11

Stark nimmt mich am Arm und führt mich zurück zu den Aufzügen. Ich reagiere sehr empfindlich auf seine Berührung, versuche aber, sie zu ignorieren und weiterhin die Gereizte zu spielen.

Wir bleiben vor einem Lift stehen, der sich neben dem Aufzug befindet, mit dem ich mit meinen Kollegen nach oben gefahren bin. Die Türen öffnen sich, nachdem Stark seine Schlüsselkarte in ein Lesegerät steckt, das geschickt im Granit verborgen ist.

Sobald wir den Lift betreten haben, reiße ich mich los. »Was bilden Sie sich eigentlich ein?«, frage ich.

»Vorsicht!«, sagt Stark, als sich die Türen hinter uns schließen.

»Nein, von wegen! Sie können nicht einfach mit den Fingern schnippen und erwarten, dass ich …« Wir sausen nach oben, und ich kippe vornüber und halte mich an Stark fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er legt den Arm um meine Taille und zieht mich an sich. Ich bekomme Herzrasen, was sicher nicht an der Geschwindigkeit des Aufzugs liegt.

»Vorsicht, festhalten!, wollte ich sagen. Das ist mein Privatlift«, erklärt Stark. »Er fährt direkt zum Penthouse, und zwar schnell.«

»Oh«, sage ich verblüfft. Meine Wut lässt nach, wird von dem unglaublichen Knistern zwischen uns verdrängt. Ich fühle mich von ihm wie magnetisch angezogen. Und wie ein Magnet besitzt er die Fähigkeit zu löschen: Bedenken. Erinnerungen. Gefühle.

Vorsicht …

Ich stütze mich an seiner Brust ab, um mich wieder aufzurichten. Anschließend packe ich das Geländer des Lifts und umklammere es für alle Fälle ganz fest.

»Er weiß Bescheid«, sage ich nachdrücklich und ohne jede weitere Erklärung. »Verdammt, Stark, Sie können nicht einfach so in die Lobby spazieren und mich pflücken wie eine Blume.«

»Apropos Blumen: Ich hoffe, die Blumen haben Ihnen gefallen. Ich hatte zunächst an etwas Exotischeres gedacht, aber Sie erinnern mich an Margeriten und Wildblumen.«

»Darum geht es nicht.«

»Wie bitte?« Er zieht in gespielter Belustigung die Brauen hoch. »Miss Fairchild, ich bin überrascht. So eine wohlerzogene junge Dame, und dann bedanken Sie sich nicht mal?«

»Danke«, sage ich kühl.

»Und nur zu Ihrer Information: Ich habe Sie nicht gepflückt. Obwohl ich dieses Versäumnis nur zu gern nachholen möchte, sobald Sie dazu bereit sind.«

Ich bemühe mich, zornig zu bleiben, obwohl ich mich langsam amüsiere. »Ich werde nicht gern wie ein Hund behandelt, der auf Befehl apportiert!«, erwidere ich.

Sofort wird sein Blick ernst. »Ist es das, was Sie denken?«

»Ich …« Mist. Ich schließe die Augen und hole tief Luft. Ich mag es nicht, herumkommandiert zu werden. Andererseits: Stark ist nicht meine Mutter, und vielleicht tue ich ihm unrecht. »Nein«, sage ich und dann: »Keine Ahnung, aber verdammt noch mal, Damien … Überlegen Sie doch mal, wie das aussieht! Er weiß Bescheid.«

»Das sagten Sie bereits. Sie meinen Carl? Was genau weiß Ihr Chef denn? Ich kann Ihnen versichern, dass ich ihm nichts erzählt habe.« Er mustert mich, das bernsteinfarbene Auge funkelt amüsiert, das dunkle schaut mich unverwandt an. »Haben Sie irgendwas erzählt?«

»Tun Sie nicht so begriffsstutzig!«, sage ich. »Er weiß, dass da was zwischen uns läuft.«

»Es freut mich zu hören, dass da was zwischen uns läuft.«

»Gelaufen ist«, verbessere ich ihn rasch. »Dass zwischen uns was gelaufen ist

Er schweigt. Eine clevere Strategie. Doch dafür habe ich nicht die Nerven.

Ich räuspere mich. »Nun, es hat Spaß gemacht«, gestehe ich, presse dann aber die Lippen zusammen, als er in lautes Gelächter ausbricht.

