17. Kapitel

Poll lehnte sich im Stuhl zurück und ließ erfreut den Blick über den Tisch schweifen, der mit leeren Schüsseln, zerknautschten Servietten und abgelegtem Besteck übersät war. Zutiefst zufrieden seufzte sie. Es war gut gegangen. Es war sehr gut gegangen. Die Fleischesser hatten sich nicht am Vegetarischen gestört, und niemand hatte sich darüber beklagt, dass ein solches Mahl eigentlich besser zu einem frostigen Winterabend gepasst hätte. Nichts war übrig geblieben, und alle waren entspannt und vergnügt.

Was konnte man sich mehr wünschen?

Der heutige Abend bot alles, was sie sich je erträumt hatte. Das Farmhaus war gemütlich erfüllt von Lärm und Leuten und den Düften köstlicher Speisen. Ihre Hideaway-Familie war vollständig und genoss Gemeinsamkeit, Geborgenheit und entspannte Gespräche nach dem Essen.

Nirwana.

Liebevoll lächelnd sah sie zu Ella, Onyx und Ash hinüber, die sich lachend unterhielten. Wunderbar, dass Ash endlich einen Job hatte. Und so einen schönen noch dazu. Den ganzen Sommer über draußen an der frischen Luft unterwegs, Kontakt mit anderen Leuten … Glücklicher Ash.

Obwohl es wahrscheinlich eine schreckliche Verschwendung seiner beachtlichen Talente war, dachte sie. Ach, wenn sie nur ebenso leicht für ihn ein Restaurant aus dem Ärmel zaubern könnte, wie sie ihm ein Dach überm Kopf hatte bieten können.

Und natürlich war Onyx zum Niederknien schön, und Ash und sie standen sich eindeutig sehr nahe, doch Ella, offenbar in Gedanken an Mark, bewältigte die Situation in ihrer üblichen sonnigen, unkomplizierten Art. Die Gute.

Trotzdem wirklich ein Jammer, dass Ash nicht ungebunden war. Es wäre wunderbar gewesen, wenn Onyx nicht mit im Spiel wäre und Mark, der ihr offen gestanden ziemlich machohaft und egoistisch vorkam, einfach im Hintergrund verblasste, denn dann könnte sich zwischen Ella und Ash eine Romanze entwickeln – und vielleicht sogar in einer Hochzeit auf Hideaway münden …

»Ähem, also, haben wir alle zu Ende gegessen?« Poll schaffte es, sich aus ihrem Tagtraum zu reißen, der von einer spitzengeschmückten Feier in der Kirche von Hazy Hassocks handelte, Ash und Ella strahlend schön mit Dutzenden kleiner Brautjungfern in wallenden regenbogenfarbenen Chiffonkleidern und George als Brautführer, Billy und Trixie freudig stolz in der ersten Bank und sie selbst in einem mehrlagigen Kleid in Gold und Creme und vielleicht einem großen Schlapphut mit farblich passenden Flatterbändern. »Sind alle fertig?«

»Ach, ich bin wirklich pappsatt.« Billy klopfte auf seinen Bauch. »Das war ein Festmahl wie für eine ganze Königsfamilie. Ein tolles Gemeinschaftswerk. Vielen Dank, liebe Poll.«

Lächelnd sah Poll ihn an. Er erwiderte ihr Lächeln, und sie spürte einen kleinen Freudenschauer. Billy hatte ein so liebenswürdiges Lächeln. Und er würde in und um Hideaway wohl unersetzlich werden, da er bei allem, was getan werden musste, Hand anlegen konnte. Er war so ein lieber Mann. Ein Mann, wie sie ihm vor vielen Jahren schon hätte begegnen sollen. Obwohl, hielt sie sich streng vor Augen, wenn sie Dennis nicht begegnet wäre, dann gäbe es auch George nicht. Und der Gedanke war schlichtweg entsetzlich.

Doch sie hoffte, dass Billy glücklich werden und nie wieder von Hideaway wegwollen würde. Ein Leben ohne Billy, auch wenn er davon nicht das Mindeste ahnte – und das hoffte Poll doch sehr –, wäre für sie gar nicht mehr vorstellbar.

