28
»Mama!«, sage ich. »Was machst du denn hier?«
Sie drängt sich an mir vorbei und sieht sich dann naserümpfend um. Dann geht sie zum Esstisch und zieht mit spitzen Fingern einen Stuhl zu sich. Sie holt ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, wischt die Sitzfläche ab, setzt sich kerzengerade hin und faltet die Hände auf dem Tisch.
Ich folge ihr und lasse mich auf den Stuhl gegenüber plumpsen. Ich stütze die Ellbogen auf und lege mein Kinn in die Hände.
Meine Mutter lächelt mich an. Mit demselben gekünstelten Lächeln, das sie für Kassiererinnen und Tankwarte reserviert hat.
Ich versuche es noch einmal. »Warum bist du in L. A.?«
»Das ist doch wohl offensichtlich«, sagt sie. »Um dir zu helfen natürlich.«
Da ich noch etwas verwirrt bin, verstehe ich nicht, was sie meint.
»Mit Damien Stark«, sagt sie, und mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen.
»Wovon redest du?«
»Ich habe das Foto gesehen. Und die Bildunterschrift gelesen. Warum du mir nicht erzählt hast, dass dir ein Mann wie Damien Stark den Hof macht, ist mir ein Rätsel. Das ist immerhin die erste gute Nachricht, seit du nach Los Angeles gezogen bist.«
Ich starre sie ausdruckslos an.
»Jetzt aber mal im Ernst, Liebling: Wenn du einen Mann wie Damien Stark heiraten willst, darfst du ihn auf keinen Fall enttäuschen. Sonst hat er im Nu eine andere.«
Ja, im Nu. Wahrscheinlich ist das schon längst passiert.
Mit zusammengepressten Lippen mustert sie mich von Kopf bis Fuß. »Da wartet jede Menge Arbeit auf uns.« Sie zieht ein Handy aus ihrer Chanel-Handtasche. »Was ist das beste Spa hier in der Nähe? Wir konzentrieren uns erst mal auf dein Make-up. Zum Glück hast du nach wie vor fantastisches Haar, auch wenn es ungewaschen ist. Die Spitzen werden wir natürlich schneiden lassen. Dann kaufen wir dir eine neue Garderobe und bringen dieses Apartment auf Vordermann. Sollte Jamie an ihren Möbeln hängen, kann sie sie ja einlagern lassen.«
»Ich habe mich von ihm getrennt.«
So wahr mir Gott helfe: Meine Mutter wird grün im Gesicht.
»Du hast was?« Sie klingt so, als hätte ich ihr gerade erzählt, dass ich nur noch vierundzwanzig Stunden zu leben hätte. »Warum um Himmels willen hast du denn so was Idiotisches getan?«
»Warum?« Ich mache den Mund auf, suche verzweifelt nach einer Erklärung. »Weil der Typ ein völlig gestörter Kontrollfreak ist. Kommt dir das vielleicht irgendwie bekannt vor?«
Sie erhebt sich in Zeitlupe, ganz formvollendet wie immer, wenn sie wütend ist. Eine Dame lässt sich ihre Gefühle nicht anmerken. »Du kleiner Schwachkopf«, sagt sie ganz ruhig und eiskalt. »Du hast dir schon immer selbst im Weg gestanden. Nur Nicole weiß, was für sie richtig ist. Nur Nicole weiß, was zu tun ist.«
»Nun, das stimmt auch: Denn nur Nicole weiß, was Nicole will.«
Ihre Züge sind dermaßen verkniffen, dass ihr Make-up bröckelt. »Du bist verwöhnt und undankbar. Ich kann es kaum fassen, dass ich mir extra die Mühe gemacht habe, hierher zu fliegen und dich zu besuchen. Ich werde in mein Hotel zurückkehren, und du denkst in der Zwischenzeit über dein Leben nach. Darüber, was du willst, wie du dir deine Zukunft vorstellst und was du alles wegwirfst. Sobald du wieder normal bist, komme ich wieder.«
Sie macht auf dem Absatz kehrt, geht zur Tür und verschwindet. Sie knallt sie nicht einmal hinter sich zu.
Ich bleibe wie betäubt sitzen. Ich weiß, dass ich mich bewegen sollte, aber es geht einfach nicht. Ich sitze einfach bloß da, starre vor mich hin und habe das Gefühl, meinen Körper zu verlassen.
