32
Die Rückkehr des verlorenen Sohnes
Unser Ritt von Arbroath nach Lallybroch dauerte vier Tage und verlief größtenteils schweigsam. Der junge Ian und Jamie hingen ihren Gedanken nach, und ich dachte nicht nur über die jüngsten Ereignisse nach, sondern zerbrach mir auch den Kopf darüber, was mich wohl erwarten mochte.
Gewiß hatte Ian Jamies Schwester Jenny erzählt, daß ich wieder aufgetaucht war. Wie würde sie es aufnehmen?
Damals hatte ich mich Jenny Murray so tief verbunden gefühlt wie einer Schwester, und zweifellos war sie die beste Freundin, die ich je hatte. Während der vergangenen fünfzehn Jahre war ich hauptsächlich mit Männern befreundet gewesen - das hatte sich so ergeben. Ich war die einzige Ärztin im Krankenhaus, und die Kluft zwischen Pflegepersonal und Medizinern verhinderte, daß zu anderen weiblichen Beschäftigten eine mehr als oberflächliche Bekanntschaft entstand. Und was die Frauen in Franks Umkreis betraf, die Fakultätssekretärinnen und die Dozentengattinnen…
Vor allem aber war Jenny diejenige, von der ich annahm, daß sie Jamie Fraser mindestens so liebte wie ich, wenn nicht gar mehr. Obwohl ich begierig war, sie wiederzusehen, war mir ein wenig bange, welche Gefühle die Geschichte meiner vermeintlichen Flucht nach Frankreich und die Tatsache, daß ich ihren Bruder im Stich gelassen hatte, in ihr erweckten.
Auf dem schmalen Pfad konnten die Pferde nur hintereinander trotten. Brav verlangsamte mein Pferd den Schritt, als Jamie seinen Braunen zügelte und auf eine von Erlenzweigen halb verdeckte Lichtung lenkte.
Am Rand der Lichtung erhob sich ein grauer, moosbewachsener Fels. Mit einem Seufzer der Erleichterung glitt der junge Ian von seinem Pony; schließlich saßen wir seit Morgengrauen im Sattel.
»Uff!« stöhnte er und rieb sich unverhohlen das Hinterteil. »Ich bin ganz taub.«
»Ich auch«, pflichtete ich ihm bei und tat es ihm gleich. »Aber immer noch besser als wundgeritten.« Da wir an lange Ritte nicht gewöhnt waren, hatten uns die ersten zwei Tage ziemlich zugesetzt. Am ersten Abend war ich sogar zu steif, um aus eigener Kraft abzusitzen. Jamie mußte mich herunterheben und in die Herberge tragen, was ihn sehr erheiterte.
»Wie macht Onkel Jamie das bloß?« fragte mich Ian. »Sein Hintern muß aus Leder sein.«
»Er schaut ganz normal aus«, entgegnete ich zerstreut. »Wo ist er überhaupt hingegangen?« Der Kastanienbraune, der bereits Fußfesseln trug, knabberte ein wenig vom Gras unter der Eiche, aber von Jamie keine Spur.
Der junge Ian und ich blickten einander an. Achselzuckend ging ich hinüber zu dem Felsen, aus dem ein Bächlein hervorquoll. Ich ließ etwas von dem kühlen Naß in meine Hände laufen und trank.
Diese winzige, von der Straße nicht einsehbare Lichtung war für das Hochland charakteristisch. Die trügerisch kargen Felsen und rauhen Moore bargen eine Unmenge Geheimnisse. Wenn man sich nicht auskannte, konnte man direkt an einem Hirschen, einem Moorhuhn oder dem Versteck eines Menschen vorbeigehen, ohne zu bemerken, daß sich dort etwas verborgen hielt. Wen wunderte es da, daß viele Kämpfer, die nach der Niederlage von Culloden in die vertraute Heide geflüchtet waren, dem ungeübten Blick ihrer unbeholfenen englischen Verfolger entkommen konnten.
Nachdem ich meinen Durst gestillt hatte, wandte ich mich um und prallte fast mit Jamie zusammen, der plötzlich wie aus dem Boden gestampft vor mir stand.
»Wo kommst du her?« fragte ich überrascht. »Und wo bist du gewesen?«
»Dort drüben ist eine kleine Höhle«, erklärte er und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Ich wollte nur nachsehen, ob jemand sie entdeckt hat.«
»Und?« Beim näheren Hinsehen erkannte ich eine Felsnase, die den Eingang zur Höhle verdeckte. Neben den anderen Spalten fiel es kaum auf, es sei denn, man suchte gezielt.
»Ja, es ist jemand dortgewesen«, antwortete Jamie. Er runzelte leicht die Stirn, nicht sorgenvoll, sondern als dächte er angestrengt nach. »Ich habe dort Holzkohle entdeckt. Jemand hat ein Feuer angezündet.«
»Kannst du dir vorstellen, wer?« fragte ich. Ich steckte den Kopf um die Felsnase, konnte jedoch nichts weiter als einen schmalen, dunklen Spalt erkennen. Beileibe nicht einladend.
Womöglich war ihm einer seiner Schmugglerkumpane von der Küste bis nach Lallybroch gefolgt. Glaubte er, verfolgt zu werden, oder befürchtete er einen Überfall? Ich blickte zurück, sah aber nichts als Erlen, deren trockenes Laub im Herbstwind raschelte.
»Ich weiß es nicht«, meinte er zerstreut. »Vermutlich ein Jäger. Die Knochen eines Moorhuhns liegen verstreut herum.«
Der unbekannte Eindringling schien Jamie nicht weiter zu beunruhigen, und ich entspannte mich. Wieder einmal gab mir das Hochland das Gefühl von Geborgenheit. Edinburgh und die Bucht der Schmuggler schienen unendlich weit entfernt.
Beeindruckt von der verborgenen Höhle, war der junge Ian durch den Spalt getreten. Als er wieder auftauchte, strich er sich eine Spinnwebe aus dem Haar.
»Ist das hier so etwas wie Clunys Käfig, Onkel?« fragte er mit leuchtenden Augen.
»Sie ist nicht so groß, Ian«, antwortete Jamie lächelnd. »Der arme Cluny hätte kaum durch den Eingang gepaßt. Er war ein großer, kräftiger Kerl und ungefähr doppelt so dick wie ich.«
»Was ist das, Clunys Käfig?« fragte ich, schüttelte mir die letzten eisigen Wassertropfen von den Händen und schob sie unter die Achseln, damit sie wieder warm wurden.
»Ach, es geht um Cluny MacPherson«, erklärte Jamie. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, zwinkerte sich die Tropfen von den Wimpern und lächelte mich an. »Dieser Cluny war ein sehr erfinderischer Mensch. Die Engländer brannten sein Haus nieder, aber er konnte fliehen. Er hat sich in einer nahe gelegenen Höhle niedergelassen und den Eingang mit Weidenzweigen und Schlamm versiegelt. Man sagt, man hätte knapp davor stehen können und nichts bemerkt, außer dem Geruch von Clunys Pfeife.«
»Auch Prinz Charles hat dort einige Zeit verbracht, als er auf der Flucht vor den Engländern war«, klärte der junge Ian mich auf. »Tagelang hielt Cluny ihn versteckt. Die englischen Dreckskerle haben ihn überall gesucht, aber nicht gefunden - und Cluny ebensowenig«, schloß er mit Genugtuung.
