3.2 Islam – Muhammad

 

Muhammad wurde um das Jahr 570 n.Chr. kurz nach dem Tod seines Vaters geboren. Die spätere Überlieferung sprach vom „Jahr des Elefanten“, in dem „der Herrscher des Jemen, Abraha, einen Feldzug gegen Mekka unternahm, auf dem mindestens ein Elefant mitgeführt worden war.“ Das Ereignis beschreibt die damalige Situation der arabischen Halbinsel recht gut: Eine Vielzahl zersplitterter, arabischer Stämme fand sich an der Schnittstelle verschiedener Reiche und bedeutender Provinzen: So dem christlichen Byzanz (Ostrom) und Syrien im Norden, dem zoroastrischen Perserreich im Osten, die ebenfalls christianisierten Regionen Ägyptens und Abessiniens im Westen und Südwesten und die südarabischen Reiche. Karawanenstädte wie Mekka und Medina mussten daher immer wieder ihre Eigenständigkeit bewahren, wurden aber auch zu wichtigen Handelsplätzen, über die neben Waren wie dem südarabischen Weihrauch aber auch Informationen, Ideen und religiöse Lehren ausgetauscht wurden.

 

Noch immer verehrten die meisten Stämme der Halbinsel zahlreiche Stammesgötter (Polytheismus), einige zählten sich jedoch zum Judentum und in anderen fanden sich die ersten Christen verschiedener Traditionen. Dass die Verehrung des Einen Gottes, im arabischen Allah, sich durchaus bereits ausbreitete, bezeugt auch der Name von Muhammads früh verstorbenem Vater: Abdallah, Diener Gottes. Einem Beobachter jener Zeit hätte es unausweichlich erscheinen können, dass eines der angrenzenden Reiche schließlich erfolgreich seine Macht ausdehnen und eine der monotheistischen Religionen auch Arabien prägen würde. Doch verfügten die arabischen Stämme andererseits über eine gewachsene, eigene Identität, einige verstanden sich als Nachfahren des Abrahamsohnes Ismael. Es gab auch eigene, arabische Heiligtümer wie in Mekka und eine reiche Gedicht- und Schriftsprache, die – wie das Hebräische – vokalarm geschrieben wurde (vgl. Kap. 1.5). Und so kam es nicht zur Übernahme einer anderen, sondern zur Herausbildung einer eigenen, monotheistischen Tradition, die schließlich die angrenzenden Reiche übernehmen würde.

 

Muhammads Mutter starb, als der Junge sechs Jahre alt war und er wuchs unter der Obhut einer Amme, dann seines Großvaters und nach dessen Tod seines Onkels in Mekka auf. Muhammad soll großes Geschick wie auch Vertrauenswürdigkeit als Kaufmann gezeigt haben. Er heiratete schließlich im Alter von 25 Jahren seine 15 Jahre ältere Arbeitgeberin, die wohlhabende Witwe Chadidscha und mehrte den nun gemeinsamen Wohlstand. Das Paar hatte mehrere Kinder, von denen allerdings die meisten schon im Kindesalter starben, und bis zu ihrem Tode im Jahr 619 nahm Muhammad auch keine weitere Frau.

 

In diese Jahre fiel jedoch auch eine wachsende Unruhe Muhammads, der sich – wie andere so genannte „Hanifen“, Gottsuchende – vom noch vorherrschenden Polytheismus abwandte und in Auseinandersetzung mit den Lehren der einziehenden Religionen auf die Suche nach der göttlichen Wahrheit machte. In der Höhle Hira, in die er sich zu Gebet und Andachten zurück zog, sei ihm schließlich der Engel Gabriel erschienen und habe ihm die Verkündung göttlicher Offenbarung in Arabisch befohlen. Zunächst voller Zweifel sei Muhammad zu seiner Frau Chadidscha geflohen, die ihn jedoch ermutigte und zusammen mit seinem Vetter Ali so zu den ersten Anhängern des Propheten zu zählen ist. Eine Rolle dabei könnte laut den Überlieferungen auch der christliche Priester Waraka ibn Nawfal, ein Verwandter Chadidschas, gespielt haben, der Muhammads Botschaft beglaubigt habe.

