5

Zeke aß zu schnell, den Blick fest auf die neue Kellnerin gerichtet – »Clever«, meine Fresse –, während er die warme Mahlzeit in sich hineinschaufelte. Irgendetwas an ihr war nicht echt, aber er konnte das Problem nicht benennen. Vielleicht gab es ja auch kein Problem. Vielleicht kam ihm sein Schwanz in die Quere.

Als sie die Männer an der Theke zu Ende bedient hatte, kam Kat mit zwei eingepackten Kuchen in den Händen zu ihm. Nachdem die Männer eine Zeit lang gegessen hatten, was Spencer gekocht hatte, würden sie an diesem Abend die Kuchen förmlich inhalieren.

Sie stellte die Kartons auf die andere Seite des Tisches und rutschte auf die gegenüberliegende Bank. »Wie ist es dir ergangen?«

»Viel zu tun.«

»Ich weiß, der Sommer auf der Ranch ist eine harte Zeit.« Sie klang beinahe … mitfühlend. Das sah ihr nicht ähnlich. Kat war eher der nüchterne Typ und handelte nach dem Motto »reiß dich zusammen und tu, was zu tun ist«. »Hast du Glück gehabt und eine neue Haushälterin gefunden?«

Der Funke in ihren Augen, der ungewöhnliche Versuch, Mitgefühl zu zeigen – warum hatte er bloß das Gefühl, dass dies keine beiläufige Frage von einer fürsorglichen Cousine war, die sich sonst doch wirklich kaum einmal um sein häusliches Leben kümmerte?

»Nöh.«

Kats Mutter, Tante Ellie, war vor Jahren aus Battle Ridge weggezogen, nachdem sie wieder geheiratet hatte – einen ordentlichen Mann diesmal, einen, den man nicht auch noch in den Arsch treten musste, als er aus der Stadt verjagt wurde. Kat sah ihrer Mutter sehr ähnlich, und sie hatte auch Tante Ellies Geschick in der Küche geerbt.

»Du kannst das alles jederzeit hinter dir lassen und für mich arbeiten.« Diesen Vorschlag machte er nicht zum ersten Mal, und nicht zum ersten Mal lachte sie allein bei dem Gedanken. Er meinte es ohnehin nicht ernst. Sie hatte ihr eigenes Geschäft, ihr eigenes Leben, und Blut mochte zwar dicker sein als Wasser, aber das hieß noch lange nicht, dass sie alles aufgeben würde, wofür sie gearbeitet hatte, nur weil er keine Köchin finden konnte, die ihm auch noch den Haushalt führte.

»Träum weiter. Aber mir kam da so ein Gedanke …« Da war dieser Funke wieder, der ihn argwöhnisch aufhorchen ließ. Solange er sich erinnern konnte, hatte dieses gewisse Funkeln in ihren Augen immer Ärger bedeutet. »Die Neue, Carly …«

»Nein«, sagte Zeke entschieden.

»Du hast mich nicht mal ausreden lassen!«

»Nicht nötig. Du hast eine Streunerin aufgenommen und kannst es dir nicht leisten, sie den Winter über zu halten, also willst du sie zu mir abschieben. Wie nah kommt das der Wahrheit?«

Kat runzelte die Stirn. »Carly ist keine Streunerin«, fuhr sie ihn an und senkte dann die Stimme. »Für die grundlegenden Gerichte reichen ihre Kochkenntnisse, sie braucht die Arbeit, und du suchst verzweifelt jemanden.«

»So verzweifelt nun auch wieder nicht.« Er wusste es besser. Carly Clever wäre ein Problem auf der Ranch. Das hatte er schon einmal durchgemacht, als drei der Rancharbeiter die jüngeren, alleinstehenden Frauen angemacht hatten, die er eingestellt hatte, und er hatte alle drei entlassen müssen, als er sie am dringendsten brauchte. Mitten in der Heuernte unterbesetzt zu sein, wäre eine Katastrophe. Er wollte einen Koch; wenn das nicht ging, dann war eine Frau mittleren Alters seine zweite Wahl. Eine von Kats Streunerinnen, noch dazu eine attraktive mit Lästermaul, stand ganz unten auf seiner Liste; er konnte sich die Schwierigkeiten nur ansatzweise vorstellen.