»Komm her, wasch dich, Ian«, forderte Jamie ihn so streng auf, daß der Junge überrascht blinzelte. »Du kannst deinen Eltern doch nicht so verdreckt gegenübertreten.«
Ian seufzte, neigte aber gehorsam den Kopf über das Rinnsal und spuckte und keuchte, als er sich das Wasser ins Gesicht spritzte.
Ich wandte mich um zu Jamie, dessen Blick versonnen auf seinem Neffen ruhte. Malte er sich bereits das Wiedersehen in Lallybroch aus, das unangenehm zu werden versprach, oder dachte er zurück an Edinburgh, an die schwelenden Überreste der Druckerei und den toten Mann im Keller des Bordells? Oder war er mit seinen Gedanken vielleicht gar bei Charles Edward Stuart und dem Aufstand?
»Was erzählst du denn deinen Nichten und Neffen von Charles?« fragte ich leise über Ians Prusten hinweg.
Jamies Blick heftete sich auf mich. Der Anflug eines Lächelns zeigte mir, daß ich seine Gedanken erraten hatte. Doch sofort wich der Ausdruck wieder aus seinem Gesicht.
»Ich spreche nie von ihm«, antwortete er ebenso leise und drehte sich zu den Pferden um.
 
Drei Stunden später überquerten wir den letzten der windigen Pässe und erreichten den Abhang, der hinunter nach Lallybroch führte. Jamie, der an der Spitze ritt, hielt sein Pferd an und wartete, bis der junge Ian und ich an seiner Seite waren.
»Dort ist es«, sagte er. Er blickte mich lächelnd an. »Hat es sich sehr verändert?«
Verzückt schüttelte ich den Kopf. Aus der Entfernung wirkte es wie eh und je. Die drei Stockwerke des weißgekalkten Gutshauses strahlten inmitten der bescheidenen Nebengebäude und der braunen, mit Steinwällen begrenzten Felder. Auf der kleinen Erhebung hinter dem Haus erblickte ich die Überreste des Brochs, des alten runden Turms, der dem Anwesen den Namen gegeben hatte.
Als ich genauer hinsah, stellte ich fest, daß sich die Nebengebäude doch ein wenig verändert hatten. Ein Jahr nach Culloden, so wußte ich von Jamie, hatten die englischen Soldaten das Taubenhaus und die Kapelle niedergebrannt, und ich erkannte die freien Flächen, auf denen sie einmal gestanden hatten. Die Mauer des Gemüsegartens war mit andersfarbigem Stein ausgebessert worden. Ein neu errichteter Schuppen aus Ziegeln und Brettern diente nun offensichtlich als Taubenhaus, der Aneinanderreihung plumper, gefiederter Gestalten auf dem Dachfirst nach zu schließen.
Der Rosenstock, den Jamies Mutter Ellen noch gepflanzt hatte, war zu einem großen, ausladenden Busch herangewachsen. Ein Gitter hielt ihn an der Hauswand.
Aus dem Kamin an der Westseite stieg eine Rauchwolke und wurde von einer Bö Richtung Süden mitgenommen. Plötzlich sah ich Jenny vor meinem inneren Auge am Kaminfeuer sitzen und mit lauter Stimme aus einem Roman oder einem Gedichtband vorlesen, während Jamie und Ian, über eine Partie Schach gebeugt, mit halbem Ohr lauschten. Die Kinder lagen oben in ihren Betten, und ich saß am Rosenholzsekretär und schrieb Arzneirezepte nieder oder widmete mich der Flickarbeit.
»Was meinst du, werden wir wieder hier wohnen?« fragte ich Jamie, darauf bedacht, mir meine Sehnsucht nicht anmerken zu lassen. Mehr als jeder andere Ort war mir Lallybroch Heimat gewesen. Doch das war lange her - und mittlerweile hatte sich viel verändert.
Er schwieg eine Weile nachdenklich. Schließlich schüttelte er den Kopf und nahm erneut die Zügel. »Ich weiß es nicht, Sassenach«, antwortete er. »Es wäre schön, aber ich weiß nicht, wie es weitergeht, verstehst du?« Stirnrunzelnd blickte er auf das Haus.
»Ist schon gut. Ob wir nun in Edinburgh leben oder auch in Frankreich - mach dir keine Gedanken, Jamie.« Ich sah ihn an und tätschelte ihm beruhigend die Hand. »Wenn wir nur zusammen sind.«
Seine sorgenvolle Miene hellte sich auf. Er nahm meine Hand, führte sie an seine Lippen und küßte sie sanft.
»Mir ist es auch einerlei, Sassenach, wenn du nur bei mir bleibst.«
Lange blickten wir einander an, bis uns ein verlegenes Hüsteln an die Gegenwart des jungen Ian erinnerte. Stets darauf bedacht, unsere Privatsphäre nicht zu verletzen, hatte er sich auf der Reise fast übertrieben rücksichtsvoll benommen. Wenn wir uns nachts hinlegten, stapfte er durch die Heide und suchte sich weitab von uns einen Schlafplatz und gab sich überhaupt große Mühe, uns nicht versehentlich in einer unschicklichen Umarmung anzutreffen.
Grinsend drückte Jamie meine Hand und wandte sich dann zu seinem Neffen um.
»Fast daheim, Ian«, sagte er, als der Knabe mit seinem Pferd auf unserer Höhe war. »Wir sind lange vor dem Abendessen da, falls es nicht regnet«, fügte er hinzu, schirmte mit der Hand die Augen ab und blinzelte in den Himmel.
»Mmmpf.« Diese Aussicht veranlaßte den jungen Ian nicht gerade zu Freudengeheul. Mitfühlend sah ich ihn an.
»›Dein Zuhause ist der Ort, wo sie dich aufnehmen müssen, wenn du anklopfst‹«, zitierte ich.
Ian warf mir einen ironischen Blick zu. »Aye, und genau das fürchte ich, Tante.«
Jamie drehte sich zu dem jungen Ian und blinzelte ihm ernst zu - seine Art, ihm Mut zu machen.
»Keine Angst, Ian. Denk an die Geschichte vom verlorenen Sohn. Deine Mutter wird froh sein, wenn sie dich unversehrt wiederhat.«
Der Junge Ian warf ihm einen nüchternen Blick zu.
»Wenn du glaubst, daß es das fette Kalb ist, das dran glauben muß, Onkel Jamie, kennst du meine Mutter doch nicht so gut, wie du meinst.«
Er biß sich auf die Unterlippe, dann richtete er sich tief seufzend im Sattel auf.
»Bringen wir es hinter uns, aye?«
»Werden ihm seine Eltern wirklich den Kopf abreißen?« fragte ich und beobachtete, wie sich der junge Ian vorsichtig an den Abstieg machte.
Jamie zuckte die Achseln.
»Natürlich werden sie ihm verzeihen, aber wahrscheinlich wird er zuvor eine lange Strafpredigt und eine gewaltige Tracht Prügel einstecken müssen. Ich kann dem Himmel danken, wenn ich auch auf diese Art davonkomme«, fügte er gequält hinzu. »Jenny und Ian werden mir gewiß auch nicht um den Hals fallen, fürchte ich.« Er drückte dem Pferd den Absatz in die Flanken und ritt den Abhang hinab.
