16
Grillparty im Garten
Sommerliche Grillpartys sind in Tennessee sehr beliebt. Ich war schon auf Hunderten von solchen Veranstaltungen. Aber einmal war es etwas ganz Besonderes.
Am 21. Juli 1997 erhielt ich einen Anruf von Dennis Daniels, einem Beamten der Kriminalpolizei von Tennessee. Er befand sich im Kreis Union, einer ländlichen Gegend rund 70 Kilometer nördlich von Knoxville, und bat mich, mir dort ein paar Knochen anzusehen - er habe den Verdacht, dass sie von einem Menschen stammten. Daniels war mit David Tripp und Larry Dykes, zwei Ermittlern der Kreispolizei von Union, im Haus eines 21-jährigen Mannes namens Matt Rogers.
Ich schnappte mir Joanne Bennett und Lauren Rockhold, zwei Studentinnen, die zu unseren forensischen Einsatzteams gehörten, und fuhr mit ihnen in den Kreis Union. Wir hatten im Jahr 1997 bisher 22 forensische Fälle bearbeitet, dies würde also der Fall Nummer 97-23 werden. Vor dem Kreisgericht in Maynardville nahm uns ein Polizist in Empfang, und dann fuhren wir hinter ihm her aufs Land. Es war wahrhaft ländlich. Die Straße schlängelte sich durch Wälder, vorbei an ärmlichen Farmen, heruntergekommenen Häusern und verrosteten Wohnwagen; irgendwo in der Umgebung lag ein armseliger Weiler namens Jim Town.
Das Haus von Matt Rogers war ein kleines Holzbauwerk; es war angestrichen - oder vielmehr war es das vor langer Zeit einmal gewesen, aber jetzt war die Farbe zum größten Teil abgeblättert, und das Wetter hatte den ungeschützten Brettern eine silbergraue Färbung verliehen. Die Polizisten führten mich seitlich am Haus vorbei hinter einen Geräteschuppen. Schon bevor sie mich darauf hinwiesen, wusste ich genau, was sie mir zeigen wollten: ein rostiges 200-Liter-Ölfass, dessen Seitenwände von großen Einschusslöchern durchsiebt waren. Es war das, was man auf dem Land als »Brandfass« bezeichnet; setzt man einen Rauchabzug darauf und bringt es in die Stadt, wird es zum »Verbrennungsofen« befördert. Mein Blick war sofort vom Ende eines großen Knochens gefesselt, das oben aus dem Fass ragte.
»Matt behauptet, es seien Tierknochen«, erzählte Agent Daniels. »Eine tote Ziege, die seine Hunde angeblich im Garten gerissen haben.« Mir war sofort klar, dass der Kripobeamte Matts Geschichte nicht glaubte.
Daniels hatte allen Grund, misstrauisch zu sein. Elf Tage zuvor war Patty, Matts 27-jährige Ehefrau und Mutter mehrerer Töchter, als vermisst gemeldet worden. Zusätzlich angeheizt wurde der Verdacht durch die Tatsache, dass nicht Matt das Verschwinden seiner Frau angezeigt hatte, sondern Angie, Pattys beste Freundin. Die beiden Frauen hatten sich am 7. Juli bei einer Grillparty gesehen, und dabei hatte Patty ihrer Freundin erzählt, sie wolle Matt am nächsten Tag verlassen. Angie war auch nicht die Einzige, der Patty von ihren Absichten erzählt hatte, und von diesem Moment an verdichtete sich die Handlung wie in einer Seifenoper. Anscheinend hatte Patty ein Verhältnis mit Michael, Angies Bruder. Am Abend der Grillparty hatten Patty und Michael den Ehemann davon in Kenntnis gesetzt und ihm erklärt, sie wollten für immer zusammenbleiben. Als Patty und Matt die Party verließen, waren sie in einen heftigen Streit verwickelt.
Zwei Tage lang hörte Angie nichts von Patty, was ihr angesichts ihres engen Verhältnisses und der vorangegangenen Vorfälle große Sorgen bereitete. Dann rief Matt an, und jetzt bekam Angie richtig Angst: Er fragte, ob sie Patty gesehen habe. Nach seiner Darstellung war sie in der Nacht nach der Grillparty um zwei Uhr morgens aus dem Haus gestürmt, und seither hatte sie sich nicht mehr blicken lassen.
Am nächsten Tag ging Angie zur Polizei und meldete Patty als vermisst. Sie wollte Matt überreden, die Anzeige aufzugeben, aber der weigerte sich; außerdem sagte er, sie solle ihn informieren, wenn sie zur Polizei ging, damit er das Haus aufräumen könne, bevor jemand kam und Fragen stellte. Aber Angie sagte Matt nicht, dass sie die Anzeige aufgegeben hatte, und als der Beamte Larry Dykes ins Haus der Rogers’ kam, stellte er fest, dass Pattys Portemonnaie, ihre Autoschlüssel und die Zigaretten auf dem Küchentisch lagen. Dass eine Frau ohne diese Dinge für drei Tage das Haus verließ, kam ihm seltsam vor, ganz zu schweigen von ihren Kindern.
