An diesem Abend fing Georgia mich nach dem Abendessen ab, als ich auf dem Weg in mein Zimmer war. »Wohin bist du denn nach der Schule verschwunden? Ich hab auf dich gewartet.«

»Vincent hat mich abgeholt. Wir waren noch im Les Deux Magots.«

Georgias Augen weiteten sich. »Schon wieder? Ihr habt euch doch gestern erst gesehen.«

»Heute zählt nicht, das waren ja nur fünfzehn Minuten. Ich schreibe morgen schließlich eine Arbeit, für die ich lernen musste.«

»Das zählt nicht? Machst du Witze? Das wird ja langsam ernst mit euch beiden!« Sie schob ein paar Kissen zurecht und machte es sich auf meinem Bett bequem. »Also, Schwesterherz, dann erzähl mir mal was über diesen mysteriösen ehemaligen Verbrecher.«

»Also«, sagte ich und überlegte krampfhaft, was ich ihr erzählen konnte. »Er studiert.«

»An welcher Uni?«

»Oh, das weiß ich gar nicht.«

Georgia sah mich zweifelnd an. »Und was studiert er?«

»Öh ... Literatur. Glaube ich«, äußerte ich vorsichtig.

»Du weißt nicht mal, was er studiert? Worüber unterhaltet ihr euch denn bitte schön?«

»Na, wir haben eine Menge anderer Themen. Du weißt schon. Kunst. Musik.« Die Untoten. Unsterblichkeit. Bösartige Zombies. Es stand völlig außer Frage, ich konnte Georgia nichts über ihn erzählen.

Georgia starrte mich herausfordernd an. »Alles klar, du willst mir also nichts über ihn erzählen«, sagte sie gereizt. »Du weißt ja auch nicht viel über mich und mein Leben, was im Übrigen nicht an mir liegt. Ich versuche wenigstens, dich daran teilhaben zu lassen. Ich habe nur aufgehört, dich zu fragen, ob du mal mit mir um die Häuser ziehst, weil du sowieso Nein gesagt hättest.«

»Also gut, Georgia. Mit wem bist du zusammen?«

Meine Schwester schüttelte den Kopf. »Ich sag dir nichts, solange du mich im Dunkeln lässt.«

Ich nahm ihre Hand und verteidigte mich: »Georgia, ich mach das doch nicht absichtlich, ich möchte dir doch von meinem Leben erzählen. Aber du weißt, wie schwer das alles für mich war ... Gerade komme ich wieder auf die Füße, ich verspreche dir, ich geb mir wieder mehr Mühe.«

»Das heißt, du gehst am Wochenende mit mir aus?«

Ich zögerte. »In Ordnung.«

»Bringst du Vincent mit?«

»Äh ...«

Der Blick, den Georgia mir zuwarf, war eindeutig: Hab ich’s nicht gesagt?

»Okay, also gut. Wir unternehmen irgendwas mit Vincent, aber wir gehen nicht tanzen. Bitte, Georgia.«

Georgias schlechte Laune war wie weggeblasen, sie wippte fröhlich auf meinem Bett auf und ab. »Na schön, kein Klub, keine Disco. Wie wär’s, wenn wir irgendwo essen gehen?«

»Gute Idee. Ich frag ihn, ob er Zeit hat.« Oder besser gesagt, ob er lebendig ist.

