8. Kapitel

»Endlich und zu guter Letzt«, seufzte Poll, als sie die letzte Schüssel mit Essen auf den Holztisch im Garten stellte und für Ella und Ash große Gläser, in denen Eiswürfel klimperten, mit Fruchtsaft füllte. »Bitte entschuldigt die ganzen Verzögerungen. Es ist schrecklich heiß, und ihr seid sicher beide schon halb verhungert und ausgetrocknet und fix und fertig. Bitte, bedient euch.«

Da es für Poll außerordentlich wichtig war, dass jeder gut zu essen bekam, hatte sie einen üppigen Ploughman’s Lunch mit Brot, Käse und Pickles aufgetischt, von dem mindestens dreißig Leute satt geworden wären, denn sie wollte bei Ella und Ash auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, sie wäre knauserig.

»Sieht alles ganz herrlich aus«, sagte Ash und nahm sich reichlich von allem etwas.

Ella, den Mund bereits voller Brot und Käse, nickte zustimmend.

Poll häufte ihren eigenen Teller voll und war froh, dass Ella ihr seelisches Gleichgewicht wiedererlangt zu haben schien, und auch, dass sie offenbar keine kalorienarme Diät befolgte, um ihre sagenhafte Figur zu halten. Sie erlaubte sich einen weiteren verstohlenen Seitenblick auf Ellas sehr, sehr lange tiefschwarze Wimpern und ihren makellosen jugendlichen Pfirsichteint. Keine einzige Falte, kein Krähenfuß und keine vergrößerte Pore in Sicht. Wie aus Porzellan.

Ella, dachte Poll, war genau so, wie sie selbst in ihrer Jugend gern gewesen wäre – und nie hatte sein können und jetzt nie mehr werden würde. Verflixt noch mal.

»George hält Mittagsschlaf«, sagte Poll, »daher ist dies wohl die ideale Gelegenheit, euch beiden einiges zu erklären. Ach, nehmt doch noch Brot, und der ganze Käse ist selbst gemacht, aus Milch der auf Hideaway weidenden Kühe und Ziegen.«

Ella stöhnte wohlig. »Nach diesem Essen werde ich mich keinen Zentimeter mehr bewegen können. Es schmeckt alles ganz köstlich – und entschuldige – ich habe von Landwirtschaft nicht die leiseste Ahnung. Kühe oder Ziegen habe ich nirgends gesehen. Sind die, äh, in irgendwelchen Ställen oder so?«

Poll lachte, sodass ein Klümpchen Pickles in ihren Perlenbehang plumpste. »Ups … Nein, wir halten keine Tiere auf der Farm. Im Grunde betreibe ich überhaupt keine Landwirtschaft. Ich verpachte das Land an Nachbarn, als Acker- oder Weideland, wenn es sein muss, aber dann nur für die Milchproduktion. Die Hühner sind meine und gehören zur Familie und laufen frei herum und legen Eier an den merkwürdigsten Orten, und die essen wir natürlich auch. Die Eier, meine ich, nicht die Hühner. Aber die Hideaway Farm wird landwirtschaftlich voll genutzt.«

»Landwirtschaftlich?«, fragte Ella. »Feldfrüchte, Getreide und so was?«

»Weizen, Gerste, Kartoffeln, Gemüse, sogar Raps. Ich wäre nie hergekommen, wenn hier irgendetwas geschlachtet würde. Ich hoffe doch, ihr seid mit vegetarischer Küche einverstanden?«

Ella nahm sich noch mehr Käse und einen großen Löffel Tomaten-Chutney. »Natürlich. Ist völlig in Ordnung. Ich habe noch nie daran gedacht, auf Fleisch zu verzichten, aber ich bin gerne bereit, alles auszuprobieren.«

»Ich auch«, pflichtete Ash ihr bei. »Und wenn das alles hier rein vegetarisch ist, finde ich es ganz erstaunlich – ich meine, da gibt es sogar Pastete – die ist doch sicher …«

»Aus Pilzen und Käse und Kräutern«, erklärte Poll stolz. »Genauso lecker wie aus Zutaten, die mal geatmet haben – finde ich jedenfalls. Hier in Hideaway koche ich nur Sachen, die kein Gesicht hatten.«

»Damit habe ich kein Problem«, sagte Ella und bestrich eine dicke Scheibe Brot mit Pastete.

