmert hatte, würde er die Patrouille um das Haus übernehmen.

»Du warst nicht überrascht zu hören, was mit Carlin los ist«, sagte Zeke auf halbem Wege.

»Nöh. Ich bin ja nicht blöd, Boss«, erwiderte Spencer. »Ich wusste sofort, dass etwas mit Miss Carly los war. Erstens war sie nervöser, als sie hätte sein sollen, und ohne persönlich zu werden, aber warum sollte eine hübsche Frau wie sie damit zufrieden sein, auf einer Ranch mitten in der Walachei zu leben? Sie hat nie jemanden gebeten, sie zum Einkaufszentrum in Cheyenne mitzunehmen, sie hat nicht die ganze Zeit mit Freundinnen gesimst, und sie hat sich nie beschwert, nicht ins Kino zu kommen. Ich habe Schwestern. Ich weiß, wie Frauen ticken.« Er schüttelte den Kopf. »Aber ich habe mir gedacht, sie wird einen guten Grund haben, hier zu sein, deshalb habe ich nichts gesagt. Und ich habe mir auch gedacht, Gott muss einen guten Grund gehabt haben, sie uns hierher zu schicken.«

Zeke antwortete nicht. »Machen Sie sich keine Sorgen, Boss. Wir werden gut auf sie aufpassen«, fügte Spencer hinzu.

Brad hielt an der Kurve an und stellte seinen Pick-up neben einen schlichten Briefkasten mit dem Namen »Bailey«. Der Mann an der Tankstelle hatte Carlin auf dem Foto erkannt und Brad die Geschichte über eine längst verschollene Tante und eine beträchtliche Erbschaft abgekauft. Er konnte von Glück sagen, dass die meisten Menschen so gutgläubig waren, die blöden Wichser. Auf so eine Geschichte wäre er nie reingefallen.

Das Haus lag in einer stillen Straße und hatte Nachbarn, näher dran, als ihm lieb war, etwa zweihundert Meter zwischen den Häusern – zu weit zwar, um einen Schrei mitzubekommen, aber auf jeden Fall dicht genug, um einen Schuss zu hören. Jemand, der sich draußen aufhielt, könnte sogar einen Schrei hören. Er sah niemanden, aber das hatte nichts zu bedeuten.

Die Frau, die in diesem kleinen Haus wohnte, war offensichtlich nicht nur eine Freundin von Carlin, sondern auch die Cousine des Mannes, Zeke Decker, für den Carlin als Köchin und Haushälterin arbeitete. Als Köchin! Er wusste noch genau, dass Carlin gesagt hatte, sie könne kaum Wasser kochen. Entweder war das eine ihrer Lügen gewesen, oder die Leute hier stellten keine Ansprüche ans Essen.

Dabei spielte es jetzt kaum eine Rolle. Sie hatte ihre Chance gehabt, und sie hatte sie vertan. Er konnte nicht ertragen zu wissen, dass es sie gab, dass sie glücklich war ohne ihn und ihr eigenes Leben lebte, obwohl sie doch zu ihm gehörte.

Wenn sie nicht ihm gehörte, dann sollte niemand sie haben.

Brad stieg aus, beobachtete eine Weile die Fenster auf der Vorderseite des Bailey-Hauses, ob er eine Bewegung wahrnahm, ein Zeichen, dass die Frau drinnen vielleicht prüfend nach draußen schaute. Die Vorhänge waren fest zugezogen, und nichts flatterte, als er den Weg zu ihrer vorderen Veranda hinaufging. Mit vier Schritten war er an der Haustür. Diese Tür war solide, dunkelgrün gestrichen, außerdem gab es eine Sturmtür als Windschutz. Er konnte sich vorstellen, dass beide abgeschlossen waren, obwohl die Schlösser an einer Sturmtür wie dieser normalerweise nicht sehr widerstandsfähig waren.

Da er sicher war, dass Kat Bailey sein Kommen nicht bemerkt hatte, konnte er sich eine Geschichte für sie zurechtlegen – falls nötig.

Er klopfte fest an die Tür und lauschte sich nähernden Schritten. Klar, bevor die Tür sich öffnete, ertönte eine Frauenstimme. »Wer ist da?«

Brad lächelte, schaute dann nach rechts unten neben seine Stiefel. Er beugte sich in die Richtung und schüttelte die Schulter, als habe er Mühe, etwas festzuhalten, das zu entkommen versuchte. Sehr wahrscheinlich beobachtete ihn die Frau durch den Türspion, und er musste ihr das verkaufen. »Ist das Ihr Hund? Ich habe ihn direkt vor Ihrem Haus beinahe überfahren, und ich lasse ihn nicht gern da draußen und fahre einfach weiter.«

Sein Lächeln blieb zuvorkommend und teilnahmslos, als er hörte, wie aufgeschlossen wurde.