»Ruf ihn sofort an.«

»Wie wär’s mit ein bisschen Privatsphäre?«

»Okay«, sagte Georgia und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Auf ihrem Weg zur Tür drehte sie sich noch einmal zu mir um. »Danke, Schwesterherz. Im Ernst. Es freut mich, dass ich dich wiederhabe.«

Die Straßenlaternen gingen gerade an, als wir auf die U-Bahnstation zu liefen. Vincent und Ambrose, die lässig an einen Zeitungskiosk gelehnt miteinander gequatscht hatten, richteten sich auf, als sie uns kommen sahen. Mein Herz schmolz nur so dahin, als Vincent auf mich zutrat und mir die Wangen küsste. Dann schenkte er Georgia sein verwegenstes Lächeln. »Und du bist sicher Kates Vormund ... Ich meinte natürlich Schwester. Georgia, stimmt’s?«

Georgia lachte und sagte in bester Flirtmanier: »Na, sieh mal einer an! Katie weiß offensichtlich ziemlich genau, wonach sie suchen muss!« Sie sah so aus, als wollte sie sich am liebsten nicht mehr vom Fleck rühren und ihn für den Rest des Abends einfach weiter anstarren.

»Georgia!«, ermahnte ich sie und schüttelte peinlich berührt den Kopf.

Ohne mich auch nur zu beachten, warf Georgia einen Blick über Vincents Schulter zu Ambrose, den sie kokett anzwinkerte. »Keine Sorge, Katie-Bean. Wie ich sehe, hat Vincent ja vorgesorgt und jemanden für mich mitgebracht. Und wer bist du ...?«

»Ambrose. Sehr erfreut, Kates reizende Schwester kennenzulernen«, sagte er auf Französisch mit einem verstohlenen Blick in meine Richtung. Ich hatte schon verstanden. Wenn Georgia wüsste, dass er Amerikaner war, würde sie Fragen stellen. Vielleicht zu viele Fragen, obwohl er sicher viel Übung darin hatte, Geschichten zu erfinden. »Wohin entführen uns denn die Damen?«

»In ein kleines, schönes Restaurant im vierzehnten Arrondissement«, sagte sie.

Vincent und Ambrose warfen einander einen flüchtigen Blick zu, dann klingelte Georgias Telefon. »Entschuldigt mich kurz«, sagte sie und wandte sich ab, um den Anruf entgegenzunehmen.

»Das ist nicht gerade unsere Lieblingsgegend«, sagte Ambrose leise.

»Warum?«, fragte ich.

»Ist eher ihr Territorium. Du weißt schon, die Typen, von denen ich dir letztens erzählt habe. Das andere Team«, flüsterte Vincent und blickte verstohlen zu Georgia, um sicherzugehen, dass sie auch nichts gehört hatte.

»Aber was sollen sie uns schon tun? Im Freien, in einem belebten Viertel, während wir mit zwei Menschen unterwegs sind?«, fragte Ambrose. Er starrte kurz ins Leere, nickte dann und wandte sich an mich. »Jules lässt dir was ausrichten: ›Hallo, meine Hübsche.‹«

»He, Vorsicht!«, sagte Vincent.

»Er fragt: ›Was willst du denn dagegen unternehmen?‹«, sagte Ambrose und stupste Vincent an.

»Jules ist volant? Hier? Jetzt?«, fragte ich erstaunt.

»Ja«, antwortete Vincent. »Wir sind zwar heute nicht in offizieller Mission unterwegs, aber er wollte uns unbedingt begleiten. Damit er nichts verpasst.«

»Kann ich mit ihm sprechen?«, fragte ich.

»Wenn wir volant sind, können nur andere Revenants uns verstehen, Menschen nicht. Jules kann zwar hören, was du sagst, aber nur durch Ambrose oder mich darauf reagieren«, erklärte Vincent. »Aber du solltest gut aufpassen.« Er gestikulierte in Georgias Richtung, die gerade ihr Telefonat beendete.

»Wie schade«, sagte Georgia. »Ich hatte ein paar Freunde gefragt, ob sie mitkommen, aber sie schaffen es nicht.«

»Wollen wir?«, fragte Ambrose und hielt Georgia sehr förmlich seinen Arm hin. Sie lachte verzückt, hakte sich unter und zusammen liefen sie die Treppen hinunter.

Als sie außer Hörweite waren, sagte ich: »Hallo, Jules!«

Vincent lachte. »Sieht ganz so aus, als hätte da jemand einen Narren an dir gefressen.«

»Was meinst du?«, fragte ich.