»Komm, Sassenach, bringen wir es hinter uns, aye?«
 
Ich rätselte, welchen Empfang man uns in Lallybroch bereiten würde, aber meine Besorgnis erwies sich als unbegründet. Wie ehedem wurde unsere Ankunft von einem Rudel unterschiedlichster Hunde angekündigt, die uns zunächst erschreckt, später erfreut aus Hecke, Feld und Gemüsegarten entgegenbellten.
Der junge Ian ließ die Zügel los und saß ab. Er ging in die Hocke, um die Hunde zu begrüßen, die an ihm hochsprangen und ihn ableckten. Lächelnd nahm er einen halbausgewachsenen Welpen auf den Arm und brachte ihn zu mir.
»Das ist Jocky«, stellte er ihn vor und hielt mir das zappelnde braun-weiße Bündel entgegen. »Er gehört mir. Papa hat ihn mir geschenkt.«
»Du bist ein niedliches Hündchen«, begrüßte ich das Knäuel und kraulte seine Schlappohren. Aufgeregt wollte Jocky gleichzeitig mich und Ian ablecken.
»Du wirst überall Hundehaare haben, Ian«, hörte ich eine klare, helle Stimme, aus der höchste Mißbilligung sprach.
Als ich aufblickte, sah ich, wie sich ein großes, schlankes Mädchen von ungefähr siebzehn Jahren vom Wegesrand erhob.
»Und du bist voller Kletten!« gab der junge Ian zurück und drehte sich eilig zu seiner Schwester um.
Das Mädchen warf die dunkelbraunen Locken zurück und zupfte sich die Kletten vom Rock.
»Papa sagt, du verdienst es überhaupt nicht, einen Hund zu haben«, bemerkte sie. »Wo du einfach abgehauen bist und ihn im Stich gelassen hast.«
Ians Gesicht verzog sich in Abwehr. »Ich hatte ihn eigentlich mitnehmen wollen«, sagte er unsicher. »Aber dann habe ich gedacht, er ist in der Stadt nicht gut aufgehoben.« Er umarmte den Hund noch fester und legte das Kinn zwischen Jockys Ohren. »Er ist ein bißchen gewachsen. Offenbar hat er genug gefressen, oder?«
»Komm her und begrüß uns, kleine Janet«, sagte Jamie freundlich, doch der zynische Unterton in seiner Stimme ließ das Mädchen unvermittelt aufblicken und erröten.
»Onkel Jamie! Ach, und …« Ihr Blick wanderte zu mir, und sie neigte den hochroten Kopf.
»Aye, das ist deine Tante Claire.« Jamie hielt meinen Ellbogen fest umfaßt, als er dem Mädchen zunickte. »Die kleine Janet war noch nicht auf der Welt, als wir das letzte Mal hier waren, Sassenach. Deine Mutter ist gewiß auch zu Hause, oder?«
Das Mädchen nickte mit weit aufgerissenen Augen, ohne den Blick von meinem Gesicht abzuwenden. Ich beugte mich ihr entgegen und streckte lächelnd die Hand aus.
»Ich freue mich, dich kennenzulernen«, sagte ich.
Sie starrte mich immer noch an, erinnerte sich aber plötzlich an ihre Manieren und machte einen Knicks. Dann nahm sie zaghaft meine Hand, als befürchtete sie, sie fiele ab, wenn man sie zu stark drückte. Ich erwiderte ihren Händedruck. Nachdem sie erkannt hatte, daß ich aus Fleisch und Blut war, schien sie beruhigt.
»Ich… mich auch«, murmelte sie.
»Sind Mama und Papa sehr wütend, Jen?« Als der junge Ian das Hündchen vorsichtig vor ihren Füßen absetzte, erwachte sie aus ihrer Trance und blickte den jüngeren Bruder an. In ihre ungeduldige Miene mischte sich eine Spur von Mitgefühl.
»Sie haben schließlich allen Grund dazu, du Esel!« meinte sie. »Mama hat befürchtet, du wärst im Wald einem Wildschwein begegnet oder von Zigeunern entführt worden. Sie hat kaum ein Auge zugetan, bis sie herausgefunden haben, wo du hingegangen bist«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.
Ian preßte die Lippen zusammen und blickte zu Boden.
Dann ging sie auf ihn zu und pflückte mißbilligend die feuchten Blätter von seinem Rock. Obwohl sie groß war, überragte er sie um gut fünfzehn Zentimeter. Neben ihrer adretten Erscheinung nahm er sich schlaksig und mager aus.
»Mein Gott, wie siehst du aus, Ian? Hast du in deinen Kleidern geschlafen?«
»Ja, natürlich«, antwortete er ungehalten. »Denkst du vielleicht, ich laufe weg und nehme ein Nachthemd mit, das ich abends vor dem Schlafengehen im Moor anziehe?«
Bei dieser Vorstellung mußte sie lachen, so daß sich seine verärgerte Miene ein wenig aufhellte.
»Also, du Dummkopf«, erbarmte sie sich, »komm mit in die Spülküche. Wir bürsten und kämmen dich, bevor Mama und Papa dich zu Gesicht bekommen.«
Er funkelte sie an und wandte sich dann gleichermaßen bestürzt und verärgert zu mir um. »Warum, verflixt noch mal, glaubt jeder, daß es hilft, wenn man sauber ist?«
Jamie grinste, stieg ab und klopfte Ian auf die Schulter, so daß eine kleine Staubwolke aufstieg.
»Schaden kann es nicht, Ian. Geh schon. Es ist bestimmt besser, wenn deine Eltern sich nicht über alles gleichzeitig aufregen müssen. Und zuerst möchten sie ohnehin deine Tante begrüßen.«
»Mmmpf.« Unter mißmutigem Nicken folgte der junge Ian seiner resoluten Schwester zum hinteren Teil des Hauses.
»Was hast du denn gegessen?« hörte ich sie sagen, als sie an ihrem Bruder emporschielte. »Dein Mund ist so verschmiert.«
»Das ist kein Schmutz, das ist ein Bart!« zischte er zornig und blickte sich hastig um, um zu sehen, ob ich oder Jamie den Wortwechsel gehört hatten. Seine Schwester blieb wie angewurzelt stehen und betrachtete ihn genauer.
»Ein Bart?« wiederholte sie laut und skeptisch. »Du?«
»Jetzt komm schon.« Er packte sie am Ellbogen und zog sie verlegen durch das Tor des Gemüsegartens.
Jamie drückte den Kopf an meinen Schenkel. Bei oberflächlicher Betrachtung hätte man vermuten können, er wolle die Satteltaschen öffnen, aber tatsächlich vibrierten seine Schultern vor lautlosem Gelächter.
»Die Luft ist rein, sie sind weg«, sagte ich einen Augenblick später, das Lachen mühsam unterdrückend.
Jamies roter Kopf tauchte aus meinen Röcken auf. Er trocknete seine feuchten Augen an einem Stoffzipfel.
»Ein Bart? Du?« ächzte er, und wir platzten wieder los. Atemlos schüttelte er den Kopf. »Lieber Himmel, sie ist wie ihre Mutter. Genau das hat Jenny zu mir gesagt, und im selben Ton, als ich mich zum erstenmal rasiert habe. Ich hab’ mir vor Schreck fast die Kehle durchgeschnitten.« Er fuhr sich sanft über die dichten, weichen Stoppeln, die Kinn und Hals bedeckten.