»Ja, ein wirklich köstliches Mahl, meine Liebe«, unterbrach Trixie ihre träumerischen Gedanken mit vor Begeisterung klappernden Perlenketten. »Einfach köstlich. Hätte ich selbst nicht besser machen können.«

Poll seufzte erleichtert. »Es freut mich so sehr, dass es dir geschmeckt hat. Ihr seid bestimmt müde von eurer Anreise, Billy und du, aber sobald ich George ins Bett gebracht habe, koche ich Kaffee. Ich dachte, wir trinken ihn draußen, weil es so ein schöner Abend ist. Es wird zwar bald dunkel, aber ich habe jede Menge Kerzen.«

»Ich mache Kerzen selbst«, sagte Trixie und wischte sich sorgfältig den Mund mit der Serviette ab. »Ich bitte immer die Elfen um Hilfe beim Sammeln frischer Kräuter – natürlich noch mit dem Morgentau darauf – und mische sie, solange das Wachs noch weich ist, mit einigen Worten der Beschwörung den Kerzen bei, um die bösen Geister abzuwehren und um Gutes zu bewirken. Ich liebe das Flackern einer Flamme.«

»So hast du wohl auch dein Haus niedergebrannt?«, fragte Billy lachend. »Eine flackernde Flamme zu viel?«

Trixie wehrte ab. »Ganz und gar nicht! Das war schlicht und einfach ein Missgeschick beim Kochen. Ich habe sozusagen einfach nur einen Moment nicht aufgepasst, und wusch! Schrecklich war das. Ganz schrecklich.«

Billy nickte. »Das kann ich mir vorstellen. Auf einen Schlag alles zu verlieren! Das tut mir wirklich leid für dich. Aber irgendwie sitzen wir ja alle im selben Boot.«

»Wohl kaum.« Trixie rückte ihre fülligen Locken zurecht. »Du bist nicht ausgebrannt, oder? Mir ist gar nichts geblieben. Meine Vergangenheit war von einem Moment zum anderen dahin. Alles – Fotos, Briefe, all meine kleinen Kostbarkeiten und Andenken – ganz und gar zu Asche verbrannt.«

»Tut mir leid.« Besänftigend sah Billy sie an. »Ich wollte deine Tragödie nicht herunterspielen, meine Liebe. Ich weiß, dass es wirklich grauenhaft für dich gewesen sein muss. Hast du denn gar nichts aus deinem Cottage retten können?«

»Nur ein paar Bücher und andere Kleinigkeiten in Reichweite konnte ich bergen und die Kleider, die ich am Leib hatte.« Trixie schauderte. »Es war fürchterlich. Die Flammen und der Rauch waren nicht aufzuhalten. Sie haben sich überallhin ausgebreitet – und es ging alles so schnell … so schrecklich schnell …«

»Ach ja«, sagte Billy nickend, »das glaub ich gern. Und wenn deine, äh, Zauberkerzen nicht schuld daran waren, hast du dich wohl, als die Feuersbrunst entstand, gerade mit mystischer Hexenküche beschäftigt? Samt magischer Zutaten?«

»Mystische Hexenküche?« Trixie erstarrte. »Magische Zutaten? Also hör mal! Ich habe ganz normal gekocht, gute alte Hausmannskost – das ist meine Stärke. Ja, ich braue vielleicht gelegentlich ein paar Kräutertinkturen – nur für den Eigengebrauch in meinen eigenen vier Wänden –, aber jeglichen Spott über meine Kräuter und Feen und Elfen und das alles muss ich mir doch sehr verbitten!«

Billy gluckste leise. »Fiele mir im Traum nicht ein, dich zu verspotten, Trixie. Jedem das Seine, sag ich immer.«

Trixie wirkte immer noch leicht verschnupft. »Wenn ich hier erst mal richtig angekommen bin, werde ich euch zeigen, was die Elfen bewirken können – dann wird dir das Lachen schon noch vergehen.«

»Wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes, falls der Zauber schiefgeht.«

Trixie schnaubte und ordnete ihre Perlenketten. »Weil ich eine Dame bin und wir hier alle so nett beisammensitzen und ich weiß, was sich gehört, gehe ich darüber jetzt einfach mal hinweg. Aber als Beweis, dass Spott nicht angebracht ist, kann ich dich in eins meiner kleinen Elfengeheimnisse einweihen, soll ich?«

Billy verkniff sich ein Kichern.

Poll warf ihm einen warnenden Blick zu. »Nur zu!« Sie lächelte ermutigend. »Oh ja, George, such dir ein nettes Buch für deine Gutenachtgeschichte aus, Süßer, ich komme gleich rauf. Nein, sprich weiter, Trixie, erzähl uns von den Feen und Elfen.«

»Nun«, Trixie ordnete ihre Perlenkette und glättete betulich die Vorderseite ihres Blümchenkleids, »Feen und Elfen sind wohlwollende Wesen. Es gibt Elfen für jede Gelegenheit. Elfen, die man um Hilfe bitten kann, wenn irdische Methoden einfach nichts bewirken.«

»Tatsächlich? Und können wir sie wirklich sehen?«, fragte Poll mit erwartungsvollem Blick.