Fünfzehn Minuten oder fünfzehn Stunden später – ich weiß es nicht genau – bekomme ich einen Wadenkrampf und muss mich zwangsläufig bewegen. Ich senke den Blick und merke, dass ich die Hand nach wie vor zur Faust geballt habe. Ich öffne sie langsam und sehe die Einkerbungen meiner Fingernägel in der Haut. Einige sind so tief, dass es fast blutet.
Ich starre auf meine Hand und stehe auf. Wie ferngesteuert gehe ich in die Küche und ziehe ein Schälmesser aus dem Messerblock. Ich drehe das Gas auf, denn obwohl ich völlig neben mir stehe, weiß ich trotzdem, dass ich die Klinge sterilisieren muss. Hier in der Küche ist kein Alkohol, und ich kann sie nicht verlassen, weil mir dann der Mut fehlen würde.
Ich ziehe das Messer mehrmals durch die Flamme und warte, bis es abkühlt. Ich presse die Klinge auf das weiche Fleisch meines Innenarms. Ein neuer Ort für einen neuen Schmerz. Ich beginne zu ritzen – und schleudere das Messer anschließend von mir. Es knallt gegen die Wand und hinterlässt eine Kerbe im Putz.
Alles verschwimmt vor meinen Augen. Jetzt erst bemerke ich, dass ich weine. Ich stehe auf und drehe eine Runde durch die Küche. Ich bin verloren, so was von verloren, und trotz allem sehne ich mich nur nach Damien. Danach, dass Damien die Arme um mich legt, mich festhält und tröstet.
Nein, verdammt noch mal, nein!
Ich reiße die Küchenschere aus dem Abtropfgitter, setze mich in die Ecke neben die Spülmaschine und schneide mir ohne nachzudenken eine dicke Strähne ab. Und dann noch eine und noch eine, bis sich die Haarbüschel um mich herum auftürmen.
Ich betrachte sie, fahre mir mit den Fingern durch das Haar, das meine Mutter so geliebt hat. Und Damien auch.
Ich ziehe die Knie an die Brust und umklammere sie. Dann stütze ich meinen Kopf darauf und schluchze.
Ich weiß nicht mehr, wann ich auf mein Zimmer gegangen bin. Ich weiß nicht mehr, wann ich ins Bett gegangen bin. Aber als ich die Augen aufschlage, ist Damien an meiner Seite. In seinem Blick liegen Trauer und Zärtlichkeit.
»Hey!«, sagt er.
Damien. Mir schwillt das Herz, und die dunkle Wolke über mir verschwindet.
Er streckt die Hand aus und streicht mir übers Haar.
Ich setze mich auf, denn in dem Moment fällt es mir wieder ein: Meine Haare.
»Da besteht noch Handlungsbedarf«, sagt er sanft. »Aber ich finde dich mit kurzen Haaren ziemlich niedlich.«
»Warum bist du hier? Woher wusstest du, dass …«
»Jamie«, sagt er. »Ich rufe sie schon seit Tagen regelmäßig an und erkundige mich nach dir. Ich dachte, du brauchst etwas Zeit für dich. Aber dann ist auch noch deine Mutter gekommen …«
Ich nicke, erinnere mich vage daran, dass Jamie mich ins Bett gebracht hat und ich ihr vom Besuch meiner Mutter erzählt habe. Beim Gedanken, sie wiedersehen zu müssen, wird mir ganz anders. »Sie ist immer noch hier«, sage ich. »Hier in der Stadt, meine ich.«
»Nein«, sagt er. »Ist sie nicht.«
Ich sehe ihn an.
»Ich habe sie in ihrem Hotel besucht und ihr gesagt, dass sie abreisen soll. Und dann habe ich sie in meinem Privatflugzeug nach Hause geschickt.« Belustigung flackert in seinen Augen auf. »Grayson konnte es kaum erwarten, sie auf einen Langstreckenflug mitzunehmen, es war also die ideale Lösung. Und deine Mutter war begeistert, mit einem Privatjet fliegen zu dürfen.«
Ich starre ihn ehrfürchtig an. »Danke!«
»Was immer du brauchst, Baby. Das habe ich dir doch versprochen.«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, Damien, es tut mir leid. Ich – wir können nicht …«
Er steht auf, und obwohl ich damit rechne, so etwas wie Wut in seinem Gesicht zu sehen, sehe ich nichts als Besorgnis. »Ist es wegen Sara?«
Ich vermeide es, ihn anzusehen.