»Jules sagt, er findet es jammerschade, dass du dich in so jemand Langweiliges wie mich verlieben musstest. Er würde gern meinen Platz einnehmen und dir zeigen, wie gut ein älterer Herr es versteht, eine Dame zu verwöhnen.« Jetzt sprach er in die Luft. »Ja, von wegen, mein Freund. Du bist vielleicht siebenundzwanzig Jahre vor mir zur Welt gekommen, aber im Moment sind wir beide neunzehn. Also spuck hier mal keine so großen Töne.«

Ich überschlug die Zahlen schnell im Kopf. Jules hatte erzählt, er war Ende des neunzehnten Jahrhunderts geboren worden. Das hieß, Vincent war irgendwann in den 1920ern zur Welt gekommen. Ich lächelte, während ich mir diese Information einprägte. Wenn mir Vincent schon nichts über sich erzählte, dann konnte ich auf diese Weise vielleicht selbst ein paar Dinge herausfinden.

Wir verließen die U-Bahn in der Nähe des gewaltigen Friedhofs Montparnasse und liefen eine Fußgängerzone entlang, an der sich zu beiden Seiten unzählige Geschäfte und Cafés aneinanderreihten. Wir blieben vor einem Restaurant stehen, vor dem schon mindestens zwanzig Gäste warteten. »Das hier ist es!«, rief Georgia begeistert.

»Georgia, guck doch mal, wie viele Leute da anstehen. Das dauert bestimmt ewig, bis wir einen Tisch bekommen.«

»Überlass das mal deiner großen Schwester«, sagte sie. »Ein Freund von mir arbeitet hier. Ich wette, ich kann uns sofort einen Tisch organisieren.«

»Na, dann mach mal. Wir warten da drüben auf dich«, sagte ich und ging mit Vincent und Ambrose auf die andere Straßenseite, weg von den vielen Menschen. Wir lehnten uns gegen das Schaufenster eines geschlossenen Ladens und beobachteten Georgia dabei, wie sie sich durch die Menschenmenge drängelte.

»Du hast sie wirklich sehr treffend beschrieben.« Vincent lächelte, als er mir seinen Arm um die Schultern legte und mich zärtlich drückte.

»Meine Schwester, eine Nummer für sich«, sagte ich und genoss die Umarmung.

Ambrose stand auf der anderen Seite, sah zu dem Gedränge hinüber und nickte, als liefe Musik in seinem Kopf. Plötzlich erstarrte er und sah Vincent ernst an. »Vin, Jules sagt, unser Mann ist hier in der Gegend. Nur ein paar Straßen weiter.«

»Weiß er, dass wir hier sind?«, fragte Vincent.

Ambrose schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht.«

Vincent nahm seinen Arm von meiner Schulter. »Kate, wir müssen hier weg. Sofort.«

»Und was ist mit Georgia?«, fragte ich bestürzt und warf einen Blick zu dem Restaurant. Durch die Glastür konnte ich erkennen, wie sie gerade mit einer Kellnerin sprach.

»Ich hol sie«, sagte Vincent und quetschte sich durch die Menschenmasse.

Genau in diesem Moment rempelten zwei Männer Ambrose grob an, sodass er mit voller Wucht gegen das Schaufenster geschleudert wurde. Er stöhnte laut auf und versuchte, einen von ihnen zu erwischen, doch sie wichen ihm aus und entfernten sich schnellen Schritts, während Ambrose in sich zusammensackte.

»He, stehen bleiben!«, schrie ich ihnen hinterher, doch sie waren bereits um eine Ecke gebogen. »Festhalten! Haltet sie doch fest!«, brüllte ich die vielen Passanten an. Ein paar drehten sich um und blickten in die Richtung, in die ich hektisch zeigte, doch die Männer waren längst verschwunden. Das Ganze war so schnell passiert, dass es niemand mitbekommen hatte.