Ja toll. Vermutlich war es Shelly Kanes Hund, der sich losgerissen hatte und wieder durch die Straßen lief. Er war süß, aber nervig. Kat schloss die Tür auf, um ihre Vermutungen zu bestätigen und dem Mann, der angehalten hatte, den Weg zu Shellys Haus zu erklären.

Sogleich wusste sie, dass etwas nicht stimmte, aber es war zu spät. Kein Hund, kein Lächeln, der Mann riss ihre Sturmtür auf, brach das Schloss mühelos entzwei und lief auf sie zu. Er war groß, dunkelhaarig, muskulös und fest entschlossen, als er die Tür hinter sich zuschlug. Er packte sie am Arm, aber sie riss sich los und rannte in die Küche, zur Hintertür. Ihr Herz schlug wild, hektische Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Hausfriedensbruch! Raubüberfall? Vergewaltigung? Mord? Herr, steh mir bei! Sie wusste, wie man sich wehrt, hatte ein paar Selbsthilfekurse besucht, aber dieser Typ war viel zu groß, und sie kannte ihre Grenzen. Mal konnte man kämpfen, mal musste man fortlaufen. Jetzt war Fortlaufen angesagt.

Er erwischte sie, bevor sie die Küche erreichte, packte ihre Haare und dann ihre Schulter, warf sie hart zu Boden. Das war Brad. Dieser Mann war der Grund, warum Carlin sich zwangsläufig einen anderen Namen zulegen und die Flucht ergreifen musste. »Wo ist Carlin?«

Kat schüttelte den Kopf und rang nach Luft. Sein Fuß drückte auf ihren Brustkorb und erschwerte ihr das Atmen. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«

Er trat ihr fest in die Seite. Stechender Schmerz strahlte über ihre Seite aus, vor Übelkeit musste sie würgen. Eine Weile konnte Kat nicht atmen.

»Wohnt sie auf der Ranch, auf der sie arbeitet?« Er beugte sich näher zu ihr. »Jaah, so viel weiß ich.« Er trat noch einmal zu, und sie schrie auf.

Er kniete sich neben sie und legte ihr die Hand auf den Mund. »Kein Geschrei. Wir wollen doch Ihre Nachbarn nicht beunruhigen, oder?«

Er nahm die Hand wieder weg. »Wenn Sie nicht wollen, dass ich wieder schreie, dann sollten Sie mir keine weitere Rippe brechen.« Das sollte hartgesotten klingen, aber sie war atemlos, verängstigt und wütend. Selbst wenn sie schrie, würde jemand sie hören? Niemand war richtig nah, es müsste schon eine Laune des Atmosphärischen sein oder reiner Zufall …

»Sie haben schöne Augen, Kat Bailey. Sehr … hübsch.« Er neigte den Kopf zur Seite, als betrachte er sie. »Sagen Sie mir, was ich wissen will, sonst könnten Sie eins verlieren.«

Bei dem Gedanken wurde ihr übel, aber sie musste sich konzentrieren. Ganz gleich, was sie ihm sagte, er würde sie am Ende umbringen. Das musste er, wenn er davon ausging, mit dem, was er geplant hatte, ungeschoren davonzukommen. Wie konnte sie Carlin schützen und am Leben bleiben? Wie konnte sie Carlin und sich da rausholen? Ihre Gedanken überschlugen sich, richteten sich aber schließlich auf eine Tatsache.

Zeke würde wissen, was zu tun war. Zeke wäre darauf vorbereitet.

»Sie ist auf der Ranch. Ich kann Ihnen sagen, wie Sie hinkommen.«

Er schnaubte verächtlich. »Sie dürfte dort nicht allein sein, oder? Mal sehen. Da ist der Ranchbesitzer, und seine Familie. Ich nehme an, dass dort eine Familie ist. Oder er ist ein bescheuerter alter Junggeselle, der glaubt, er ist gestorben und in den Himmel gekommen, weil er ein hübsches Mädchen gekriegt hat, das ihm die Rohre putzt? Und die Rancharbeiter, nicht zu vergessen. Wie viele?«

»Sonntags nicht so viele«, sagte sie und versuchte hilfsbereit zu klingen. »Ein oder zwei, kann sein.« Fünf mindestens. Brad würde nicht weit kommen, sobald er auf das Decker-Anwesen kam. Dass er nichts über Zeke wusste, gab ihr einen kleinen Hoffnungsschimmer. Wüsste er etwas, hätte er nie die Wörter »bescheuerter alter Junggeselle« benutzt.

