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Ich bin allein. Ich bin wütend, gedemütigt und verlegen. Noch dazu bin ich erregt, daher die Verlegenheit.

Das Ganze ist natürlich allein meine Schuld. Ich habe mit dem Feuer gespielt – und mich verbrannt.

Damien Stark ist einfach eine Nummer zu groß für mich. Und er ist gefährlich. Warum hat Ollie das sofort gemerkt, ich aber nicht?

Doch, ich habe es bemerkt.

Die Kälte in seinem Blick. Die Maske, die er trägt. Meine erste Reaktion war, Damien in die Wüste zu schicken. Warum zum Teufel habe ich es bloß nicht getan?

Weil ich mehr in ihm gesehen habe, als tatsächlich vorhanden ist?

Weil ich ebenfalls eine Maske trage und glaubte, so etwas wie einen Seelenverwandten gefunden zu haben?

Weil er sexy ist und mich so eindeutig begehrt hat?

Weil ein Teil von mir die Gefahr sucht?

Ich schließe die Augen und schlucke. Wäre das ein Multiple-Choice-Test, müsste ich sämtliche Kästchen ankreuzen.

Ich rede mir ein, dass das keine Rolle mehr spielt. Im schlimmsten Fall will Damien Stark mich einfach nur erobern, so wie er mit seiner Firma auch alles andere erobert hat. Selbst wenn ich mich nach seiner Berührung sehne, weiß ich jetzt besser als je zuvor, dass ich das niemals zulassen darf. Ich werde mich keinem Mann ausliefern, der nur einen schnellen Fick will – mal ganz davon abgesehen, dass ich mich eigentlich niemandem ausliefern will.

Bestimmte Fragen will ich nicht hören, bestimmte Erklärungen will ich nicht abgeben. Ich will meine Geheimnisse für mich behalten.

Ich trete die Schuhe von meinen Füßen, lege den Kopf zurück und lasse die Augen geschlossen. Ich bin froh, dass die Limousine förmlich über die Straße gleitet, denn mir ist auch so schon schwindelig genug.

Der Champagner, den ich vorhin für eine so gute Idee hielt, kommt mir jetzt wie eine Riesendummheit vor.

Ich bin kurz davor einzudösen, als mich das Klingeln meines Handys weckt. Ich fahre hoch und wühle in meinem winzigen Täschchen. Die Nummer kenne ich nicht, aber da ich meine neue kalifornische Nummer nur Jamie und Carl gegeben habe, braucht man kein Statistiker sein, um zu wissen, dass mich einer von beiden von außerhalb anruft. Oder aber es ist irgendein Typ aus einem Callcenter, der mir was verkaufen will.

Ich nehme den Anruf entgegen, erwarte, Jamies Stimme zu hören, da Carl mich in diesem Moment bestimmt nicht stören würde – nicht wenn er denkt, dass Stark gern mit mir allein wäre.

»Ich bin total fertig«, sage ich, denn wenn es ein Marketingfritze ist, geschieht ihm das nur recht.

»Das wundert mich nicht«, antwortet eine vertraute Stimme, die allerdings nicht meiner Mitbewohnerin gehört. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen es langsam angehen?«

»Mr. Stark? Woher haben Sie diese Nummer?« Ich setze mich zu rasch auf.

»Ich wollte Ihre Stimme hören.« Seine eigene Stimme ist tief und sinnlich, und trotz meiner guten Vorsätze von vorhin geht sie mir durch Mark und Bein.

»Oh.«

»Und ich würde Sie gerne wiedersehen.«

Ich zwinge mich zu atmen. »Das werden Sie auch«, sage ich kurz angebunden, wohl wissend, dass ich diese Unterhaltung im Keim ersticken muss. »Und zwar morgen beim Meeting.«

»Darauf freue ich mich schon sehr. Vielleicht wäre es vernünftiger von mir gewesen, bis dahin zu warten. Aber bei der Vorstellung, dass Sie sich entspannt und leicht beschwipst auf den Ledersitzen meiner Limousine zurücklehnen … Nun, dieses Bild wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.«

Meine Gedanken überschlagen sich. Wo ist der Mann geblieben, der mich so kühl in seinen Wagen gesetzt hat?

»Ich will Sie wiedersehen«, wiederholt er, diesmal entschiedener.

Ich tue gar nicht erst so, als würde ich ihn falsch verstehen. Hier geht es nicht ums Geschäft. »Bekommen Sie immer, was Sie wollen?«

»Jawohl«, sagt er nur. »Vor allem, wenn der Wunsch auf Gegenseitigkeit beruht.«

»Aber das tut er nicht«, lüge ich.