»Es hat Spaß gemacht?«

Ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Wieder werde ich in seiner Anwesenheit rot, und das gefällt mir ganz und gar nicht. »Ja«, sage ich kühl. »Es hat Spaß gemacht. Sehr viel Spaß sogar. Ich habe mich königlich amüsiert und werde noch oft an diesen Abend zurückdenken, wenn ich allein im Bett liege und mich berühre, bis ich komme.« Ich lasse ihn nicht aus den Augen und habe einen ganz sachlichen Tonfall angeschlagen. Jedes Wort ist ein Peitschenknall.

Jegliche Belustigung ist aus seinem Gesicht verschwunden, Leidenschaft und Verlangen sind an ihre Stelle getreten. Sofort möchte ich meine Worte zurücknehmen. Mein Temperament ist mal wieder mit mir durchgegangen.

»Es hat Spaß gemacht«, wiederhole ich und straffe mich. »Aber es wird nicht wieder vorkommen.«

»Ach nein?« Er geht einen Schritt auf mich zu – und der Lift macht Ping!, als die Kabine anhält.

»Nein«, sage ich und hole scharf Luft, als er sich vorbeugt. Ich erwarte, dass er mich berührt, und bin enttäuscht, dass das nicht geschieht. Er wollte nur einen Knopf auf dem Bedienfeld drücken. Die Türen hinter uns öffnen sich. Ich drehe mich um und schaue ins Foyer von Damien Starks Tower Apartment.

»Nein«, wiederhole ich und weiß nicht, ob ich das Apartment, eine Wiederholung unserer gestrigen Aktivitäten oder beides meine. Wenn man bedenkt, wie durcheinander ich gerade bin, wahrscheinlich eher Letzteres.

»Warum nicht?« Er richtet sich wieder auf, ist mir aber deutlich näher als vorher.

Ich bekomme kaum noch Luft, plötzlich wird mir so heiß, dass sich kleine Schweißperlen im Nacken bilden. Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

»Das ist keine gute Idee«, sage ich, als er meine Hand nimmt und mich ins Apartment zieht. Der Flur ist elegant möbliert und ebenso einladend und gemütlich wie die Büros auf der anderen Seite des Lifts. Die Wand direkt gegenüber vom Aufzug nimmt mir den Blick auf die übrige Wohnung.

Ein Riesenblumenstrauß auf einem niedrigen Glastisch beherrscht das Foyer. Davor stehen Sofas mit geschwungenen Beinen, und ich stelle mir vor, wie Starks Freundinnen darauf Platz nehmen, um den Sitz ihrer Schuhe oder den Inhalt ihrer Handtaschen zu kontrollieren. Kein besonders schöner Gedanke.

Die Wand selbst wird fast vollständig von einem Riesengemälde eingenommen. Diesmal zeigt es eine dermaßen naturgetreue Blumenwiese, dass man den Eindruck hat, man könnte die Leinwand betreten und sich darin verlieren.

»Sie haben eine wunderschöne Wohnung«, bemerke ich. »Sie sagt viel über den Menschen aus, der hier lebt.«

»Tatsächlich?«

»Er mag Blumen.«

Stark lächelt. »Er mag Schönheit.«

»Haben Sie den Blumenstrauß ausgesucht?«

»Nein«, sagt er. »Aber Gregory kennt meinen Geschmack.«

»Gregory?«

»Mein Butler.«

Butler? Selbst meine Familie, die einer nicht gerade armen texanischen Öldynastie entstammt, hatte niemals einen Butler.

»Das Gemälde ist wunderschön. Aber ich bin erstaunt, dass Sie ausgerechnet ein Landschaftsbild zu Hause hängen haben.«

»Tatsächlich?« Er klingt aufrichtig überrascht. »Warum?«

»Weil Sie für Ihr neues Zuhause doch unbedingt einen Akt haben wollten.« Ich zucke die Achseln. »Deshalb hätte ich nicht gedacht, dass Sie auf Blumen und Bäume und so was stehen.«

»Ich bin ein Mann mit vielen Geheimnissen«, sagt er. »Ehrlich gesagt ist die Entscheidung, mir einen Akt in mein Haus in Malibu zu hängen, noch relativ frisch. Man könnte sagen, dass mich Blaines Ausstellung dazu inspiriert hat. Aber wenn ich nicht das finde, was mir vorschwebt, muss die Wand leider nackt bleiben.«

Er mustert mich eindringlich, und obwohl er einen ganz normalen Plauderton anschlägt, jagen mir seine Worte heißkalte Schauer den Rücken hinunter.