Ash nickte. »Ich auch nicht.«

Dem Himmel sei Dank, dachte Poll und atmete erleichtert aus. So weit, so gut. Als Nächstes könnte sie Ella – und nun auch Ash – ihre Pläne näher erläutern. Aber noch nicht jetzt, nicht, solange alles so harmonisch verlief. Lieber erst mal auf sicherem Boden bleiben. Essen. Sie würde sich ans Thema Essen halten.

Poll lächelte Ella an. »Also, was für Nachspeisen kochst du denn gerne?«

»Reichhaltige und altmodische. Üppige und klebrige. Mit Unmengen Sahne und Zucker und echter Puddingsoße. Damit habe ich meine gertenschlanken Mitbewohnerinnen immer zum Wahnsinn getrieben! Eve’s Pudding, Midsummer Pie, echten Victorian Trifle, Manchester Tart – solche Sachen …«

»Fantastisch!« Ash sah Ella erstaunt an. »All diese nostalgischen Desserts sind zurzeit total angesagt, und es sind eindeutig einige meiner Lieblingsnachspeisen dabei. Ich sehe schon, wir werden über kurz oder lang alle zu den Weight Watchers müssen. Hast du dir das Kochen selbst beigebracht?«

»Jawohl. Als ich klein war, hat meine Oma mir die Zubereitung all dieser Desserts und anderer gezeigt. Erst habe ich ihr zugesehen, dann geholfen, dann alleine gekocht.«

»Die beste Art zu lernen, die es gibt«, meinte Poll und bestrich bedächtig eine weitere Scheibe Brot mit Butter. Als sie sich vorbeugte, verteilte sich die Butter zwischen ihren Perlen. Ella war offenbar voller Überraschungen. »Klingt köstlich, und da Ash und ich eher Herzhaftes kochen, werden wir uns in der Küche gegenseitig wunderbar ergänzen. Und ich liebe altmodische Rezepte. Du musst mir unbedingt einige deiner Lieblingsdesserts beibringen.«

Ella nickte glücklich. »Natürlich, aber ob wir Zeit dazu finden? Bei all meinen Aufgaben hier …? Mich um George zu kümmern gehört ja eindeutig dazu – aber was noch? Was hattest du mir denn eigentlich verschwiegen?«

Poll lachte. »Ach ja. Ich kann es wohl doch nicht mehr länger aufschieben. Und vielleicht ist es ganz gut, dass Ash mit dabei ist, denn er weiß im Grunde auch noch nichts davon.«

Sie griff unter den Tisch und zog einen abgenutzten Aktenordner hervor.

»Mach nicht so ein besorgtes Gesicht, Ella. Ich habe nicht wirklich gelogen, sondern nur etwas ausgelassen. Ich will tatsächlich, dass sich jemand um George kümmert, aber nicht weil ich vorhabe, die Lebedame zu geben, die fein ausgeht, während du dich abrackerst – ganz und gar nicht! Ich weiß, dass die Annonce danach klang, aber eigentlich wünsche ich mir, dass du an der Erfüllung meines Traums mitarbeitest.«

»Traum? Was für ein Traum? Ich kann mich nicht erinnern, dass in dem Inserat irgendwas von einem Traum gestanden hätte.«

»Entschuldige. Ich sagte ja schon, ich fange immer alles verkehrt herum an. Also, das Geld, das ich geerbt habe – das ist eine andere lange Geschichte, die ich dir später mal erzähle –, ist wie auch das aller anderen durch die Finanzkrise deutlich weniger geworden, sodass ich etwas unternehmen muss, damit für George noch genügend übrig bleibt. Das heißt, selbst etwas verdienen, um den Verlust auszugleichen. Da ich auf dem Arbeitsmarkt unmöglich vermittelbar bin, dachte ich, ich könnte etwas tun, womit ich Geld verdiene und zugleich anderen Leuten helfe. Also habe ich beschlossen, das Gute mit dem Nützlichen zu verbinden.«

Ella und Ash wechselten fragende Blicke.

Poll reichte Ella die Akte. »Vielleicht wirfst du erst mal einen Blick auf das hier.«

Noch immer völlig verwirrt blätterte Ella die Seiten durch. Da waren Unmengen von Zeitungsausschnitten, zahlreiche Notizen und Dutzende von Briefen. Es würde Wochen dauern, das alles gründlich zu studieren.

