15

Am Sonntag bricht wieder die Realität über mich herein: Wenn ich die nächsten Stunden nicht mit Wäschewaschen verbringe, werde ich nackt zur Arbeit gehen müssen.

»Das würde Carl bestimmt gefallen«, bemerkt Jamie, als ich ihr erkläre, warum heute Waschtag ist.

»Diese Theorie würde ich lieber nicht in der Praxis erproben. Kommst du mit?« Mit dem Wäschekorb unter dem Arm lehne ich an ihrer Zimmertür. Sie wirft einen Blick auf die Klamotten, die sich auf dem Boden türmen. »Ich glaube, das meiste hier ist noch sauber«, sagt sie zögerlich.

Ich schüttle mich angewidert. »Wie lange sind wir jetzt schon befreundet?«

»Eine Ewigkeit.«

»Hast du nächste Woche ein Vorsprechen?«

»Sogar zweimal.«

»Dann wasch deine Sachen. Ich helf dir auch beim Zusammenlegen und Bügeln. Du kannst nicht mit Katzenhaaren übersät zum Vorsprechen antanzen.« Ganz so, als wüsste sie, dass ich über sie spreche, hebt Lady Miau-Miau den Kopf. Sie hat sich auf einem schwarzen Stoffbündel zusammengeringelt, das mir vage bekannt vorkommt. »Ist das etwa mein Kleid?«

Jamie lächelt mich schuldbewusst an. »Bei einem Vorsprechen sollte ich eine sexy Bedienung spielen. Die Rolle hat sogar drei Zeilen Text. Ich wollte es reinigen lassen.«

»Ja, ja!«, sage ich trocken. »Los, komm schon! Schauen wir, ob noch Maschinen frei sind.«

Der Waschraum ist direkt neben dem Swimmingpool, und nachdem wir unsere Maschinen befüllt haben, belegen wir zwei Liegestühle. Während ich es mir gemütlich mache, saust Jamie ohne ein Wort der Erklärung nach oben. Wenige Minuten später kommt sie mit einer großen Umhängetasche und einer Flasche Sekt zurück.

»Wir haben Sekt?«

Sie zuckt die Achseln. »Ich hab uns gestern welchen gekauft.« Sie schaut in ihre Umhängetasche. »Und Orangensaft.« Sie dreht am Drahtverschluss und rüttelt am Korken, der kurz darauf knallend gegen das Schild donnert, das Flaschen und Gläser im Swimmingpool-Bereich verbietet. Ich zucke zusammen.

»Unglaublich!«, sage ich. »Hast du auch an Gläser gedacht?«

»Ich habe an alles gedacht!«, sagt sie stolz und fährt damit fort, den Saft, die Gläser, eine Tüte Chips, ein Gläschen Salsasoße und eine kleine Plastikschale auszupacken.

»Ich liebe Sonntage!«, sage ich und nehme Jamie mein Getränk ab, proste ihr damit zu.

»Das kannst du laut sagen!«

Wir machen es uns im Liegestuhl bequem, nippen an unseren Drinks und reden über alles Mögliche. Eine Viertelstunde später habe ich mein Glas ausgetrunken, Jamie ist bereits beim dritten, und wir haben uns geschworen, noch heute Nachmittag eine Kaffeemaschine zu kaufen, die richtigen Kaffee macht statt Spülwasser.

An weiterer Konversation scheint Jamie allerdings kein Interesse mehr zu haben, denn sie schließt die Augen, lehnt den Kopf zurück und sonnt sich genüsslich.

Ich dagegen bin unruhig.

Ich rutsche auf dem Liegestuhl hin und her und versuche, eine bequeme Position zu finden. Schließlich gebe ich es auf und gehe nach oben, um meinen Laptop zu holen. Ich bin gerade dabei, eine ziemlich simple iPhone-App auszutüfteln, und lasse das, was ich bisher programmiert habe, durch den Simulator laufen, bevor ich mich mit dem beschäftige, was wirklich Spaß macht: das eigentliche Programmieren. Letztlich verbringe ich allerdings nur eine halbe Stunde damit, Objekte zu benennen, Eigenschaften zuzuweisen und verschiedene Unterklassen zu erstellen. Der Sonntag ist einfach zu schade zum Arbeiten. Außerdem ist die Sonne so grell, dass ich auf dem Bildschirm kaum etwas erkennen kann. Ich fahre den Computer herunter und eile zurück in die Wohnung, um meine Kamera zu holen.