»Ach, verdammt!«, flucht er und setzt sich dann wieder zu mir ans Bett. Er legt einen Finger unter mein Kinn und zwingt mich, ihn anzusehen. »Glaubst du wirklich, dass ich sie umgebracht habe?«
»Nein.« Das rutscht mir einfach so heraus, und es ist die reine Wahrheit. Eine Träne rollt über meine Wange. »Damien, es tut mir leid. Es tut mir so leid.«
»Psst.« Er wischt meine Tränen weg. »Ist schon gut. Du hast recht: Ich habe sie nicht getötet. Ich war in der betreffenden Nacht gar nicht bei ihr. Ich war in San Diego. Charles hat es endlich geschafft, die Bänder von der Sicherheitskamera des Hotels zu beschaffen. Ich habe fast den ganzen Abend an der Bar gesessen und mich mit dem Inhaber einer Firma unterhalten, die ich kaufen wollte. Deswegen war Charles auch so sauer, weil ich mich mit Eric geeinigt habe. Endlich hatten wir, was wir brauchten, um ihm das Maul zu stopfen, doch ich habe ihm Schweigegeld gezahlt.«
Ich richte mich kerzengerade auf. »Das verstehe ich nicht. Warum hast du …«
»Aus zweierlei Gründen: Ich mag zwar nicht dabei gewesen sein, hätte das mit Sara aber beenden müssen, bevor es dermaßen außer Kontrolle geraten ist. Ich wollte ihre Firmenanteile und habe sie auch bekommen. Ich habe auch andere Anteilseigner aufgekauft, sodass ich die Aktienmehrheit hatte. Dann habe ich Eric aus der Firma gedrängt und Leute eingestellt, die sie wieder auf Vordermann gebracht haben. Ich habe rasch Gewinn gemacht, und die Aktien aller Anteilseigner sind gestiegen – auch die von Eric.«
Ich sehe ihn an, weiß nicht recht, worauf er hinauswill.
»Und die ganze Zeit über habe ich mich mit Sara getroffen. Ich habe normalerweise keine festen Freundinnen, und ich habe sie auch nicht geliebt. Aber ich hatte viel zu tun, und da war es praktisch, dass sie mehr als nur bereit war, mich im Bett zu verwöhnen. Sie hat sich an mich geklammert, und obwohl ich mir das damals nicht eingestehen wollte, gab es genügend Hinweise darauf, dass sie psychisch labil war. Ich wusste, dass ich die Sache beenden musste, war aber viel zu sehr mit einer dringenden Firmenfusion beschäftigt. Deshalb habe ich die Sache einfach laufen lassen. Nachdem der Deal über die Bühne war, habe ich die Beziehung beendet. Aber das hat ihr den Rest gegeben.« Er fährt sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich hätte nie gedacht, dass sie sich umbringt – außerdem würde ich niemals eine Frau beim Sex würgen. Aber das ändert nichts daran, dass ich zu ihrem Tod beigetragen habe.«
»Aber es war nicht deine Schuld«, sage ich. »Eric erhebt ungerechtfertigte Anschuldigungen. Warum solltest du dem Mistkerl Schweigegeld zahlen?«
»Deinetwegen.«
Ich starre ihn mit offenem Mund an. »Wie bitte?«
»Ich war fest entschlossen, ihn zu bekämpfen, koste es, was es wolle. Aber das war, bevor er dich auf der Spendengala angesprochen hat. Ich werde nicht zulassen, dass er dich da mit hineinzieht, und erst recht nicht, dass er dir Angst einjagt.«
Ich lege die Arme um meinen Oberkörper. Ich bin schockiert, fühle mich tief in seiner Schuld. Damien hat aus Sorge um mich alle seine Pläne über den Haufen geworfen! »Ich … aber Damien: Zwölf Millionen Dollar?«
»Das entspricht dem heutigen Wert der Anteile, die ich Sara und Eric abgekauft habe. Ich habe die Firma komplett übernommen, und das zu einem sehr attraktiven Preis. Das Geschäft läuft prächtig. Ich werde das Geld wieder reinverdienen.«
»Das hättest du doch nicht tun müssen! Ich kann mich selbst verteidigen.«
Er sieht mir in die Augen, und was ich in seinen sehe, ist so viel mehr als nur nackte Begierde. Ich sehe Sehnsucht und Verlangen. Vielleicht sogar Liebe. »Das kannst du durchaus«, sagt er nur. »Aber es war nicht dein Kampf.« Er nimmt meine Hand. »Nikki. Ich will dich einfach nicht verlieren.«
Ich möchte mich in seine Arme schmiegen, wende mich jedoch ab. »Das ist noch nicht alles, Damien.«
»Ich weiß«, sagt er, und ich drehe mich überrascht um.