»Willst du dich rasieren, bevor wir Jenny und Ian begrüßen?« fragte ich ihn.
»Nein«, antwortete er kopfschüttelnd und strich sich das Haar zurück, das sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte. »Der junge Ian hat recht: Sauber zu sein hilft nichts.«
 
Zweifellos hatten Ian und Jenny das Hundegebell gehört. Bei unserem Eintreffen erwarteten sie uns beide im Salon. Sie saß mit einem Strickstrumpf auf dem Sofa, er stand in schlichtem braunen Rock und Kniehosen vor dem Kaminfeuer und wärmte sich die Waden. Ein Tablett mit Gebäck und hausgemachtem Bier stand als Willkommensgruß bereit.
Diese Begrüßung ließ mich meine Erschöpfung vergessen. Mit einem Lächeln wandte Ian sich uns zu. Aber mich interessierte vor allem Jenny.
Ihr schien es genauso zu gehen. Schweigend saß sie auf dem Sofa und blickte aufmerksam zur Tür. Sie sah anders aus, war mein erster Gedanke, dann aber erschien sie mir plötzlich ganz und gar unverändert. Ihr Haar war nach wie vor lockig und dicht, wenn auch nicht mehr so tiefschwarz, sondern von silbernen Strähnen durchzogen. Auch die breiten, hohen Wangenknochen und die lange Nase, die sie mit Jamie gemein hatte, waren mir vertraut. Der seltsam veränderte Gesichtsausdruck rührte von dem flackernden Schein des Feuers her, der erst die Falten um Mund und Augen vertiefte und ihr das Aussehen einer alten Frau verlieh und sie dann wieder frisch wie ein junges Mädchen wirken ließ.
Bei unserer Begegnung im Bordell hatte Ian reagiert, als wäre ich ein Gespenst. Genauso verhielt Jenny sich jetzt. Sie zwinkerte ein bißchen, der Mund stand ihr offen, aber ansonsten blieb ihr Gesichtsausdruck unverändert, als ich auf sie zuging.
Jamie folgte mir. Er hielt meinen Ellbogen umfaßt und drückte ihn ein wenig, als wir ans Sofa traten. Dann ließ er los. Ich hatte das Gefühl, bei Hof eingeführt zu werden, und widerstand dem Verlangen, einen Knicks zu machen.
»Wir sind wieder da, Jenny«, sagte er.
Sie warf einen Blick auf ihren Bruder, bevor sie mich erneut anstarrte.
»Bist du es wirklich, Claire?« Ihre weiche Stimme klang vertraut. Aber es war nicht die entschlossene Stimme der Frau, die ich in Erinnerung hatte.
»Ja«, erwiderte ich. Lächelnd streckte ich ihr meine Hände entgegen. »Ich freue mich, dich zu sehen, Jenny.«
Vorsichtig nahm sie meine Hände. Doch dann griff sie fester zu und erhob sich. »Himmel, du bist es wirklich!« rief sie, und plötzlich stand die Frau, die ich gekannt hatte, wieder vor mir. Ihre dunkelblauen Augen sprühten vor Leben und erforschten neugierig mein Gesicht.
»Natürlich ist sie es«, meinte Jamie schroff. »Ian hat es dir doch gewiß gesagt. Oder hast du gedacht, er lügt?«
»Du hast dich fast nicht verändert«, bemerkte sie, ohne auf die Worte ihres Bruders zu achten, und berührte erstaunt mein Gesicht. »Deine Haare sind etwas heller, aber, lieber Himmel, du siehst aus wie damals.« Ihre Finger fühlten sich kühl an, und ihre Hände rochen nach Kräutern und roter Johannisbeermarmelade und der Wolle, die sie gerade verarbeitete.
Der Duft der Wolle ließ die Vergangenheit wieder aufleben. Unzählige Erinnerungen an diesen Ort und die glückliche Zeit, die ich hier verbracht hatte, kehrten zurück, und meine Augen füllten sich mit Tränen.
Jenny bemerkte es und umarmte mich fest. Weich spürte ich ihr Haar an meinem Gesicht. Obwohl sie um etliches kleiner und zierlicher war als ich, fühlte ich mich geschützt und geborgen.
Nach einer Weile trat sie zurück. »Guter Gott, du riechst ja sogar wie früher!« lachte sie, und ich stimmte in ihr Gelächter ein.
Ian hatte sich neben mich gestellt. Er beugte sich vor, umarmte mich und huschte mit den Lippen über meine Wange. Er roch nach getrocknetem Heu und Kohlblättern, und über seinem moschusartigen Körpergeruch wehte ein Hauch von Torfrauch.
»Schön, dich wiederzusehen, Claire«, sagte er. Seine weichen, braunen Augen lächelten mich an und verstärkten mein Gefühl, wieder zu Hause zu sein. »Magst du vielleicht etwas essen?« Er deutete auf das Tablett, das auf dem Tisch stand.
Ich zögerte einen Augenblick, doch Jamie war schon unterwegs.
»Ein Tropfen käme nicht ungelegen, Ian«, meinte er.
»Möchtest du auch, Claire?«
Wir setzten uns ans Feuer, Gläser wurden gefüllt, Gebäck herumgereicht und mit vollem Mund höfliche Bemerkungen ausgetauscht. Trotz der offenkundigen Herzlichkeit spürte ich die unterschwellige Spannung, die nicht allein von meiner unerwarteten Wiederkehr herrührte.
Jamie, der neben mir auf der Eichenbank saß, nippte nur an seinem Bier und rührte den Haferkuchen nicht an. Mir war klar, daß er sich nicht aus Hunger auf die Erfrischungen gestürzt hatte, sondern um seine Enttäuschung darüber zu verbergen, daß ihn weder seine Schwester noch sein Schwager zum Empfang umarmt hatten.
Ian und Jenny tauschten einen kurzen, Jenny und Jamie einen längeren, für mich unergründlichen Blick. Ich fühlte mich hier in mehr als einer Hinsicht als Fremde, also hielt ich die Augen gesenkt und beobachtete unter halbgeschlossenen Lidern, was sich um mich herum abspielte. Jamie saß links neben mir, und ich spürte, wie er mit den steifen Fingern seiner Rechten rhythmisch auf seinen Oberschenkel klopfte.
Als das Gespräch, falls man es überhaupt als solches bezeichnen konnte, verebbte, trat ein beklemmendes Schweigen ein. Neben dem leisen Zischen des Torffeuers vernahm ich gedämpfte Geräusche aus der Küche - nichts im Vergleich zu früher, als im Haus ständig reges Treiben herrschte, immer jemand die Treppe hinauf-oder hinunterpolterte und der Lärm der Kinder aus dem ersten Stock drang.
»Wie geht es den Kindern?« fragte ich Jenny, um das Schweigen zu brechen. Als sie zusammenzuckte, merkte ich, daß ich wohl die falsche Frage gestellt hatte.
»Ach, es geht ihnen gut«, antwortete sie zögernd. »Sie sind alle wohlauf, und unsere Enkelkinder genauso.« Der Gedanke an sie entlockte ihr ein Lächeln.