Der Poolbereich ist nicht besonders schön, aber aus der Nähe betrachtet sind der aufgeplatzte Beton und das Spritzwasser interessante Motive. Eine mir unbekannte Pflanze wächst am Zaun, und ich zupfe ein paar Blütenblätter ab und werfe sie in den Pool. Anschließend lege ich mich auf den Bauch und versuche, einen Schnappschuss von den Blütenblättern auf dem Wasser zu machen, ohne dass der Betonboden mit ins Bild kommt.

Nach ein paar Dutzend Bildern widme ich mich Jamie, versuche festzuhalten, wie sie aussieht, wenn sie sich entspannt – ein ziemlicher Kontrast zu ihrer ansonsten eher hektischen Persönlichkeit. Mir gelingen einige fantastische Bilder. Jamie ist wahnsinnig fotogen. Meiner Meinung nach hat sie wirklich das Zeug zur Schauspielerin und den Durchbruch verdient. Aber dass man in Hollywood den Durchbruch schafft, kommt ungefähr genauso häufig vor, wie, sagen wir, eine Million Dollar für ein Aktbild angeboten zu bekommen.

Beinahe muss ich laut lachen. Jetzt weiß ich, wen ich gern fotografieren würde. Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie Licht und Schatten dieses faszinierende Gesicht zum Leben erwecken. Ein Hauch von Bartstoppeln. Ein leichter Schweißfilm. Vielleicht hat er das vom Schwimmen nasse Haar zurückgekämmt.

Ich höre ein leises Geräusch und merke, dass es mein eigenes Stöhnen war.

Jamie bewegt sich neben mir. Ich setze mich auf, versuche die Fantasie zu verdrängen.

»Wie spät ist es?« Das ist eine rein rhetorische Frage, da sie sofort zum Handy greift, um selbst nachzuschauen.

Ich werfe ebenfalls einen Blick auf das Display. Noch nicht mal elf. »Ich habe Ollie vorgeschlagen, uns heute zu besuchen«, sagt sie schläfrig. »Courtney ist übers Wochenende weggefahren, da ist ihm bestimmt langweilig! Außerdem hat er sich gestern doch gut mit uns amüsiert.«

»Vermutlich schon«, sage ich. »Aber mit dir kann sich wohl jeder Mann auf der Tanzfläche amüsieren.«

»Ha! Ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich ihn dazu gezwungen habe. Auch wenn er es ungern zugibt: Der Kerl tanzt für sein Leben gern!« Sie schält sich aus ihrem T-Shirt und entblößt einen pinken BH, der anscheinend als Bikini-Oberteil durchgehen soll. »Glaubst du, er kommt?«

Ich zucke mit den Achseln. So gern ich Ollie auch habe, beim Brunch wäre ich heute lieber allein. Wenn ich ausgehe, muss ich mich feinmachen. Wenn ich daheim bleibe, muss ich kochen. »Ruf ihn doch an!«

»Nö. Ist ja auch egal. Wenn er kommt, dann kommt er.« Sie klingt verdächtig gleichgültig.

Ich nippe an meinem Getränk und drehe mich so, dass ich sie besser sehen kann. »Ich soll einen Smoking auf seiner Hochzeit tragen«, sage ich. »Ich werde nämlich sein Trauzeuge.«

»Bitte, Nikki, hör auf damit! Ich geh schon nicht mit Ollie in die Kiste. Mach dir deswegen keine Sorgen.«

»Tut mir leid«, sage ich, bin aber aufrichtig erleichtert. »Ab und zu habe ich das Gefühl, dich wieder daran erinnern zu müssen.«

»War das dein Ernst mit dem Smoking? Das ist voll Achtziger. Oder vielleicht sogar Siebziger? Von wann ist noch mal Der Stadtneurotiker? Der Film, in dem Diane Dingsbums Männerklamotten trägt?«

»Diane Keaton«, verbessere ich sie. »In dem Woody-Allen-Klassiker von 1977. Er hat sogar den Oscar gewonnen, James! Wieso weißt du so was nicht? Du bist doch diejenige, die zum Film will.«

»Ja, das will ich, aber im Hier und Heute, nicht vorvorgestern.«

Mir liegt schon die passende Antwort auf der Zunge – dann soll sie doch in Saw 27 mitspielen –, aber bevor ich das sagen kann, klingelt mein Handy. Jamie wirft mir einen vielsagenden Blick zu und freut sich, das letzte Wort behalten zu haben.