 

Die Tradition zählt Sure 96 mit dem Befehl „Lies!“ als die erste Offenbarung des Monotheismus, den Muhammad nun in Arabisch verkündete. Demnach verlange Gott alleinige Anbetung und die Zurückweisung allen Götzendienstes – also Islam in einem weiteren Sinne, nach dem alle Gottesfürchtigen Muslime seien. Zwar habe sich Gott in besonderer Weise Israel offenbart, aber auch allen anderen Völkern vor und neben den Juden „Propheten und Warner“ gesandt – beginnend mit Adam „dem ersten Muslim“ selbst.

 

Fünf dieser Propheten (nabi)  benennt der Koran zusätzlich mit dem hervorgehobenen Titel des rasul (Gesandten): Noah (Nuh), Abraham (Ibrahim), Moses (Musa), Jesus (Isa) und Muhammad. Jesus sei seiner jungfräulichen Mutter Maria (Maryam, nach ihr ist Sure 19 benannt) vom Heiligen Geist eingegeben worden, habe Wunder gewirkt, sei Geist von Gott (ruh Allah), Wort von Gott (kalim Allah), ja der Messias (al-masih) – doch sei er nicht selbst als Gott oder Gottes Sohn zu verehren, kein Teil einer Dreifaltigkeit und sein Kreuzestod fraglich. Die vorher gegangenen Völker einschließlich der Juden und Christen hätten die Offenbarungen Gottes teilweise verloren oder verfälscht, so dass Gott nun in Arabisch seine Offenbarung abschließe.  

 

Zwar schlossen sich dieser Botschaft Muhammads reformorientierte (vor allem jüngere und ärmere) Mekkaner an, die meisten aber wandten sich zunächst gegen ihn, bedrohte seine Lehre doch die polytheistischen Götterkulte und entsprechenden Wallfahrten der Karawanenstadt. Um 615 mussten einige Muslime sogar zeitweise ins christliche Abessinien fliehen, wo sie Asyl erhielten. Nach dem Tod seiner geachteten Frau verschlechterte sich Muhammads Situation weiter, so dass er ein Angebot annahm, 622 als Friedensrichter nach Yathrib (später: Madinat an-nabi, Stadt des Gesandten, Medina) umzusiedeln. Die Auswanderung (Hidschra) nach Medina wurde zum Beginn der islamischen Zeitrechnung und die koranischen Suren wurden später nach ihrer Offenbarung je in der mekkanischen oder medinensischen Zeit eingeteilt.

 

Aus dem Verkünder wurde nun auch ein bald mehrfach verheirateter Herrscher und Heerführer. Um 623 erging schließlich die Offenbarung, die Gebetsrichtung (qibla) fortan nicht mehr nach Jerusalem, sondern nach Mekka zu orientieren – dieses Heiligtum sei einst von Adam errichtet und von Abraham und Ismael (dem Stammvater der Araber!) wieder erbaut worden. Nach wechselhaftem Kriegsglück sowohl gegen mekkanische wie medinensisch-jüdische Stammesverbände zog Muhammad schließlich 630 siegreich in Mekka ein und immer mehr Araber von nah und fern schlossen sich dem Islam an. Als der Gesandte 632 starb war den alten Reichen und Religionen so bereits ein formidabler, monotheistischer Gegner erwachsen, der die Weltgeschichte umschreiben sollte.

 

Als eine besondere und persönliche Ansprache Gottes an Muhammad aber darf bis heute Sure 93 („Der glorreiche Morgen“) gelten, die Leben und Auftrag des Gesandten in elf Versen fasst:

 

 

Beim Vormittag und bei der Nacht, wenn alles still ist!

Dein Herr hat dir nicht den Abschied gegeben und verabscheut dich nicht.

Und das Jenseits ist besser für dich als das Diesseits.

 

Dein Herr wird dir dereinst so reichlich geben, daß du zufrieden sein wirst.

Doch auch schon im diesseitigen Leben hat er dir Gnade erwiesen.

 

Hat er dich nicht als Waise gefunden und dir Aufnahme gewährt,

dich auf dem Irrweg gefunden und rechtgeleitet

und dich bedürftig gefunden und reich gemacht?

 

Gegen die Waise sollst du deshalb nicht gewalttätig sein,

und den Bettler sollst du nicht anfahren.

Aber erzähle deinen Landsleuten wieder und wieder von der Gnade deines Herrn!