»Oh ja. Aber jeder nimmt sie anders wahr. Die meisten Leute sagen, sie sind wie ein lebhafter Wirbel aus sich schnell bewegendem Licht oder eine Kaskade herabfallender Sterne oder einfach eine Empfindung von Licht und Bewegung und Farbe.«

»Ach.« Poll war entzückt. »Wie reizend! Das klingt wunderschön.«

»Ist es auch. Sind sie auch.« Trixie nickte mit starren Locken. »Und jeder hat eine ganz besondere Elfe. Eine Elfe, die in der Zauberwelt nur für ihn da ist. Und unsere besondere Elfe hat einen eigenen Namen für uns, der unserer Persönlichkeit entspricht.«

Billy prustete vor Lachen.

Poll, die eine Szene befürchtete, fand beschwichtigendes Eingreifen angebracht. »Ah ja, so etwas Ähnliches habe ich schon einmal gehört … Ich erinnere mich, dass Mitzi Blessings jüngere Tochter da irgendwas in diesem Internetzdings gefunden hat – und dann nannte sie sich nicht mehr Lulu, sondern wollte ewig lang mit Moonwand Frostblizzard, also Mondstab Frostschneesturm angesprochen werden. Das war wirklich verwirrend. Allerdings ist Lulu Blessing sowieso ein verwirrendes Mädchen.«

Trixie nickte. »Oh ja, diese Webseiten mit Elfennamen-Generator sind nett und lustig, aber das meine ich nicht. Ich spreche von den echten Elfen. Ich spreche davon, dass jeder von uns eine eigene Elfenpatin hat, die uns bei dem uns verliehenen Zaubernamen kennt.«

»Tatsächlich?« Poll warf Billy erneut einen warnenden Blick zu und hoffte, dass Ella nicht hinhörte. Sie würde ihren Ohren nicht trauen. Nein, Ella unterhielt sich noch immer mit Onyx und Ash. Gott sei Dank. »Meinst du so wie ein Schutzengel?«

Trixie schüttelte den Kopf. »Nein, das ist wieder etwas anderes. Aber wir haben wirklich jeder eine Elfe, die über uns wacht, sich um uns kümmert und uns nicht als Trixie Pepper oder Poll Andrews kennt, sondern bei unserem Zaubernamen, und deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass wir zur richtigen Zeit das Richtige tun.«

»Dann hatte deine wohl gerade ihren freien Abend, als dein Haus abgebrannt ist, was?«, fragte Billy ganz unschuldig. »Oder hattest du ein Glas zu viel von deinen Kräutertinkturen getrunken?«

»Das war das Werk eines Kobolds«, fauchte Trixie, »wie ich Poll schon gesagt habe, als ich mein Abendessen gekocht und dabei diese Folge von Dewberry’s Dinners aus Cornwall angesehen habe, wo sie Pasteten gemacht haben und zu der Stelle kamen, wo sie gemerkt haben, dass sie das Gemüse vergessen hatten, und versucht haben, es in die fertig gebackene Pastete zu füllen, ohne dass diese grässliche Gabby Dewberry es mitkriegt, und während ich ganz gebannt davon war, hat mein Topf Feuer gefangen, und wusch!«

Billy biss sich auf die Lippen und gluckste.

Trixie ignorierte ihn und sah Poll klagend an. »Ach, es ist so schwierig, mit Ungläubigen über die Elfen zu sprechen …«

»Dann spar dir doch die Mühe«, sagte Billy freundlich. »Dann kommt auch kein Blödsinn heraus.«

Poll verkniff sich das Lachen. »Sei doch nicht so ein Skeptiker, Billy. Ich finde das faszinierend, Trixie, erzähl weiter.«

Nach einem weiteren vernichtenden Blick zu Billy holte Trixie tief Luft. »Nun, mein Elfenname ist Gossamer Snapdragon, also Spinnwebe Löwenmäulchen.«

Billy johlte vor Lachen.