Ich sehe auf das Display, fluche leise und nehme den Anruf anschließend entgegen. »Mama«, sage ich und zwinge mich, angenehm überrascht zu klingen. »Wie bist du …« Ich sehe Jamies schuldbewusstes Gesicht und weiß plötzlich ganz genau, wie sie an meine Nummer gekommen ist. Hüstelnd wechsle ich das Thema. »Woher wusstest du, dass ich gerade Zeit zum Telefonieren habe?«

»Hallo, Nicole«, sagt sie, und ich zucke angesichts meines Taufnamens zusammen. »Es ist Sonntagvormittag. Du solltest eigentlich in der Kirche sein, um einen netten Mann kennenzulernen. Aber ich habe mir schon gedacht, dass ich dich zu Hause erwische.« Für meine Mutter erfüllt die Religion so eine ähnliche Funktion wie die Sendung Der Bachelor.

Ich merke, dass sie auf eine Reaktion von mir wartet, aber ich weiß nie, was ich zu meiner Mutter sagen soll. Also schweige ich. Ehrlich gesagt bin ich stolz darauf, dass ich das inzwischen schaffe. Ich habe jahrelang dafür gebraucht. Dass ich jetzt über zweitausend Kilometer von ihr entfernt bin, ist ebenfalls hilfreich.

Kurz darauf räuspert sie sich. »Ich nehme an, du weißt, warum ich anrufe.« Ihre Stimme ist tief und ernst. Habe ich etwas angestellt? Was habe ich bloß verbrochen?

»Äh, nein?«

Ich höre, wie sie laut einatmet. Meine Mutter ist atemberaubend schön, hat aber eine winzige Lücke zwischen den Vorderzähnen. Ein Scout von irgendeiner New Yorker Modelagentur hat mal gesagt, diese Zahnlücke verleihe ihr das gewisse Etwas. Sollte sie als Model Karriere machen wollen, müsse sie nur die Koffer packen und nach Manhattan ziehen. Doch meine Mutter hat dankend abgelehnt, ist in Texas geblieben und hat geheiratet. Eine anständige Frau will einen Ehemann, keine Karriere. Aber ihre Zahnlücke hat sie sich auch nie richten lassen. »Heute ist Ashleys Hochzeitstag.«

Ich spüre Jamies Hand auf der meinen und merke, dass ich die Liegestuhlarmlehne so fest umklammere, dass ich beinahe das Metall verbiege. Das ist mal wieder typisch für meine Mutter: Sie erinnert sich an den Hochzeitstag meiner toten Schwester, obwohl sie zu ihren Lebzeiten sogar ihren Geburtstag vergessen hat.

»Hör mal, ich muss jetzt los.«

»Bist du mit jemandem verabredet?«

Ich schließe die Augen und zähle bis zehn. »Nein«, sage ich, sehe aber Damien vor mir.

»Heißt das etwa Ja?«

»Ich bitte dich!«

»Nicole, du bist vierundzwanzig. Du bist wunderschön – vorausgesetzt, deine Hüften sind nicht noch breiter geworden. Aber du wirst auch nicht jünger. Und mit deinen – na ja, wir alle haben unsere Schwächen, aber deine sind so extrem, und …«

»Meine Güte, Mama!«

»Ich sage ja nur, dass du mit vierundzwanzig langsam an die Zukunft denken solltest.«

»Genau das tue ich ja.« Ich sehe Jamie an, flehe sie stumm um Hilfe an.

Wimmle sie ab!, formen Jamies Lippen.

Als ob das so einfach wäre …

»Mama, wirklich, ich muss jetzt los. Da ist jemand an der Tür.« Ich bin eine katastrophale Lügnerin.