»Haben Sie die Mappen da, die Sie mir zeigen wollen?«, frage ich und bemühe mich, kühl und geschäftsmäßig zu klingen. »Wenn nicht, sollte ich jetzt lieber gehen. Ich würde gern meinen freien Samstag genießen.«

»Ich hätte durchaus den ein oder anderen Vorschlag zur Freizeitgestaltung zu machen …«, sagt er.

Ich presse die Lippen zusammen, und Damien lacht. »Miss Fairchild. Was Sie wieder denken …«

Ich werde rot und muss mich beherrschen, um nicht laut zu fluchen.

»Treten Sie ein«, sagt er nach wie vor belustigt und geht in den Flur, der tiefer in die Wohnung hineinführt. »Ich werde Ihnen als Erstes einen Drink machen, und danach unterhalten wir uns.«

Ich zögere, möchte sagen, dass wir auch hier auf dem Sofa Platz nehmen und über die Bilder reden können. Aber ich bin neugierig. Ich möchte seine Wohnung sehen – zumindest eine seiner Wohnungen. Und deshalb lasse ich zu, dass er mich in einen fantastischen Wohnbereich führt, der ganz zeitgenössisch mit viel Stahl und Leder eingerichtet ist. Gleichzeitig setzen Kissen, Lampen und Vasen warme Akzente.

Das Tollste sind die Fenster, hinter denen sich das Stadtpanorama auftut.

Damien nickt zu einer Bar hinüber, die eine Ecke des Raums einnimmt. Ich folge ihm und setze mich auf einen der Barhocker. Weil der Hocker so nah am Fenster steht, habe ich das Gefühl zu schweben. Es ist atemberaubend, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das nach ein paar Drinks unangenehm werden könnte.

»Ihr Lächeln gefällt mir«, sagt Damien, während er hinter die Bar tritt. »Woran denken Sie gerade?«

Ich sage es ihm, und er lacht.

»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht«, gesteht er. »Aber ich verspreche Ihnen, dass ich Sie gut festhalten werde. Sie werden mir schon nicht abheben.« Sein Grinsen wird dreckiger. »Außer, ich will es so.«

Ach du meine Güte! Ich winde mich ein wenig auf meinem Hocker. Wären wir doch nur im Foyer geblieben!

»Wein?«, fragt er.

Ich lege den Kopf schräg. »Ich bevorzuge Bourbon.«

»Tatsächlich?«

Ich zucke lässig die Achseln. »Meine Mutter hat mir eingebläut, dass eine Dame nur Wein oder leichte Cocktails trinkt und keine harten Sachen. Mein Großvater dagegen war ein großer Whiskyfreund.«

»Verstehe«, sagt er, und ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich ihm damit ein bisschen zu viel verraten habe. »Ich glaube, da habe ich das Richtige für Sie.« Er beugt sich nach unten und verschwindet hinter der Bar. Kurz darauf taucht er wieder auf, stellt die Flasche auf den Tresen, nimmt einen Tumbler aus dem Regal und schenkt mir wortlos zwei Fingerbreit ein.

Ich nehme das Glas entgegen und erschrecke, als ich merke, was ich da vor mir habe. »Glen Garioch?«, frage ich nach einem Blick auf das Flaschenetikett. Ich nippe vorsichtig an meinem Glas. Der Whisky ist außerordentlich mild, hat ein Holzaroma und eine blumige Note. Ich schließe die Augen, um ihn zu genießen, und nehme noch einen Schluck. »Welcher Jahrgang ist das?«, frage ich schließlich und glaube, die Antwort bereits zu kennen.

»Ein 1958er«, sagt er lässig. »Er ist ausgezeichnet, nicht wahr?«

»Ein 1958er? Ist das Ihr Ernst?« Dieser Whisky war für meinen Großvater das Nonplusultra. Von diesem Highland-Whisky wurden nur dreihundertfünfzig Flaschen auf den Markt gebracht, und ich weiß zufällig, dass eine einzige Flasche um die zweitausendsechshundert Dollar kostet. Und jetzt sitze ich hier und trinke ihn an einem ganz normalen Samstagnachmittag, ohne dass ein Fanfarenstoß oder eine Pressemeldung auf diesen Umstand hinweisen würde.