»Wie hübsch!«, rief Poll rasch aus. »Und hat er eine besondere Bedeutung? Für dich?«

Trixie nickte. »All die von den Elfen verliehenen Namen entsprechen genau der Persönlichkeit des Betreffenden. Meiner bedeutet, dass ich erfüllt bin von einer geistigen Leichtigkeit, vereint mit aufkeimendem jugendlichem Frühling, und wenn erforderlich sowohl ausdauernd bin wie auch gerecht.«

»Papperlapapp!«, platzte Billy heraus. »So einen Stuss hab ich ja mein Lebtag noch nicht gehört!«

Poll klatschte in die Hände. »Achte nicht auf ihn – dann sag mir doch, wie meiner lautet, Trixie. Kannst du das?«

»Ich nicht, aber die Elfen können es, wenn ich sie darum bitte.« Sie sah Billy mit zusammengekniffenen Augen an. »Also, ich kenne euch alle noch nicht so richtig, nicht wahr? Ich bin euch heute zum ersten Mal begegnet, konnte also nur bei diesem Essen einen vagen Eindruck von eurer Persönlichkeit gewinnen, aber die Elfen werden mir eure Namen in ihrer Sprache nennen, die eurem Charakter entsprechen.«

»Partytricks«, sagte Billy grinsend. »Ich liebe Partytricks. Na los, erzähl uns was Lustiges.«

Trixie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schloss die Augen. Poll und Billy wechselten amüsierte Blicke.

»Gut.« Trixie machte die Augen wieder auf. »Polls Elfe sagt, ihr Name ist Thistledown Dreamer, Distelflaum Träumerin – sie ist weich, zart, großzügig, leicht ablenkbar, freundlich und liebevoll. Und du«, sie sah Billy scharf an, »deine Elfe sagt, du heißt Pumpkin Scoffer, Kürbis Spötter. Du bist ehrlich, stark, arbeitsam und treu, spottest jedoch gern über andere, wenngleich auf wohlwollende Art.«

»Also!« Poll war beeindruckt. »Das ist erstaunlich, Trixie! Distelflaum Träumerin … wie hübsch! Und wie überaus passend für mich. Und Billys Name ist auch sehr zutreffend. Kürbis ist wirklich süß.«

»Pah, Kürbis, dass ich nicht lache!«, schnaubte Billy. »Das erfindet sie doch alles. Sie denkt sich verdammt alberne, ähm, ich meine, Elfennamen aus, die zu dem passen, was sie bereits über uns herausbekommen hat.«

Trixies Wangen wurden dunkelrot. Poll hoffte inständig, dass sie jetzt keinen Herzanfall bekam. Sie konnte sich kaum noch an irgendwelche Erste-Hilfe-Maßnahmen erinnern, außer wie man eine Schiene anlegt. Einen Knochenbruch schienen, das konnte sie. Aber eine Schiene würde bei Herzstillstand vermutlich nicht viel nützen.

»Na schön, Mr Scoffer!« Trixie zog überheblich die Augenbrauen in die Höhe. »Wie wäre es dann mit dem Rest der Gesellschaft? Die drei jungen Leute dort am anderen Ende des Tisches? Ich weiß ganz und gar nichts über sie, nicht wahr? Ich kann nicht einmal ansatzweise Vermutungen über ihre Charaktere anstellen, aber ich werde die Elfen bitten, mir auch ihre Namen zu nennen, soll ich?«

Billy gluckste. »Na dann mal los. Aber ich finde, Onyx solltest du auslassen, weil keiner von uns sie kennt, sodass wir den Namen nicht beurteilen könnten. Mach es nur bei Ella und Ash, aber ich wette, diesmal wirst du keinen Treffer landen.«

»Eigentlich«, sagte Trixie, »sollte es bei Ella ganz einfach sein, denn die wortgetreue Bedeutung ihres Namens ist ›Feen-Maid‹.«

»Nein! Tatsächlich?« Poll strahlte. »Wirklich? Ob sie das wohl weiß? Entschuldige, Trixie, mir ist bewusst, dass du dich zu konzentrieren versuchst …«

Trixie schloss wieder die Augen.

»Eingenickt«, sagte Billy mit schelmischen Lachfältchen um die braunen Augen leise zu Poll. »Wahrscheinlich gibt sie bis zur Schlafenszeit keinen Piep mehr von sich.«

»Still, Kürbis!«, sagte Poll leise. »Lass die Elfen ihre Arbeit tun.«

Plötzlich riss Trixie die Augen auf.

»Meine Güte!«, rief Billy. »Das war jetzt wirklich ein bisschen gruselig. Fast wie in der Geisterbahn.«

Poll kicherte.