»Was weißt du?«
»Jamie hat mir alles erzählt. Anscheinend weiß sie es von Ollie.«
»Ollie?« Mist.
Seine Mundwinkel wandern nach oben. »Mach dir keine Sorgen, ich werde ihn nicht bei Charles verpetzen. Wenn er sein Vertrauen missbraucht hat, dann nur deinetwegen. Der Mistkerl hat mich zur Weißglut getrieben, aber ich kann seine Motive verstehen. Ich hätte genau dasselbe getan.«
»Du hast Kurt feuern lassen«, sage ich.
»Allerdings!«
»Damien, so kannst du mit den Leuten doch nicht umspringen.«
»O doch. Er hat nämlich für eine meiner Firmen gearbeitet.«
»Aber …« Ich verstumme. In Wahrheit interessiert es mich einen Scheiß, was mit Kurt passiert. Dass Damien den Kerl gefeuert hat, belastet mich nicht. Das ist nicht das Problem.
»Nikki?« Er sieht mich an, sein Gesicht wirkt offen und verletzlich.
Ich strecke den Arm aus und streiche ihm über die Wange, spüre seine kratzigen Bartstoppeln. Sofort ist die Atmosphäre wie elektrisch aufgeladen, und allein ihn berühren zu dürfen, erweckt mich zu neuem Leben. Er ist wie ein Teil von mir, wie der Sauerstoff, den ich zum Leben brauche. Und ich brauche ihn, brauche ihn so sehr. Aber ich weiß nicht, ob er mich auf dieselbe Art braucht. »Du hast dich in mir getäuscht.«
»Inwiefern?«
»Du hast gesagt, dass ich nicht schwach bin.« Ich fahre mir durchs Haar. »Aber das bin ich.«
»Ach, Baby. Komm her!« Ich lasse mich in seine Arme sinken, und es ist, als würde ich nach Hause kommen. Ich schmiege meinen Kopf an seine Brust und lausche dem Pochen seines Herzens. »Jeder von uns bricht mal zusammen. Aber deswegen bist du nicht schwach. Sondern nur verwundet. Und ich werde immer für dich da sein, dir dabei helfen, deine Wunden zu heilen. »
Zitternd atme ich aus und löse mich so weit von ihm, dass ich ihm ins Gesicht sehen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Damien jemals zusammengebrochen ist, aber aus irgendeinem Grund weiß ich, dass er aus Erfahrung spricht. Jeder bricht mal zusammen.
»Nikki«, sagt er. »Ist zwischen uns wieder alles in Ordnung, Baby?«
Ich denke an das, was meine Mutter gesagt hat: Dass ich immer alles wegwerfe. Ich frage mich, ob sie recht hat. Hatte meine Mutter zum ersten Mal in meinem Leben tatsächlich einen guten Rat für mich?
Ich schließe die Augen, weil ich sie aus meinen Gedanken vertreiben möchte. Als ich sie wieder aufschlage, sehe ich nur Damien. »Ich will, dass das mit uns funktioniert«, flüstere ich und sehe die Erleichterung in seinen Augen. Das ist Balsam für meine Seele. »Ist Jamie zu Hause?«, frage ich, denn plötzlich fällt mir wieder ein, wie dünn die Zwischenwände unserer Wohnung sind.
Ich sehe die Andeutung eines Stirnrunzelns. »Nein.« Er räuspert sich.