»Kennen Sie die Sorte?«

»Ja«, sage ich. »Wir trinken mehr oder weniger flüssiges Gold.«

»Sie sagten, Sie mögen Whisky. Warum sollte ich Ihnen dann zweitklassige Ware servieren?«

Er hat sich auch ein Glas eingeschenkt und geht jetzt um die Bar herum. Ich erwarte, dass er auf dem Hocker neben mir Platz nimmt, aber das tut er nicht. Er lehnt sich nur dagegen, was bedeutet, dass er noch ein paar Zentimeter näher an mich herangerückt ist … und das könnte gefährlich werden, so wie ich Damien Stark und mich kenne.

Ich rede mir ein, dass ich nur nervös bin, und nehme einen weiteren Schluck. Dann warte ich darauf, dass Damien ein anderes Thema anschneidet. Doch er mustert mich schweigend. Langsam fühle ich mich unter seinem Blick unwohl.

»Sie starren mich an«, sage ich schließlich.

»Sie sind wunderschön.«

Ich schaue weg. Das wollte ich nicht hören. »Bin ich nicht«, sage ich. »Und selbst wenn – was spielt das für eine Rolle?«

»Manchmal spielt das durchaus eine Rolle«, sagt er. Das ist die ehrlichste Antwort, die ich je auf diese Frage gehört habe.

»Warum?«

»Weil ich Sie nun mal gern ansehe. Ich mag es, dass Sie so aufrecht dasitzen. Und ich mag die Art, wie Sie gehen: als gehörte Ihnen die ganze Welt.«

Ich schüttle unmerklich den Kopf. »Das liegt nur daran, dass ich jahrelang mit einem Buch auf dem Kopf herumgelaufen bin, mir unzählige Lektionen von meiner Mutter anhören musste und jede Menge Benimmkurse absolviert habe.«

»Nein, es ist mehr als nur das: Mir gefällt, wie Sie Ihre Kleider tragen, so als wüssten Sie, dass nur der Inhalt zählt. Sie sind wunderschön, Nikki, aber Ihre Ausstrahlung ist mindestens ebenso wichtig wie die Tatsache, dass Sie dem Schönheitsideal entsprechen, das wir bei Misswahlen und auf Zeitschriftencovern bewundern dürfen.«

»Was, wenn alles, was Sie in mir sehen, eine Lüge ist?«

»Es ist keine Lüge«, sagt er.

Ich nehme einen Schluck Whisky. »Vielleicht sind Sie doch nicht so klug, wie Sie denken, Mr. Stark.«

»Quatsch! Haben Sie etwa noch nicht mitbekommen, wie brillant ich bin?« Sein Grinsen ist so breit und jungenhaft, dass ich einfach lachen muss. Doch kaum bin ich wieder zu Atem gekommen, ist der jungenhafte Ausdruck verschwunden und einem glühenden Verlangen gewichen. Er bewegt sich blitzschnell, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, hat er meinen Hocker so gedreht, dass mein Rücken zur Bar zeigt, und eine Hand auf meine Taille gelegt. Ich sitze in der Falle, bin der von Damien ausgehenden Glut ausgeliefert. »Ich bin sehr klug, Nikki«, sagt er. »Ich bin klug genug, um zu wissen, dass Sie das auch spüren: Das ist mehr als nur eine Leidenschaft, das ist eine gottverdammte Feuersbrunst! Das hat nichts mehr mit gegenseitiger Anziehungskraft zu tun, das ist eine verdammte Kernfusion.«

Ich werde ganz rot, und mein Atem geht rascher. Er hat recht, er hat verdammt noch mal recht. Trotzdem …

»Eine Kernfusion bedeutet nichts Gutes«, sage ich. »Und die Explosion zerstört alles, womit sie in Kontakt kommt.«

»Quatsch!« Er stößt das Wort laut hervor, steht mittlerweile direkt vor mir, und ich kann seine Wut spüren. »Verdammt noch mal, Nikki, tun Sie mir das nicht an! Spielen Sie keine Spielchen mit mir. Machen Sie es nicht so kompliziert, wo es doch so einfach sein könnte!«

»Einfach?«, wiederhole ich. »Was zum Teufel soll das heißen? Nichts ist einfach. Sie wollen wissen, ob ich mich zu Ihnen hingezogen fühle? Und ob ich das tue! Aber Sie kennen mich ja nicht mal.«

Ich unterdrücke ein Seufzen. Manchmal frage ich mich, ob ich mich selbst überhaupt kenne, oder ob all die Jahre, die ich unter der Fuchtel meiner Mutter verbracht habe – in denen sie mir gesagt hat, was ich essen und trinken, mit wem ich ausgehen, wann ich schlafen soll und was weiß ich noch –, die eigentliche Nikki unwiederbringlich zerstört haben.