Im Übrigen, wenn sie für ihn arbeitete, würde alles komplizierter. Selbst eine einigermaßen hübsche Frau auf der Ranch war eine schlechte Idee, das wusste er inzwischen. Eine junge, hübsche Frau, bei der sein Schwanz aufstand und salutierte? Katastrophe.

Allerdings bekam er diesen besonders schönen Arsch nicht aus dem Kopf; wenn er mehr Zeit hatte, würde er daran arbeiten.

Kat schlüpfte aus der Nische und zeigte ihm schnell, aber nachdrücklich, den Mittelfinger, wobei sie die Hand unten hielt, damit es niemand außer ihm sah. Er lachte und wandte sich dem Rest seiner Mahlzeit zu, was nicht mehr viel war; das meiste davon hatte er automatisch zu sich genommen. Kein Wunder, dass die männlichen Gäste noch blieben, nachdem ihr Mittagessen längst verzehrt war, Kaffee tranken, sich unterhielten, Nachtisch aßen und die beiden Frauen beobachteten, die geradezu durch das Lokal tanzten. Das Café war wie eine Männerphantasie: Kat und Carly – eine brünett, die andere blond, beide sahen gut aus. Gutes Essen. Herrgott, fehlte nur noch ein Stripper Pole – okay, vergiss den Stripper Pole, denn Kat war seine Cousine. Oder reservier den Stripper Pole für Carly. Jaah, das funktionierte bei ihm.

Kat verschwand in der Küche und überließ Carly die Arbeit an der Theke. Zeke fing ihren Blick ein. »Hey, Clever, wie wäre es mit einem Stück Kuchen und frischem Kaffee?«, sagte er gerade so laut, dass sie es hören konnte. Er hob seine halb leere Tasse. Das Pie Hole war ein legeres Lokal, in dem sich die Gäste nicht viel dabei dachten, sich gegenseitig oder Kat Kommentare zuzurufen, und jetzt gehörte Carly dazu.

»Klare Sache, Sherlock«, gab sie zurück. »Blaubeere oder Karamel?«

Beide wären gut, obwohl er sich irgendwie Apple Pie erhofft hatte. »Ich lass mich überraschen«, antwortete er und lehnte sich zurück. Solange es kein Kuhfladen war, sollte es ihm recht sein.

»Dieser Vetter von dir ist …« Carlin suchte nach dem passenden Wort, als sie und Kat in der Küche saßen und fette Sandwichs zu sich nahmen. Ihr Tagewerk war beendet; das gemeinsame Abendessen war zu einem Ritual geworden, das Carlin genoss.

»Heiß?«, schlug Kat grinsend vor. »Dass ich einen Teil derselben DNA habe, macht mich nicht blind. Immun, aber nicht blind.«

Carlin wartete, bis sie den Bissen Hühnersalat auf Vollkornbrot geschluckt hatte, dann stieß sie ein entschiedenes Pff aus. »Ich hatte eher ein Wort wie nervig im Sinn.«

Kat zuckte mit den Schultern. »Auch das. Er ist vieles, aber langweilig ist er nicht.«

»Er ist ein Cowboy, oder?« Die abgetragenen, zerkratzten Stiefel, die harten Hände, die sonnengebräunte Haut ließen diesen Schluss zu.

»Kann man wohl sagen. Ihm gehört eine ziemlich große Ranch ungefähr eine Stunde von hier.«

»Seid ihr Vetter und Cousine ersten Grades?«

»Ja. Sein Vater und meine Mom waren Geschwister. Wir sind hier zusammen aufgewachsen – na ja, fast zusammen. Er ist ein paar Jahre älter als ich.«

»Zeke – ist das die Abkürzung für Ezekiel oder so?« Der Name war ungewöhnlich, aber irgendwie sehr passend für die Gegend und für den Mann selbst.

