8.
London, 21. April 2007
Als er das alte Geschäftshaus in der Innenstadt Londons betrat, wartete der Assassine bereits auf ihn. Regungslos stand das Geschöpf der Nacht neben der Treppe und erinnerte in seinen schwarzen Lumpen an ein verhülltes Möbelstück. Erst als Zacharias, wie er von den Mitgliedern seiner Familie genannt wurde, die erste Stufe betrat, erwachte der Assassine zum Leben. Er folgte ihm ins Arbeitszimmer im ersten Stock, neben dessen Eingangstür ein junger Mann saß.
„Was wollt Ihr hier?“, herrschte Zacharias ihn an.
„Mein Name ist Death und ich wurde hergebeten“, sagte der Fremde in gebrochenem Englisch und deutete auf den Assassinen, der wie ein Schatten lautlos die Treppe empor schwebte.
Misstrauisch musterte er Death, der Kaugummi kauend auf dem Stuhl lümmelte und ganz offensichtlich nur die Hälfte von dem verstand, was gesagt wurde. „Ihr beauftragt Penner, um André Barov zu beschatten?“
„Verzeiht, aber Mister Death erschien mir der Richtige zu sein.“
„Ach?“
Zacharias öffnete die Tür zum Arbeitszimmer. Reihum entflammten die Kerzen. „Tretet ein. Beide.“ Wie einer dieser pubertierenden Teenager, die Zacharias immer vom Friedhof aus beobachtete, stapfte Death in den Raum und warf sich unaufgefordert in den erstbesten Sessel.
„Also?“, fragte Zacharias den Assassinen, ging um seinen Schreibtisch und sank in den Drehstuhl. „Welche Neuigkeiten überbringt Ihr mir.“
„Er wird Euch alles erzählen.“ Der Assassine hob seinen Ärmel und zeigte mit der Spitze eines knochigen Zeigefingers, der als einziger Körperteil aus dem schwarzen Stoffschlauch hervorlugte, auf Death.
Zacharias seufzte. „Dann sprich.“
Death schilderte in schlechtem Englisch, was in Andrés Wohnung vorgefallen war.
„Ihr habt … was?“ Zornig schlug Zacharias mit der Faust auf die Tischplatte. Er starrte den Assassinen an. „Ich sagte beobachten. Wie konntet Ihr diesen … diesen Amateur auf André Barov ansetzen?“ Der Assassine stand regungslos da, man hörte nur seinen pfeifenden Atem. „Ich möchte, dass Ihr das selbst in die Hand nehmt. Bringt alles über diese Frau in Erfahrung. Findet heraus wer sie ist, wo sie wohnt und was Barov mit ihr zu schaffen hat. Habt ihr mich verstanden, Jorog?“ Zacharias wusste, wie sehr es die Assassinen hassten, bei ihrem wahren Namen genannt zu werden, noch dazu, wenn jemand wie Death es hörte.
„Wie Ihr wünscht.“ Die Worte hallten vor unterdrückter Wut.
„Und Ihr haltet Euch und Eure Schläger von Barov und dieser Frau fern“, befahl er Death. „Ansonsten werde ich persönlich dafür sorgen, dass das Euer letzter Kaugummi war.“
Mit einem dümmlichen Grinsen auf den Lippen nickte Death. „Was ist mit unserer Bezahlung?“
„Jorog, nehmt diese Witzfigur und schafft sie mir aus den Augen.“
Wien, 22. April 2007
Es war kurz nach Mitternacht, als André, begleitet von Geralds Agenten Clement Vermont und Alexandre Montiel, das Gelände der Fabrikruine am Stadtrand Wiens betrat. Dunkelheit umhüllte das Gebäude aus rotem Backstein. Die weitläufigen Fensterflächen waren beinahe alle zerschlagen, die Mauern im unteren Bereich mit Graffitis überzogen und der hoch in den Himmel ragende Industrieschornstein wirkte so baufällig, als würde er jeden Augenblick in sich zusammenstürzen.