Verwirrt sehe ich ihn an. »Was ist denn?«
»Das ist vielleicht nicht der ideale Moment, aber ich muss dir ein Geständnis machen.«
Ich lege den Kopf schräg und warte.
»Jamie wird bald einen Anruf von ihrem Agenten erhalten.«
»Und woher weißt du das?«
»Weil es um eine Reihe von Werbespots geht. Für eine Firma, an der ich beteiligt bin.« Er mustert mich vorsichtig, so als könne ich jeden Moment in die Luft gehen.
»Das hast du für sie getan?«
»Eher für meine Firma. Die Werbeagentur hat uns drei mögliche Darstellerinnen vorgeschlagen, und Jamie war einfach die Beste.«
Ich strahle bis über beide Ohren.
Damien sieht mich verblüfft an. »Warum ist das jetzt in Ordnung, aber nicht, dass ich dir den Job bei Innovative besorgt habe?«
Ich verziehe das Gesicht zu einer Grimasse, weil er einen wunden Punkt getroffen hat. »Darum!«, sage ich und muss lachen.
Er stimmt mit ein und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. »Nikki?«
»Ja?«
»Ich …« Er hält inne, aber ich habe die Zärtlichkeit in seiner Stimme gehört. Ich schließe die Augen, stelle mir vor, er hätte mir gesagt, dass er mich liebt. Das hört sich richtig an und kein bisschen einschüchternd.
»Du darfst mich nie wieder verlassen«, sagt er.
»Nein«, flüstere ich. »Wie auch? Ich gehöre dir.«
Er legt sich auf mich und küsst sich meinen Nacken hinunter. »Du hast behauptet, dass ich immer die Kontrolle haben muss.«
»Nun, das ist ja wohl nichts Neues, oder?«
Er gluckst. »Ich übergebe sie dir.«
»Was?«
»Die Kontrolle, Nikki. Sag mir, was du willst. Sag mir genau, was du willst.«
»Außer dir, meinst du?«
»Wo soll ich dich berühren? Wie langsam? Soll ich deine Brustwarze mit meinen Zähnen streifen? Soll ich dir ins Ohrläppchen beißen? Soll ich dir meine Zunge zwischen die Beine stecken? Sag es mir, Nikki. Sag mir, was du willst.«
»Ja«, sage ich und meine damit alles, was er soeben aufgezählt hat. »Aber für den Anfang kannst du mich küssen.«
Er gehorcht, drückt seine Lippen sanft auf die meinen und dann immer fester. Seine Zunge findet die meine, liebkost und neckt sie, und ich werde immer erregter, obwohl er nichts anderes tut: Er berührt mich nicht, streichelt mich nicht.
Verdammt, der Mann meint es ernst!
Sanft unterbreche ich unseren Kuss. »Streichle meine Brüste«, sage ich. »Und dann zwick mich in die Brustwarzen.« Ich glaube, ich habe noch nie jemandem Anweisungen gegeben, wie er mich zu lieben hat, aber Damien gegenüber habe ich keine Scheu. »Fester!«, sage ich und bäume mich auf, als er so fest hineinkneift, dass es beinahe wehtut. »Küss mich!«, sage ich. »Überall, bis hinunter zu meiner Muschi. Ich will deine Zunge dort spüren. Ich will, dass du deine Finger in mich hineinsteckst.«
Er grinst zu mir hoch. »Ja, Ma’am«, sagt er und fängt dann an, sich quälend langsam nach unten vorzuarbeiten. Ich zittere vor Verlangen. Die leiseste Berührung des Lakens auf meiner Haut bringt mich kurz vor den Orgasmus. Es ist, als wäre mein ganzer Körper eine einzige erogene Zone. Und ich will ihn, ich will ihn überall spüren.
Doch als mir klar wird, was ich heute Nacht wirklich will, stockt mir der Atem. Und obwohl sich seine Zunge einfach nur herrlich auf meiner Klitoris anfühlt, ziehe ich seinen Kopf nach oben, damit er mich auf den Mund küssen kann. Ich drehe mich auf die Seite, sodass wir in Löffelchenstellung liegen, und nehme dann seine Hand und führe sie zu meinem Po. »Nimm mich hier!«, flüstere ich.