Patty blieb verschwunden; ihre Töchter wohnten vorerst bei Matts Eltern. Am 21. Juli wurde die Vermisstenanzeige zur Bearbeitung an Detective David Tripp übergeben. Je länger sich Tripp mit dem Fall beschäftigte, desto sicherer war er, dass Patty nicht einfach aus dem Haus von Mann und Kindern spaziert war. Mittlerweile waren zwei Wochen vergangen, und niemand hatte sie gesehen. Zusammen mit dem Polizisten Dykes fuhr Tripp noch einmal zu Matt und befragte ihn; dieses Mal brachten sie auch Dennis Daniels von der Kriminalpolizei des Bundesstaates mit. Außerdem hatten sie Leichenspürhunde dabei.
Matt Rogers blieb bei seiner Geschichte. Als Tripp und Daniels fragten, ob sie das Anwesen durchsuchen dürften, stimmte er zu. Während die Hundeführer mit ihren Leichenspürhunden auf dem mehrere Hektar großen Gelände ausschwärmten, setzte Matt sich im Hinterhof auf einen Stein und sah bei der Suche zu.
Agent Daniels fühlte sich von der Unterseite des Hauses angezogen. Das Gebäude stand fast einen Meter über dem Boden auf Pfählen, die es an den Ecken und mehreren weiteren Stellen stützten, aber es gab kein geschlossenes Fundament und keinen Kriechkeller. Daniels holte eine Taschenlampe aus seinem Auto und leuchtete damit in die Dunkelheit unter dem Boden des Hauses.
Währenddessen stieß Tripp auf dem Hof neben dem Haus auf eine Mülltonne und das Fass. Beide trugen frische Spuren von Feuer. Tripp, der selbst immer auf dem Land gelebt hatte, wusste ganz genau, wie man sich hier unerwünschter Dinge entledigte: Sie wurden vergraben oder verbrannt. Tripp warf einen Blick in das Fass und rief dann Daniels zu: »Ihr könnt die Leichenhunde zurückrufen. Ich glaube, ich habe unser Mädchen gefunden.« Daraufhin erzählte Matt die Geschichte von den Hunden und der Ziege, und dann rief Daniels mich an und fragte, ob ich mit einer Einsatzgruppe in den Kreis Union kommen könne.
Mir war sofort klar, warum die Polizeibeamten an Matts Geschichte über die Ziegenknochen gezweifelt hatten, und ich selbst glaubte sie erst recht nicht: Nachdem ich 40 Jahre lang menschliche Skelette untersucht habe, erkenne ich einen Oberschenkelknochen auch dann, wenn er aus einem Brandfass ragt. Dieser Knochen war stark verbrannt - an der brüchigen Oberfläche und der weißgrauen Farbe konnte ich ablesen, dass er lange in einem sehr heißen Feuer gelegen hatte -, aber er stammte unverkennbar von einem Menschen.
Das Fass war nicht die einzige Stelle, wo es heftig gebrannt hatte. Einen guten Meter weiter lag eine Matratze, oder jedenfalls war es früher einmal eine Matratze gewesen. Jetzt sah man nur noch ein Trümmerfeld mit verbogenen, geschwärzten Sprungfedern, vermischt mit verkohlten Blechdosen, Batterien, zerbrochenem Geschirr und anderen Haushaltsabfällen. Als ich mich bückte und mir die Sache näher ansehen wollte, erkannte ich zwischen dem Unrat kleine Brocken, die wie verbrannte Knochenstücke aussahen. Jetzt hatten wir genug Arbeit vor uns. Es war bereits später Nachmittag; uns blieben noch drei Stunden mit Tageslicht, um an einer großen, komplizierten Örtlichkeit die verstreuten Knochenstücke auszugraben und zu bergen.
Joanne und Lauren holten unsere Gerätschaften aus dem Lastwagen: Schaufeln und Maurerkellen zum Graben; Drahtnetze zum Durchsieben von Trümmern; Kameras, Greifzirkel und Asservatenbeutel. Der Unrat verteilte sich über eine recht große Fläche von über drei Metern Länge und eineinhalb bis zwei Metern Breite. Um genau festzuhalten, wo wir was gefunden hatten, unterteilte ich das Gebiet mit Markierungsband in zwölf gleich große Rechtecke.
In diesem Gitternetz arbeitete sich Joanne von der einen und Lauren von der anderen Seite aus vor. Ich trug mittlerweile den Inhalt des Fasses ab, vergewisserte mich zwischendurch aber immer wieder, ob die Frauen vorankamen. Als sie den Bereich entlang der Matratze untersuchten, zeigte sich sehr schnell, dass die Leiche ursprünglich auf dieser weichen Unterlage verbrannt war, denn dort lagen die Bruchstücke ungefähr in ihrer anatomischen Anordnung. Unvollständig verbrannte Teile waren dann in das Fass gesteckt und dort noch einmal angezündet worden. Meist macht man sich nicht klar, wie schwierig es ist, eine Leiche durch Feuer völlig zu zerstören. Es hört sich nach einer einfachen Methode an, um ein Mordopfer loszuwerden, aber das ist ein Irrtum.
