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«He, wo waren Sie denn so lange, Doc?» Die Stimme am Telefon gehörte Joe Kestler, und er war empört. «Ich habe mindestens ein Dutzend Mal bei Ihnen angerufen, aber es hat sich niemand gemeldet.»
«Am Mittwochnachmittag habe ich keine Sprechstunde», antwortete Dr. Cohen und ärgerte sich über sich selbst, weil er es für nötig hielt, eine Erklärung abzugeben.
«Also, mein Vater fühlt sich ziemlich schlecht. Er ist heiß, als hätte er Temperatur. Und dauernd muss er. Und wenn er geht, klagt er, dass es so brennt. Und ein paar Minuten später muss er schon wieder. Dasselbe hat er schon vor ein paar Monaten gehabt.»
«Tut mir Leid, aber …»
«Hören Sie, Doc – seien Sie doch nicht so! Ich weiß, Sie haben ein Recht auf Ihren freien Nachmittag. Aber es geht ihm wirklich schlecht.»
«Unter den gegebenen Umständen halte ich es für besser, wenn Sie einen anderen Arzt anrufen.»
«Woher soll ich am Mittwoch einen anderen Arzt kriegen?» gab Kestler zurück.
«Dann bringen Sie ihn ins Krankenhaus. Wenn Sie die Polizei anrufen, schicken die Ihnen sofort einen Krankenwagen.»
«Ja, sicher. Und wenn er im Krankenwagen stirbt? Und wenn er ins Krankenhaus kommt, und da pfuscht so ‘n junger Spund von Student an ihm rum?»
«Tut mir Leid, aber in Anbetracht des Verhaltens Ihres Vaters letzten Monat …»
«Doktor, Doktor, das war geschäftlich! Sie haben Ihren Zaun auf unserem Grund und Boden errichtet. Also hat mein Vater geklagt. Das hat doch wirklich nichts zu bedeuten. Deswegen soll keine Feindschaft sein. So verhält man sich eben im Geschäftsleben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und er verlangt ausdrücklich nach Ihnen, weil er Vertrauen zu Ihnen hat.»
Dr. Cohen wusste genau, dass er jetzt hart bleiben und sich weigern müsste, aber er sah auch den alten Mann vor sich, wie er im Bett lag und leiden musste. «Na schön», sagte er daher. «Ich komme vorbei und sehe ihn mir mal an.»
Er legte auf. «Ich muss fort», sagte er zu seiner Frau.
«Aber du wolltest doch zu Kaplans», protestierte sie.
«Es dauert nicht lange.»
«Wer ist es denn?»
Er zögerte, denn er erinnerte sich, wie wütend sie damals gewesen war. «Der alte Kestler», antwortete er widerwillig.
«Und den willst du behandeln?»
«Na ja, schließlich ist er mein Patient.»
«Aber der Mann hat dich verklagt!»
«Wahrscheinlich meint er, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. In gewisser Weise ist es auch ein Kompliment. Er verklagt mich und verlangt mich trotzdem als Arzt.»
«Das macht er nur, weil er sonst am Mittwoch keinen anderen kriegt.»
«Das ist ein weiterer Grund, warum ich zu ihm muss.»
«Na, wenn ich es wäre, die ihn behandelt, würde ich ihm was geben, was er nie wieder vergessen würde. Der würde mich nie wieder in der Not rufen.»
Er lächelte. «Gute Idee.»
Als er bereits an der Haustür war, rief sie ihm nach: «Möchtest du nachher etwas essen?»
«Vielleicht eine Kleinigkeit. Wahrscheinlich gibt es bei den Kaplans was.»