»Zeke ist ein Spitzname. Sein richtiger Name ist A.Z. Nur die Initialen, die nichts bedeuten. Aber an seinem ersten Schultag nannte die Lehrerin ihn A.Z., und ein paar andere Kinder dachten, sie habe ›hey, Zeke‹ gesagt. Sie nannten ihn Zeke, und das ist haften geblieben. Seitdem ist er Zeke.« Kat änderte ihre Sitzhaltung. »Ich weiß nicht, was Tante Helen gedacht hat, als sie ihm den Namen gab. Es war irgendein Name aus ihrer Familie – ein Großonkel, glaube ich. Vielleicht auch ihr Großvater, oder der Pate des Vetters ersten Grades ihrer Mutter. Du weißt ja, wie es in Familien geht.«

»Oh, ja«, murmelte Carlin ironisch und dachte an ihren eigenen Namen.

Kat warf ihr einen wissenden Blick zu, der aufgrund ihrer Hexenaugen noch stärker einschlug. »Du bist also interessiert, oder?«

»Was? Nein!« Sie hatte nur zu viele Fragen gestellt – nicht allzu viele, aber ungefähr zwei zu viel. Ein Mann war wirklich das Letzte, was sie jetzt im Leben brauchte, besonders einen, der so viele Fragen stellte. Was ging es sie überhaupt an, ob sein Name eine Abkürzung war? Nichts. Unmöglich. Sie sollte ab sofort den Mund halten.

Sie rutschte auf ihrem Hocker hin und her und gab sich gleichgültig. »Kann sein, dass er ein bisschen heiß ist, falls man den Typ mag«, gestand Carlin ein. Groß, hart, gut aussehend … jaah, der Typ. O-oh! Sie unterdrückte ihre Reaktion und log ungeniert. »Aber er ist auch ein Cowboy, und da du die Gegend und die Menschen so gut kennst, fühlte ich mich verpflichtet, deinem weisen Rat zu folgen und die Möchtegern-John-Waynes zu meiden.« Außerdem war sie nicht auf der Suche nach Komplikationen, aber das verstand sich von selbst.

»Du laberst so eine Scheiße«, sagte Kat grinsend. Dann verblasste ihr Lächeln. »Okay, um ehrlich zu sein, hatte ich irgendwie gehofft, dass Zeke dich als seine Köchin und Haushälterin einstellen würde. Seitdem Libby im letzten Jahr fortgegangen ist, hatte er nicht viel Glück, einen Ersatz zu finden, und allmählich verzweifelt er.«

Was? Carlin spürte, wie der Boden unter ihr nachgab. Kat entließ sie? Warum sonst sollte sie versuchen, jemanden zu finden, der sie einstellte? Das nur zum Thema blind sein – kaum ist sie entspannt, glücklich, scherzt mit einer Freundin, und schon blättert sie im Geist den Atlas durch und fragt sich, wohin sie demnächst fahren wird. Sie hatte geglaubt, mehr Zeit zu haben, um ihre Ersparnisse anwachsen zu lassen, außerdem mochte sie Kat und diesen Ort wirklich, verdammt. Aber so war das Leben nun mal, und sie würde damit zurechtkommen. »Du musst keinen anderen Job für mich suchen. Wenn sich das hier für dich nicht rechnet …«

»Nein!«, sagte Kat aufgebracht. »Darum geht es doch gar nicht. Ich mag deine Hilfe, und wir kommen prima miteinander klar. Bloß weiß ich, dass das Geschäft im Winter schlechter läuft, und wenn das passiert, habe ich kein Geld, um dich zu bezahlen. Zwei Monate geht es noch gut, aber ich habe nur versucht, vorauszuschauen.«