Sie sah zu Poll auf. »Könntest du mir nicht einen Hinweis geben, wonach ich suchen soll? Auf den ersten Blick scheinen das alles Geschichten über Leute zu sein, über die wegen dieser oder jener Missetaten in der Zeitung berichtet wurde.«

»Nicht unbedingt«, sagte Poll, beugte sich über den Tisch und hob den obersten Papierstapel hoch. »Einige ja, natürlich, und die habe ich ausgesondert. Ich habe Ewigkeiten damit zugebracht, diese Informationen aus Fernsehnachrichten und Presse zusammenzustellen, und noch länger, die Falschen auszusortieren. Und am Ende habe ich meine Wahl getroffen, also lies bitte dies hier.«

Während die Sonne vom Himmel brannte und eine der Katzen sich im Schatten des Tisches um ihre Beine wand, überflog Ella die Papiere. Schließlich blickte sie auf.

»Okay, soweit ich sehen kann, haben diese Leute absolut nichts gemeinsam, außer dass sie dieses Jahr wegen sozialen Fehlverhaltens in den Zeitungen standen … Tut mir leid, aber ich verstehe immer noch nicht, was …«

Poll seufzte. »Sie haben eines gemeinsam – wie all die armen Menschen in diesen Berichten haben sie ihre Existenzgrundlage und ihr Zuhause verloren. Ach, Ella, wie viel Leid und Kummer es da draußen gibt. Es war so schwer, eine Auswahl zu treffen …«

»Auswahl?«

»Hmhm.« Poll nickte. »Es hat mich viele schlaflose Nächte gekostet, diejenigen herauszusuchen, die wirklich unbedingt meine Hilfe brauchten. Fürs Erste konnte ich nur drei nehmen, aber eines Tages, mit mehr Einnahmen, kann ich hoffentlich noch erweitern. Da war natürlich auch George zu berücksichtigen. Ich könnte ihn ja keinem belastenden Umfeld und keiner Person aussetzen, die, na ja, problematisch wäre.«

»Nein, natürlich nicht. Hast du denn vor, diese Leute zu sponsern? Zu ihren Gunsten ans Obdachlosenheim zu spenden oder was? Ich verstehe noch immer nicht, welche Rolle ich dabei spiele.«

»Wirst du gleich. Siehst du es nicht? Diese Leute haben alles verloren. Ohne dass sie etwas dafür konnten. Und deshalb habe ich sie eingeladen, hier zu wohnen.«

»Was?« Ella fiel fast vom Stuhl. »Wohnen? Hier? Auf der Hideaway Farm?«

Poll nickte mit strahlendem Lächeln. »Ja. Das ist das Einzige, was ich tun kann. Ich kann einen Beitrag leisten. Ich habe alles, was ich mir je erträumt habe, aber mein früheres Leben war oft ganz schön trostlos, und ich hätte nie gedacht, dass ich je so ein Glück finden würde. Diese Leute verdienen auch eine zweite Chance. Ich habe hier so viel Platz – und den kann ich ihnen jetzt anbieten.«

»Unglaublich«, hauchte Ash.

Ella war nicht so leicht zu beeindrucken. »Indem du sie aufnimmst? Sie in Hideaway wohnen lässt? Ja spinnst du denn? Die sind doch alle total abgedreht und gefährlich …«

»Sind sie nicht. Das schwör ich dir. Ich habe sie kennengelernt – George und mein Anwalt ebenfalls.«

Ash merkte interessiert auf. »Also gehöre ich auch dazu?«

»So ist es.« Poll nickte. »Dein Fall war der erste, auf den ich gestoßen bin. Du warst der Erste, den ich kontaktiert habe.«

»Gott sei Dank hast du das getan. Ich war völlig am Boden. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein.«

Ella schüttelte den Kopf. »Okay, ich verstehe, warum Ash sein Dach überm Kopf verloren hat, aber wer sind die anderen? Und warum …?«

»Nur noch zwei Weitere für den Anfang.«

»Zwei Weitere?«, erkundigte sich Ella. »Ach ja, das geheimnisvolle Duo Billy und Trixie?«

Poll strahlte. »Volltreffer. Und natürlich habe ich die beiden auf Herz und Nieren überprüfen lassen – polizeiliches Führungszeugnis, Vorstrafenregister und alles. Sie wurden missverstanden und sind momentan unglücklich und ein bisschen verwirrt, weil das Leben ihnen so übel mitgespielt hat, aber gefährlich oder abgedreht sind sie nicht.«

»Wirklich? Alle Typen in dieser Akte erscheinen mir beängstigend abgedreht.« Ella warf einen Seitenblick auf Ash. »Anwesende natürlich ausgenommen.«

»Natürlich.« Ash lachte leise und schenkte eisgekühlten Saft in die Gläser nach.

