10
Wohl zum hundertsten Mal an diesem Nachmittag fuhr sich General Kevin Trenton mit der Zunge über die Zähne und runzelte die Stirn.
»Sir, Sie sehen beunruhigt aus.«
Kevin drehte sich zu Ely um, der neben der Tür an der Wand lehnte und ihn beobachtete. Was hatte er bemerkt? »Nun, immerhin muss ich die Ermordung vierer bildschöner Frauen arrangieren.« Zwischen den neuen scharfen Zähnen in seinem Mund fühlte sich seine Zunge merkwürdig an. »Kein Wunder, dass ich beunruhigt bin.«
Dazu sagte Ely nichts, sondern starrte den Anführer nur an. Dann glitt sein Blick zur Jalousie hinter dem General. »Stört Sie die Sonne, Sir?«
Diese Frage musste Kevin nicht beantworten. Was immer er sagen würde, Ely kannte die Wahrheit, denn er war sehr klug und nicht grundlos dazu auserkoren worden, das Blut eines Sternenengels in sich aufzunehmen.
Und so wechselte Kevin das Thema. »Daniel ist noch nicht gefunden worden. Wenn er zu irgendetwas fähig ist, dann dazu, sich sehr gut zu verstecken. Ich nehme an, dazu führt das Talent, sich unsichtbar zu machen, wohl ganz automatisch.« Er entfernte sich von dem Fenster, dessen Jalousie er eben herabgelassen hatte, und ging zum Schreibtisch. »Natürlich muss er aufgespürt werden.«
»Sir, wir haben …«, begann Ely, aber der General hob die Hand, und der Adarianer verstummte sofort.
»Ändere die Taktik. Versuch wie er zu denken. Wir dürfen ihm nicht gestatten, Informationen über unsere Organisation weiterzugeben. Überleg dir das«, befahl Kevin und fixierte den Schwarzen mit harten Augen. »Sicher würde er nicht zur Presse oder zur amerikanischen Regierung gehen. Sondern eher zu den Erzengeln.« Er machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Mein Job ist schwer genug. Verstehst du das?«
Ely straffte die Schultern und räusperte sich. »Gewiss, Sir.« Dann verließ er das Büro des Generals, und Kevin war wieder allein.
Die letzten Tage waren in der Tat unglaublich schwer gewesen. Seit Jahrtausenden unterstanden ihm die Adarianer. Kein Mensch konnte ermessen, welch enge Bindung im Lauf dieser langen Zeit entstand. Am Anfang der Woche hatte er eine dieser Beziehungen beendet, indem er die Wahl seines Opfers getroffen hatte.
Der Adarianer hieß Hamon und besaß ein nur geringfügig bedeutsameres Talent als Daniel mit der Unsichtbarkeit. Aber diese Fähigkeit ließ sich ausbauen. Hamon konnte das Verhalten von Tieren beeinflussen. In einem Zoo oder einem Haus, das von Dobermännern bewacht wurde, mochte das hilfreich sein. Ansonsten brachte es keinen besonderen Nutzen.
Als Hamon allein gewesen war, hatte Kevin sich an ihn herangepirscht, ihn mit Hilfe einer Splitterwaffe versteinern und anschließend bis auf den letzten Tropfen ausbluten lassen. Dann hatte er die Leiche enthauptet, sie in der Müllverbrennungsanlage des Hauptquartiers entsorgt und Hamons Blut getrunken. Dabei hatte er sich darauf konzentriert, das gewünschte Talent zu absorbieren. Wie bei Elys Blut war ihm das schwergefallen. Sein Magen hatte rebelliert, und er hatte sich zwingen müssen, mit der dickflüssigen roten Substanz auch seine eigene Galle hinunterzuschlucken.
Aber letzten Endes war es ihm gelungen. Nach dem zweiten Glas schien sich die Konsistenz des Blutes zu ändern. Es wirkte dünner, kühler, nicht mehr so metallisch. Beim vierten Glas schmeckte es kalt, fast erfrischend.
Wie erwartet, verfügte er seither über die angestrebte Macht.