Mist. Carlin dachte nur ungern an einen Aufbruch, aber sie hatte die ganze Zeit gewusst, dass das hier vorübergehend war. »Wenn du dir nicht mehr leisten kannst, mich anzustellen, dann fahre ich weiter«, sagte sie vernünftig. Sie würde die Augen offen halten, und sobald das Geschäft nachließ, würde sie von selbst gehen, auch wenn Kat sie nicht dazu anhielt. Das wäre nicht der erste Job, den sie seit Beginn ihrer Flucht aufgegeben hatte. Für gewöhnlich ging sie einfach ohne ein Wort der Vorwarnung und vor allem ohne jegliche Andeutung, wohin sie fahren würde, andererseits war bei den Jobs, die sie in der Regel angenommen hatte, keine Kündigung nötig gewesen. Kat würde sie nicht so im Regen stehen lassen. »Ich will jedenfalls nicht das Kindermädchen deines Vetters sein. Er wirkte auf mich wie ein Mann, der nur schwer zufriedenzustellen ist, und das Leben ist zu kurz.« Im Übrigen war er zu neugierig, fragte zu viel und würde sich wahrscheinlich querstellen bei dem Gedanken, sie schwarz zu bezahlen.

»Na gut.« Kats Augen leuchteten. »Auch er war von der Idee nicht gerade angetan.«

Carlins Herz schlug hart. »Du hast ihn schon gefragt?« Sie kreischte beinahe. Verlegen räusperte sie sich.

»Ich habe nur vorgefühlt. Keine Bange, er hat die Idee ziemlich schnell abgewürgt, deshalb bin ich gar nicht erst zu den Details vorgedrungen, wie du zu bezahlen bist. Jetzt ist er so klug wie zuvor.«

Dass Zeke sie nicht auf seiner Ranch haben wollte, wurmte Carlin dabei am meisten. Dass sie nicht hingehen wollte, war völlig in Ordnung, aber dass er sie kurzerhand abgewiesen hatte, ärgerte sie beinahe.

Dann fiel ihr siedend heiß etwas ein, und sie spürte, wie sie vor Wut rot anlief. Sie hatte sich nichts dabei gedacht, aber … »Ich kam kurz aus der Küche, als ihr euch unterhalten habt, und ich hörte ihn etwas über eine Streunerin sagen. Ich dachte, er meinte eine Hündin oder eine Katze, aber das stimmt nicht, oder? Er hat von mir gesprochen.« Brad hatte ihr viele Bezeichnungen gegeben, von denen keine als Kompliment gemeint war, und es hatte sie überhaupt nicht beeindruckt, denn nach nur zwei Verabredungen hatte sie gewusst, dass mit ihm etwas nicht stimmte, aber zu wissen, dass Zeke Decker sie eine Streunerin genannt hatte, weckte ihren Kampfgeist.

»Das hatte nichts zu bedeuten«, beruhigte Kat sie und hielt dann inne. »Herrgott, ich habe nicht vor zu lügen, um ihm den Arsch zu retten, aber er steht pausenlos unter Stress, also sei ein wenig nachsichtig.«

Carlin wollte nicht mit Kat über ihren Vetter streiten, aber innerlich kochte sie. Streunerin! Er konnte sie mal.

Idiot.

Endlich hatte Spencer das mit dem Haferbrei kapiert. Das Frühstück am Morgen war irgendwie besser gewesen, obwohl niemand auf die Idee gekommen wäre, dass Waffeln aus dem Toaster eine großartige Mahlzeit waren. Zeke hatte Erdnussbutter auf zwei warme, runde Waffeln gestrichen, die er dann zusammengeklappt hatte. Die anderen hatten es genauso gemacht, denn sie wussten, dass sie etwas Protein brauchten, bevor die Mittagszeit anrollte. Wenigstens bekamen sie kein kaltes Müsli vorgesetzt, das ungefähr zwei Stunden vorhielt, bevor sie alle wieder halb verhungerten. Gott sei Dank war eine große Kanne mit heißem Kaffee vorhanden gewesen, um die klebrige Masse herunterzuspülen.