Nachdem er Natalies Wohnung auf so unehrenhafte Weise verlassen hatte, kochte die Wut in ihm. Und diese Wut projizierte er auf die drei Halbblüter, die in seine Wohnung eingebrochen waren. Die beiden Agenten hatten ihn vor Natalies Wohnung abgeholt und in ihr Hauptquartier gebracht, wo André dem Beispiel der Agenten gefolgt war und seinen Designeranzug gegen eine Lederkluft getauscht hatte. Sollte es zu einem Kampf kommen, war er so wesentlich beweglicher. Ein Teil von ihm konnte es kaum erwarten.
„So wie Romain es beschrieben hat, gibt es eine Treppe, die in ein Kellergeschoss führt.“ Clement strich über seinen glattgeschorenen Kopf und studierte die Nachricht auf seinem Handy.
„Dann lass uns dort nachsehen.“ André deutete auf ein großes Eingangstor, dessen Flügel aus den Angeln gerissen waren.
Alte, rostige Maschinen die von einer samtartigen Staubschicht bedeckt waren, erinnerten an die Zeit, als die Fabrik noch in Betrieb war. Über lange Jahre hinweg hatte André Anteile dieses Unternehmens besessen.
„Dort drüben“, sagte Alexandre und deutete auf zahlreiche Spuren im Staub, die von einem zweiten Eingang zu einem Treppenabgang am anderen Ende der Halle führten.
André ging in die Knie, berührte den Boden mit den Händen und schloss für einen Moment die Augen, um sich ganz auf seinen Tastsinn zu konzentrieren. Er spürte das schwache, rhythmische Vibrieren von Musik, das durch den Stahlbetonboden drang. Die Party war in vollem Gang.
„Ich schätze, die haben ohne uns angefangen“, sagte er.
Obwohl Ort und Musik zu einer Underground Party dieser Art passten, war es noch kein sicherer Hinweis darauf, dass sie dort unten auf abtrünnige Vampire stoßen würden. Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass André selbst Hand anlegte und eines von Geralds Teams auf einem ihrer nächtlichen Streifzüge begleitete. Aber er wusste wie oft Hinweise in die Irre führen konnten und die Gefahr bestand, dass sie nur Menschen antrafen.
Nahe der Treppe roch es nach Urin, Schweiß und Alter, darunter mischte sich der feine, würzige Duft menschlichen Blutes. Seine Instinkte waren hellwach und er sah, wie die Augen der beiden Agenten ebenfalls aufblitzten. Auch sie kämpften gegen den animalischen Trieb, den der Duft des Blutes reizte. Das Verlangen wurde noch stärker als sie die Treppe hinunter stiegen und anschließend einem von Rohren durchzogenen Tunnel bis zu einer Stahltür folgten. Blutgeruch hing hier schwer in der Luft. André spürte das Pochen in seinem Oberkiefer und das leichte Ziehen, als seine Fänge hervor traten. Nur schwerlich konnte er diese Reaktion kontrollieren. Zu sehr war jener Instinkt verankert, welcher seine Rasse Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts an den Rand des Untergangs getrieben hatte.
„Wie kommen wir da rein?“, fragte André, als sie an die aus geschweißten Blechen gefertigte Panzertür gelangten.
„Romain war gründlich mit seinen Recherchen.“ Clement klopfte zweimal kurz und zweimal lang gegen die Tür. „Ich denke, er wird bereits auf uns warten.“
Es dauerte einen Moment, bis das schwere Portal aufschwang. Ein Schrank von einem Halbblüter erschien in der Türöffnung. Unterstrichen wurde sein dramatischer Auftritt von einer Wolke aus künstlichem Nebel und schummrigem Licht. An seinen Lippen glänzte frisches Blut. Der Anblick lieferte André einen ersten Vorgeschmack auf das, was sie hinter der Tür erwartete.
„Was wollt ihr Penner?“, fragte der Kerl mit lauter Stimme, bäumte sich wie Bär vor ihnen auf.