»Ach ja?« Ich höre so etwas wie Neugier in seiner Stimme. Das Ganze ist nur ein Spiel für ihn, und ich bin nur sein Spielzeug. Der Gedanke ärgert mich, und dafür bin ich dankbar: Die wütende Nikki besitzt nämlich deutlich mehr Selbstbeherrschung als die beschwipste.

»Ja.«

»Was haben Sie empfunden, als ich Sie in die Limousine gesetzt habe?«

Ich rutsche recht nervös hin und her. Ich weiß nicht genau, worauf er hinauswill, aber es wird mir bestimmt nicht gefallen.

»Nicole?«

»Nennen Sie mich nicht so!«, herrsche ich ihn an.

Schweigen am anderen Ende. Jetzt habe ich Angst, dass er gleich auflegt.

»Nun gut, Nikki«, sagt er, als wüsste er, dass er den Schmerz einer sehr tiefen Demütigung lindern muss. »Was haben Sie empfunden, als ich Sie in die Limousine gesetzt habe?«

»Ich war stinksauer. Das wissen Sie ganz genau.«

»Weil ich Sie allein in einer Limousine nach Hause geschickt habe? Oder weil ich Sie allein in einer Limousine nach Hause geschickt habe, weil ich mit einer schönen Frau verabredet war?«

»Falls Sie es nicht bemerkt haben sollten: Wir kennen uns kaum. Sie haben also alles Recht der Welt auszugehen, mit wem Sie wollen. Und wann Sie es wollen.«

»Und Sie haben das Recht, eifersüchtig zu sein.«

»Ich bin nicht eifersüchtig. Und nein, ich habe kein Recht darauf. Lassen Sie mich den entscheidenden Punkt noch einmal klarstellen: Wir kennen uns kaum.«

»Verstehe. Und dass wir einander begehren, spielt keine Rolle? Genauso wenig wie die Tatsache, dass ich Sie ganz feucht gemacht habe? Dass ich Ihnen an die Muschi gefasst und Sie zum Stöhnen gebracht habe?«

Er ist drauf und dran, mich erneut zum Stöhnen zu bringen, aber ich schaffe es, mich zu beherrschen.

»Dann sagen Sie mir bitte, ab welcher Intimitätsstufe man Ihrer Meinung nach eifersüchtig sein darf?«

»Ich – ich habe heute so viel Champagner getrunken, dass man eine ganze Badewanne damit füllen könnte. Deshalb werde ich Ihnen Ihre Frage nicht beantworten.«

Er lacht, laut und unverstellt. Mir gefällt dieses Lachen, und mir gefällt Damien Stark. Er ist ganz anders, als ich erwartet hätte. Er hat etwas Unwiderstehliches an sich, das über seine Attraktivität und die Tatsache, dass er mich ganz wuschig gemacht hat, hinausgeht. Er scheint sich pudelwohl in seiner Haut zu fühlen. Ich muss an Evelyn denken. Daran, dass sie gesagt hat, wenn ihre Art ihren Gästen nicht passe, müssten sie eben woanders hingehen. Schon das war ein Schock für mich – meine Mutter hätte bei diesen Worten auf der Stelle einen Herzinfarkt erlitten. Aber ich war auch beeindruckt.

Soweit ich das beurteilen kann, treibt Damien Stark diese Einstellung auf die Spitze. »Sie heißt Giselle«, sagt er leise. »Ihr gehört die Galerie, die Blaines Arbeiten ausstellt.«

»Ich dachte, Evelyn stellt seine Arbeiten aus?«

»Evelyn war die Gastgeberin. Sie ist so etwas wie Blaines Mäzenin. Morgen kehren die Bilder wieder in Giselles Galerie zurück. Diese Verabredung zu Cocktails mit Giselle und ihrem Mann habe ich schon vor einer Woche vereinbart. Es ist rein geschäftlich und ließ sich nicht absagen. Aber ich habe mich kurz davongestohlen, um Sie anzurufen.«

»Oh.« Ihr Mann. »Oh.«

Einerseits ärgere ich mich, dass ich so leicht zu durchschauen bin. Andererseits ruft er extra an, um mich zu trösten, und diese rührende Geste lässt mich nicht kalt. Natürlich dürfte ich das gar nicht zulassen. Ich sollte stark bleiben, ihm sagen, das sei doch nicht nötig gewesen. Denn egal, was da zwischen uns geschieht – es muss bereits im Keim erstickt werden.

»Wo sind Sie gerade?«, frage ich, womit ich alle guten Vorsätze über Bord werfe.

»Im Sur la Mer«, sagt er – ein Restaurant mit Bar in Malibu, das so chic ist, dass sogar ich davon gehört habe.