Nachdem die Heuballen fertig waren, liefen seine Tage auf der Ranch etwas gemächlicher ab. Er hatte es geschafft, Wäsche zu waschen, daher hatte er saubere Socken und Unterwäsche. Es geschahen noch Zeichen und Wunder. Nie hätte er gedacht, dass er einmal so dankbar sein könnte, einen Wäschekorb voll sauberer Unterwäsche zu haben. Die Rancharbeiter gingen ihrer Tätigkeit nach, und Zeke wollte sich gerade mit einer Tasse Kaffee hinsetzen, um Bankunterlagen abzugleichen, als die Küchentür mit einem Knall aufgerissen wurde und eine panische Stimme rief: »Boss!«

Hörte sich an wie Bo, was eine schlechte Nachricht war, denn Bo geriet nie in Panik. Stiefel polterten über den Boden, und Bo erschien mit sorgenvoller Miene im Eingang zu Zekes Büro. Zeke war schon aufgestanden und auf dem Weg an die Tür. »Was ist passiert?«

»Spencer«, sagte Bo nur. »Santos hat ihn erwischt.«

Scheiße! Ein großer Bulle konnte einen Mann schwer verletzen; Santos hatte keine Hörner, aber wenn er mit dem großen Kopf herum fuhr, konnte er jemanden umwerfen oder mit einem gut platzierten Tritt Knochen brechen. War Santos auf Spencer losgegangen, nachdem er entsamt war? Für gewöhnlich war der Bulle ruhig und verhielt sich wie die meisten Tiere gut, wenn Spencer in der Nähe war, aber ein Bulle war ein Bulle und kein Haustier.

Zeke schob sich an Bo vorbei, lief durch das Haus und durch die offene Küchentür hinaus zur Scheune. Mist! Spencer hatte an diesem Morgen Santos Samen entnehmen sollen. Er hatte noch nie Schwierigkeiten gehabt; Spencer war als Cowboy viel besser, denn als Koch.

»Wie schlimm?«, fragte er, während er neben Bo herlief.

»Sein Arm ist verletzt, aber ich kann nicht sagen, wie schlimm es ist, bevor ich nicht nahe genug herankomme, um es zu prüfen. Kein Schlag gegen den Kopf, er ist bei Bewusstsein und spricht, aber der Bulle steht zwischen Spencer und dem Rest von uns und rührt sich nicht von der Stelle. Vermutlich würde ich auch wütend, wenn jemand versuchen würde, mich abzuspritzen und mein Sperma zu verkaufen.«

Die Szene in der Scheune war so, wie Bo sie beschrieben hatte. Drei Rancharbeiter – Walt, Eli und Patrick – standen zwischen Santos und der Tür. Santos war erregt, stampfte auf den Boden, ließ den Kopf hin und her schwingen und sah aus, als würde er jede Sekunde auf die Männer losgehen. Spencer saß am Boden, hatte sich an eine Box gelehnt und hielt sich den linken Arm. Sein Gesicht war kreidebleich.

»Alles in Ordnung?«, fragte Zeke, den Blick auf den Bullen gerichtet.

»Ja, Sir«, erwiderte Spencer und schluckte. »Es ist meine Schuld. Ich wollte Santos gerade in die Kopfhalterung schieben, als ich abgelenkt wurde. Ich glaube, ich habe mich zu schnell bewegt und ihn erschreckt. Er fing an zu bocken, und ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Geben Sie ihm nicht die Schuld, Boss, er ist schließlich nur ein Bulle.«

Noch ein Grund, warum Spencer nicht sehr lange hier sein würde. Der Junge war verletzt, aber seine ersten Worte hatten der Verteidigung des Bullen gegolten. »Darum machen wir uns später Sorgen. Alle anderen raus.« Zu viele Menschen, die zu nahe standen, waren mit ein Grund, warum Santos noch immer nervös war. Und wenn alle anderen aus dem Weg waren, hätte die Anzahl von Santos’ Angriffszielen abgenommen.

Als sie nur noch zu dritt waren – Spencer, Santos und Zeke –, ging Zeke langsam auf den Bullen zu. Das Tier schien schon ruhiger zu sein. Zeke gab leise, beruhigende Geräusche von sich, während er weiterging. Der Bulle hatte sich sogar ein paar Mal von ihm streicheln lassen, von Spencer noch öfter, also war er kein böses Tier. Er war einfach nur groß, und er war ein Bulle. Genug geredet. Sein Plan war, Santos in die Box zu bekommen und einzuschließen, dann Spencer zum Arzt zu fahren – leichter gesagt als getan, aber nicht so schwer, wie es hätte sein können. Nach anfänglichem Widerstand langweilte Santos sich wohl allmählich, denn er drehte sich einfach um und ging in die Box.