Ich spüre, wie sich sein Körper anspannt, wie seine Leidenschaft noch mehr auflodert. »Bist du sicher?«
»Ich will dir gehören«, sage ich. »Ich will dir ganz gehören.«
»O Baby.« Er dreht mich so, dass ich auf allen vieren auf dem Bett knie. Er streichelt mich zwischen den Beinen, bis seine Finger triefnass sind, und steckt mir dann einen davon in den Anus. Es verschlägt mir den Atem.
»Sag Bescheid, wenn ich aufhören soll.«
»Nein, nein, das fühlt sich gut an!«
Und das ist die Wahrheit. Seine Berührung sorgt dafür, dass Wellen der Lust meinen ganzen Körper erfassen.
»Hast du schon mal …?«
»Nein«, sage ich. »Nur du.«
Ich höre, wie er tief und lustvoll aufstöhnt. »Hast du Gleitgel da?«
»In der Schublade«, sage ich. Er streckt den Arm nach dem Nachttisch aus, zieht eine Schublade auf und holt ein Fläschchen heraus. Er gibt etwas Gel auf seine Finger und streichelt mich. Ich stöhne vor Lust. »Ganz langsam, okay?«, sagt er.
Sein Mund liebkost meinen Rücken. Seine Finger spielen mit meiner Klitoris. Sein Schwanz neckt meinen Po, und ich spüre, wie ein Finger in mich hineingleitet. Zuerst verkrampfe ich mich, entspanne mich dann aber wieder und bin ganz überwältigt von diesem neuen Gefühl.
»Gut so?«
»Ja, bitte nicht aufhören!« Ich werde halb wahnsinnig vor Lust, von dem Bewusstsein, mich ihm so weit zu öffnen, ihm etwas zu geben, das ich noch niemandem gegeben habe. »Mehr«, flüstere ich. »Ich bin bereit, aber bitte mach langsam!«
Dann ist sein Penis hinter mir. Ich spüre, wie hart und steif er ist, und hebe ohne nachzudenken die Hüften. »Baby« murmelt er. »O Baby.« Sanft gleitet er in mich hinein. Ich keuche und flehe ihn an weiterzumachen.
»Langsam«, sagt er, »ganz langsam. Meine Güte, Nikki, du fühlst dich so gut an.« Er ist jetzt in mir, bewegt sich in einem sanften Rhythmus. Das Gefühl, dass er mich vollkommen ausfüllt, ist überwältigend, und ich könnte allein davon kommen.
»Meine Klitoris!«, sage ich, weil er die Hand weggenommen hat. Er gehorcht, beschreibt sanfte Kreise, die zum Rhythmus seiner Stöße passen. Damien und ich sind so innig miteinander verbunden wie nie zuvor. Er bewegt sich langsam, achtet darauf, mir nicht wehzutun. Er hat den Arm um meine Hüfte gelegt, seine Hand streichelt meine Klitoris, und gemeinsam nähern wir uns dem Höhepunkt.
»Ich stehe kurz davor, Nikki«, flüstert er. »Baby, ich komme.«
Er spritzt heftig ab, kommt in mir, während er seine Hand gegen meine Klitoris presst und mich der zusätzliche Druck ebenfalls kommen lässt. Erschöpft erschlaffen wir beide, und er küsst meine Schulter, meinen Rücken, hält mich fest, bis sich unsere Atmung wieder beruhigt hat. »Du gehörst mir«, sagt er.
»Ich weiß«, erwidere ich und meine es genau so, wie ich es sage.
Keine Ahnung, welche Beziehungen Damien spielen lassen musste – auf jeden Fall verschafft er mir noch am selben Abend einen Termin in einem der besten Friseursalons von Beverly Hills. Und so kommt es, dass ich einen neuen, hinreißenden Haarschnitt habe: schulterlange Locken, die beim Gehen wippen, weil sie nicht mehr von ihrem eigenen Gewicht heruntergezogen werden.
Ich bin frisch geduscht, rasiert und wohlriechend. Das Abendessen war köstlich, und die Schokoladentarte ist fast so gut wie ein Orgasmus.
Aber das Tollste ist, dass Damien bei mir ist.
Das Leben ist wieder lebenswert.