Jamie springt aus ihrem Stuhl und sprintet ans andere Ende des Pools. »Nikki! Besuch für dich! Heilige Scheiße, sieht der aber gut aus!«

Ich schlage mir die Hand vor den Mund, weiß nicht, ob ich vor Scham im Boden versinken oder erleichtert sein soll.

»Nun, dann will ich nicht weiter stören«, sagt meine Mutter. Ich weiß nicht, ob sie Jamie tatsächlich gehört hat, glaube aber eine Spur von Aufregung in ihrer Stimme zu hören. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet. »Tschüs, Nicole.«

Mehr war nie zwischen uns: nie ein Ich hab dich lieb. Nur Tschüs, Nicole, und dann legt sie auf, bevor ich antworten kann.

Jamie lässt sich neben mich fallen. Sie scheint sehr stolz auf sich zu sein.

»Meine Güte!«, sage ich. »Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt?«

»Das war ja zum Schießen! Schade, dass ich das Gesicht deiner Mutter nicht sehen konnte.«

Ich schaue sie weiterhin tadelnd an, muss ihr aber insgeheim recht geben.

»Komm!«, sagt Jamie, steht auf und sucht ihre Sachen zusammen. »Lass uns das Zeug in den Trockner stecken. Außerdem habe ich immer noch Hunger. Wie wär’s mit einer Pizza und einem Film? Der Stadtneurotiker? Soweit ich weiß, hat er einen Oscar gewonnen.«

Jamie interessiert sich kein bisschen für Der Stadtneurotiker. Der Film läuft gerade mal eine Viertelstunde, da ist sie schon eingeschlafen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob sie wirklich schläft oder nach den sechs Stück Peperoni-Pizza, die sie wenige Minuten nach Eintreffen des Pizzaboten verschlungen hat, in eine Art Kalorienkoma gefallen ist.

Ich persönlich liebe den Film, aber das heißt nicht, dass ich mich auch darauf konzentrieren kann. Stattdessen denke ich ständig an Damien Stark. An sein Angebot, das meine Mutter in Empörung versetzen würde.

An das Angebot, das ich annehmen werde. Ich muss ihm nur noch ein paar Fragen stellen.

Pass auf dich auf.

Er ist gefährlich.

Ich kann das nicht glauben. Nicht wirklich, nicht so, wie Ollie das meint. Aber ich brauche Gewissheit.

Während ich mein Telefon aus der Ladestation neben dem Sofa nehme und barfuß in mein Zimmer laufe, habe ich Schmetterlinge im Bauch. Meine Wäsche ist noch im Trockner, aber meine Höschen können warten.

Ich gehe noch einmal alle angenommenen Anrufe durch, bis ich seine Nummer finde. Ich zögere nur eine Sekunde, bevor ich sie wähle.

»Nikki«, sagt Stark, als das erste Klingeln noch nicht mal verstummt ist. Er scheint sich zu freuen, von mir zu hören.

»Was ist Sara Padgett zugestoßen?« Das platzt einfach so aus mir heraus, aber ich muss ihn das fragen, solange ich noch den Mut dazu habe.

Selbst durchs Telefon spüre ich Damiens Eiseskälte.

»Sie ist gestorben, Nikki. Aber ich glaube, das wissen Sie bereits.«

»Ich möchte wissen, wie sie gestorben ist«, sage ich. »Und ich möchte wissen, welche Art von Beziehung Sie zu ihr hatten. Gestern waren sämtliche Wachleute in Alarmbereitschaft, als jemand namens Padgett aufgetaucht ist. Und wenn ich …«

»Wenn Sie was?«

Ich hole hörbar Luft. »Ich denke darüber nach, Ihr äußerst großzügiges Angebot anzunehmen. Aber vorher muss ich wissen, mit wem ich es zu tun habe.«

»Meine Güte!« Einen Moment lang höre ich nichts als Verkehrslärm. Er sitzt anscheinend im Auto.

»Damien?«

»Ich bin noch am Apparat. Das ist doch Quatsch, Nikki, und das wissen Sie auch.«

»Nein«, sage ich. »Das weiß ich nicht, weil Sie mir ja nichts erzählen.«

Das klingt vorwurfsvoller als beabsichtigt.