»Es soll hervorragend sein.«

»Das Essen ist köstlich«, sagt er. »Aber es ist die Einrichtung, die das Lokal zu etwas ganz Besonderem macht. Es ist charmant, aber intim – der ideale Ort, um über Geschäfte zu reden, wenn man nicht belauscht werden will. Oder um Privates zu besprechen.«

In seiner Stimme schwingt wieder dieser verführerische Klang mit, und ich zucke kurz zusammen. »Und Sie sind wegen einer geschäftlichen Besprechung dort?«

Sein tiefes Kichern geht mir durch Mark und Bein. »Ich kann Ihnen versichern, dass ein flotter Dreier mit Giselle und ihrem Mann nicht zur Debatte steht. Ich interessiere mich weder für Männer noch für verheiratete Frauen.«

Ich schweige.

»Ich möchte Sie wiedersehen, Nikki. Und ich glaube, Sie würden das Essen hier sehr genießen.«

»Nur das Essen?« In meinem Kopf klingen diese Worte doppeldeutig und verführerisch. Laut ausgesprochen kommen sie mir platt und provozierend vor. Ich schließe die Augen und versuche, mich wieder in den Griff zu kriegen, bevor das Eis zu dünn wird.

»Na ja, der Kaffee ist auch nicht zu verachten.«

»Ich – ich mag Kaffee«, gebe ich zu. Ich hole tief Luft. »Aber ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«

»Tausende von Kaffeebauern auf der ganzen Welt würden Ihnen da heftig widersprechen.«

»Ein Abendessen. Kaffee. Eine Verabredung. Mit Ihnen. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«

»Tatsächlich? Ich finde sie außerordentlich reizvoll.«

»Mr. Stark …«

»Miss Fairchild«, sagt er, und ich höre das Lächeln in seiner Stimme.

»Sie sind wirklich impertinent!«

»Das sagten Sie bereits. Aber ich bevorzuge den Begriff ›hartnäckig‹. Eine abschlägige Antwort kann ich bedauerlicherweise nicht akzeptieren.«

»Manchmal gibt es leider keine andere.«

»Vielleicht. Aber nicht in diesem Fall.«

Ich muss einfach grinsen, während ich mich in die weichen Lederpolster sinken lasse. »Ach, nein? Sie vergessen, dass ich diejenige bin, die einwilligen oder ablehnen muss. Und ich habe Ihnen meine Antwort bereits genannt. Ich habe auch nicht vor, sie zu ändern.«

»Nein?«

»Nein, tut mir leid. Ich fürchte, Sie haben einen ebenbürtigen Gegner gefunden, Mr. Stark.«

»Das will ich doch hoffen, Miss Fairchild!«

Ich runzle die Stirn und versuche zu ergründen, worauf er das Gespräch als Nächstes lenken wird. Denn ich weiß genau, dass er nicht lockerlassen wird. Ehrlich gesagt wäre ich auch enttäuscht, wenn er es täte.

»Ich habe Sie das schon einmal gefragt, aber Sie sind meiner Frage ausgewichen. Erlauben Sie, dass ich es noch mal versuche – fühlen Sie sich zu mir hingezogen?«

»Ich – wie bitte?«

Sein Lachen ist tief und leise. »Sie haben mich sehr wohl verstanden, aber der Fairness halber werde ich die Frage noch einmal langsam und deutlich wiederholen. Fühlen Sie sich zu mir hingezogen?«

Ich mache den Mund auf und schließe ihn wieder, weil ich keine Ahnung habe, was ich darauf antworten soll.

»Das ist keine Fangfrage«, sagt er, obwohl natürlich das Gegenteil der Fall ist.

»Ja, das tue ich«, sage ich schließlich, weil es die Wahrheit ist und er es ohnehin schon weiß. »Aber was heißt das schon? Welche heterosexuelle Frau auf diesem Planeten fühlt sich nicht zu Ihnen hingezogen? Ich gehe trotzdem nicht mit Ihnen aus.«

»Ich bekomme immer, was ich will, Nikki. Das sollten Sie von Anfang an über mich wissen.«

»Und Ihr Wunsch ist es, mich zum Abendessen auszuführen? Ich dachte, ein Mann Ihres Kalibers hätte ehrgeizigere Ziele. Den Mars zu besiedeln zum Beispiel.«

»Das Abendessen ist erst der Anfang. Ich will Sie berühren«, sagt er fordernd. »Ich will jeden Millimeter von Ihnen erkunden. Ich will, dass Sie feucht werden. Ich will zu Ende bringen, was wir angefangen haben, Miss Fairchild. Ich will, dass Sie kommen.«