Ella lächelte. »Danke. Gut. Du willst aus der Hideaway Farm also einen Zufluchtsort machen, und ich soll dabei …«

»Genau das tun, was ich inseriert habe. Dich um George kümmern, damit ich in Hideaway auch wirklich jedem die bestmöglichen Startbedingungen bieten kann. Ich möchte, dass George dadurch in keinster Weise belastet wird. Deshalb bist du als Kindermädchen hier – nur das Warum war es, das ich in der Anzeige ausgelassen habe.«

»Unglaublich«, sagte Ash, bevor Ella antworten konnte. »Poll, das ist einfach wunderbar.«

Ella runzelte die Stirn. »Tja nun, ja, das ist es – zumindest theoretisch –, aber ob es auch funktioniert?«

Poll trank einen großen Schluck. »Reibungslos, hoffe ich. Ash kennt diesen Teil. Ich lasse sie Hideaway zu ihrem neuen Heim machen. Ich bin ihre Vermieterin, und sie zahlen mir an Miete, was sie sich unter den gegebenen Umständen leisten können, was mir die nötigen regelmäßigen Einkünfte verschafft, während sie weiter ihrer Arbeit nachgehen oder was auch immer und ihr Leben wieder in den Griff kriegen können.«

Ella war noch immer reichlich entgeistert. »Also, wenn ich das richtig verstehe, dann ziehen sie hier ein, mit all ihren Sachen? Mit Möbeln und so? Mit allem Drum und Dran?«

»Ich habe die Zimmer vollständig möbliert, weil keiner von ihnen viele Besitztümer hat, aber natürlich bringen sie mit, was sie an Krimskrams so haben, damit sie sich zu Hause fühlen. Wir haben bereits besprochen, was sie brauchen, und das ist alles geklärt.«

»Sollen sie denn auf Dauer in Hideaway wohnen?«

»Ganz, wie sie wollen. Mein Anwalt hat sich um die ganzen Mietvertragsklauseln und Richtlinien der Behörde für Gesundheit und Sicherheit und sonstigen langweiligen Paragrafenkram gekümmert. Für den Anfang haben wir einen Aufenthalt von sechs Monaten vereinbart. Vielleicht wollen sie länger bleiben, vielleicht stehen sie dann wieder mit beiden Beinen im Leben und haben bis dahin ein neues Zuhause gefunden. Für jeden, der auszieht, rückt eine andere arme Seele nach, die meine Hilfe braucht.«

»Wow. Wie Ash schon sagte, du bist wunderbar … verrückt, aber wunderbar. Die meisten Leute würden so etwas nie im Leben tun.«

»Ich bin nicht wie die meisten Leute, wie dir wahrscheinlich schon aufgefallen ist«, sagte Poll mit leisem Lachen. »Und ich bin eine schrecklich schlechte Hausfrau, und ich weiß, wenn all diese Leute hier auch noch wohnen, brauche ich Unterstützung mit George, damit sein Leben in geordneten Bahnen verläuft, und dafür wollte ich jemanden, der Verständnis hat. Jemanden wie dich, der ebenfalls sein Leben ändern will.«

»Also, ich bin erleichtert, dass es nichts Schlimmeres ist. Ich hatte mir schon alles Mögliche ausgemalt, aber so was gewiss nicht …« Ella sah Poll über den Tisch hinweg an. »Du hast also ebenso wie Ash auch Billy, äh, Booker eingeladen – einen gescheiterten Kleinunternehmer mit einem Hang zur Kleptomanie?«

»Zu Unrecht beschuldigt«, widersprach Poll heftig und bekam feuchte Augen. »Der arme Billy, so ein lieber Mann. Er ist Witwer und hatte seine eigene kleine Bäckerei, die durch die Rezession pleitegegangen ist. Er hat in einer sozialen Einrichtung gelebt. Schreckliche Kaninchenställe. Anderen Bewohnern sind Sachen abhandengekommen und dann in Billys Wohnung wieder aufgetaucht. Hauptsächlich Lebensmittel. Billy ist ein echter Schatz, und ganz eindeutig hat irgendwer anders ihm die Sachen untergeschoben. Aber nachdem er als asozial gebrandmarkt war, hat man ihn rausgeworfen – und ohne Familie und ohne Einkommen, außer seiner mageren Rente, wusste er nicht, wo er hinsollte, und stand kurz davor, auf der Straße zu landen, und brauchte mich einfach.«

»Armer Kerl.« Ash sah entsetzt aus.