»Vincent!«, schrie ich zur anderen Straßenseite hinüber. Vincent drehte sich um. Als er sah, wie aufgelöst ich war, bahnte er sich sofort wieder einen Weg zu mir zurück.

»Ambrose, ist alles in Ordnung?«, fragte ich und ging neben ihm in die Hocke. »Hat dieser Typ dir ...«, setzte ich an, doch als ich sah, dass sein Hemd vom Hals bis zur Brust eingerissen war und sich ein immer größerer Blutfleck darauf ausbreitete, erstarben mir die Worte auf den Lippen. Er bewegte sich nicht.

Oh, bitte, lass ihn nicht tot sein, flehte ich innerlich.

Im vergangenen Jahr hatte ich mehr Gewalt gesehen als je zuvor. Ich fragte mich — und das nicht zum ersten Mal: Warum ich? Jugendliche sollten nicht so häufig mit dem Tod konfrontiert werden, dachte ich, während Panik in mir aufstieg. Ich kniete mich neben seinen reglosen Körper. »Ambrose, hörst du mich?«

Jemand kam zu uns herüber. »Ist mit ihm alles in Ordnung?«

Da fing Ambrose an zu zucken. Er stützte sich auf beide Arme und kam langsam in den Stand. Dabei schloss er seine Jacke, um das Blut auf seinem Hemd zu verbergen, obwohl sich schon eine recht große Lache auf dem Boden gebildet hatte. »Mein Gott, Ambrose, was ist denn passiert?«, fragte ich. Ich bot ihm meine Hilfe an und er stützte sich schwer auf mich.

»Nicht Ambrose, ich bin’s, Jules.« Die Worte kamen zwar aus Ambroses Mund, doch seine Augen blickten starr geradeaus.

»Was?«, fragte ich verwirrt.

Endlich war Vincent wieder bei uns. »Ambrose ...«, setzte ich zu einer Erklärung an, »jemand ist mit dem Messer auf ihn losgegangen oder was weiß ich. Außerdem fantasiert er. Er hat gerade gesagt, er sei Jules.«

»Wir müssen sofort abhauen, bevor sie mit Verstärkung zurückkommen, um seinen Körper zu holen«, sagte Vincent leise, dann lauter: »Keine Sorge, ihm geht’s gut. Danke!« Ein Grüppchen war auf uns zugekommen, um uns zu Hilfe zu eilen. Er legte sich einen von Ambroses starken Armen um die Schulter.

»Was machen wir mit Georgia?«, schnaufte ich.

»Wer immer das war, er hat dich hier mit Ambrose gesehen. Es ist zu gefährlich für dich, hierzubleiben.«

»Aber ich kann sie doch nicht einfach zurücklassen«, sagte ich und wollte mich durch die dicht stehenden Menschen zu ihr drängeln.

Vincent schnappte nach meinem Arm und zog mich zurück. »Sie war im Restaurant, als sie angegriffen haben. Sie ist in Sicherheit. Komm jetzt bitte mit!«, verlangte er. Deshalb tat ich es ihm nach und legte mir Ambroses anderen Arm um die Schultern. Er konnte laufen, war aber sehr schwach. An der nächsten Kreuzung winkte Vincent ein Taxi heran und manövrierte uns hinein, bevor er hinter uns die Tür zuzog. Ich spähte die Straße hinunter, als wir losfuhren. Keine Spur von Georgia.

»Ist mit ihm alles in Ordnung?«, fragte der Taxifahrer, dem im Rückspiegel der große zusammengesackte Mann auf seiner Rückbank aufgefallen war.

»Betrunken«, kommentierte Vincent schlicht, während er seinen Pullover auszog.

»Wehe, er kotzt mir ins Taxi«, sagte er und schüttelte angewidert den Kopf.