Nein! Ich habe darum gekämpft, ich selbst zu bleiben, auch wenn ich mein wahres Ich verbergen musste.

Ich schaue ihm in die Augen. »Sie kennen mich nicht«, wiederhole ich.

Die Intensität, mit der er zurückstarrt, bringt mich beinahe aus der Fassung. »O doch.«

Irgendetwas in seiner Stimme bewirkt, dass ich mich plötzlich sehr verletzlich fühle. Er hat mich wieder an meine Grenzen gebracht, und ich schaue weg, mag nicht im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit stehen.

Ich brauche einen Moment, bis ich mich wieder unter Kontrolle habe. Als es so weit ist, drehe ich den Kopf, sodass ich zu ihm aufschauen kann. »Wir werden unsere Affäre nicht fortsetzen, Mr. Stark, auf gar keinen Fall.«

»Das akzeptiere ich nicht.« Seine Stimme ist nur noch ein tiefes Brummen, das mir durch Mark und Bein geht und dafür sorgt, dass ich sämtliche guten Vorsätze vergesse.

Ich schweige, bringe kein Wort mehr heraus.

»Es hat mir gefallen«, fährt er fort, während er seine Fingerkuppen über die Ärmel meines Jacketts gleiten lässt. »Und Sie hatten auch nichts dagegen. Ich wüsste nicht, warum wir damit aufhören sollten, Miss Fairchild.«

Ich zwinge mich zu einer geistreichen Bemerkung. »Gegen Käsekuchen habe ich auch nichts, aber ich esse ihn nur äußerst selten. Weil ich weiß, dass er schlecht für mich ist.«

»Manchmal ist Schlechtes gut.«

»Quatsch! Das sagt man nur, wenn man sein schlechtes Gewissen beruhigen oder die eigenen Schwächen rechtfertigen will. Schlecht ist schlecht. A ist gleich A.«

»Ach so, führen wir hier ein philosophisches Gespräch? Soll ich mit den Lehren des Aristippos kontern? Der hat gesagt, Lust sei das höchste Gut.« Er fährt mit den Fingern über mein Schlüsselbein. »Und ich habe viel Gutes für Sie in petto.«

Ich bekomme Gänsehaut und erlaube mir, mich kurz an Damien Starks Nähe zu wärmen. Dann wende ich mich ab, sodass ich ins Leere spreche. »Das führt doch zu nichts.« Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern, in dem Bedauern mitschwingt. »Ich kann einfach nicht.«

»Warum nicht?« Ich merke, wie sanft seine Stimme klingt, und frage mich, wie viel ich ihm gerade unabsichtlich verraten habe.

Ich schweige.

Er atmet hörbar aus, und ich spüre, wie frustriert er ist. »Nun, Sie haben einen freien Willen, Miss Fairchild. Genau wie ich.«

»Wie Sie?«

»Es steht mir also frei, Sie vom Gegenteil zu überzeugen.«

Die Atmosphäre ist dermaßen aufgeladen, dass ich kaum atmen kann. »Sie werden mich nicht überzeugen«, sage ich, aber nicht so nachdrücklich, wie ich eigentlich sollte. »Ich arbeite für jemanden, in dessen Pläne Sie investieren werden. Ich bin jetzt schon zu weit gegangen.« Ich atme tief ein.

»Warum arbeiten Sie nicht für mich?«

Das kommt so schnell, dass ich mich frage, ob er schon länger darüber nachgedacht hat. »Unmöglich«, sage ich.