»Die meisten sind auf Besuch beim jungen Jamie«, warf Ian ein und beantwortete damit meine eigentliche Frage. »Seine Frau hat letzte Woche ein Baby bekommen, und die Mädchen gehen ihr ein wenig zur Hand. Michael ist im Augenblick in Inverness, um ein paar Pakete aus Frankreich zu holen.«
Rasch tauschten Ian und Jamie einen Blick. Jamie neigte unmerklich den Kopf, was Ian mit einem Nicken beantwortete. Was zum Teufel sollte das nun wieder bedeuten? Die Atmosphäre im Raum war zum Zerreißen gespannt. Am liebsten wäre ich aufgestanden und hätte die Versammlung zur Ordnung gerufen.
Offensichtlich empfand Jamie ähnlich. Er räusperte sich, blickte Ian in die Augen und sprach den wichtigsten Punkt der Tagesordnung an: »Wir haben den Jungen mitgebracht.«
Ian atmete geräuschvoll ein, und sein freundliches Gesicht verhärtete sich. »Ach ja?«
Ich spürte, wie sich Jamies Muskeln strafften, als er sich zur Verteidigung seines Neffen wappnete.
»Der Junge ist in Ordnung, Ian«, meinte er.
»So, ist er das?« Die Antwort kam von Jenny. »Man mag es kaum glauben, wenn man ihn zu Hause erlebt. Aber vielleicht ist er bei dir anders, Jamie.« Ihre Stimme klang anklagend, und Jamie versteifte sich.
»Nett von dir, ihn in Schutz zu nehmen, Jamie«, warf Ian ein und lächelte kühl. »Aber wir wollen es uns von ihm selbst erzählen lassen. Ist er oben?«
Jamies Mundwinkel zuckten. Gleichmütig antwortete er: »Ich glaube, er ist in der Spülküche. Er wollte sich noch waschen, bevor er euch gegenübertritt.« Warnend drückte er meinen Schenkel. Kein Wort über Janet. Ich verstand. Sie war mit ihren Geschwistern fortgeschickt worden, damit Jenny und Ian sich in Ruhe um mich und ihren Ausreißer kümmern konnten, war aber heimlich wieder zurückgekommen, um einen Blick auf ihre berüchtigte Tante Claire werfen zu können oder um ihrem Bruder Beistand zu leisten.
Ians Schritte und das regelmäßige Klopfen seines Holzbeins hallten aus dem Flur. Er war in die Spülküche gegangen. Jetzt kam er mit dem jungen Ian zurück, den er grimmig vor sich herschob.
Seife, Wasser und Rasiermesser hatten ihr Bestes getan, um den verlorenen Sohn in einen adretten Jungen zu verwandeln. Seine mageren Wangen waren gerötet, und das nasse Haar stand ihm im Nacken in Spitzen ab. Den Staub auf seinem Rock hatte er größtenteils abgebürstet und den Hemdkragen ordentlich zugeknöpft. Aus der verkohlten Hälfte seines Schopfes war nicht viel zu machen gewesen, dafür war die andere Seite hübsch ordentlich gekämmt. Obwohl er keine Halsbinde trug und in seinen Kniehosen ein Riß klaffte, sah er doch alles in allem so gut aus, wie man überhaupt nur aussehen kann, wenn man damit rechnet, jeden Augenblick erschossen zu werden.
»Mama«, begrüßte er seine Mutter und nickte ihr verlegen zu.
»Ian«, entgegnete sie so sanft, daß er, verwirrt über den freundlichen Ton, aufblickte. Ihr Mund verzog sich zu einem Lächeln, als sie sein Gesicht sah. »Ich bin froh, daß du wieder daheim bist, mo chridhe
Die Miene des Jungen erhellte sich augenblicklich, als hätte man dem Exekutionskommando seine Begnadigung verkündet. Doch ein Blick in das Gesicht seines Vaters ließ ihn erstarren. Er schluckte, ließ den Kopf hängen und starrte auf die Dielenbohlen.
»Mmmpf.« Ian klang überaus streng. Er hatte mehr Ähnlichkeit mit Reverend Campbell als mit dem gelassenen Mann, den ich von früher her kannte. »Also, ich möchte wissen, was du zu deiner Verteidigung vorzubringen hast, Junge.«
»Ach, nun… ich…« Der junge Ian hielt inne, bevor er erneut ansetzte. »Tja… eigentlich nichts, Vater«, murmelte er.
»Sieh mich an!« sagte Ian scharf. Widerstrebend hob der Junge den Kopf und blickte seinem Vater ins Gesicht.
Aber seine Augen wanderten unruhig umher, als hätte er Angst, allzulange in das strenge Gesicht blicken zu müssen.
»Weißt du überhaupt, was du deiner Mutter angetan hast?« fragte Ian. »Du bist einfach weggegangen, und sie wußte nicht, ob du verwundet bist oder gar tot! Du bist verschwunden, ohne ein Sterbenswörtchen zu sagen, drei Tage lang nicht eine Spur von dir, bis Joe Fraser uns deinen Brief gebracht hat! Kannst du dir vorstellen, was diese drei Tage für sie bedeutet haben?«
Entweder war es Ians Gesichtsausdruck oder seine Worte, jedenfalls schien sein Sprößling ziemlich verstört. Der junge Ian senkte wieder den Kopf und starrte zu Boden.
»Ich dachte, Joe würde den Brief früher bringen«, murmelte er.
»Aye, der Brief!« Ians Gesicht wurde noch röter, während er sprach. »›Bin nach Edinburgh gegangen‹ war alles, was darin stand.« Er schlug mit der Hand auf den Tisch, so daß alle zusammenzuckten. »Nach Edinburgh gegangen! Nicht etwa ›mit Eurer Erlaubnis‹ oder ›Ich melde mich bald‹, nichts als: ›Liebe Mutter, ich bin nach Edinburgh gegangen. Ian.‹«
Der Kopf des Jungen schnellte hoch, seine Augen glühten.
»Das stimmt nicht! Da stand noch ›Macht Euch keine Sorgen‹ ›In Liebe, Ian‹. Nicht wahr, Mutter?« Zum erstenmal sah er flehentlich seine Mutter an.
Sie hatte sich mucksmäuschenstill verhalten und keine Miene verzogen, nachdem ihr Mann das Wort ergriffen hatte. Jetzt blickten ihre Augen sanfter, und sie ließ sich fast zu einem Lächeln hinreißen.
»Ja, Ian, das stimmt«, erklärte sie. »Das war wirklich nett von dir. Aber ich habe mir dennoch Sorgen gemacht, verstehst du?«
Er senkte die Lider und schluckte.
»Es tut mir leid, Mama«, sagte er kaum hörbar. »Ich… ich wollte nicht…« Seine Worte erstarben, und er zuckte die Achseln.
Als Jenny unvermittelt die Hand nach ihm ausstrecken wollte, begegnete sie dem Blick ihres Mannes und ließ sie wieder in den Schoß sinken.
»Die Sache ist die«, sagte Ian klar und deutlich, »daß es nicht das erstemal war, nicht wahr, Ian?«
Der Junge antwortete nicht, sondern machte nur eine Bewegung, die Zustimmung bedeuten mochte. Der Vater trat auf seinen Sohn zu. Obwohl sie nahezu gleich groß waren, unterschieden sie sich doch gewaltig voneinander. Ian war zwar groß und schlank, aber trotzdem ein muskulöser, kräftiger Mann, der durch sein Holzbein kaum behindert wurde. Im Gegensatz zu ihm wirkte sein Sohn fast zerbrechlich und unbeholfen.