Der Mord allerdings hatte sich nicht so einfach vertuschen lassen. Es hatte einer sorgfältigen Planung bedurft. Zunächst hatte er eine seiner besonderen Fähigkeiten genutzt und sich den Männern in Gestalt des getöteten Adarianers gezeigt. Als dieser hatte er erklärt, er würde ausgehen und sich einen Drink gönnen. Ein paar Stunden später, wieder in seinem eigenen Aufzug, hatte Kevin den Soldaten mitgeteilt, Hamon sei verschwunden und würde auf keinen Anruf reagieren.
Puriel, jetzt Paul genannt, konnte die Gehirne anderer Adarianer orten. Das war nur eine seiner zahlreichen Fähigkeiten, und sie zählte zu den weniger wertvollen. Aber in dem Moment war sie dem General zupassgekommen. Er hatte Paul befohlen, seine mentalen Fühler auszustrecken und festzustellen, ob mit Hamon alles in Ordnung war. Da Paul nichts gespürt hatte, hatten die Adarianer das Schlimmste befürchtet: Offenbar war der Mann tot.
Damit hatte die nächste logische Vermutung nahegelegen: Einer der Erzengel musste Hamon umgebracht haben. Und die adarianischen Soldaten hatten hungriger denn je nach dem feindlichen Blut gegiert.
Also war alles bestens und planmäßig gelaufen. Aber da war Kevin von der Erkenntnis ereilt worden, was er getan hatte: Er hatte einen loyalen Mann getötet, einen Freund.
Danach hatte er die drei Auserwählten zu sich gerufen und eine Erklärung abgegeben. Es war schmerzlich gewesen, in die Gesichter zu schauen und zu wissen, dass er einen der Ihren ermordet hatte.
Doch ihm war nichts anderes übrig geblieben. Er kannte nur zwei Rassen, die übernatürliche, dem menschlichen Verständnis völlig ferne Kräfte besaßen: die Erzengel und die Adarianer. Es wäre perfekt gewesen, hätten Kevins Soldaten einen der vier Lieblingserzengel des Alten Mannes gefangen genommen statt jenes Menschen, der Testperson. Welchen Spaß hätte er mir gemacht, Uriel zu dehydrieren, dachte Kevin verbittert. Dann würde er Eleanore Granger nie mehr berühren und küssen.
Da er gerade an Eleanore dachte – es würde viel erfreulicher sein, die Talente der Sternenengel zu absorbieren. Sofern Eleanores Schönheit ein Anhaltspunkt war, würden sie alle bezaubernd aussehen. Ihr Blut würde ihm schmecken. Und Ellie … Falls er zunächst ihre anderen Reize genießen wollte, könnte er sie so lange bei sich behalten, wie es ihm gefiel.
Bei diesem Gedanken hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Dann schweifte sein Blick zum Fenster, zum verblassenden Licht zwischen den Lamellen der Jalousie. Nach wie vor musste er das Problem lösen, das Daniel betraf. Irgendwo da draußen trieb er sich herum, wahrscheinlich weit vom Hauptquartier der Adarianer entfernt. Als wüsste er ganz genau, was ihm in diesen Mauern drohte.
Der General kniff die Augen zusammen. Kann er es gewusst haben? Bisher hatte Daniel sich nur durch die Gabe der Unsichtbarkeit ausgezeichnet. Aber Adarianer waren allgemein unglaublich talentiert, und Kevin hatte stets eine sehr starke Aura rings um Daniel gespürt, zu der jene vermeintlich einzige Fähigkeit in keinem Verhältnis stand.
In diesem Moment ging dem Anführer ein Licht auf, und er fühlte sich aufs Übelste betrogen. Daniel hat mich getäuscht, dachte er grimmig. Die ganze Zeit hat er seine wahre Begabung verborgen, und nun hat ihm diese besondere Fähigkeit das Leben gerettet.