»Nennen Sie mir einen Grund, der dagegenspricht.«

»Nun, lassen Sie mich kurz nachdenken. Vielleicht, weil ich keine Lust auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz habe?«

Es ist verstörend, wie schnell sich seine Mimik ändern kann. Mit dieser Bemerkung habe ich ihn zweifellos verärgert. Ich möchte instinktiv vom Barhocker gleiten und davonlaufen, bleibe aber, wo ich bin. Kommt gar nicht infrage, dass ich den Rückzug antrete.

»Haben Sie sich letzte Nacht sexuell belästigt gefühlt?«

»Nein«, gestehe ich. So gern ich diese billige Ausrede auch vorschieben würde – ich kann ihn nicht anlügen.

Ich sehe die Erleichterung in seinem Gesicht. Von der Wut ist nichts mehr zu sehen. Oder war es Angst? Ich bin mir nicht sicher, und es ist auch egal. Im Moment sehe ich nichts als Verlangen.

»Gestern Nacht konnte ich nur an Sie denken«, sagt er. »Giselle und Bruce werden mich bestimmt nie mehr auf einen Drink einladen. Ich war kein besonders unterhaltsamer Gesprächspartner.«

»Tut mir leid, dass ich Ihren Abend ruiniert habe.«

»Das wohl kaum! Und dann die Heimfahrt – zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir gewünscht, sie möge länger dauern. Damit ich in Ihren Duft gehüllt auf der Rückbank sitzen bleiben kann.«

Das Höschen erwähnt er nicht. Ob er es wohl gefunden hat? Und wenn nicht …

Oje! Hoffentlich ist er der Einzige, der mit der Limousine fährt.

Ich spüre, wie meine Wangen glühen, und seine Lachfältchen zeigen mir, dass ihm das nicht entgangen ist.

»Ich habe mir vorgestellt, wie ich Sie ausziehe«, sagt er und greift nach dem obersten Knopf meiner Bluse. Er öffnet ihn mühelos. »Ich habe mir Sie nackt vorgestellt.« Plopp!, noch ein Knopf. »Sie sind wunderschön«, flüstert er.

Mit dem Daumen streicht er sanft über die Wölbung meiner Brust sowie über die Spitze meines weißen Satin-BHs.

Mir stockt der Atem. Ich mache den Mund auf, möchte ihm sagen, dass er damit aufhören soll, bringe aber kein Wort heraus.

Seine Hand findet den BH-Verschluss, und so effizient wie er mir die Bluse aufgeknöpft hat, schält er mich jetzt aus meinem BH, der mir von den Schultern rutscht. Er stöhnt laut und sehnsüchtig auf, was mich unheimlich erregt. Ich möchte nur noch die Augen schließen und mich hingeben, aber das darf ich nicht, ich darf nicht …

»Damien, bitte!«

Er schaut mir schwer atmend in die Augen. Verlangen liegt in seinen markanten Zügen. »Sie haben einen freien Willen, Nikki. Sagen Sie mir, dass ich aufhören soll, und ich höre sofort auf. Aber beeilen Sie sich, denn gleich werde ich Sie auf Ihren vorlauten Mund küssen – wenn auch nur, um Sie zum Schweigen zu bringen.«

Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie sein Mund den meinen bedeckt. Mich ganz für sich beansprucht, mich überrumpelt. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen, mein Kopf ist völlig leer. Alles, was ich empfinde, ist Lust und das Bedürfnis, von diesem Mann genommen zu werden. Ich öffne die Lippen, lasse mich erobern.

Blindlings greife ich nach ihm, meine Finger wühlen in seinem Haar, ziehen ihn näher an mich heran. Als wäre mein Protest nur vorgeschoben gewesen, und jetzt, wo er ihn einfach so vom Tisch gewischt hat, machen sich meine Gefühle, ja das Verlangen und die Begierde, die sich in mir aufgestaut haben, in einer heißen, heftigen, verzweifelten Explosion Luft. Der Kuss dauert Sekunden oder eine Ewigkeit, genau weiß ich das nicht. Als er mich wieder loslässt, ringe ich nach Sauerstoff. Mir ist schwindlig und ich zittere.

Ich weiß, dass das meine letzte Chance ist. Wenn ich ihm jetzt sage, dass er aufhören soll, wird er aufhören. Wenn ich ihm jetzt sage, dass er mich endlich in Ruhe lassen soll, wird er aus meinem Leben verschwinden.

Ich stürze mich auf ihn. Mutwillig. Absichtlich. Ich riskiere alles, aber im Moment ist mir das egal. Ich spüre nichts als Leidenschaft.