»Oder«, sagte Ella, »er ist wirklich ein Langfinger, ein Lügner, von Grund auf gierig und unangenehm.«

»Ella!« Poll schüttelte den Kopf. »Das meinst du doch nicht ernst? Warte, bis du ihn kennenlernst. Du wirst ihn gernhaben.«

»Okay, die Urteilsverkündung wird vertagt.« Ella lächelte Poll an. »Ich hoffe nur, es legt dich niemand aufs Kreuz. Das wäre also Billy. Und was ist mit Trixie?« Sie warf einen Blick auf den nächsten Papierstapel. »Ah ja – Trixie Pepper, eine Frau mittleren Alters, die … Was? Das kann doch nicht wahr sein! Eine Brandstifterin …!«

Ash lachte.

Ella sah ihn streng an. »Das ist nicht lustig. So steht es hier.«

»Angeblich – alles nicht bewiesen –, und du wirst sie bestimmt mögen«, warf Poll rasch ein. »Die arme Trixie. Sie hat im Dienstbotenhäuschen auf dem Gelände irgendeines großen Anwesens gewohnt – sie war dort Köchin und Haushälterin – und hat leider eines Nachts eines ihrer Gerichte anbrennen lassen, während sie – du wirst lachen – wie gebannt bei Dewberry’s Dinners vor dem Fernseher saß.«

Ash zog fragend die Augenbrauen hoch. »Das Essen ist angebrannt?«

»Oh ja – die arme Trixie – sie war vollkommen gefesselt von dem, was bei Gabby und Tom Dewberry vor sich ging, sodass sie alles andere ringsum total vergessen hat. Sie hatte Glück, dass sie mit dem Leben davongekommen ist. Das kleine Haus ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Anscheinend war das nicht das erste Mal, dass ihr durch mangelnde Aufmerksamkeit etwas in Flammen aufgegangen ist, und so wurde sie fristlos entlassen.«

»Kein Wunder«, sagte Ella scharf. »Pyromanie gehört wahrscheinlich nicht gerade zu den erwünschten Schlüsselqualifikationen einer Köchin und Haushälterin.«

Poll kicherte. »Ich weiß – vielleicht sollten wir sie während ihres Aufenthaltes hier diskret im Auge behalten, wenn sie in der Küche ein bisschen vergesslich ist.«

»Oder wir werden bei lebendigem Leibe in unseren Betten verbrannt.«

»Das wird nicht passieren. Ich muss ja auch an George denken. Die ganze Geschichte ist sowieso total aufgebauscht worden«, sagte Poll bestimmt. »Liebe Güte, ist uns nicht allen beim Kochen schon mal so etwas passiert?«

»Kein ganzes Haus zerstört, nein«, sagte Ash skeptisch.

Ella atmete scharf ein. »Lieber Himmel!«

»Was denn?«, fragte Poll.

Ella zeigte mit dem Finger auf die Seite. »Diese Trixie ist nicht nur eine Brandstifterin – okay, angebliche Brandstifterin –, aber hier in den Zeitungsausschnitten steht, dass sie Elfen für das Feuer verantwortlich macht … Die muss ja total durchgeknallt sein.«

»Nein, ist sie nicht. Nimm doch nicht immer alles so wörtlich. Das war nur so ein boshaftes Geschwätz, das in ihrem Dorf die Runde machte. Trixie war bekannt dafür, dass sie an das kleine Volk glaubt … und was macht das schon? Viele Leute tun das. Anscheinend wurde allgemein behauptet, dass sie Kräutertinkturen braut und beim Kochen mit so manch einer Elfen-Beschwörung arbeitet. Als wir uns kennengelernt haben, sagte sie, dass böse Feen ihr die falschen Dosierungen eingegeben hätten, sodass sämtliche Garzeiten verkorkst waren, und dass der Topf nur deshalb Feuer gefangen hat …«

»So ein absurder Quatsch!«, platzte Ella heraus.