Sein Atem stank nach Alkohol und hinter ihm tauchten zwei Hände aus dem Nebel auf, die sich um seine Hüften schlangen. Eine blasse Frau, die eine frische, von Blut triefende Bisswunde an ihrem Hals hatte, schnurrte dem Hünen ins Ohr.
„Kommst du?“
Ihre Hände wanderten tiefer und glitten in den Hosenbund des Türstehers. Sie bearbeitete seine Erregung und stöhnte lustvoll dabei.
„Siehst du nicht, dass ich arbeite?“ Der Halbblüter stieß die Frau fort. „Nun zu Euch“, sagte er. „Verschwindet von hier! Geschlossene Gesellschaft.“
Blitzschnell riss André seine Hand hoch und umschloss den Hals des Mannes. Auch wenn der Türsteher um einen halben Kopf größer und fast doppelt so schwer war wie er, hob er ihn mit Leichtigkeit hoch und rammte ihn gegen die Tür, dass sich die rostigen Stahlbleche verformten. Der Mann keuchte und zappelte wie ein Fisch. Blut und Speichel troff von seinen Reißzähnen.
„Genügt das als Einladung?“
Er drang in den Geist des Kerls ein. Doch eine Berührung störte André in seiner Konzentration. Die Hände der Frau umfassten nun seine Beine. Erneut zog sie sich aus dem Nebel und blickte nun sehnsüchtig zu ihm hoch.
„Willst du von mir kosten?“ Sie schnurrte leise, strich über die rot quellenden Öffnungen an ihren Hals und leckte anschließend ihre blutigen Finger ab. „Ich schmecke verführerisch.“
Ihre Hand wanderte über Andrés Beine hoch, umfasste mit festem Griff sein Geschlecht. Der schwere Duft ihres Blutes stieg ihm in die Nase und sorgte dafür, dass seine Fänge blitzartig aus seinem Kiefer schossen. Wie schwach doch die Befriedigung des Durstes aus den Konserven war. André hielt den Atem an, um der Verlockung des Blutes zu entgehen. Er schob die Frau zurück in den Raum und ließ von dem Halbblüter ab, der regungslos zusammensackte und kein Hindernis mehr darstellte.
André stieg über die schmollende Blutsklavin in einen geräumigen Vorraum, der als Garderobe diente. Vor ihnen lag eine geöffnete Schiebetür, die in eine geräumige Kellerhalle führte, in der eine Orgie tobte. Im schwachen Blitzlicht tauchten ineinander verschlungene Körper aus dem Nebel auf. In Ekstase verfallen wanden sie sich zu den Klängen von Gothic-Musik. Zu dem Geruchscocktail mischten sich nun auch Ausdünstungen sexueller Vereinigung. Ein Halbblüter hatte seine Fangzähne in den Schamhügel einer Frau getrieben, ein anderer wiederum saugte den Schwanz seines Wirtes auf andere Weise leer. Viele trieben es ungeniert innerhalb der tanzenden Meute, andere hatten sich auf diverse Sofas und Bänke zurückgezogen. Lautes Stöhnen und lustvolle Schreie mischten sich unter die Musik.
Das Verhalten der Halbblüter widerte ihn an. Mit erschreckender Kaltblütigkeit wurden hier alle Gesetze des Rates missachtet. Der Zorn auf diesen Frevel machte es ihm leichter, den eigenen Blutdurst zu verdrängen. Teilweise jedoch schimpfte er sich selbst einen Heuchler, der sein eigenes Verlangen unterdrückte und andere verurteilte, die zu schwach waren dagegen anzukämpfen.