»Nein, es ist nicht so, als hättest du nicht gewußt, was du tust, als hätten wir dich nicht über die Gefahren aufgeklärt, als hätten wir dir nicht verboten, über Broch Mordha hinaus zu gehen - und als hättest du nicht gewußt, daß wir uns Sorgen machen! Du hast das alles ganz genau gewußt - und trotzdem hast du es getan!«
Bei dieser gnadenlosen Analyse seines Verhaltens überlief den jungen Ian ein leiser Schauder, aber er hüllte sich hartnäckig in Schweigen.
»Sieh mich an, Bursche, wenn ich mit dir rede!« Langsam hob der Junge den Kopf. Sein Blick war mürrisch, aber auch resigniert. Offensichtlich waren ihm Auftritte wie dieser nicht fremd, und er wußte, womit sie endeten.
»Ich werde deinen Onkel nicht einmal fragen, was du getrieben hast«, erklärte Ian. »Ich kann nur hoffen, daß du dich in Edinburgh nicht so dumm aufgeführt hast wie hier. Was immer du sonst noch angestellt haben magst, auf jeden Fall hast du mir nicht gehorcht und deiner Mutter fast das Herz gebrochen.«
Jenny wollte etwas einwerfen, doch eine brüske Handbewegung von Ian gebot ihr Schweigen.
»Was habe ich dir gesagt, Ian, als ich dich das letztemal geschlagen habe? Sag es mir!«
Das Gesicht des Jungen verhärtete sich, aber er schwieg.
»Sag es mir!« brüllte Ian und schlug abermals mit der Hand auf den Tisch.
Erschrocken zwinkerte der junge Ian. Er spannte die Schultern an und löste sie wieder, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er nun lieber ganz klein oder viel größer wäre. Er schluckte schwer und zwinkerte noch einmal.
»Du hast gesagt… du ziehst mir das Fell ab, wenn es noch einmal passiert.« Beim letzten Wort machte sich wieder der Stimmbruch bemerkbar, und er preßte verlegen die Lippen aufeinander.
Ian schüttelte mißbilligend den Kopf. »Aye. Und ich dachte, du hättest genügend Verstand, um zu verhindern, daß es ein nächstes Mal gibt. Aber da habe ich mich wohl getäuscht!« Er schnaubte. »Ich bin wirklich sehr zornig, Ian, und das ist die Wahrheit.« Er deutete mit dem Kopf zur Tür. »Geh hinaus. Wir sehen uns am Tor wieder.«
 
Im Raum herrschte angespanntes Schweigen, während die schlurfenden Schritte des Missetäters auf dem Flur verhallten. Ich blickte unverwandt auf meine im Schoß gefalteten Hände. Neben mir saß Jamie, holte tief Luft und nahm eine etwas aufrechtere Haltung ein.
»Ian«, sprach er seinen Schwager freundlich an. »Ich wünschte, du würdest es nicht tun.«
»Was?« Ians Stirn war immer noch vor Zorn gerunzelt, als er sich zu Jamie umdrehte. »Den Jungen verprügeln? Und was geht dich das an?«
Jamie kniff die Lippen zusammen, aber seine Stimme blieb ruhig.
»Es geht mich nichts an, Ian - es ist dein Sohn. Du kannst mit ihm tun, was du magst. Aber vielleicht läßt du mich sein Verhalten ein bißchen erklären?«
»Sein Verhalten…?« rief Jenny und erwachte zum Leben. Sie mochte die Bestrafung ihres Sohnes Ian überlassen, aber wenn ihr Bruder sich einmischte, hatte sie ein Wort mitzureden. »Sich des Nachts davonschleichen, meinst du das? Oder sich mit Verbrechern zusammentun und den Kopf für ein Faß Weinbrand riskieren?«
Ian brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er zögerte nachdenklich, bevor er Jamie zunickte, er solle fortfahren.
»Mit Verbrechern wie mir?« fragte Jamie seine Schwester gereizt. Ihre Blicke trafen sich.
»Weißt du, woher das Geld stammt, das dich, deine Kinder und all die anderen hier vor dem Hungertod und das Dach vor dem Einstürzen bewahrt? Bestimmt nicht vom Psalmendrucken in Edinburgh.«
»Denkst du etwa, daß ich das geglaubt habe?« fuhr sie ihn an. »Habe ich dich je gefragt, was du tust?«
»Nein«, gab er zurück. »Und du möchtest es lieber nicht wissen… aber du weißt es, nicht wahr?«
»Machst du mich für das, was du tust, verantwortlich? Ist es meine Schuld, daß ich Kinder habe, die etwas zu essen brauchen?« Im Gegensatz zu Jamie errötete sie nicht vor Zorn, sondern wurde kalkweiß.
Ich sah ihn gegen seine Wut ankämpfen. »Dich verantwortlich machen? Nein, natürlich nicht. Aber ist es richtig von dir, mir die Schuld daran zu geben, daß Ian und ich euch von dem Ertrag, den der Boden abwirft, nicht ernähren können?«
Auch Jenny mußte ihre aufsteigende Wut zügeln. »Nein«, sagte sie. »Du tust, was du tun mußt, Jamie. Du weißt selbst ganz genau, daß ich nicht dich meinte, als ich von ›Verbrechern‹ sprach, aber…«
»Du meinst damit also die Männer, die für mich arbeiten. Jenny, ich mache genau das gleiche wie sie. Wenn sie Verbrecher sind, was bin dann ich?« Mit funkelnden Augen starrte er sie an.
»Du bist mein Bruder«, sagte sie kurz. »Auch wenn mich das manchmal gar nicht freut. Verdammt noch mal, Jamie Fraser, du weißt ganz genau, daß ich mit dir über das, was du tust, nicht streiten will. Wenn du Leute auf der Landstraße ausrauben oder ein Bordell in Edinburgh betreiben würdest, dann würdest du es deshalb tun, weil dir nichts anderes übrigbliebe. Aber das heißt nicht, daß es mir gefällt, wenn mein Sohn darin verwickelt wird.«
Als sie das Bordell in Edinburgh erwähnte, verengten sich Jamies Augen. Er warf einen anklagenden Blick auf Ian, der jedoch den Kopf schüttelte. Er war sprachlos über die Heftigkeit seiner Frau.
»Kein Wort habe ich gesagt«, erklärte er kurz. »Du weißt doch, wie sie ist.«
Jamie holte tief Luft und wandte sich wieder an Jenny, offenbar fest entschlossen, vernünftig mit ihr zu reden.
»Aye, ich verstehe. Aber ich würde den jungen Ian doch niemals in Gefahr bringen. Mein Gott, Jenny, ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn.«
»Aye?« Der Zweifel in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Deshalb hast du ihn wohl ermutigt, von daheim wegzulaufen, und ihn bei dir behalten, ohne uns einen Ton zu sagen?«
Jamie besaß wenigstens den Anstand, beschämt zu wirken.