In dem Brandfass fand ich neben dem Oberschenkelknochen, den ich zu Beginn gesehen hatte, noch eine Fülle weiterer Skelettteile. Der Oberschenkel (es war der linke) war zwar stark verbrannt, aber noch relativ vollständig. Anders verhielt es sich mit den meisten übrigen Knochen in dem Fass: Sie waren zum größten Teil nur noch brüchige kleine Brocken, die ich sehr vorsichtig handhaben musste, damit sie nicht zerbrachen. Ich legte das Fass auf die Seite, steckte den Kopf hinein, durchstöberte den Inhalt sehr gründlich und suchte nach Knochen. Ich fand eine Menge, allerdings ausschließlich Bruchstücke: Teile eines Schulterblattes, ein Schienbein, andere lange Knochen, den größten Teil des Kreuzbeins und mehrere Wirbel, von denen einige auf den Boden des Fasses gefallen und den schlimmsten Wirkungen des Feuers entgangen waren; sie waren zwar leicht verkohlt, an ihnen hafteten aber noch kleine Stücke des weichen Gewebes. Ein großes Schädelfragment lag auf dem Boden, und auch dieser Knochen war nicht so stark verbrannt wie die anderen. Auf der Erde rund um das Fass waren ebenfalls Knochen verstreut: weitere Fragmente von langen Knochen, Stücke von Kreuzbein und Kreuzdarmbeingelenk, Rippen- und Wirbelfragmente, ein Zehenknochen und zwei weitere Schädelteile.
Während ich das Fass untersuchte, arbeiteten Joanne und Lauren sich systematisch durch die zwölf Rechtecke rund um die Matratze. Zunächst unterzogen sie die Oberfläche einer visuellen Prüfung, wobei sie schon zahlreiche Knochenfragmente fanden. Nachdem sie dann alle erkennbaren Knochen eingesammelt hatten, durchsuchten sie das gesamte übrige Aschenmaterial, bis sie auf die nackte Erde stießen. Drei der zwölf Rechtecke unseres Koordinatennetzes enthielten Abfall, aber keine Knochen; die anderen neun lieferten Tausende von Knochenstücken. Als wir mit der Bergung fertig waren, brach die Dunkelheit bereits herein. In drei Stunden hatten wir 32 Asservatenbeutel, jeder so groß wie ein kleiner Rucksack, mit Knochenstücken gefüllt.
Wir fuhren zurück nach Knoxville. Matt Rogers wurde ins Kreisgefängnis von Union gebracht und wegen Mordes angeklagt.
 
Manche Männer tun alles Mögliche, um ihre Frauen loszuwerden. Ich dagegen hätte alles getan, um Annette bei mir zu behalten.
Es traf uns völlig überraschend. Am Silvesterabend 1996 hatte Annette ein paar geschwollene Lymphknoten am Schlüsselbein bemerkt. Am Morgen des 2. Januar stand sie munter und vergnügt im Sprechzimmer des Arztes. Die Röntgenaufnahmen zeigten ein schreckliches Bild: Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Eine Strahlenbehandlung, dann war der Tumor weg.
Aber nur fünf Monate später war auch Annette nicht mehr da. Eines Morgens wachte sie mit Atemnot auf. Ich rief den Rettungswagen. Auf dem Weg ins Krankenhaus setzte das Herz aus. Sie wurde reanimiert; es setzte erneut aus. Der Krebs war wieder da, und das mit verheerender Kraft. Als der Rettungswagen durch die Einfahrt der Notaufnahme raste, lag Annette bereits im Sterben. Ich kam nur eine oder zwei Minuten hinterher, aber da war sie schon tot.
Mein ganzes Leben lang war ich gläubiger Christ gewesen. Zwar hatte ich auch Zweifel - welcher denkende Mensch hat die nicht? -, aber ich hatte immer noch darauf vertraut, dass es einen liebenden Gott gibt. Ich bin mit der Kirche groß geworden; ich habe jahrelang in der Sonntagsschule unterrichtet; ich bin mit Jugendgruppen im Sommer zu Missionsprojekten nach Mexiko gefahren. Aber in jenem Augenblick in der Notaufnahme - in dem Augenblick, als Annette starb - hatte ich das Gefühl, als sei auch mein Glaube an Gott gestorben.