Als ich ihn an mich ziehe, prallen unsere Münder aufeinander. Und da ist er auch schon und schmeckt mich – sein tiefes, lustvolles Stöhnen ist das Risiko wert.

Abrupt unterbricht er unseren Kuss und saugt an meinem Hals. Ich ringe nach Luft, biege den Rücken durch, während seine Hände unter meine Bluse schlüpfen, meine Brüste umfassen. Und dann saugt und zupft sein Mund an mir, bis meine Brustwarze nur noch eine harte Perle zwischen seinen Zähnen ist. Ich merke, dass er mich an sich gezogen hat, sodass sich mein Po kaum noch auf dem Barhocker befindet, und ich seinen Schenkel zwischen meine Beine genommen habe. Ich zucke zusammen und schmiege mich an ihn, als sich meine Lust wie ein Feuer ausbreitet und der Funke von meinen Brüsten auf meine Klitoris überspringt.

»Baby!«, flüstert er, als er kurz Luft holt. Schon bald hat er mir die Bluse ganz aufgeknöpft, und seine Hände gleiten meine Taille hinab, brennen auf meiner kribbelnden Haut. Er zieht mich vom Barhocker, sodass ich vor ihm stehe. Jede Faser meines feuchten, erhitzten Körpers schmerzt vor Sehnsucht nach seiner Berührung.

»Wie weich«, sagt er, während er mir die Bluse aus dem Rock zieht und seine Finger sanft über meine Haut gleiten. Sie gleiten den Bund meines Rockes entlang und ziehen dann langsam den Reißverschluss auf. Der Rock rutscht ein wenig nach unten, hängt lose um meine Hüften. »So verdammt schön!«

Die Ehrfurcht in seiner Stimme missfällt mir, und mich fröstelt trotz meiner hitzigen Leidenschaft.

Ich zittere, weiß nicht, ob es an meiner Angst oder an seiner Berührung liegt.

»Arme nach hinten!«, befiehlt er. »Halten Sie sich am Hocker fest.«

»Damien …« Ich höre den Protest in meiner schwachen Stimme, doch meine Handlungen strafen mich Lügen. Ich gehorche, balle die Hände zu Fäusten, biege den Rücken durch, lege meinen Kopf hingebungsvoll in den Nacken.

Er öffnet meine Bluse, sodass der dünne Stoff locker von meinen Schultern hängt. Sein Mund streift meine Brustwarzen, und ich stöhne, will, dass er daran lutscht. Aber er neckt mich nur, und mit jeder federleichten Berührung seiner Lippen spüre ich, wie sich meine Vagina pochend zusammenzieht. Ich will ihn – ich will ihn so sehr! Und gleichzeitig auch wieder nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich an den Hocker zu klammern und mitzuspielen, trotz meiner Angst, irgendwann den Verstand zu verlieren.

»Sie glühen ja richtig«, sagt er. Er küsst mich wiederholt zwischen die Brüste, lässt den Mund über den Bauch zu meiner Taille wandern. Ich verkrampfe mich, befürchte, dass er den Rock über meine Hüften streifen wird, sodass ich nur noch in meinem winzigen Bikinislip vor ihm stehe.

Doch so weit kommt es nicht, und ich ringe dankbar nach Luft. Stattdessen zieht er mich an sich und verändert unsere Position so, dass er an der Bar lehnt und ich vor ihm stehe. »Drehen Sie sich um!«, sagt er barsch und wartet meine Reaktion gar nicht erst ab. Stattdessen wirbelt er mich herum, und ich spüre, wie sein Mund an meinem Ohrläppchen zerrt, während seine Hand über meine nackte Brust streicht.

Seine andere Hand gleitet meine Taille hinunter, zieht mich noch näher an sich. Mir stockt der Atem, nicht zuletzt weil ich spüre, wie sein Schwanz in der Jeans hart wird und an die Wölbung meines Hinterns drängt.

»Damien«, flüstere ich, meine Stimme ist nur noch ein Flehen. Aber soll er damit aufhören oder damit weitermachen? Ich weiß es nicht.

