8.1 Bahaismus – Zentrale Glaubenslehren

Als die jüngste der hier vorgestellten Weltreligionen darf der Bahai-Glauben gelten, der erst im 19. Jahrhundert aus dem schiitischen Islam heraus entstand und religionsgeschichtlich gesehen den mit Abstand erfolgreichsten Zweig des Babismus beschreibt. Bahai bekennen die Einheit Gottes und all Seiner Propheten und Religionsstifter. Entsprechend gehen sie auch nicht von einem Ende des Offenbarungsgeschehens aus, sondern bekennen, dass Gott für jede Zeit immer wieder neue Offenbarer entsendet.

So erkennen Bahai unter anderem Buddha, Moses, Jesus und Muhammad sowie die auf sie bezogenen Heiligen Schriften als göttliche Offenbarungen an und lesen in ihren Gottesdiensten durchaus auch aus Bibel und Koran, Bhagavad Gita und Tripitaka. Doch gilt ihnen der aus Persien nach Akkon und Haifa im heutigen Israel verbannte Mirza Husayn Ali (1817 – 1892) als Baha‘u’llah („Glanz Gottes), als Verkünder dieses Jahrtausends.

Gewaltanwendung, aggressive Missionsmethoden oder Zwang sind Bahai religiös untersagt. Frauen und Männer gelten als gleichberechtigt und die Gemeinschaft organisiert sich seit 1963 durchweg demokratisch durch die Wahl lokaler, nationaler und schließlich internationaler „Geistiger Räte“ bis hoch zum „Universalen Haus der Gerechtigkeit“ in Haifa. Im Kern des Bahaiglaubens wird die „dreifache Einheit“ betont: Die Einheit Gottes, die mystische Einheit aller Gottesoffenbarer und die Einheit aller Menschen. Zur Erkenntnis dieser dreifachen Einheit sollten alle Menschen streben.

So heißt es im Kitab-i-Aqdas, dem „Heiligsten Buch“ der Bahai:

„Die Völker der Welt schlafen tief. Erwachten sie aus ihrem Schlaf, so eilten sie voll Eifer zu Gott, dem Allwissenden, dem Allweisen. Sie gäben auf, was sie besitzen, und wären es alle Schätze der Erde, damit ihr Herr ihrer gedenke und sie eines einzigen Wortes würdige. So unterrichtet euch Er, der das Wissen um das Verborgene auf einer Tafel hält, die das Auge der Schöpfung nie sah, und die niemandem außer Seinem eigenen Selbst, dem allmächtigen Schirmherrn aller Welten, enthüllt wurde. So verwirrt sind sie im Rausch ihrer Begierden, dass sie außerstande sind, den Herrn allen Seins zu erkennen, dessen Stimme laut von allen Seiten ruft: "Es ist kein Gott außer Mir, dem Mächtigen, dem Allweisen."

Weltweit leben inzwischen knapp sechs Millionen Bahai auf allen Kontinenten, wobei die Gemeinden im Ursprungsland Iran durch brutale Verfolgungen und Vertreibungen zerstört oder in die Verborgenheit abgedrängt worden sind. In Israel, wo ihr Stifter in der Verbannung starb, werden sie als friedfertige Monotheisten sehr geschätzt. Ein dynamisches Wachstum verzeichnen Bahai-Gemeinschaften derzeit vor allem in Indien und Afrika. Auch in islamisch geprägten Ländern wie der Türkei oder Indonesien entstanden Bahai-Gruppen, die jedoch häufig Diskriminierungen und vereinzelt Übergriffen ausgesetzt sind. In den westlichen Ländern verzeichneten die Bahai vor allem in den USA aktive Gemeinden. In ihren ebenfalls lebendigen, europäischen Gemeinden finden Flüchtlinge aus dem Iran sowie einige Konvertiten verschiedenster Herkunft zusammen.