»Sara Padgett und ihr Bruder Eric haben die Aktienmehrheit an einer interessanten kleinen Firma namens Padgett Enviro-Works von ihrem Vater geerbt. Eine Firma, die ihrem Vater zu beträchtlichem Reichtum verholfen, aber nach seinem Tod nur noch Verluste gemacht hat. Eric war als Manager ein Versager, und Sara hatte ohnehin kein Interesse an der Firma. Ich habe Entwicklungspotenzial gesehen und angeboten, ihre Aktienanteile zu übernehmen.«

Er legt eine Pause ein, damit ich etwas einwerfen kann, aber ich schweige. Ich möchte wissen, wie es weitergeht.

Nach einer kurzen Pause spricht er völlig emotionslos weiter, so als würde er den Text von Karteikarten ablesen. »Beide haben mein Angebot abgelehnt, aber Sara hat mich gebeten, sie zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung zu begleiten, und ich habe zugesagt. Eines kam zum anderen, und wir haben uns regelmäßig getroffen.«

»Haben Sie sie geliebt?«

»Nein, sie war nur eine gute Freundin. Ihr Tod war ein furchtbarer Schock für mich.«

»War es ein Unfall?«

»Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat sich stranguliert, angeblich bei einem autoerotischen Unfall. Als Unfall hat es auch der Rechtsmediziner eingestuft, und damit war der Fall abgeschlossen.«

Ich fahre mir durchs Haar. Ich glaube ihm – weiß aber auch, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. Ich überlege, die Sache auf sich beruhen zu lassen, aber das geht nicht. Ich muss es wissen. »Da ist noch mehr, nicht wahr? Das war noch nicht die ganze Geschichte.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Ich – jemand – ich meine, ein Freund von mir macht sich Sorgen um mich.« Es ist nur fair, dass er das weiß. »Ihretwegen. Er hält Sie für gefährlich.«

»Ach ja?« In diesem Moment klingt Starks Stimme tatsächlich hochgefährlich. Ich schließe die Augen und hoffe, dass ich Ollie nicht in Schwierigkeiten gebracht habe. Stark kann unmöglich wissen, dass ich die Informationen von ihm habe.

»Aber darum geht es jetzt nicht«, sage ich. »Was ist dann passiert?«

»Saras Bruder, das ist passiert«, sagt Damien Stark tonlos. »Aus irgendeinem Grund glaubt Eric, dass ich sie gefesselt, gewürgt und dabei aus Versehen umgebracht habe. Und jetzt kann er es kaum erwarten, diese Geschichte an die Medien zu verkaufen.«

»Oh.« Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen. »Das ist ja schrecklich.« Kein Wunder, dass er nicht darüber reden will!

»Und das ist auch schon alles. Und, was sagen Sie jetzt, Nikki? Bin ich gefährlich?«

Er klingt barsch. Wütend. Das ist bestimmt kein guter Moment, um über sein Angebot zu sprechen.

»Es tut mir wirklich leid, ich hätte das Thema gar nicht erst anschneiden dürfen. Es geht mich nicht das Geringste an.«

»Nein, das tut es tatsächlich nicht.« Wieder dieses vielsagende Schweigen. Und dann ein lauter Fluch. »Verdammt noch mal, Nikki! Mir tut es leid! Natürlich kommen Ihnen Gerüchte zu Ohren, und natürlich haben Sie das Recht, Fragen zu stellen. Wenn man bedenkt, worum ich Sie bitte, dürfen Sie mir so viele Fragen stellen, wie Sie wollen.«

»Und Sie sind wirklich nicht böse?«

»Auf Sie nicht, nein. Und was Padgett betrifft – nun, der steht ohnehin auf meiner schwarzen Liste.«

Ich beschließe, nicht zu fragen, welche Konsequenzen das für ihn haben wird.

»Ich hoffe, Sie ziehen mein Angebot nach wie vor in Betracht. Ich wünsche mir so sehr, dass Sie Ja sagen. Ich hoffe, es dauert nicht mehr allzu lange, bis Sie zu einer Entscheidung gelangen.«

»Ich habe mich bereits entschieden«, platzt es aus mir heraus.