Kevin senkte den Kopf und ballte die Hände zu Fäusten. Inständiger denn je wünschte er, Daniel möge gefunden werden. Keiner der Adarianer konnte Ereignisse an anderen Orten der Welt beobachten. Die Existenz einer solchen Gabe war nur eine Legende bar jeder Grundlage gewesen, bis seine Soldaten herausgefunden hatten, dass einer der Erzengel sie tatsächlich besaß. Azrael verstand jeden aufzuspüren, der ihn interessierte, überall auf der Welt, solange er genug über den Gesuchten wusste. Gerade jetzt hätte der General diese Fähigkeit dringend gebraucht.
Morael oder Mitchell, wie er genannt wurde, war telepathisch veranlagt und konnte die Gedanken der Sterblichen lesen, ja, sogar mancher Adarianer, Kevin ausgenommen. Der General vermutete, dies müsste mit der Tatsache zusammenhängen, dass Morael der erste jemals erschaffene Erzengel war und deshalb ein anderes Gehirn besaß als seine Nachfolger.
Jedenfalls kamen Mitchells Telepathie und Lukes Befähigung, in Träume einzudringen, der ersehnten Gabe noch am nächsten. Wenn man beides kombinierte …
Mit gefurchter Stirn überdachte Kevin diese Möglichkeit. Was mochte geschehen, wenn er die zwei Talente in sich vereinte? In der vergangenen Woche hatte er mehr über die Kräfte der Adarianer herausgefunden als in den letzten Jahrtausenden zusammen. Wovon er bisher nur geträumt hatte, erschien ihm plötzlich erreichbar. Zumindest würde ein kleines Experiment nicht schaden. Er nahm das Funkgerät vom Schreibtisch und beorderte die zwei Männer in sein Büro.
Bald hörte er Mitchells und Lukes Schritte. Noch bevor sie anklopfen konnten, forderte er sie auf, einzutreten.
Groß und extrem gut aussehend, wie er war, hätte Mitchell Frauen gleich reihenweise betören können. Mit seinen schwarzen Haaren und dunklen Augen war er der italienische Typ, auch wegen seiner Leidenschaft für schnelle Autos. Luke, perfekt gebaut, mit blonden Locken, hatte vor vielen Jahren dem berühmten Bildhauer Michelangelo Modell gestanden.
Kevin erteilte den beiden seine Anweisungen. Als stets loyale adarianische Soldaten hörten sie aufmerksam zu, nickten zustimmend und verließen das Büro. Er schaute ihnen nach, dann wandte er sich zum einzigen Fenster im Raum, erfüllt von einer seltsamen Mischung aus Neugier und kalter Furcht. Jede Minute würde die Sonne sinken. Aber jetzt schwebte sie noch über dem Horizont, blendend hell und orangegelb, und erzeugte einen viel zu grellen Glanz in den Zwischenräumen der Jalousie.
Kevin fühlte sich von ihr bedroht.
Welch eine beunruhigende Erkenntnis. Offensichtlich musste er Ely recht geben, die Sonne störte ihn. Und nicht nur das.
Während seine Zunge vorsichtig die Spitzen seiner überdurchschnittlich langen Eckzähne betastete, spürte er ein eigenartiges Pulsieren in seinem Schädel, wie Trommelschläge, das ihn nährte und zugleich aushungerte.
Seit er Eillies Heilkräfte entdeckt hatte, sehnte er sich nach ihr. Seit er die Fünfzehnjährige gesehen hatte, die allmählich erblüht war, hatte er sie begehrt. Durch die Jalousie ihres Fensters hatte sie ihn mit diesen unvorstellbar blauen Augen angeschaut. Er wollte diesen Blick wieder sehen, auf seinem Bett ihren Körper unter sich spüren. Das wünschte er sich schon jahrelang.
Aber über das Verlangen nach ihrem Fleisch, ihrer Unterwerfung und ihren Talenten hinaus empfand er nun etwas Neues: den Durst nach ihrem Blut.
Juliette träumte wieder. Diesmal durchquerte sie einen Saal mit kostbaren Teppichen und Wandbehängen. Aber an manchen Stellen zerbröckelten die Mauern, durch die Ritzen drang das hohle Heulen kalter Windstöße. Bilder glitten übereinander, transparente Echos der Vergangenheit, vermischt mit der krassen Realität der Gegenwart.