Als ich darüber in den folgenden, düsteren Wochen weiter nachdachte, gelangte ich zu der Überzeugung, die Bibel habe es genau verkehrt herum dargestellt: Vielleicht hat Gott uns nicht nach Seinem Bild erschaffen; vielleicht haben wir Gott nach unserem Bild erschaffen. Ein griechischer Philosoph hat schon vor 2500 Jahren den gleichen Schluss gezogen. Xenophanes schrieb: »Die Äthiopier bilden ihre Götter schwarz und stumpfnasig, die Thraker blauäugig und rothaarig ab... Wenn Kühe, Pferde und Löwen Hände hätten und damit malen könnten, dann würden die Pferde pferdeähnliche und die Kühe kuhförmige Göttergestalten schaffen...«
Der liebende Vater: Dieses Bild von Gott hatte ich für mich zwar nicht mit den Händen, wohl aber mit dem Herzen gezeichnet. So sollte Gott sein, das wollte und brauchte ich, seit vor 65 Jahren jener Schuss im Büro meines Vaters gefallen war. Aber hätte ein allmächtiger, allgütiger himmlischer Vater zulassen können, dass der Krebs mir zwei großartige Frauen raubt? Ann war Ernährungswissenschaftlerin gewesen; sie hatte sich nicht nur selbst gesund ernährt, sondern es auch vielen tausend anderen beigebracht, und doch hatte der Krebs ihre Verdauungsorgane befallen. Annette war an Lungenkrebs gestorben, obwohl sie nie geraucht hatte; ihre einzige medizinische Sünde hatte darin bestanden, dass sie 30 Jahre lang mit einem starken Raucher verheiratet gewesen war.
Vielleicht reduzierte sich letztlich alles auf Chemie und Genetik: Ann und Annette besaßen einfach nicht genügend physiologische oder genetische Widerstandskraft gegenüber den Krebs erregenden Einflüssen, von denen unsere Welt voll ist. Manche Menschen sind dagegen gefeit; diese beiden Frauen waren es nicht. Vielleicht war das der kalte, objektive Grund, warum sie gestorben waren.
Ann hatte einen langsamen, quälenden Tod erlitten, und schon bevor alles vorüber war, hatte ich begonnen, mich damit auseinander zu setzen. Bei Annette kam er schnell und plötzlich, und das nur zwei Monate nach dem Tod meiner Mutter, die mir während meines ganzen Lebens sehr nahe gestanden hatte. Die Trauer hatte ein ungeheures Gewicht. Ich fürchtete mich davor, mein leeres Haus zu betreten. Ohne Vorwarnung fing ich an zu schluchzen und konnte nicht aufhören. Diese Monate gehörten zu den düstersten meines Lebens.
Das Einzige, wofür es sich noch zu leben lohnte, war meine Arbeit. Fälle wie dieser: ein Mann wird verdächtigt, seine eigene Ehefrau getötet, zerstückelt und verbrannt zu haben. Die Welt, so schien es, war voller Übeltäter.
 
Am nächsten Tag gingen wir im Knochenlabor im Untergeschoss des Stadions daran, die Knochenstücke zusammenzusetzen wie ein verkohltes Puzzlespiel. Ich hatte die Hoffnung, dass wir nicht nur das Skelett rekonstruieren konnten, sondern auch die Geschichte über den Tod dieser Person - vermutlich die Geschichte über den Tod von Patty Rogers.
Eines wusste ich bereits: Die Geschichte würde im besten Fall in Bruchstücken ans Licht kommen - so wie das Skelett. Am Fundort hatten wir Fragmente von praktisch allen Knochen entdeckt, allerdings mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Von einem Stück Wangenknochen abgesehen, fehlte das gesamte Gesicht einschließlich der Zähne. Zähne sind sehr widerstandsfähig - sie überstehen häufig sogar die Einäscherung in einem richtigen Krematorium; dass sie ebenso wie sämtliche Gesichtsknochen fehlten, war für mich ein Hinweis, dass man diese Teile des Schädels sorgfältig entfernt hatte, um die Identifizierung des Opfers unmöglich zu machen. Dass sie tatsächlich unmöglich war, mochte ich noch nicht eingestehen, aber zumindest würde es nicht einfach werden.
Wie bei allen derartigen Fällen bestimmten wir zunächst Geschlecht, Alter und Körpergröße. Da der rassentypische Bau des Gesichts nicht festzustellen war und da wir außerdem keinen einzigen langen Knochen in unversehrter Form besaßen - eigentlich sogar überhaupt keinen unversehrten Knochen -, war mir klar, dass wir über Rasse und Körpergröße keine definitive Aussage machen konnten. Geschlecht und Alter jedoch ließen sich wahrscheinlich aus dem vorhandenen Material ableiten.