Er schweigt und schweigt – so lange, dass ich schon glaube, er hätte mich nicht gehört.

»Und, wie lautet Ihre Entscheidung?«, fragt er schließlich.

Ich schlucke und nicke, obwohl er das natürlich nicht sehen kann. »Ich bin einverstanden. Aber nur unter bestimmten Bedingungen.«

»Wir verhandeln also, ausgezeichnet! Wie lauten Ihre Bedingungen, Miss Fairchild?«

Ich bin das im Geiste tausendmal durchgegangen, und die Worte sprudeln nur so aus mir heraus, wie damals an der Uni, als ich meine Abschlussarbeit verteidigen musste. »Zunächst einmal sollten Sie wissen, dass ich das nur des Geldes wegen tue: Ich bin darauf angewiesen, ich kann es gut gebrauchen, ich will es haben. Vergessen Sie das bitte nicht! Ich tue das alles nur um des Geldes willen.«

»Verstehe.«

»Ich erhalte das Geld auf jeden Fall, auch wenn Ihnen das Bild am Ende nicht gefallen sollte.«

»Selbstverständlich. Das Geld ist Ihr Honorar. Es steht Ihnen zu, und zwar unabhängig davon, ob mir das Bild zusagt oder nicht.«

»Sie dürfen es nicht verkaufen. An niemanden. Entweder Sie behalten es, oder es wird vernichtet.«

»Bisher bin ich mit all Ihren Bedingungen einverstanden.«

Ich schweige und hole tief Luft, denn jetzt kommt das Entscheidende. »Der Künstler muss mich malen, nicht irgendeine ästhetische Interpretation. Sondern mich, so wie ich bin.«

»Ich will Sie so, wie Sie sind, Nikki«, sagt er im selben Tonfall wie damals, als er seine Finger in mich hineingesteckt hat. Na, gefällt dir das?

Ja. O Gott, ja.

Ich sitze auf der Bettkante, schlage die Beine mehrfach nervös übereinander. »Nur dass wir uns richtig verstehen, Mr. Stark. Habe ich mich erst mal ausgezogen, war’s das: Sie bekommen, was Sie sehen, aber nicht mehr.«

»Vorsicht, Vorsicht, Miss Fairchild! Ich bin schon ganz steif.«

»Verdammt noch mal, Stark! Ich meine es ernst.«

»Oh, ich auch, das können Sie mir glauben.«

Ich stoße einen leisen Fluch aus und höre, wie er am anderen Ende der Leitung in sich hineinkichert.

»Wir sind uns also einig?«, frage ich, vermutlich etwas zu barsch.

»Was Ihre Bedingungen betrifft? Absolut. Natürlich habe ich auch noch ein paar Punkte zu unserem Vertrag hinzuzufügen.«

»Hinzuzufügen?«

»Selbstverständlich. Mit Ihrem Gegenangebot haben Sie die ursprünglichen Bedingungen geändert. Da ist es nur mein gutes Recht, dasselbe zu tun.«

»Oh.« Das hätte ich eigentlich kommen sehen sollen.

»Erlauben Sie, dass ich genauso aufrichtig bin wie Sie, Miss Fairchild. Was jetzt kommt, ist nicht mehr verhandelbar: Das sind meine endgültigen Bedingungen. Entweder Sie erklären sich einverstanden – oder eben nicht.«

»Äh, in Ordnung.« Ich lecke mir über die Lippen und werde noch zappeliger. Plötzlich platze ich fast vor Neugier. »Und wie lauten diese Bedingungen?«

»Von nun an bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Bildes gehören Sie mir.«

»Ich gehöre Ihnen?« Die Worte zergehen mir auf der Zunge. »Was soll das heißen?«

»Na, was glauben Sie wohl?«

Ich öffne den Mund, bringe aber kein Wort heraus. Ich versuche es noch einmal. »Dass ich ganz die Ihre bin.« Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, ja sie klingt fast wie ein Gebet. Ich staune, wie sehr mich seine Worte erregen. Eigentlich bin ich ja nach Los Angeles gezogen, um mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Und jetzt finde ich die Vorstellung, mich Damien auszuliefern, absolut verführerisch.

»Und was noch?«, fragt er.