Durch gähnende Türen wehten Stimmen, Gesprächsfetzen in einem melodischen Akzent, den sie beinahe erkannte. Form- und körperlose Gestalten flogen über Juliettes Kopf hinweg, als würden sie über den Boden im einstigen oberen Stockwerk eilen, wo jetzt nur mehr grauer Nebel in der Schlossruine waberte.
Dann stiegen ihr die Düfte von frisch gebackenem Brot und Schmorbraten in die Nase und verschwanden sofort, von salziger, feuchtkalter Meeresluft verdrängt. In Juliettes Haar wisperte der Wind und liebkoste ihren Hals, während sie eine Wendeltreppe emporstieg und durch einen Türbogen ein großes Gemach betrat.
Im Kamin loderte ein helles Feuer, doch unter dem schwarzen steinernen Sims war das Bild durchsichtig, nur eine Vision der Flammen, die den Schlossherrn einst gewärmt hatten. Sein Schlafzimmer. Juliette blieb stehen und betrachtete die geisterhaften Umrisse eines Schreibtisches, eines Schranks, einer Truhe und eines Betts. Wie schmale Türme ragten seine vier Pfosten in die Wolken. Von seinem zerbrochenen Betthimmel hingen schleiergleiche Vorhänge herab und bauschten sich in der Brise. Die Schlaffelle sahen weich und warm aus, die Wolldecken dick und kunstvoll gewoben – und zerwühlt, als hätte sich niemand darum geschert.
Langsam ging Juliette auf sie zu, unwiderstehlich angelockt, ohne zu wissen, warum. Kaum vernehmlich, erklang gedämpfte Musik und berührte ihr Herz. Als sie Schritte im selben Takt hörte, schloss sie die Augen. Sie hallten von den Wänden des Vorraums wider, dann näherten sie sich.
Nun stand er hinter ihr. Das wusste sie. Seine Gegenwart war das einzig Wirkliche in dieser gespenstischen Traumwelt. Mit warmen Händen umfasste er ihre Schultern, zog sie an sich, und sie lehnte an seiner Brust, brauchte seine Kraft. Leise stöhnte sie, als seine sanften Finger zu ihrem Hals wanderten.
Freudige Erwartung ergriff von ihr Besitz, wie eine Droge in ihrem Blut, und ein Verlangen erwachte, das sie bisher nur ein einziges Mal gekannt hatte. Behutsam ergriff er ihr Kinn, drehte ihren Kopf zu sich um. An ihren Lippen flüsterte er Worte in einer alten Sprache, die sie früher verstanden, aber inzwischen vergessen hatte.
Zärtlich knabberte er an ihrer Unterlippe. Jetzt presste er sie fester an sich. Sein Kuss raubte ihr den Atem, bis sie keine Luft mehr bekam.
Das Bettzeug bedeckte ihr Gesicht, drohte sie zu ersticken. Verzweifelt rang sie nach Luft und kämpfte mit den Decken, bis sie in einem Knäuel neben dem Bett lagen. Dann saß sie keuchend auf der Matratze. Wie ein Vorhang verhüllte ihr langes, zerzaustes Haar ihr Gesicht. Sie strich es beiseite und sah sich um.
Wo bin ich? Sie fühlte sich unsicher und orientierungslos. In dem Raum war es finster, der Wind rüttelte an einem Fenster. Juliette schloss wieder die Augen. Mühsam schluckte sie. Beinahe wurde ihr übel. Sie zerbrach sich den Kopf, versuchte sich zu erinnern. In Australien? Nein. Von dort war sie nach Hause geflogen. In Pittsburgh?’Nein. Da brannte ein Nachtlicht in ihrem Zimmer.
In Schottland.
Sie blinzelte. Ja, dies war das Schlafzimmer in dem Cottage auf Harris, das sie gemietet hatte. Noch ein paar Sekunden, und ihr fiel alles wieder ein. Das Pub auf Lewis. Der dunkelhaarige Gabriel Black mit den silbernen Augen, der schreckliche Angreifer im Hotelzimmer.
