Ortburg – Die Zwillinge

„Die Biester sind endlich draußen?" Gunnar, der Burgherr, sah den Verweser mit seinen tückischen kleinen Augen an.

„Das Gitter ist wieder funktionstüchtig. Die Dendraks haben kurz nach Einbruch der Dämmerung ihre Stallungen verlassen", berichtete Falk und neigte demütig seinen Kopf. „Wie Ihr beschlossen habt, sind die Zwillinge in die Burg gebracht worden. Ich habe ihnen ein Quartier auf dieser Etage zugewiesen. Gestattet mir die Frage, warum sie bereits jetzt hier wohnen dürfen? Sie sind doch erst fünf Jahre alt."

„In der Tat. Sie sind noch sehr jung. Aber sie sind stark. Ich werde mich persönlich um ihre Erziehung und Ausbildung kümmern. Geh jetzt. Ich habe noch zu arbeiten."

Gunnar blickte dem Verweser hinterher und wartete, bis dieser die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Dann nahm er den Bericht des Sehers erneut aus seiner Robe. Nachdenklich las er abermals den Text, der in groben Lettern, passend zum grob geschöpften Papier, geschrieben war.

Er musste etwas unternehmen. Ein Kind, ein Mädchen mit starken weißmagischen Fähigkeiten sollte geboren werden. Und dieses Kind würde die Magie aus der Welt verbannen. Es würde dann wieder möglich sein, Technik zu entwickeln.

Das bedeutete, dass er nichts weiter sein würde, als ein normaler Mensch. Und diese Bauern, diese minderwertigen Kreaturen, könnten sich über ihn erheben. Das durfte er nicht zulassen.

Er war der Mächtigste der Grauen. Er musste dieses Balg ausfindig machen und vernichten. Niemand raubte Gunnar dem Großen seine Macht. Schon gar nicht eine Weißmagierin.

Gunnar strich energisch eine widerspenstige Falte seiner langen, weiten Robe glatt und trat aus dem Zimmer. Fackeln beleuchteten den fensterlosen, aus großen, grob behauenen Steinen bestehenden, Gang.

Er würde sofort mit der Ausbildung der beiden Knaben beginnen. Zunächst würde er ihnen erklären, dass die Grauen die Krone der Schöpfung waren. Der Beweis war die jahrhundertelange Herrschaft. Schon vom ersten Tag der Umwandlung hatte es sich gezeigt, dass sie die wahre Kraft besaßen. Niemand konnte sich ihnen entgegenstellen. Graue waren stark und rücksichtslos genug, die Macht an sich zu reißen und seither nicht aufzugeben. Und so würde es bleiben.

Er öffnete die Tür zum Quartier der Kinder, ohne anzuklopfen.

Da standen sie vor ihm. Sie trugen bereits die Kleidung der Novizen. Er spürte ihre enormen Kräfte, die sie besaßen. Großes war von ihnen zu erwarten. Das war sicher.

Erwartungsvoll und stolz sahen sie mit ihren eisblauen Augen zu ihm empor.