„Oh verdammt, Romain hat ganze Arbeit geleistet“, fasste Clement Andrés Gedanken in Worte, „das sind mindestens zwei Dutzend Halbblüter und unzählige Menschen.“
André nickte. Das war keine einfache Underground Party, auf die sich eine Handvoll Vampire verirrt und unter die Menschen gemischt hatte, sondern eine organisierte Blutorgie und somit der Bruch eines der ersten Gesetze, die der Rat beschlossen hatte. Es war vor allem die große Anzahl an Vampiren, die André verwirrte, ihn an den Anruf des Engländers erinnerte. Beschließt die neuen Gesetze und ihr werdet ein Feuer entfachen. Dieses Schauspiel glich einem Feuer, einer Meuterei gegen den Rat und seine Gesetze, die geschaffen wurden, um die Vampire zu schützen und den verloren geglaubten Krieg gegen die Jäger zu beenden. André sah vor allem junge Vampire, keiner älter als drei, vier Jahrzehnte. Halbblüter und Bastarde, die in der Zeit der großen Kriege noch nicht gelebt und das Übel der Jäger nie erfahren hatten. Sie waren leicht für die Ideen der Freiheit zu gewinnen, Ideen die angenehmer waren, als nach den unbequemen Gesetzen des Rates zu leben.
„Wie ich sehe, habt ihr die Party gefunden.“ Romain tauchte aus der Menge auf. Sein Anblick war makellos und verriet, dass er stark geblieben war.
„Glückwunsch“, sagte Clement und klopfte Romain anerkennend auf die Schulter.
Romain zuckte mit den Achseln. „Es war zu einfach. Wer immer diese Orgie auch organisiert hat, machte kein großes Geheimnis daraus, so als wollte er, dass wir die Party finden.“
„Gibt es Hinterausgänge?“, fragte Alexandre und band dabei seine langen, dunkelblonden Haare, die wellig über seine breiten Schultern fielen, zu einem Zopf.
Romain schüttelte den Kopf und grinste breit. „Sie haben sich nicht an die Brandschutzbestimmungen gehalten. Das ist die einzige Tür, die hier raus führt.“
„Was schlagt Ihr vor, André?“, fragte Clement.
„Wir können sie nicht gehen lassen.“
Das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Sie konnten das Geschehene nicht vollständig aus den Gedanken der Blutwirte löschen. Sie wären wohl in der Lage die Wunden zu schließen, sodass nur noch Blutergüsse als Zeugen des Vampirbisses übrig blieben, aber ein Teil der Erinnerung würde bleiben. Und jene, deren Geist nicht stark genug war, stellten ein Risiko für die Gemeinschaft und den Rat der Vampire dar. Im besten Fall würden sie einen Psychiater aufsuchen, der ihre Alpträume kurieren sollte, doch es gab auch einige, die zur Beichte gehen würden oder noch schlimmer, zu einem Exorzisten. Der Blindeste unter den Gelehrten würde den Biss eines Vampirs erkennen. Und es gab auch Blutwirte, wie jene genannt wurden, die direkt von einem Vampir gebissen wurden, die einen Funken der Seele des Vampirs in sich aufgenommen hatten und auf ewig mit dem Vampir verbunden waren. Sie gehörten zu den Gefährlichsten, denn ein geübter Jäger konnte sie durch Hypnose in Trance versetzen und sich diese Verbindung zunutze machen.
„Es soll niemand entkommen. Aber tötet nur, wenn es keine andere Möglichkeit gibt und lasst die Blutwirte am Leben. Wir wollen unsere Gesetze wahren.“
Alexandre schob den benommenen Türsteher in den Vorraum und schloss die Stahltür ab. Anschließend zogen Clement und Alexandre ihre Waffen, Dolchpaare aus gehärtetem Stahl. Romain und André bevorzugten den waffenlosen Kampf mit Körper und Geist.
Zu viert traten sie in die weitläufige Halle und schlossen die Schiebetür hinter sich ab. André konzentrierte sich auf den DJ, der kein Vampir, sondern ein Mensch war. Für einen Moment übernahm er die Kontrolle über den Mann, sorgte dafür, dass die Musik verstummte und das Blitzlicht in permanentes Leuchten überging.
Ein Raunen und Fauchen ging durch die Menge. Wütende Blicke richteten sich zuerst auf den DJ, dann schauten einige in Richtung Tür.
„Guten Abend“, rief André. „Razzia“, fügte er erklärend mit einem, wie er wusste nicht gerade freundlichem Lächeln hinzu.