Poll lachte.

»Wie schön, dass du so tolerant und aufgeschlossen bist. Genau genommen hat Trixie auch gesagt, ein Kobold …«

»Ach Poll«, prustete Ash, »komm schon. Kobolde und Feen und Elfen, also bitte …«

»Du und ich glauben vielleicht nicht an Feen und Elfen – auch wenn ich mir selbst da nicht so ganz sicher wäre –, aber wenn Trixie es tut und es sie glücklich macht, haben wir doch kein Recht, deswegen mit dem Finger auf sie zu zeigen!«

»Aber sie gibt Feen und Elfen die Schuld daran, dass ihr Haus in Flammen aufging!«, schnaubte Ella. »Und das heißt, sie ist total übergeschnappt und übernimmt keine Verantwortung für gar nichts, weil sie immer alles auf die Feen und Elfen schieben kann. Ich finde, das klingt nach einem sehr hohen Risiko.«

»Und genau dasselbe haben früher einmal alle über Mitzi Blessing in Hazy Hassocks gesagt.«

»Mitzi Blessing?«

»Oh, du wirst Mitzi lieben. Alle lieben sie. Sie ist mir eine gute Freundin geworden, seit ich hierhergezogen bin. Und da fällt mir ein, sie hat zwei sehr nette junge Frauen als Mitarbeiterinnen, die ungefähr in deinem Alter sind. Amber Flanagan und Cleo Maguire. Wir sollten euch mal zusammenbringen. Du brauchst Kontakt zu jungen Leuten aus der Gegend. Du brennst sicher darauf, so bald wie möglich mal abends in der Stadt auszugehen.«

Ash sagte mit ernster Miene: »Das ist bestimmt eine gute Idee, Ella. Ich habe gehört, es gibt in diesen Dörfern sensationelle Kartenspiel-Turniere und Heuboden-Tanzabende.«

»Ach, ha-ha.« Ella streckte ihm die Zunge heraus.

»Kinder!«, rief Poll streng. »Wo war ich? Ach ja, bei Mitzi. Mitzi hat einen wirklich erfolgreichen Kräuterküche-Lieferservice namens Hubble Bubble und wurde im Lauf der Jahre von so einigen Ignoranten der Hexerei bezichtigt. Du wirst sehen – bei der armen Trixie ist es nicht anders. Verspottet, weil sie an Dinge glaubt, die andere Leute nicht verstehen. Wie auch immer, Trixie kann überhaupt nicht verrückt sein. Sie trägt Twinsets.«

»Ach, na dann ist ja alles gut.« Ella kicherte. »Eine verrückte, Feuer legende Feenfreundin im Twinset. Super.«

»Du solltest keinen von beiden von vornherein verurteilen, Ella. Warte, bis du sie kennenlernst. Sie sind beide unheimlich liebenswert. Wie Ash.«

Ash wurde rot.

»Und ich dachte, es wäre vielleicht nett, wenn wir ihnen ein besonderes Willkommensmenü kochen. Ash könnte die Suppe machen, ich das Hauptgericht und du das Dessert. Was meint ihr?«

»Spitze«, sagte Ash und lehnte sich im Stuhl zurück. »Es wird herrlich, in deiner Küche zu arbeiten.«

»Wie schön. Machst du mit, Ella?«

»Ja, natürlich. Du musst mir nur auf die Sprünge helfen, was Kleptomanen und Brandstifter gerne so essen.«

»Jetzt merke ich aber, dass du mich auf den Arm nimmst«, sagte Poll lachend. »Aber mal ernsthaft, jetzt, wo du weißt, was ich vorhabe und warum ich dich hier brauche, bist du hoffentlich nicht abgeschreckt, oder?«

»Ich habe einer auf drei Monate befristeten Tätigkeit zugestimmt – und die werde ich auch einhalten. Aber ehrlich gesagt bin ich noch nicht so ganz überzeugt … von den beiden.«

»Das kommt noch.« Poll beugte sich über den Tisch, wobei die Perlen erneut in den Käse und die Pickles baumelten, und umarmte sie. »Ich danke dir. Du bist ein echter Schatz. Und bestimmt wirst du die beiden genauso ins Herz schließen wie ich – und wenn du sie erst kennengelernt hast, willst du nie wieder hier weg, das schwör ich dir.«