Brad schaute sich in dem kleinen Wohnzimmer um. »Nein, ich glaube, ich möchte, dass Carlin zu mir kommt. So ist es sicherer.« Er schaute auf sie herab und lächelte wieder, nicht das harmlose Lächeln, das er aufgesetzt hatte, als er auf ihrer vorderen Veranda stand, sondern ein böses. Seine Augen leuchteten. »Sie werden anrufen und sie bitten, herzukommen. Sagen Sie ihr, Sie brauchen einen Mädelsabend, sagen Sie ihr, sie soll alleine kommen.«

Wenn es so laufen sollte, wären sie beide tot. Kat nahm all ihren Mut zusammen.

»Nein«, sagte sie.

Er schlug ihr ins Gesicht. Der Schlag war nicht besonders kräftig in Anbetracht ihrer Lage auf dem Boden und seiner knienden Haltung. Schon möglich, dass er den Hieb ein wenig abmilderte, da er sie nicht k.o. schlagen wollte, aber es reichte, um sie Sterne sehen zu lassen.

»Hat das Ihre Meinung geändert?«, flüsterte er.

Kat schüttelte den Kopf. Sie schloss die Augen und wartete auf den nächsten Schlag. Stattdessen lachte er. Sie schlug die Augen gerade rechtzeitig auf, um mitzubekommen, dass er aufstand und sich von ihr entfernte. Ihr Verstand schrie Lauf!, aber ihr Körper reagierte nicht. Sie konnte sich kaum bewegen, geschweige denn tatsächlich rennen.

Aber wenn er genügend auf Abstand ging, wenn er glaubte, sie sei erledigt …

Aber er ging nicht weit. Er sah ihre Handtasche auf einem Beistelltisch, nahm sie zur Hand und durchwühlte sie. Lächelnd holte er ihr Handy heraus. Er drückte auf Tasten, hielt in seiner Suche inne und lächelte, als er fand, wonach er gesucht hatte.

»Zeke privat«, las er aus ihrer Kontaktliste vor. Er kam wieder zu ihr, stellte einen Fuß auf ihre schmerzende Bauchgegend und drückte eine weitere Taste.

Carlin fuhr zusammen, als das Telefon klingelte. Brad sollte in der Hölle schmoren, dass er ihr das alles wieder antat! Sie war nicht allein im Haus. Zeke arbeitete – die Ranch machte weder an Sonntagen noch an irgendeinem anderen Tag im Jahr zu. Patrick stand an der Hintertür, für alle Fälle, ging hin und wieder um das Haus herum und schaute auch dort nach. Ein anderer Rancharbeiter – sie wusste nicht, wer – beobachtete die Zufahrtsstraße. Beide hatten Funkgeräte bei sich. Sie glaubte nicht, dass Brad schon so bald auftauchen würde, auch wenn er Google-Suchanfragen nach ihr überwacht hatte. Er würde nicht fliegen, denn Flugreisen würden eine Papierspur hinterlassen, und Brad war vorsichtig, das musste man ihm lassen. Sie dachte, es würde wohl ein paar Tage dauern, bis sie sich Sorgen machen müsste, dass er tatsächlich aufkreuzte.

Sie müsste Kat warnen, nach Fremden in der Stadt Ausschau zu halten. Wenn er nicht auf direktem Weg zur Ranch käme, würde er ins Pie Hole gehen. Fast alle in der Stadt wussten, dass sie dort gearbeitet hatte. Vielleicht sollte Kat hierher kommen und bleiben, das Café einfach schließen, bis alles vorbei war.

Sie ging nicht ans Telefon. Das war nie für sie, und wer Zeke anrief, konnte eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. Das Klingeln hörte auf, fing aber Sekunden später wieder an.

Na ja, das konnte nerven, wenn es nicht aufhörte. Carlin nahm den Hörer in der Küche ab und schaute auf das Display. Kat! So ein Zufall. Merkwürdig, dass sie gerade daran gedacht hatte, Kat anzurufen, und Kat hatte im selben Moment beschlossen, sie anzurufen. Carlin drückte auf die Annahmetaste und hob den Hörer ans Ohr.