Glücklicherweise war an einem Hüftknochen die Sitzbeinkerbe zu erkennen. Diese Öffnung - durch sie verläuft der Ischiasnerv, der aus der Wirbelsäule austritt und sich dann ins Bein zieht - ist bei Frauen deutlich breiter, weil auch das Hüftbein darüber eine weitere Ausladung hat. Bei einem erwachsenen Mann ist die Sitzbeinkerbe gerade so groß, dass eine Fingerspitze hineinpasst; bei erwachsenen Frauen bietet sie doppelt bis dreimal so viel Platz. Bei dieser Leiche, Nummer 97-23, war die Kerbe breit - es handelte sich also eindeutig um eine Frau. Nachdem diese Frage beantwortet war, stellte sich die nächste: Wie alt war sie?
Zu einer zuverlässigen Altersschätzung gelangt man häufig am besten, wenn man Bau und Oberflächenbeschaffenheit des Schambeins untersucht, aber dessen Merkmale waren in diesem Fall vom Feuer zerstört worden. Also mussten wir an anderen Stellen nach alterstypischen Kennzeichen suchen. Die Knochen waren zwar vielfach zerbrochen und zerstückelt, aber glücklicherweise waren die Epiphysen - die Stellen, an denen die Knochenenden mit dem Schaft verwachsen - noch relativ intakt, und an ihnen kann man ebenfalls eine Menge über das Alter ablesen. Ein gutes Beispiel war der Oberschenkelknochen, der mir in Matt Rogers’ Brandfass als Erstes aufgefallen war. Es mag sich seltsam anhören, aber dieser Oberschenkelknochen hatte noch im 15. Lebensjahr aus fünf getrennten Knochenstücken bestanden, die an den Epiphysen von Knorpel zusammengehalten wurden.
Von den fünf Teilen eines unausgereiften Oberschenkelknochens ist der Hauptschaft am auffälligsten. An seinem oberen Ende, an der proximalen Epiphyse, setzt der Femurkopf an, die Kugel, die in der Gelenkpfanne des Hüftgelenks liegt. An dem Femurkopf in Matt Rogers’ Brandfass war mein Blick am Tag zuvor als Erstes hängen geblieben. Unter dem Femurkopf liegt der große Trochanter; dieser auffällige Knochenhöcker ragt im Oberschenkel unmittelbar an der Stelle, wo das Bein in den Rumpf übergeht, nach außen. Genau gegenüber, an der Innenseite des Schaftes, befindet sich der kleine Trochanter, ein wesentlich bescheidenerer Knochenvorsprung. Am unteren oder distalen Ende des Oberschenkelknochens schließlich findet man die Kondylen, die den oberen Teil des Kniegelenks bilden.
Anhand der Epiphysen kann man die Altersschätzung näher eingrenzen. Sie verknöchern in unterschiedlichem Alter. Am Oberschenkel verwandelt sich der Knorpel der distalen Epiphyse über dem Knie zuletzt in Knochen; diese Verbindungsstelle hat sich bei manchen Menschen selbst mit 22 Jahren noch nicht vollständig geschlossen. Bei unserer verbrannten Frau waren die distalen Epiphysen völlig verknöchert, das heißt, sie war mindestens 22.
Konnten wir das Alter noch weiter eingrenzen? Die Schamfuge war zwar schwer beschädigt, aber glücklicherweise hatten andere Alterskennzeichen am Hüftbein das Feuer überstanden. Die Oberfläche des Darmbeins (des breiten, ohrförmigen oberen Teils des Hüftbeins) hatte eine feinkörnige Struktur. Außerdem war an der Verbindungsstelle von Darm- und Kreuzbein eine gut abgegrenzte Leiste zu erkennen. Daraus konnte ich entnehmen, dass ihr Alter vermutlich zwischen 25 und 35 lag. Bisher hatte ich also nichts gefunden, was bewiesen hätte, dass diese Frau nicht die weiße, 27-jährige, weibliche Patty Rogers war.
Von Anfang an waren wir alle davon ausgegangen, dass wir hier die Überreste von Patty Rogers vor uns hatten, aber ich habe im Laufe der Jahre gelernt, dass solche Unterstellungen häufig die Gedanken vernebeln, was zu wissenschaftlichen Fehlern und persönlichen Peinlichkeiten führen kann. Das musste ich auf unangenehme Weise im Fall des Colonel Shy erfahren: Beim Todeszeitpunkt dieses Offiziers aus dem Bürgerkrieg verschätzte ich mich bekanntermaßen um fast 113 Jahre - was übrigens mein persönlicher Ungenauigkeitsrekord ist. Außerdem habe ich in mehreren Fällen erlebt, dass die Identität der Leiche für die Mordermittler eine große Überraschung war.
Einmal verschwand beispielsweise in der Kleinstadt Wartburg im Kreis Morgan ein bekannter örtlicher Bauunternehmer. Wenn in den folgenden Jahren irgendwo Knochen gefunden wurden, nahm die Polizei jedes Mal an, sie hätten den Vermissten endlich gefunden. Insbesondere einmal waren sie überrascht, als ich ihnen mitteilte, ihr neuester Fund sei nicht der Bauunternehmer mittleren Alters, sondern eine junge Frau von 18 Jahren.