Sein Mund ist dicht an meinem Ohr, seine vor Verlangen drängende Stimme lässt meine Klitoris pulsieren. »Ich werde dich ficken, Nikki. Lust, was heißt das schon? Lust wird dafür gar kein Ausdruck sein! Du wirst mich anflehen. Ich werde dich nehmen, dich auf die Folter spannen. Und du wirst kommen, so wie du noch nie im Leben gekommen bist.«

Ich ringe nach Luft, so sehr erregen mich seine Worte. Schon hat er seine Hand unter den Bund meines Rockes geschoben und über mein Höschen, genauer gesagt über meine pralle, feuchte Vulva gewölbt.

»Du bist so feucht«, flüstert er. »Oh, Baby, du bist ganz nass.«

Ich gebe ein wohliges Stöhnen von mir, verlagere schamlos das Gewicht, will seine Finger auf meiner angeschwollenen Klitoris spüren. Was hat er gleich wieder gesagt? Dass ich ihn anflehen soll? Dazu war ich schon vorhin mehr als bereit.

Er reißt mein Höschen grob zur Seite und steckt zwei Finger gleichzeitig in mich. »Na, gefällt dir das?«

Seine Stimme ist heiser und drängend.

»Ja. O Gott, ja.« Meine Vagina umschlingt seine Finger, die immer wieder in mich hinein- und herausgleiten, mich ficken, meine Klitoris reizen und mich dem Höhepunkt immer näher bringen, bis ich ganz kurz davorstehe, ganz kurz davor!

Als er mich in die Brustwarze kneift, schreie ich laut auf, und der köstliche Schmerz sorgt endlich für Erlösung. Ich komme in gewaltigen Wellen, während seine Finger nach wie vor in mir sind. Mein Körper versucht, ihn noch tiefer in mich hineinzuziehen, ihn dort festzuhalten, damit dieser Moment nie vorübergeht.

»Nikki!«, flüstert er und zieht sich sanft aus mir zurück. Er dreht mich um – ich bin nur noch eine schlaffe Puppe – und schließt den Mund um meine empfindliche Brustwarze. Er saugt daran, kneift in die andere. Dieser lustvolle Schmerz lässt meine Klitoris weiterpochen. Langsam wandern seine Lippen von meinem Dekolleté hinunter zu meinem Bauch. Ich habe den Rock noch nicht ausgezogen, und während er mit seiner Zunge meinen Bauchnabel erkundet, höre ich, wie seine rauen Hände über die Naturseide gleiten.

Ich bin willenlos, treibe wie benebelt dahin.

Doch so paradiesisch das auch ist: Meine Angst wird immer größer. Ich weiß genau, was jetzt kommt, und obwohl ich es will – ihn will –, glaube ich nicht, dass ich die Kraft dafür haben werde. Aber vielleicht … Vielleicht …

Er will dich. Deine Widerborstigkeit, dein Selbstbewusstsein.

Ich klammere mich an Jamies Worte, hoffe weiter – auch noch, als Damien mir zuflüstert, dass ich schön bin, wunderschön. »Ich will dich schmecken«, sagt er. »Ich will dich lecken und dann küssen. Ich will wissen, wie gut du schmeckst.«

Seine Hände haben den Saum meines Rocks erreicht und streifen jetzt meine halterlosen Strümpfe. Gleichzeitig schieben sie den Rock immer höher. Ich höre auf zu atmen und klammere mich so fest an seine Schultern, dass ich Angst habe, ihm die Knochen zu brechen. Und dann sind seine Hände auf meiner Haut, liebkosen die zarte Haut meiner Schenkelinnenseiten. Ich weiß genau, dass er gleich auf wulstige, dicke Knoten stoßen wird, wenn seine Hände noch höher wandern. Ich verspanne mich, kämpfe gegen die Scham, die Angst, den Schmerz und die Erinnerungen an. Und das, obwohl ich gerade selig in Damiens Armen liege.

Ich versuche, die negativen Gedanken zu verdrängen, die Stimme in meinem Kopf, die mir befiehlt, die Flucht zu ergreifen. Ich will nicht weg von hier. Ich will es versuchen. Ich will bleiben und mich in seinen Berührungen verlieren. Ich bin so erregt, dass ich beinahe glaube, was Jamie gesagt hat, nämlich dass er mich will, nur mich.

Aber dann flüstert er dieses eine Wort, das alles zunichtemacht. Das meinen Traum zum Platzen bringt.

»Perfekt!«, sagt er. »O Gott, Nikki, du bist einfach perfekt.«