»Dass ich tue, was Sie sagen.« Ich stecke die Hand in meine Shorts, direkt zwischen meine Beine. Ich bin feucht, heiß und geil.

»Ja«, sagt Damien. Seine Stimme klingt angespannt. Auch er ist schwer erregt, und dass ich das weiß, turnt mich nur noch mehr an.

»Und wenn ich mich weigere?«

»Sie haben Naturwissenschaften studiert, Miss Fairchild. Sie wissen also, dass jede Reaktion eine Gegenreaktion hervorruft.«

»Oh.« Ich streiche mit dem Finger über meine empfindliche Klitoris, und mir stockt der Atem, weil ich nicht damit gerechnet hätte, so schnell und heftig zu kommen.

»Gefällt Ihnen das, Miss Fairchild?«, fragt er.

Meine Wangen glühen. Ich weiß nicht, ob er seine Bedingungen meint oder meinen Orgasmus. Ich reiße mich zusammen. »Und wenn ich nicht damit einverstanden bin?«

»Dann muss ich auf mein Bild verzichten und Sie auf Ihre Million.«

»Warum tun Sie das? Ich habe doch schon gesagt, dass ich für Sie posieren werde.«

»Weil ich es so will. Weil ich Sie will. Weil ich keine Lust habe, Ihnen vor unserem ersten Fick ewig den Hof zu machen. Und weil ich keine Spielchen spielen will.«

»Ist das nicht auch ein Spielchen, das wir da gerade spielen?«

»Gut gekontert, Miss Fairchild. Aber so lauten nun mal meine Bedingungen.«

»Sie sagen jetzt, dass Sie mich wollen, aber Sie werden Ihre Meinung ändern. Sie sagen, dass Sie ein Aktbild von mir wollen, aber irgendwann werden Sie es sich anders überlegen.«

Einen Moment lang herrscht nichts als Schweigen. Damien Stark versucht zu ergründen, wie ich das meine. »Da täuschen Sie sich«, sagt er schließlich.

»Das glaube ich nicht. Und deshalb sind meine Bedingungen so wichtig: Selbst wenn Sie alles abblasen – das Bild, dieses Spielchen –, bekomme ich mein Geld.«

»Das heißt, wir sind uns einig?«

»Das ist eine weitere Bedingung.«

»Wunderbar. Akzeptiert.«

»Und wir fangen nicht sofort an, sondern erst, wenn ich zum ersten Mal Modell sitze.«

»Sie können ziemlich tough verhandeln, Miss Fairchild. Aber ich bin mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Termin einverstanden.«

Ich verdrehe die Augen. Er wird langsam ungeduldig. Nun, Pech für ihn. »Außerdem darf das Ganze nicht ewig dauern«, setze ich nach. »Am Ende bezahlen Sie den Künstler nach Stunden, und dann braucht er ein Jahr, bis er fertig ist. Eine Woche, Mr. Stark.«

»Eine Woche?« Das scheint ihm ganz und gar nicht zu gefallen.

»Das ist mein letztes Wort. Natürlich müssen Sie auch Rücksicht auf meinen Job nehmen. Aber an den Abenden und Wochenenden gehöre ich Ihnen.«

»Sehr gut. Eine Woche. Wir sind uns also einig?«

Ich möchte Ja sagen, aber stattdessen sage ich: »Was – was genau haben Sie eigentlich mit mir vor?«

»Alles Mögliche, aber vor allem möchte ich Sie ficken. Schnell, brutal und äußerst gründlich.«

Ach du meine Güte.

»Ich – werden wir auch ausgefallene Dinge tun?«

Er lacht in sich hinein »Wieso, würde Ihnen das gefallen?«

Keine Ahnung. »Ich bin nicht – ich meine, ich habe noch nie …« Ich spüre, wie meine Wangen brennen. Dank meiner Mutter hatte ich jede Menge schreckliche Dates, aber bisher nur zwei feste Freunde. Der erste war erfahrener als ich, was bedeutete, dass er vorher mit einer Studentin zusammen war, obwohl wir damals noch zur Highschool gingen. Aber mit Ausnahme eines Quickies auf dem Billardtisch seiner Eltern war unsere Beziehung alles andere als unkonventionell. Meine zweite Beziehung mit Kurt dagegen war durchaus schmerzhaft, wenn auch nur in psychischer Hinsicht.