Nur wenige Minuten, nachdem Inspector Angus Dougal sie unter Hausarrest gestellt hatte, hatte sein Telefon geklingelt. Am anderen Ende der Leitung hatte ein Polizist erklärt, man habe am Tatort, in Miss Andersons Hotelzimmer, neue Beweismittel gefunden und Gabriel Black sei aus der Haft entlassen worden. Dougal schien wie versteinert. Aber er hatte den guten Bullen erstaunlich gut gespielt, Juliette sogar zu ihrem Cottage in Luskentyre gefahren und sie hinein begleitet. Dann hatte er sich für ihre Strapazen in dieser Nacht entschuldigt und ihr für weitere eventuelle Notfälle seine Handynummer gegeben.
Was für ›neue Beweismittel‹ mochten das sein? Das Chloroform? Etwas anderes? Was bedeutete das für sie? Für Gabriel Black? Und wo hielt er sich jetzt, nachdem er freigelassen worden war, auf?
Unwillkürlich stellte sie sich Black in seinem Bett vor. Es war sicher ein breites Bett. Mit vier hohen Pfosten und einem Baldachin? Sie ließ ihre Gedanken schweifen. Schlief er nackt?
Ihr Mund wurde trocken, und sie schluckte. Energisch schüttelte sie den Kopf. Wie seltsam sich ihr rasendes Herz anfühlte. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Nun würde sie sehr lange nicht einschlafen können.
Seufzend stand sie aus dem Bett auf und streckte die Arme wie eine Blinde aus, die ihren Weg ertasten musste. Sie fand den Lichtschalter, drückte darauf, und der Raum erhellte sich. Rasch schlüpfte sie in Leggings, Schaffellstiefel und ein dickes Sweatshirt.
Ihren Laptop unter dem Arm, ging sie ins Wohnzimmer. Hier funktionierte die Internetverbindung per Einwahl, also würde es eine Weile dauern, bis sie hergestellt war, denn Juliette musste mit Usern in den anderen Cottages konkurrieren. Aber mitten in der Nacht klappte es vielleicht schneller, und sie sehnte sich schon so lange nach zwischenmenschlichen Kontakten.
Sie schaltete den Laptop ein. Während sie wartete, durchsuchte sie die Küchenschränke und fand Toastbrötchen, Schwarze Johannisbeermarmelade, schottischen Käse, Haferkekse mit Haselnüssen und mehrere Teesorten. Wenigstens konnte sie ihren Schlafmangel mit einer reichhaltigen Mahlzeit ausgleichen.
Sobald die Verbindung hergestellt war, öffnete sie ihr E-Mail-Fach. Zweiundsiebzig Nachrichten, einunddreißig von ihrem Studienberater. Prompt schnellte ihr Blutdruck hoch. Zuerst öffnete sie die letzte Mail von Dr. Larowe.
Um Himmels willen, wo steckst du, Juliette? Lambent ist schon auf dem Weg zu dir. Heute Morgen rief mich sein Assistent an. Ich muss dich warnen: Lambent will dich kennenlernen, also sei bereit und NETT! Bitte, bitte, lass mich wissen, ob du meine Nachrichten bekommen hast, schon ein kurzes Lebenszeichen reicht.
Alles Liebe, Kindchen.
Tony
Verwirrt starrte sie den Bildschirm an. »Lambent kommt zu mir?«, wisperte sie. Wohin genau? Nach Harris?
Voller Unbehagen las sie das Datum der Mail. Vorgestern. Sie stöhnte und strich sich frustriert durch ihr wirres Haar. Nach einem weiteren dramatischen Seufzer lehnte sie sich auf der Couch zurück. Im Tumult der letzten Ereignisse hatte sie ihren Vertrag mit Lambent ganz vergessen. Einmal pro Woche sollte sie einen seiner Mitarbeiter treffen. Offenbar hatte sie den ersten Termin verpasst, und jetzt machte sich der Medienmogul wahrscheinlich Sorgen.
Das war gar nicht gut. Sie musste ihren Studienberater anrufen. Oder Lambents Büro und herausfinden, wo er sich gerade befand.
So, wie es aussah, würde sie ihren Tee kalt trinken.