Trixie ignorierte ihn. »Ellas Elfenname ist Sunshine Strangeflower, Sonnenschein Wunderblume. Ein unbekümmertes, warmherziges Mädchen, das immer mit einem Lächeln bereit ist, alles anzupacken, was das Leben ihr so beschert.«

Poll nickte. »Also soweit ich weiß, trifft das auf Ella haargenau zu. Komm schon, Billy, das musst du doch zugeben.«

»Da ich das Mädchen kaum kenne, muss ich dir das wohl glauben. Na und weiter? Und was ist mit dem jungen Ash?«

Trixie machte wieder die Sache mit den geschlossenen Augen. Poll hielt den Atem an. Das war wirklich faszinierend. Wie schön wäre es, wenn es wirklich Feen und Elfen gäbe. Sie wusste nicht recht, ob sie daran glaubte oder nicht. Sie hatte immer gehofft, es gäbe sie, war von der Vorstellung schon immer fasziniert gewesen – vor allem, nachdem sie die Berichte über die Cottingley-Feen gelesen hatte. Nie würde sie glauben, dass das ein Schwindel gewesen sein sollte. Wenn die Erklärung Sir Arthur Conan Doyle überzeugt hatte, dann genügte sie ohne Zweifel auch ihr.

»Ashs Elfenname«, sagte Trixie mit großen Augen, »ist etwas merkwürdig. Ich gebe es nur ungern zu, aber vielleicht habe ich hier etwas falsch verstanden.«

»Sicher nicht«, sagte Billy lachend. »Sag uns nur, was die Elfen dir über den jungen Ash erzählen, und Poll wird dich umgehend berichtigen.«

»Dich sicher auch, Mr Scoffer. Nun, mir wurde gesagt, er würde Kalen, ähm, Aspeeday genannt. Kalen bedeutet Krieger – ein treuer und ehrlicher und arbeitsamer Mann, der sich abrackert für das, was er erreichen will, aber auch bis zum letzten Blutstropfen kämpft, um diejenigen zu beschützen, die er liebt, oder für die Ideale, an die er glaubt.«

Billy nickte widerwillig. »Okay – der junge Ash wirkt auf mich wie ein Bursche, der für jeden und alles, was ihm am Herzen liegt, zu kämpfen bereit ist – im übertragenen Sinne natürlich.«

»Ja, aber«, sagte Trixie, »ich habe keine Ahnung, wo der Namensteil Aspeeday herkommt. Das ist nicht die übliche Art von Elfenname, und soweit ich sehe, hat er keinerlei tiefere Bedeutung.«

»Das ist absolut verblüffend«, japste Poll. »Und hat in Wirklichkeit durchaus tiefere Bedeutung. Weißt du, A-s-p-i-d-e bedeutet nämlich Schlange oder Natter.«

Billys dunkelbraune Augen wurden groß vor Bewunderung. »Was du alles weißt, meine liebe Poll. Wirklich beeindruckend.«

Poll errötete über das Kompliment. »Ich habe eine altmodische Erziehung und Ausbildung genossen.«

»Tatsächlich?«, fragte Trixie. »Ist Aspeeday denn Lateinisch, meine Liebe?«

»Altenglisch«, antwortete Poll. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie langweilig das war, aber Auswendiggelerntes bleibt offenbar nachhaltig hängen.«

»So ist es, meine Liebe«, stimmte Trixie ihr zu. »Ich weiß noch all meine Stundenpläne. Und die Elfen verwenden viel altenglisches Sprachgut – aber natürlich bin ich nicht mit allem davon vertraut … Doch selbst wenn du recht hast – und davon bin ich überzeugt, meine Liebe –, verstehe ich immer noch nicht, warum Schlangen für Ash eine Bedeutung haben sollten.«

Poll nickte begeistert. »Haben sie aber, glaub mir. Ach, ich meine nicht irgendwie als Bedrohung oder dass Ash eine Natter am Busen wäre oder eine heimtückisch verführerische Schlange wie bei Adam und Eva, aber, und das konntest du natürlich nicht wissen, er hat als Haustier eine heißgeliebte Schlange namens Roy.«

»Teufel auch!«, schnaubte Billy. »In dem Zimmer neben meinem?«

Poll nickte. »Ganz sicher eingeschlossen.«

»Dann ist es ja gut.«

Trixie lächelte breit. »Ach wirklich? Das freut mich aber! Na so etwas! Meine Elfen haben mich bislang noch nie im Stich gelassen, aber ich muss zugeben, ich dachte schon, da lägen sie falsch. Ash muss diesen, ähm, Roy sehr lieben, wenn die Elfen seinen Namen mit ihm verbinden.«