So gesehen scheint vieles von dem, was Damien mit mir vorhat, außerhalb meines Erfahrungsbereichs zu liegen.

Stark scheint Verständnis für mein Zögern zu haben. »Ich möchte Ihnen vor allem Lust bereiten«, sagt er. »Ob wir auch ausgefallene Dinge tun werden? Nun, gut möglich, dass sie Ihnen ausgefallen vorkommen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie Gefallen daran finden werden.«

Ich zittere. Mein starkes Bedürfnis, herauszufinden, was er mit mir vorhat, überrascht mich selbst. Meine Brustwarzen unter dem Tank Top sind steif. Meine Klitoris pulsiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie Gefallen daran finden werden. Ja, das bin ich mir auch. Vorausgesetzt, es kommt überhaupt dazu. Vorausgesetzt, er bläst die ganze Sache nicht ab, nachdem er mich nackt gesehen hat.

Ich schließe die Augen und wünsche mir, die Dinge wären anders. Ich wäre anders.

»Lassen Sie es drauf ankommen, Nikki«, sagt er sanft. »Mal sehen, wie weit ich mit Ihnen gehen kann.«

Ich atme scharf ein und dann langsam wieder aus. Ich erinnere mich an das Spiel, das wir in der Limousine gespielt haben. »Ja, Sir«, sage ich schließlich.

Er ringt hörbar nach Luft. Ich habe ihn überrascht, und der Gedanke erregt mich. »Braves Mädchen«, sagt er. Und dann: »O Gott, ich will Sie. Jetzt. Sofort.«

Ich auch. »Bei unserer ersten Sitzung, Mr. Stark«, sage ich, aber das Zittern in meiner Stimme verrät mich.

»Natürlich, Miss Fairchild. Ich werde Sie morgen Abend abholen lassen. Ich schicke Ihnen eine SMS, sobald der Wagen unterwegs ist. Bleiben Sie heute zu Hause und entspannen Sie sich. Ich will, dass Sie ausgeruht sind. Und sehen Sie mal vor Ihre Tür. Auf dem Fußabstreifer liegt etwas für Sie.«

Auf dem Fußabstreifer?

»Träumen Sie süß, Miss Fairchild«, sagt er und legt auf, bevor ich fragen kann, was er damit meint.

Ich husche aus meinem Zimmer, renne an Jamie vorbei, die nach wie vor auf dem Sofa döst. Ich reiße die Haustür auf und entdecke ein kleines, in Silberpapier gewickeltes Päckchen.

Ich mache mir nicht mal die Mühe, es mit in die Wohnung zu nehmen, sondern reiße sofort die Verpackung auf. Darin befindet sich ein atemberaubendes Fußkettchen: In Platin gefasste Diamanten und Smaragde sind an einer zierlichen Kette aufgereiht. Es funkelt in meiner Hand und wiegt so gut wie nichts.

Unter dem Kettchen entdecke ich eine handgeschriebene Notiz. Für unsere Woche. Tragen Sie es. D. S.

Unsere Woche? Er muss es gerade erst geschrieben haben. Er muss hier gewesen sein, direkt vor der Haustür.

Bei diesem Gedanken läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Ich öffne den Verschluss, bücke mich und lege das Kettchen um meinen Knöchel. Dann richte ich mich auf und spähe hinaus auf die Straße.

Ich sehe einen roten, teuren Sportwagen. Durch die getönten Scheiben kann ich nichts erkennen, aber das muss ich auch nicht: Ich bin mir sicher, dass Damien darin sitzt.

Ich starre ihn an, fordere ihn schweigend auf, zu mir herüberzukommen. Oder flehe ich ihn darum an? Keine Ahnung. Das Auto rührt sich nicht von der Stelle. Die Türen bleiben geschlossen.

Unsere gemeinsame Woche hat noch nicht begonnen.

Ich drehe mich um und kehre in die Wohnung zurück. Ich schließe die Tür und lasse mich daran hinuntergleiten. Mir ist heiß, und ich bin nervös. Aber ich strahle. Denn da draußen wartet Damien Stark auf mich.