»Hi!«, meldete sie sich fröhlich. »Entschuldige, dass ich beim ersten Mal nicht drangegangen bin.« Sie wartete, dass Kat etwas sagte, aber es war lange still. »Hallo?«

Sie dachte schon, Kats Handy hätte den Anruf unterdrückt, als sie den Atem vernahm, den Seufzer. Das war nicht Kat. Die feinen Haare an ihren Armen stellten sich hoch. Noch bevor er sprach, wusste Carlin, wer am anderen Ende der Leitung war.

»Hallo, Carlin.« Brad klang so glücklich, so selbstgefällig und zufrieden. »Ich bin im Haus deiner Freundin. Komm doch zu uns, und komm allein, sonst wird es sehr unangenehm für Miss Bailey. Keine Polizei, keine Rancher, nur wir drei. Verstanden?«

Die Beine unter ihr gaben nach. Carlin sank zu Boden, den Hörer in der Hand. Das, wovor sie solche Angst gehabt hatte, trat tatsächlich ein … wieder. Eine Freundin schwebte in Lebensgefahr wegen dieses durchgeknallten Schwachkopfs, und – sie unterbrach sich. Sie musste überlegen. »Geht es Kat gut? Hast du …« Sie verletzt, umgebracht, o Gott, nicht schon wieder

»Sie lebt, vorerst. Ob das so bleibt oder nicht, hängt ganz von dir ab.«

Carlin spürte, wie ihr Herz schlug, zu fest, zu schnell. Sie brauchte eine Weile, um sich zu beherrschen. Sie konnte nicht zulassen, dass Brad ihr den Verstand raubte, ihre Handlungsfähigkeit. Er hatte ihr schon viel zu viel gestohlen.

»Ich gehe nirgendwohin, bis ich weiß, dass es Kat gut geht. Gib sie mir. Sofort.«

Statt Kat den Hörer zu reichen, entstand eine Pause, dann vernahm Carlin einen dumpfen Schlag und einen Schrei. Seine arrogante, boshafte Stimme drang wieder durch den Hörer. »Glaubst du im Ernst, ich würde zulassen, dass ihr beide am Telefon etwas auskungelt? Du hast sie gehört. Sie lebt, noch. Und jetzt beweg deinen Arsch hierher, dann bleibt sie vielleicht am Leben.«

Brad beendete den Anruf und ließ Carlin mit dem Hörer in der Hand auf dem Boden sitzen.

Sie würde nicht die Verantwortung für den Tod einer weiteren Freundin übernehmen. Egal wie, sie musste Kat retten.

Carlin ging in ihr Zimmer. Zeke hatte ihr zu Weihnachten eine Pistole geschenkt, und die bewahrte sie dort auf, dicht an ihrem Kissen, wenn sie nicht bei ihm war. Ein paar Dinge musste sie außerdem noch erledigen. Sie müsste aus dem Fenster steigen, und das Fenster in ihrem Zimmer würde ihr ermöglichen, sich davonzuschleichen, ohne dass Patrick sie sah. Sie würde nachsehen, ob er an der Hintertür stand, bevor sie hinausschlich, und nicht ums Haus herum ging – und womöglich direkt an ihrem Fester vorbeikam, wenn sie hinauskletterte. Im Hinblick auf denjenigen, der an der Straße stand, konnte sie nichts unternehmen, aber sie wäre dann schon unterwegs, und mit ein wenig Glück würde er annehmen, dass einer der anderen Rancharbeiter auf dem Weg in die Stadt war.

Sie packte sich warm ein und dankte ihren Glückssternen, dass die Straßen an diesem Tag nicht vereist waren.

Jaah, Glückssterne. Sie hatte wirklich Glück.

Sie entriegelte und öffnete ihr Fenster und ließ einen kalten Luftzug hinein. Das Fenster war nah genug am Boden, und sie stieg hinaus – ein Bein, dann das andere. Ein rascher Blick zu beiden Seiten versicherte ihr, dass sie allein war. Sie versuchte, das Fenster zu schließen, aber jetzt, nachdem sie auf dem Boden war, reichte sie nicht mehr heran. Sie verlor keine Zeit damit, sondern begab sich, den Kopf gegen den Wind gesenkt, zur Garage. Ein Teil von ihr wollte zu Zeke, nicht fortlaufen. Ein Teil von ihr wollte glauben, dass sie nicht länger allein darin steckte. Aber sie konnte Kats Leben nicht aufs Spiel setzen, nicht einmal für Zeke – nicht einmal für die Chance, sich von ihm zu verabschieden.

Dir bleibt nur Angst
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