»Oh ja, das tut er«, versicherte ihr Poll. »Roy ist Ashs ganz große Liebe.«

Liebe Güte, wenn das doch nur die vollständige Wahrheit wäre, dachte Poll mit einem Blick zum anderen Ende des Tisches. Der Stuhl von Onyx war leer, und Ash und Ella lachten miteinander. Natürlich liebte Ash Roy, aber nachdem sie die beiden heute Abend zum ersten Mal zusammen gesehen hatte, schien es Poll, dass er auch Onyx liebte. Arme Ella. Selbst wenn sie und Mark ihre Beziehung beenden sollten, war Ash eindeutig schon vergeben. Das Leben war manchmal so was von unfair.

Poll ließ die jahrhundertealten Konflikte ewiger Dreiecksbeziehungen beiseite und stand auf. »Jetzt muss ich aber wirklich nach George sehen – es ist schon weit über seine Schlafenszeit hinaus, und er wartet auf seine Gutenachtgeschichte. Trixie, danke für das mit den Elfennamen – es war faszinierend. Du musst uns bald mehr über die Elfen erzählen. Aber dass wir jetzt die Namen kennen, heißt doch wohl nicht, dass wir uns künftig nur noch mit Löwenmäulchen oder Kürbis ansprechen, oder?«

Trixie schüttelte den Kopf. »Sicher nicht, meine Liebe. Diese Namen werden nur verwendet, wenn die Magie über uns kommt. Die Elfen sind ein sehr geheimnisvolles Volk, weißt du?«

Billy lachte. »Na Gott sei Dank. Und bei mir ist dein Geheimnis sicher, Trixie. Ich schwöre, dass ich keiner Menschenseele je verraten werde, dass ich meine eigene Elfe habe. Während Poll den kleinen George ins Bett steckt, könnten wir doch den Tisch abräumen und Kaffee kochen, was meinst du?«

»Gute Idee. Du machst den Tellerwäscher, du Spötter, und ich koche den Kaffee, wenn mir jemand sagt, wo alles ist.« Trixie bedachte Billy mit einem verschmitzten Blick. »Und ich mache einfach nur Kaffee, keine Kräutertinkturen oder magischen Elfentränke. Zumindest nicht jetzt.«

Billy lachte.

Poll strahlte die beiden an. Jetzt schienen sie sich wieder ganz gut zu vertragen. Puh. Sie raffte ihre wallenden Röcke zusammen und schob sich am Tisch entlang. Hinter Ellas Stuhl blieb sie stehen. »Ich bringe nur eben George ins Bett, dann trinken wir im Garten noch Kaffee.«

»Wie schön.« Ella sah lächelnd zu ihr hoch. »Lief doch alles bestens, Poll. Bist du jetzt zufrieden?«

Poll nickte, dann sah sie auf den leeren Stuhl neben Ella und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Wo ist Onyx? Ich habe sie nicht gehen sehen.«

»Nur mal eben aufs Klo.«

»Ach so. Und, wie versteht ihr euch? Du und – Onyx?«

Ella seufzte. »Ach, sie ist nett – ich meine, nicht nur schön, sondern auch ein wirklich toller Mensch … Und klug obendrein – ich mag sie wirklich – verflixt noch mal.«

Poll machte ein mitfühlendes Gesicht. »Ich weiß – so geht es mir auch, selbst wenn ich noch nicht so viel von ihr mitbekommen habe.« Dann fuhr sie in normaler Lautstärke fort: »Also, vielleicht könntest du Trixie zeigen, wo die Sachen zum Kaffeekochen sind, während ich George seine Gutenachtgeschichte vorlese?«

»Na klar.« Ella nickte. »Und Ash kann Billy helfen, den Tisch abzuräumen und die Spülmaschine einzuräumen.«

Ash sah über den Tisch zu ihnen her. »Gerne. Wenn er einen Moment auf mich wartet. Sobald Onyx vom Klo zurückkommt, gehen wir kurz nach oben in mein Zimmer, damit sie Roy mal wieder Hallo sagen kann – sie hat ihn seit Ewigkeiten nicht gesehen. Ach, und für uns bitte keinen Kaffee, tut mir leid. Ich fahre Onyx nach Winterbrook zurück, weil sie heute noch arbeitet, und ich weiß noch nicht, wann ich nach Hause komme.«