Deshalb war ich auch bemüht, mir meine Aufgeschlossenheit zu bewahren, als wir an den zerstückelten Knochen von 97-23 nach Anhaltspunkten suchten. Dass sich Pessimismus breit machte, war dennoch kaum zu verhindern. Kein einziger Knochen war unversehrt, der größte Teil des Schädels fehlte völlig, und alles war zu einer spröden Masse verbrannt. Halt, falsch: fast alles. Ein paar Wirbel hatten am Boden des Fasses gelegen und waren weit gehend unbeschädigt geblieben, ebenso ein Stück des Scheitelbeins vom oberen rechten Teil des Schädels. Der Schädelknochen war wie alle anderen Funde zerbrochen, aber im Gegensatz zu den anderen zerstückelten Knochen waren die Bruchlinien hier nicht verbrannt. Der Bruch war weder durch die Hitze des Feuers noch durch den Druck der verdampfenden Flüssigkeit im Schädelinneren entstanden, sondern der Schädel war durch irgendetwas anderes - durch äußere Gewalteinwirkung - ungefähr zum Zeitpunkt des Todes zerschmettert worden.
Als ich mir die anderen Schädelteile ansah, bemerkte ich etwas, das wie eine Spur dieser äußeren Gewalt aussah. Drei Schädelbruchstücke - das linke Scheitelbein und zwei Bruchstücke des Hinterhauptsbeins von der Schädelunterseite - trugen auf der Innenseite Spuren einer schwarzgrauen, vermutlich metallischen Substanz. Ich ahnte, um was es sich handeln könnte, und eine Röntgenaufnahme bestätigte meine Vermutung. Auf den Negativen der Röntgenaufnahmen waren die betreffenden Bereiche völlig weiß. Die Substanz ließ keine Röntgenstrahlen durch: Es war verspritztes Blei von einem Geschoss. Unser Opfer 97-23 hatte einen Schuss in den Kopf bekommen und war dann verbrannt worden.
Aber konnten wir beweisen, dass 97-23 wirklich die war, die wir in ihr vermuteten, nämlich Matt Rogers’ vermisste Ehefrau Patty? Da wir nichts über Gesicht und Zähne wussten, gab es nur einen Weg zu einer eindeutigen Identifizierung: die DNA-ANALYSE. Etwa fünf Jahre zuvor, im Gefolge des ersten Golfkrieges von 1990/91, hatten DNA-Untersuchungen sich allgemein durchgesetzt. In diesem Fall war jedoch nicht klar, ob eine genetische Untersuchung klappen würde: DNA wird durch Hitze zerstört, und diese Knochen waren so starker Hitze ausgesetzt gewesen, dass sie sogar selbst mehr oder weniger eingeäschert waren. Unsere Hoffnung ruhte auf den Halswirbeln und dem nicht verbrannten Stück des rechten Scheitelbeins, das vermutlich abgebrochen war, als die Kugel im Schädel einschlug. Konnte man daraus so viel DNA gewinnen, dass ein Vergleich mit dem Erbmaterial von Pattys Blutsverwandten möglich war? Wir schickten ein Wirbelbruchstück an ein privates forensisches Labor, und die Polizei bat Pattys Eltern um Blutproben als Vergleichsmaterial. Dann hielten wir die Daumen.
Während wir auf die Testergebnisse warteten, setzten wir unsere Untersuchungen an den Knochen fort. Es blieb noch eine entscheidende Frage, die wir hoffentlich beantworten konnten: Wann war sie getötet worden? Bei der Bearbeitung dieses Themas war Joanne die ideale Assistentin. Sie hatte ein Jahr zuvor ihr Examen in Anthropologie abgelegt und untersuchte jetzt im Rahmen ihrer Doktorarbeit, wie Knochen sich durch Feuer verändern.
Joanne beschäftigte sich mit Knochen, die unter zweierlei Umständen verbrannt waren. Zunächst baute sie ein archäologisches Umfeld nach: Sie vergrub prähistorische Knochen und zündete dann auf dem Erdboden darüber ein Lagerfeuer an; auf diese Weise konnte sie feststellen, wie sich alte Knochen lange nach der Bestattung verändern - wie man solche Veränderungen erkennt und deutet, müssen moderne Archäologen wissen, wenn sie Stätten aus alter Zeit ausgraben.
Das zweite Experiment war von unmittelbarer Bedeutung für den Fall Rogers. Hier rekonstruierte Joanne ein realistisches Tatortumfeld: Sie brachte Knochen in den Kriechkeller unter einem Haus, das sie dann bis auf die Grundmauern abbrennen ließ. (Damit niemand meine Studenten für Brandstifter hält, muss ich diese Aussage präzisieren: Das Haus war für unbewohnbar erklärt worden und wurde nicht von Joanne, sondern von der Feuerwehr in Brand gesetzt, aber die gestattete freundlicherweise, dass Joanne den Brand für ihre Forschung nutzte. Dass die Feuerwehr so gut mitarbeitete, hing damit zusammen, dass Joanne mit einem Feuerwehrmann liiert war; heute sind die beiden verheiratet.)