Ich nippe an meinem White-Chocolate-Martini und küsse ihn auf die Nasenspitze. »Ich muss mal wohin«, sage ich. »Es dauert nicht lange.« Ich will gehen, aber er hält mich zurück und küsst mich so intensiv, dass ich beinahe im Restaurant dahinschmelze.
»Beeil dich! Ich will nach Hause. Ich habe noch so einiges mit dir vor.«
»Lass die Rechnung kommen!«, sage ich.
»Bist du fertig mit deinem Dessert?«
Langsam lasse ich den Blick über ihn schweifen. »Fertig? Ich habe noch nicht mal angefangen!«
Das Funkeln in seinen Augen ist Belohnung genug, und ich schenke ihm ein keusches Lächeln, bevor ich mich umdrehe und den hinteren Teil des Lokals aufsuche. Dabei wackle ich betont mit den Hüften. Mein Lächeln erstirbt, als ich den schmalen Flur erreiche und sehe, wie Carl auf mich zukommt.
»Na, wenn das nicht Nikki Fairchild ist! Hallo, Prinzessin. Ficken Sie nach wie vor Damien Stark? Stellen Sie sich vor: ich auch!«
Ich will mich an ihm vorbeischieben, aber diese Bemerkung lässt mich innehalten. »Wovon reden Sie?«
»Von Leichen«, sagt er. »Von Leichen, die in Kellern liegen.«
»Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.« Es ist mir auch tatsächlich egal.
»Ich denke nur daran, wie groß und mächtig unser Mr. Stark ist. Eine Landung von so weit oben kann ziemlich schmerzhaft sein.«
»Verdammt, Carl, was wollen Sie von mir?«
»Von Ihnen? Nicht das Geringste. Aber richten Sie Ihrem Loverboy aus, dass ich mich schon bald melden werde.«
Mit diesen Worten lässt er mich stehen. Ich beschließe, den Toilettengang ausfallen zu lassen und zu Damien zurückzukehren. Ich schildere ihm unser Gespräch und sehe, wie sich seine Züge verhärten.
»Weißt du, was er gemeint hat?«, frage ich und denke an den Missbrauch, von dem er mir immer noch nichts erzählt hat.
»Nein«, sagt er. Er klingt ruhig und gelassen, aber etwas verdunkelt seinen Blick. Dieselbe Kälte erfasst auch mich, und ich habe Angst, er könnte sich wieder abkapseln, mich außen vor lassen. Aber dann holt er tief Luft und zieht mich an sich. »Wahrscheinlich irgendein Mist, der mit meinem Vater zu tun hat. Mach dir deswegen keine Sorgen. Weder mein Vater noch Carl Rosenfeld werden diesen Abend ruinieren.«
Er zieht mich an sich und küsst mich leidenschaftlich, und ich nicke zustimmend. Im Moment möchte ich keinesfalls, dass einer von beiden zwischen uns steht.
In seinem Haus in Malibu lieben wir uns langsam und zärtlich, und ich verliere mich in Damiens Berührungen, lasse zu, dass er mir sämtliche Ängste und Sorgen nimmt. Unter der Dusche seift er mich ein und duscht uns dann beide ab, bis wir uns wieder frisch und sauber fühlen. Er hüllt mich in ein Handtuch und führt mich zurück zum Bett, schlüpft dann mit mir unter die Laken.
Er liegt auf der Seite und sieht mich an, während ein rätselhaftes Lächeln seine Lippen kräuselt. Ich spiele mit seinem Haar, halte ihn fest, sorge dafür, dass er nur Augen für mich hat. »Du gehörst mir auch, weißt du«, flüstere ich. Und erst, als er Ja sagt, lockere ich meinen Griff und ziehe seinen Mund auf den meinen.
Ich spüre, wie sich seine Atmung verändert, als er eng an mich geschmiegt einschläft. Ich denke an die Leichen im Keller, an die Gespenster aus Damiens Vergangenheit. Ich denke an Eric Padgetts Worte. Geheimnisse, hat er gesagt, und ich bekomme Gänsehaut, habe Angst, dass Damien sich dieser Dunkelheit stellen muss. Aber wenn, werde ich ihm beistehen, gemeinsam werden wir es mit dieser Dunkelheit aufnehmen.
Ich kann das. Denn wenn Damien bei mir ist, fürchte ich mich nicht mehr vor der Dunkelheit.