Einige Vampire ließen sofort von ihren Opfern ab und formierten sich in Kampfposition. Es waren weit mehr, als Clement geschätzt hatte. Beinahe an die drei Dutzend Halbblüter und Bastarde.
„Herausfordernd“, bemerkte Clement.
André betrachtete jeden einzelnen der Gegner. Seine Sinne arbeiteten nun mit tausendfacher Schärfe und er suchte den Raum nach ganz speziellen Halbblütern ab. Zuerst dachte er, keinen der Einbrecher in der Menge zu entdecken, doch dann sah er einen.
„Der da gehört mir.“
Zwei halbnackte Halbblüter stürzten sich auf André und bezahlten ihre Angriffe mit Tritten, die ihre Schultern und Rippen zertrümmerten und sie zu Boden streckten. Er stieg über die beiden hinweg, wandte sich den nächsten Gegnern zu, die seinen Weg kreuzten und fegte dabei eine regelrechte Schneise durch die Menge.
Die benommenen Blutsklaven erwachten unterdessen nur langsam aus der Ekstase, wichen kriechend und schleichend an den Rand und in die Nischen und Ecken der Halle zurück. Manche von ihnen waren beinahe leer getrunken, dem Tod näher als dem Leben.
Zu seinen Flanken schlugen sich Romain und Clement durch die Meute, bedacht darauf, Andrés Befehl zu folgen und die Gegner nach Möglichkeit nicht zu töten, damit sie dem Rat vorgeführt werden konnten. Die Überzahl der Halbblüter war erdrückend.
André streckte weitere Halbblüter nieder, seine Wut trieb ihn in einen Blutrausch. Den nächsten Gegner brachte er zu Fall, indem er in dessen Bewusstsein drang und die Muskeln lähmte. Unkontrolliert wie die Marionette eines unerfahrenen Spielers, stolperte der Mann vorwärts, knallte mit dem Kopf gegen ein Geländer, das zu der stählernen DJ- Bühne führte. André hielt kurz inne, um erneut nach seiner eigentlichen Zielperson Ausschau zu halten, doch in diesem Moment stürzte sich eine Meute Angreifer auf ihn. Tritte hagelten auf ihn ein. Er spürte einen scharfen Stich, sah wie sich eine Messerklinge in seinen Oberschenkel bohrte. Für einen Moment kam er ins Wanken. Ihm blieb keine Zeit, die Wunde zu regenerieren. Die Halbblüter setzten sofort nach, attackierten ihn mit Fäusten, rostigen Eisenstangen, zerbrochenen Glasflaschen und was sie sonst noch an improvisierten Waffen in die Finger bekamen.
Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie Romain und Clement zurückgedrängt wurden und Alexandre hatte am Eingang alle Hände voll zu tun vier abtrünnige Vampire am Entkommen zu hindern.
Als er seinen Kopf hob und in das Gesicht eines der Einbrecher blickte, in dem sich Hohn widerspiegelte, zerrissen die inneren Fesseln seiner Bestie endgültig. Heißes, von Zorn und Hass getränktes Blut schoss durch seine Adern, seine Hände begannen zu zitterten und er atmete tief durch. Doch auch jetzt widerstand er der Versuchung, seine Reißzähne in eine Blutsklavin zu treiben, die nur eine Handlänge von ihm entfernt lag. Stattdessen stemmte er sich hoch, befreite sich von dem lebendigen Ballast, drosch auf die Halbblüter ein, von denen einer nach dem anderen zu Boden ging. Als er sich auf den Einbrecher stürzte, schwand dessen Spott aus dem Gesicht und wich einem panischen Blick.
„Wo sind deine beiden Freunde?“, fragte André. Seine Stimme war nur noch ein tiefes Knurren.
„Was willst du von mir?“ Der Mann wich einige Schritte zurück, bis die Betonwand seinen Fluchtversuch stoppte.