Als Forschungsobjekte benutzte Joanne die Knochen von Hirschen, die in Tennessee in großer Zahl verfügbar sind und Menschenknochen stark ähneln. Sie legte ein paar Knochen unter dem Haus auf die Erde, andere vergrub sie in etwa fünf Zentimetern Tiefe. Dann begann das Haus, unterstützt durch großzügig verschüttetes Benzin, zu brennen.
Es brannte schnell ab. Nach zweieinhalb Stunden war von dem Holzhaus nur noch rauchende Asche übrig. Joanne ließ es über Nacht abkühlen; am nächsten Tag holte sie dann ihre Knochen und die Temperatursonden, mit denen sie gemessen hatte, welchen Höchsttemperaturen die Knochen ausgesetzt waren. In dem Kriechkeller selbst war die Temperatur auf etwa 950 Grad angestiegen; zweieinhalb Zentimeter unter der Oberfläche lag sie bei 700 und in fünf Zentimetern Tiefe immer noch bei 600 Grad. Die Hitze hatte insbesondere an den Knochen, die an der Oberfläche gelegen hatten, zahlreiche Risse entstehen lassen. Diese Stücke waren sowohl in Längs- als auch in Querrichtung von Bruchlinien durchzogen.
Für die Experimente im Rahmen ihrer Doktorarbeit hatte Joanne trockene Knochen ohne anhaftendes Fleisch benutzt, aber nachdem sie den Titel besaß, machte sie weitere Versuche mit »grünen«, von frischem Fleisch umgebenen Knochen. Die Ergebnisse ließen darauf schließen, dass bei der Verbrennung einer frischen Leiche ein ganz anderes Bruchmuster entsteht: Grüne Knochen krümmen sich beim Brennen, sodass Querrisse häufig nicht einfach rund um den Schaft laufen, sondern Bögen oder sogar Spiralen bilden.
Als Joanne und ich die verbrannten Knochenbruchstücke aus dem Hinterhof von Matt Rogers untersuchten, verglichen wir sie sowohl mit den Stücken aus ihren Experimenten als auch mit den Fotos grüner Knochen, die sie in späteren Versuchen verbrannt hatte. Dabei stellten wir zu unserer Verblüffung fest, dass die Knochen aus Matt Rogers’ Haus nicht verbogen waren, und ihre Querrisse waren weder bogen- noch spiralförmig. Das Bruchlinienmuster ähnelte vielmehr auffallend dem aus Joannes Doktorarbeit - das heißt, als die Knochen verbrannten, waren sie bereits trocken und frei von Fleisch. So gelangten Joanne und ich zu einer unerwarteten, aber unausweichlichen Schlussfolgerung: Die Leiche war bereits verwest, bevor sie verbrannt wurde. Aber wie und wo konnte sie so schnell verwesen? Bohrende Fragen.
Ich brachte unsere Befunde zu Papier, schickte Kopien des Berichtes an den Agenten Daniels von der staatlichen Kriminalpolizei, die Ermittler der örtlichen Polizei und den Distriktsstaatsanwalt. die mich beschäftigten. Einen Tag nachdem man Matt Rogers festgenommen hatte, nahm Daniels die Aussage eines Freundes von Matt und Patty zu Protokoll. Der Freund - er hieß Chris Walker - erzählte Daniels, er sei ungefähr eine Woche nach Pattys Verschwinden in Matt Rogers’ Auto mitgefahren. In dem Wagen habe es entsetzlich gestunken - Leichengeruch. Als er sich wegen des Gestanks erkundigte, habe Matt ihm erzählt, Pattys Lieblingsschildkröte habe sich in das Auto verirrt und sei darin gestorben. Nach Walkers Angaben war der Geruch so stark, dass er den Kopf aus dem Fenster halten musste, um Luft zu bekommen - erstaunlich viel Gestank von einer kleinen Schildkröte.
Wie Walker dem Kriminalbeamten weiter erzählte, habe er wenige Tage nach der anrüchigen Fahrt gesehen, wie das Auto von einem Abschleppwagen in Richtung Knoxville abtransportiert wurde. Als er nach Hause kam, habe er einen Abschleppdienst in Knoxville angerufen, weil er wissen wollte, wohin man den Wagen gebracht hatte, aber damit hatte er kein Glück.
Vor dem Hintergrund von Walkers Aussage bekamen unsere Befunde auf einmal einen Sinn. Die Knochenbrüche verliefen genau so, wie ich es erwartet hätte, wenn die Leiche in der Julihitze eine oder zwei Wochen im Kofferraum eines Autos gelegen hatte. Im Kofferraum eines dunklen Fahrzeugs (dieses war ein dunkelblauer Buick Regal) kann die Temperatur einen ganzen Sommertag lang auf mehr als 40 Grad ansteigen. Eine Woche bei derartiger Hitze, und die Verwesung wird deutlich beschleunigt; außerdem musste es dann in dem Auto entsetzlich stinken, genau wie Chris Walker es beschrieben hatte.
