Kapitel 15
München, Dienstag, 19. 12., 15.12 Uhr
Stefan Picker hatte nicht den mühsamen Weg durch alle Polizeistationen absolviert und in langen Abenden sein Studium der Jurisprudenz abgeschlossen, um jetzt unter der Knute des LKA-Direktors Pollinger sein Dasein zu fristen. Das Angebot aus Berlin war eine einzige Verlockung. Der zukünftige Innenminister, Franke und CSU-Mitglied wie Picker auch, hatte ihm telefonisch die Position eines Staatssekretärs in Aussicht gestellt. Er solle sich ruhig verhalten, keinen Staub aufwirbeln und dann wäre nach der Rochade, die im Januar im Bundeskabinett anstand, alles eine Frage der Formalitäten. Er brauche jetzt einen Aktenfresser, einen, der die heißen Eisen anpacke und die Minen entschärfe. Er verstehe doch. Das sei ein Fulltime-Job, da müsse man noch einmal richtig durchstarten, und Berlin sei ja auch eine ganz neue Spielwiese. FBI und CIA und so. Nicht mehr Turbanträger in Asylheimen bespitzeln. Das ganz große Rad. Picker sei sein Mann. Wie gesagt, Füße stillhalten. Kein Skandal und alles würde laufen. Dann hatte der designierte Innenminister aufgelegt.
Pickers Hände zitterten. Er klickte sich im Internet auf die Seite des FBI, suchte nach der Liste der meistgesuchten Verbrecher und wechselte dann auf die Immobilienseite einer Berliner Zeitung. Ob Marille, seine Frau, auch von Berlin begeistert sein würde? Er würde heute Abend mit ihr sprechen müssen.
Das Telefon klingelte.
»Herr Straßberger von der Polizeiinspektion Bad Wiessee für Sie, Herr Picker.«
»Stellen Sie durch – äh, danke, Frau Adamietz.«
Das Gespräch dauerte fünf Minuten. Und es dauerte vier Sekunden, bis er die Tastatur seines Computers zerstört hatte. Quercher, immer wieder Quercher! Seit der Polizeischule quälte dieser Typ ihn, war wie ein Herpesvirus, trat immer dann in Erscheinung, wenn man es gar nicht brauchte. Der Idiot ermittelte, statt, wie ihm geheißen, die Sache diskret und schnell über die Bühne zu bringen. Dabei war die Weisung aus der Staatskanzlei eindeutig. Jetzt war Schluss damit. Er hatte diesen Typen mit Rücksicht auf Marille, die Quercher wohl immer noch liebte, in Ruhe gelassen. Aber er hatte still Informationen gesammelt. Wie es seine Art war. Irgendwann würde man sie benötigen. Und das war jetzt.
Er stand auf, wischte die Trümmer der Tastatur vom Tisch in den Mülleimer, ging zu seinem Tresor und entnahm die Akte mit den Kopien über Querchers Kaufvertrag des arabischen Restaurants. Noch in dieser Woche würden die Kollegen den Schuppen hochgehen lassen und dann käme alles ans Licht. Maximilian Quercher würde ihm nicht seinen Weg von Waldperlach nach Berlin versperren.
»Frau Adamietz, geben Sie mir Qualtinger, den Chef des Rauschgiftdezernats, bitte.«