„Du und deine Freunde seid in mein Penthaus eingebrochen.“
„André Barov?“ Offensichtlich hatte ihn der Halbblüter nur für einen gewöhnlichen Agenten gehalten. „Seht mal alle her …“
Weiter kam er nicht. André hob die Hand und drang in seine Gedanken ein. Der schlaksige Körper des Halbblüters zitterte und dünne Blutströme liefen aus seinen Ohren. Die Bilder des Überfalls, die André durch die Augen der Katze gesehen hatte, blitzten in seinen Gedanken auf. Immer tiefer drang er in den Geist des Mannes ein. Wer hat euch beauftragt? Und wer hat diese Party hier organisiert? Wieder sah André nur einen schwarzen Schemen. Folgt dem Widerstand, hörte André eine Stimme. Der Mann schrie vor Schmerzen und zwei Halbblüter eilten ihm zu Hilfe.
Für einen Moment löste André die Verbindung und wirbelte herum. Er blockte die unbeholfenen Schläge ab und schlug die beiden Angreifer zu Boden. Unterdessen leisteten nur noch wenige Gäste den Agenten Widerstand. Die meisten lagen benommen auf dem Boden zwischen den Blutsklaven. André überließ es den Agenten, sich um den Rest zu kümmern. Er wandte sich wieder dem Mann zu, der zu Boden gesunken war, riss ihn hoch, schüttelte ihn, bis er zu sich kam.
„Wo sind die beiden anderen?“
„Fick dich doch ins Knie“, fauchte der Kerl. „Vielleicht treiben sie es gerade mit Eurer Blutsklavin, Blutprinz.“
André drückte ihn gegen die Wand, hörte die Rippen brechen und rammte ihm gnadenlos die Faust in den Magen.
„Die Menschenschlampe hat es dem großen Prinzen angetan.“
„Schweig“, knurrte André. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Wie ein Berserker schlug er auf den Mann ein, bis dieser leblos zu Boden sank.
Als André sich umwandte blickte er in die fragenden Gesichter seiner Mitstreiter. Schwer atmend stand er da, doch das Feuer, das in ihm loderte, erlosch nicht.
„Kümmert euch um die Gesetzesbrecher“, befahl er und verließ die Kellerhalle und das Fabrikgebäude.
Kalter Regen empfing ihn, wusch das Blut von seinen Händen und seiner Kleidung. Schnell wie eine Raubkatze rannte er durch die Nacht, brüllte seine Wut über sein eigenes Unvermögen, sein Gemüt zu zügeln, heraus. Wie ein primitives Tier hatte er gehandelt. Der Tod des Mannes war unnötig, er hätte dem Rat noch nützlich sein können.
Nach einer Weile hielt er inne, betrachtete seine Umgebung und erkannte den Wohnblock wieder, zu dem ihn seine Füße unbewusst geführt hatten. Kurz überlegte er umzukehren, doch im nächsten Augenblick fand er sich auf einem Balkon im zweiten Stock wieder. Hinter dem Türglas zeichnete sich Natalies Schlafzimmer ab. Sie lag in ihrem Bett und schlief. Er berührte das Glas, bewegte mit der Kraft seiner Gedanken den Verschlusshebel. Die Tür schwang einen Spalt auf. Warme Luft strömte aus dem Schlafzimmer und trug den Duft von Natalie mit sich. Mit tiefen Atemzügen gierten seine Sinne nach jeder Nuance dieses einzigartigen Geruches, der wie eine besänftigende Droge auf ihn wirkte. Erschöpft sank er auf den Fliesenboden und betrachtete Natalie, wie sie ruhig in ihrem Bett lag. Das Laken floss wie ein silberweißer Strom über ihren Körper, hob und senkte sich langsam über ihrer Brust. Sein Herzschlag beruhigte sich. Er nutzte die Kraft, die ihr Anblick ihm schenkte, um seine Wunden zu regenerieren. Wut wich Verlangen und einer Erregung, die in Wellen durch seinen Körper floss. Doch er würde sie nicht wecken, sondern wollte einfach nur in ihrer Nähe sein.