Zeke schloss das Tor und legte den Riegel vor, dann rief er die anderen Männer wieder herein und kniete sich neben Spencer. »Wo tut es denn weh?«

Spencer verzog das bleiche Gesicht vor Schmerz. »Nur die Schulter. Die tut weh wie die Sau.«

Gott sei Dank war es nicht mehr als eine Schulter, was schlimm genug war. Ein Tritt an den Kopf, und er würde diese Unterhaltung mit Spencer nicht führen. »Ich werde dich in die Stadt bringen, damit der Arzt einen Blick drauf werfen kann.« Wenn sie Glück hatten, war es nur eine Zerrung, und der Arzt in der Klinik am Ort könnte sich um alles kümmern. Sollte die Verletzung komplizierter sein, müssten sie noch am selben Tag nach Cheyenne.

»Tut mir leid, Boss«, sagte Spencer, als Zeke ihm auf die Beine half. »Ich weiß, ich falle zu einer ungünstigen Zeit aus, auch wenn es nur für ein paar Stunden ist. Vielleicht kann Darby kochen, oder Eli. Die haben gesagt, dass sie nicht die Bohne kochen können, aber heute Abend müssen doch alle essen.«

»Mach dir darüber jetzt keinen Kopf«, sagte Zeke. »Wir sind erwachsene Männer und können eine Weile für uns selbst sorgen.« Ganz davon abgesehen, dass ihnen durch Spencers Verletzung nun ein Arbeiter fehlte, hatten sie auch noch viele Stunden geschuftet. Wie zum Teufel sollte er da jemand anderen zum Kochen abstellen? Einen Abend könnten sie deichseln, aber wenn die Verletzung eine Operation erforderlich machte, wenn Spencer für längere Zeit einarmig blieb … Wenn alle Stricke reißen sollten, würde Zeke sich überlegen, wie er selbst eine Mahlzeit zusammenwerfen könnte. Das hatte er ein oder zwei Mal versucht, um Spencer eine Pause zu gönnen, und jedes Mal war es eine Katastrophe gewesen. Er neigte nicht nur dazu, alles anbrennen zu lassen, es gelang ihm auch immer, dabei das gesamte Küchengeschirr zu benutzen.

Kenneth und Micah waren verheiratet. Vielleicht wäre eine ihrer Frauen, oder beide, damit einverstanden, eine Mahlzeit oder zwei zuzubereiten, da es sich um einen echten Notfall handelte. Sie hatten sich vorher schon geweigert, denn sie wollten nicht in einen Vollzeitjob hineingezogen werden, dem sie nicht wieder entkommen könnten. Beide hatten kleine Kinder, daher war die Situation nicht gerade ideal. So oder so, alle würden zu essen bekommen.

Libby hatte sie mit drei warmen Mahlzeiten am Tag alle verwöhnt – nicht nur warme Mahlzeiten, sondern herzhaftes, gutes Essen, das satt machte und den Kraftstoff lieferte, den sie für einen langen, harten Arbeitstag brauchten. Vielleicht könnten sie sich eine Weile mit Sandwichs und Müsli behelfen, aber das wäre nicht gut genug, nicht, wenn sie drei- oder viertausend Kalorien am Tag verbrauchten, nur um energiedeckend zu arbeiten. Irgendwie würden sie es hinkriegen.

Doch als er nach Battle Ridge fuhr, einen schweigenden Spencer auf dem Beifahrersitz neben sich, der seinen linken Arm hielt, hatte Zeke nicht viel Hoffnung.

Dir bleibt nur Angst
cover.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-1.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-2.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-3.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-4.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-5.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-6.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-7.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-8.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-9.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-10.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-11.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-12.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-13.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-14.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-15.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-16.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-17.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-18.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-19.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-20.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-21.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-22.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-23.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-24.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-25.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-26.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-27.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-28.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-29.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-30.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-31.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-32.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-33.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-34.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-35.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-36.html
Howard_Jones_Dir_bleibt_nur_Angst-37.html