Walker hatte nicht als Einziger versucht, das verschwundene Auto zu finden. Nachdem die Polizei seine Aussage aufgenommen hatte, versuchte sowohl die Kriminalpolizei des Staates Tennessee als auch die örtliche Polizeibehörde, es ausfindig zu machen, aber vergeblich. Gerüchte besagten, der Wagen sei zu einem Schrottplatz in Knoxville gebracht worden, wo er für ein paar Dollar verkauft wurde und dann sofort in die Schrottpresse wanderte. Seither habe ich es immer bedauert, dass wir keine Gelegenheit mehr hatten, das Auto zu untersuchen; nach meiner Überzeugung hätte mein früherer Student Arpad Vass, ein forensischer Chemiker erster Güte, darin mit Sicherheit geringe Mengen flüchtiger Fettsäuren gefunden, und damit wäre bewiesen gewesen, dass eine Leiche im Kofferraum des Wagens verwest war.
 
 
Bei der Leiche, die vermutlich im Kofferraum verwest und in jedem Fall in dem Hinterhof verbrannt war, handelte es sich tatsächlich um Patty Rogers. Die Knochenprobe, die wir zur Untersuchung geschickt hatten, lieferte genügend DNA für einen Querabgleich mit Pattys Eltern.
In einer Vorverhandlung bekannte sich Matt Rogers als nicht schuldig des Mordes an seiner Frau Patty. Aber am Vorabend des Prozesses sah er sich noch einmal genau an, welche forensischen Indizien gegen ihn sprachen. Unser Bericht machte Aussagen zu der Schussverletzung am Kopf, zur Dauer der Verwesung, zur Beseitigung von Gesicht und Zähnen sowie zu der ansonsten fast vollständigen Rekonstruktion des Skeletts. Wenn er vor Gericht gestellt und für schuldig befunden wurde, würde man ihn zu lebenslänglich ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung verurteilen.
Am 19. Dezember 1997, fünf Monate nachdem man Pattys verkohlte Knochen aus einem Brandfass und einer Mülltonne im Hof ihres Hauses sichergestellt hatte, bekannte sich Matt des Mordes schuldig. Er wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.
Im Leben war Patty Rogers eine unglückliche Frau voller Sorgen gewesen. Irgendwann war sie Crack-süchtig, allerdings behauptete sie später, sie sei davon losgekommen. Außerdem hatte sie ernsthaft über Selbstmord nachgedacht. Zwei Wochen vor ihrem Verschwinden jedoch hatte sie einer Freundin in einem Brief geschrieben, sie habe endlich ein wenig zugenommen - was dringend notwendig war - und sich die Zähne reparieren lassen. »Eines Tages werden sich viele Leute über mich wundern«, fuhr sie fort. »Ihr werdet stolz auf mich sein.« Außerdem enthielt der Brief eine erschütternde Bitte: »Wenn Gott mich eines Tages heimholt, müsst ihr mir versprechen, dass ihr euch um meine Kinder kümmert.« Man hat mir erzählt, dass Pattys Töchter in Florida bei ihrem Vater leben, Pattys erstem Mann.
Matt sitzt derweil seine Strafe ab, und das ist nach meiner Überzeugung alles andere als angenehm. Er ist im Brushy Mountain State Penitentiary inhaftiert, einer düsteren, steinernen Gefängnisfestung, die vor 100 Jahren am Fuße einer schroffen Klippe errichtet wurde. Brushy Mountain ist wegen seiner Ausbruchssicherheit bekannt. Nur einem einzigen Häftling wäre es beinahe gelungen - James Earl Ray, dem Mann, der wegen des Mordes an Martin Luther King Jr. verurteilt wurde; als Bluthunde und Wärter ihn in dem kalten, öden Gebirge rund um das Gefängnis schließlich zur Strecke brachten, schien er geradezu dankbar, dass sie ihn gefunden hatten.
Ich möchte nicht behaupten, dass Patty Rogers, die von ihrem Mann ermordet und verbrannt wurde, posthum noch irgendwie dankbar dafür war, weil wir sie gefunden hatten. Ich als forensischer Wissenschaftler war jedoch froh, dass ich die Hand bei ihrer Entdeckung im Spiel hatte, dass wir sie identifizieren konnten und ihr damit wenigstens ein bescheidenes Maß an Gerechtigkeit widerfahren ließen. Ihre Geschichte war schließlich doch nicht so bruchstückhaft, wie ich befürchtet hatte. Als Happyend konnte man ihren Ausgang zwar selbst mit viel Fantasie nicht bezeichnen, aber er war auf grausige Weise befriedigend, und das ist bei Mordfällen oft das beste Ende, das überhaupt möglich ist.