»Aye, das tut mir leid«, murmelte er. »Ich wollte eigentlich…« Er hielt inne und machte eine ungeduldige Handbewegung. »Es tut nichts zur Sache, was ich eigentlich wollte. Ich hätte euch benachrichtigen sollen und habe es nicht getan. Aber daß ich ihn ermutigt habe, wegzulaufen…«
»Nein. Ich glaube kaum, daß es so war«, unterbrach Ian ihn. »Zumindest nicht so direkt.«
Er sah nicht mehr zornig aus, sondern müde und ein bißchen traurig. Im Licht der Abenddämmerung wirkte er hohlwangig und schmal.
»Der Junge liebt dich, Jamie«, sagte er ruhig. »Ich merke, wie er dir zuhört, wenn du uns besuchst und von dir erzählst. Ich kann es in seinem Gesicht lesen. Er denkt, dein Leben besteht nur aus Aufregung und Abenteuer, endlos weit entfernt von dem Ziegenmist, den er auf Mutters Beeten zu verteilen hat.« Er lächelte unwillkürlich.
Jamie erwiderte sein Lächeln und zuckte mit den Achseln. »Aber ist es nicht normal für einen Jungen in diesem Alter, Abenteuer erleben zu wollen? Du und ich waren nicht anders.«
»Das mag ja sein, aber auf jeden Fall sollte er nicht die Abenteuer erleben, die du ihm bescherst«, unterbrach Jenny streng. Sie schüttelte den Kopf, und die Falte zwischen den Augenbrauen wurde tiefer, als sie ihren Bruder mißbilligend anblickte. »Gott hat ein Auge auf dich, Jamie, sonst wärst du schon ein dutzendmal gestorben.«
»Aye, vermutlich hat er noch was mit mir vor und läßt mich daher nicht im Stich.« Jamie schaute mich lächelnd an und suchte meine Hand. Jenny warf mir einen unergründlichen Blick zu, bevor sie den Faden wiederaufnahm.
»Wie dem auch sei«, sagte sie, »ich bin mir nicht sicher, ob das auch für unseren Sohn gilt.« Ihr Gesichtsausdruck wurde etwas weicher, als sie Jamie ansah.
»Ich weiß nicht, wie du lebst, Jamie, aber ich kenne dich gut genug, um zu wissen, daß es kein Leben für einen kleinen Jungen ist.«
»Mmmpf.« Jamie strich sich mit der Hand über das stoppelige Kinn und machte noch einen Anlauf. »Aber genau das meine ich. Er hat sich in der letzten Woche wie ein Mann benommen. Ich finde es nicht in Ordnung, daß du ihn wie einen kleinen Jungen verprügeln willst, Ian.«
Jenny runzelte verächtlich die Brauen.
»Er, ein Mann? Er ist doch fast noch ein Kleinkind, Jamie. Er ist erst vierzehn.«
Trotz seiner Verärgerung hob sich einer seiner Mundwinkel.
»Ich war mit vierzehn ein Mann, Jenny«, sagte Jamie leise.
Sie schnaubte, doch ihre Augen wurden feucht.
»Du hast gedacht, du wärst einer.« Sie erhob sich und wandte sich abrupt ab. »Aye, ich erinnere mich noch gut.« Sie wandte sich mit dem Gesicht zum Bücherregal und stützte sich darauf, als suchte sie Halt. »Du warst ein schneidiger Kerl, Jamie, als du, den blinkenden Dolch am Schenkel, mit Dougal in deinen ersten Kampf geritten bist. Ich war sechzehn, und ich hatte nie zuvor jemanden gesehen, der so gut ausgesehen hat wie du auf deinem Pony, so aufrecht und groß. Dann bist du zurückgekehrt, verdreckt von oben bis unten, mit einem Kratzer im Gesicht, weil du in die Brombeeren geflogen bist. Wie stolz Dougals Vater von dir berichtet hat, wie mutig du die Gegner in die Flucht geschlagen hast. Als dir ein Breitschwert eine Beule auf die Stirn geschlagen hat, ist dir kein Muckser über die Lippen gekommen.« Nachdem sie die Fassung wiedergefunden hatte, wandte sie sich zu ihrem Bruder um. »Das ist ein ganzer Mann, aye?«
Jamie schmunzelte.
»Na ja, vielleicht gehört noch ein wenig mehr dazu«, räumte er ein.
»Ach, wirklich? Und was? Bei einem Mädchen zu liegen? Oder einen Mann zu töten?«
Ich war immer der Meinung gewesen, daß Jenny Fraser über eine gewisse Hellsichtigkeit verfügte, insbesondere was ihren Bruder betraf. Offensichtlich gelang es ihr auch bei ihrem Sohn. Jamies Wangen röteten sich noch mehr, aber er verzog keine Miene.
Bedächtig schüttelte sie den Kopf, ohne den Blick von ihrem Bruder abzuwenden. »Nein, der junge Ian ist noch kein Mann, aber du bist einer, Jamie. Und du kennst den Unterschied verdammt gut.«
Ian, der den hitzigen Wortwechsel zwischen den beiden Frasers ebenso gebannt verfolgt hatte wie ich, räusperte sich.
»Das ist jetzt einerlei«, fuhr er dazwischen, »Ian wartet bereits eine Viertelstunde auf seine Strafe. Ob es nun richtig ist, ihn zu verprügeln oder nicht, auf alle Fälle ist es grausam, ihn länger auf die Folter zu spannen.«
»Mußt du es wirklich tun, Ian?« setzte Jamie zu einem letzten Versuch an.
»Tja«, erklärte Ian, »jetzt habe ich dem Jungen gesagt, daß er mit Prügeln rechnen muß, und er weiß genau, daß er sie auch verdient. Ich kann mein Wort nicht zurücknehmen. Aber ich habe nicht vor, es selbst einzulösen.« Aus seinen braunen Augen blitzte der Schalk. Er griff in eine Schublade der Anrichte und nahm einen breiten Lederriemen heraus, den er Jamie in die Hand drückte. »Diese Aufgabe übernimmst du.«
»Ich?« Jamie erstarrte vor Schreck. Er versuchte, Ian den Riemen zurückzugeben, doch sein Schwager wehrte ab. »Ich kann den Jungen nicht auspeitschen.«
»Aber ja doch«, entgegnete Ian und verschränkte die Arme. »Du hast oft genug erklärt, du liebtest ihn wie einen eigenen Sohn.« Freundlich, aber entschlossen blickte er ihn an. »Ich sage dir, Jamie… es ist nicht so einfach, sein Vater zu sein. Am besten, du überzeugst dich selbst davon.«
Jamie blickte zunächst auf Ian, dann auf seine Schwester. Sie hielt dem Blick stand.
»Du verdienst es genauso wie er, Jamie. Nun geh schon.«
Jamie preßte die Lippen hart aufeinander, und seine Nasenflügel bebten. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand.
Jenny warf einen Blick auf Ian und mich, bevor sie sich zum Fenster wandte. Da wir beide ein gutes Stück größer waren als sie, stellten wir uns hinter sie. Die Abenddämmerung senkte sich rasch, doch es war noch hell genug, um den ermatteten Knaben zu erkennen, der, ungefähr zwanzig Meter vom Haus entfernt, mutlos an einem Holzgatter lehnte.
Als er Schritte hörte, hob er den Kopf. Beim Anblick seines Onkels richtete er sich überrascht auf.
»Onkel Jamie!« Als er den Riemen sah, wurde er noch ein bißchen größer. »Wirst du… mich auspeitschen?«
Es war so still, daß ich sogar das Zischen hörte, mit dem Jamie die Luft einsog.
»Darum komme ich wohl nicht herum«, sagte er offen. »Aber erst muß ich dich um Verzeihung bitten, Ian.«
»Mich?« Der junge Ian klang verdutzt. Offensichtlich war er nicht daran gewöhnt, daß sich Ältere bei ihm entschuldigten, insbesondere kurz vor einer Tracht Prügel. »Aber das brauchst du doch nicht, Onkel Jamie.«
Die größere Gestalt lehnte sich an das Tor und sah auf die kleinere hinunter.
»Doch. Es war falsch von mir, dich in Edinburgh zu lassen, und vielleicht war es auch falsch, dir von meinem Leben zu erzählen und dich auf den Gedanken zu bringen wegzulaufen. Ich hätte dich lieber nicht überallhin mitnehmen sollen und habe dich vielleicht sogar in Gefahr gebracht. Wenn ich nicht wäre, hättest du nicht so großen Ärger mit deinen Eltern bekommen. Es tut mir leid, Ian, und ich bitte dich um Verzeihung.«
»Oh.« Der Junge fuhr sich sprachlos durchs Haar. »Ja… gut. Natürlich, Onkel Jamie.«
»Danke, Ian.«
Sie standen eine Weile schweigend da, dann seufzte der Junge und straffte die Schultern.
»Dann bringen wir es jetzt am besten hinter uns, oder?«
»Ja.« Jamies Stimme klang mindestens so widerstrebend wie die seines Neffen. Ich hörte Ian neben mir schnauben, ob aus Entrüstung oder vor Vergnügen, konnte ich nicht sagen.
Resigniert wandte sich der junge Ian mit dem Gesicht zum Tor. Jamie folgte zögerlich. Mittlerweile war es fast dunkel geworden, so daß man aus der Entfernung nur noch ihre Umrisse sah. Aber man hörte jedes Wort. Jamie hatte sich hinter seinen Neffen gestellt, unsicher, was er als nächstes tun sollte.
»Mmmpf. Und wieviel… dein Vater…«
»Normalerweise zehn, Onkel«, sagte Ian über die Schulter. Nachdem er seinen Rock abgelegt hatte, nestelte er an seinem Gürtel. »Zwölf, wenn’s ziemlich schlimm ist, und fünfzehn, wenn es ein wirklich schreckliches Vergehen ist.«
»War es diesmal nur schlimm oder ziemlich schlimm?«
Der Junge lachte kurz und unwillig auf.
»Wenn Vater es dir aufträgt, ist es ein wirklich schreckliches Vergehen, aber ich stimme für ziemlich schlimm. Gib mir lieber zwölf.«
Wieder hörte ich Ian schnauben. Diesmal klang es eindeutig amüsiert. »Ehrlicher Bursche«, murmelte er.
»In Ordnung.« Nachdem Jamie tief Luft geschöpft hatte, holte er zum ersten Schlag aus. Da unterbrach Ian ihn.
»Warte, Onkel, ich bin noch nicht ganz soweit.«
»Mußt du das unbedingt tun?« Jamies Stimme klang belegt.
»Aye. Vater sagt, nur Mädchen dürfen die Röcke anbehalten, wenn sie ausgepeitscht werden«, erklärte der Junge. »Männer müssen es mit nacktem Hintern über sich ergehen lassen.«
Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren, trat Jamie einen Schritt zurück und holte aus. Man vernahm einen lauten Hieb, den Jenny stöhnend mitfühlte.
Abgesehen von einem tiefen Atemzug, tat der Knabe nicht einen Muckser, bis die Prozedur zu Ende war. Mir wurde flau dabei.
Schließlich ließ Jamie den Riemen sinken und wischte sich über die Stirn. Er streckte eine Hand nach Ian aus, der über dem Zaun lehnte. »Alles in Ordnung, Junge?« Der junge Ian richtete sich mühsam auf und zog seine Kniehosen hoch. »Aye, Onkel. Danke.« Seine Stimme klang ein wenig belegt, aber ruhig und gefaßt. Er ergriff Jamies Hand. Anstatt den Jungen zurück ins Haus zu führen, reichte Jamie ihm den Riemen.
»Du bist dran«, sagte er, ging zum Tor und beugte sich vornüber.
Ian war ebenso entsetzt wie wir.
»Was?« rief er fassungslos.
»Du bist dran, habe ich gesagt«, wiederholte sein Onkel mit fester Stimme. »Erst hab’ ich dich bestraft. Jetzt versohlst du mich.«
»Das kann ich nicht, Onkel!« Der junge Ian war so außer sich, als hätte sein Onkel ihn aufgefordert, in aller Öffentlichkeit eine unzüchtige Handlung zu begehen.
»Doch, du kannst«, erwiderte Jamie, richtete sich auf und blickte seinen Neffen an. »Ich habe genau wie du einen Fehler begangen und muß nun ebenso dafür bezahlen. Mir hat es keinen Spaß bereitet, dich auszupeitschen, und dir macht es ebensowenig Spaß, aber wir stehen es beide durch. Verstanden?«
»A-aye, Onkel«, stotterte der Junge.
»Also los!« Er ließ seine Hose runter, beugte sich vornüber und klammerte sich am Zaun fest. Ian stand wie gelähmt da, den schlaffen Riemen in der Hand.
»Nun mach schon.« Jamies Stimme klang unerbittlich. So sprach er auch mit den Whiskyschmugglern. Sich zu widersetzen war undenkbar. Ängstlich gehorchte Ian und holte halbherzig aus. Man vernahm ein dumpfes Klatschen.
»Der zählt nicht«, sagte Jamie mit fester Stimme. »Mann, für mich war es genauso schwierig, wie es jetzt für dich ist. Mach deine Arbeit anständig!«
Wild entschlossen straffte der Junge die Schultern. Das Leder pfiff durch die Luft und ging wie ein Blitzschlag hernieder. Als die Gestalt am Zaun ein verblüfftes Keuchen ausstieß, kicherte Jenny entsetzt.
Jamie räusperte sich. »Aye, so ist’s in Ordnung. Mach weiter.«
Wir hörten, wie Ian zwischen den Peitschenhieben sorgfältig mitzählte. Aber abgesehen von einem unterdrückten »Himmel!« nach dem neunten Peitschenhieb, war von Jamie kein Laut zu vernehmen.
Wir seufzten erleichtert auf, als er nach dem letzten Hieb vom Zaun zurücktrat und sein Hemd wieder in die Hose steckte. Er neigte den Kopf höflich vor seinem Neffen. »Danke, Ian.« Weniger förmlich rieb er sich anschließend sein Hinterteil und meinte gequält: »Mein lieber Mann, dein Schlag kann sich sehen lassen!«
»Deiner auch, Onkel!« antwortete Ian und ahmte Jamie nach. Die beiden standen in der Dunkelheit und lachten. Jamie legte den Arm um seinen Neffen und ging mit ihm Richtung Haus. »Wenn’s dir nichts ausmacht, Ian, dann möchte ich das nicht noch mal machen müssen, einverstanden?« fragte er.
»Einverstanden, Onkel Jamie.«
Kurz darauf öffnete sich die Haustür, und Ian und Jenny nahmen die beiden verlorenen Söhne wieder auf.
Ferne Ufer
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