»Was ist passiert?«, fragte Vincent leise auf Englisch und beobachtete dabei, ob der Fahrer uns zuhörte. Er gab Ambrose seinen Pullover, der seine Jacke öffnete und ihn unter sein Hemd steckte. Dann lehnte er seinen Kopf an den Beifahrersitz.

»Wir haben einfach nur dagestanden, dann kamen diese beiden Typen und haben ihn gegen das Schaufenster gestoßen. Bevor ich wusste, was überhaupt los war, waren sie auch schon wieder verschwunden.«

»Konntest du sie erkennen?«, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf.

Ambrose sagte: »Es waren zwei von ihnen. Ich konnte es nicht voraussehen, sonst hätte ich euch gewarnt.«

»Schon gut, Jules«, Vincent klopfte Ambrose beruhigend auf den Rücken.

»Wieso nennst du ihn Jules?«

»Das ist gerade nicht Ambrose, sondern Jules«, antwortete Vincent.

»Was? Wie das?«, fragte ich und rückte entsetzt von dem zusammengesackten Körper ab, der neben mir saß.

»Ambrose ist entweder bewusstlos oder tot.«

»Tot«, sagte Ambrose.

»Wird er denn wieder lebendig?«, fragte ich noch entsetzter.

»Sobald wir sterben, geht der Kreislauf von vorne los. Die Ruhezeit setzt sofort ein. Mach dir keine Sorgen — Ambrose ist in drei Tagen ganz der Alte.«

»Und was macht Jules? Ist Ambrose jetzt von ihm besessen?«

»Ja. Er wollte Ambrose so schnell wie möglich von dort wegschaffen, um unseren Feinden keine Möglichkeit zu geben, seine Leiche zu holen.«

»So was könnt ihr? In jemanden eindringen?«

»Ja, aber nur bei anderen Revenants. Und nur unter besonderen Umständen.«

»Zum Beispiel?«

»Wenn die Leiche das noch hergibt.« Weil er sah, dass mich das verwirrte, wurde er deutlicher. »Wenn der Körper noch nicht zerstört ist. Und wenn die Totenstarre noch nicht eingesetzt hat.«

»Ih!« Ich verzog das Gesicht.

»Du hast gefragt!« Er warf wieder einen Blick zum Fahrer, doch der schien nicht im Geringsten an unserer Unterhaltung interessiert zu sein.

»Geht das auch bei Menschen?«, fragte ich.

»Wenn sie noch leben, ja. Aber nur mit ihrer Erlaubnis. Man darf nicht vergessen, dass es für den menschlichen Verstand nicht gerade förderlich ist, wenn darin gleichzeitig zwei Seelen aktiv sind«, erklärte er und tippte sich an die Schläfe. »Ein Mensch wird verrückt, wenn das zu lange dauert.«

Es schüttelte mich.

»Denk einfach nicht drüber nach, Kate. Das kommt so gut wie nie vor. Nur in ganz seltenen Extremsituationen. Wie in dieser jetzt.«

»Was denn? Heißt das etwa, dass ich dir gerade Angst einjage, meine liebe Kate?«, kam über Ambroses Lippen.

»Ja, Jules«, antwortete ich und rümpfte die Nase. »Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass du mir gerade höllische Angst einjagst.«

»Cool«, sagte er und Ambroses Mund verzog sich zu einem Grinsen.

»Jules, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze«, mahnte Vincent.

»Entschuldige, Vince. Aber es kommt nicht oft vor, dass ich meine Zauberkünste mal einem Menschen vorführen kann.«

»Könntest du dich vielleicht lieber darauf konzentrieren, die Blutung zu stoppen? Der Fahrer flippt noch aus, wenn wir ihm seine Rückbank versauen«, flüsterte Vincent.

»Warum wollen sie denn seine Leiche haben, wenn sie ihn doch schon umgebracht haben? Und warum töten sie ihn überhaupt, wenn sie wissen, dass er sowieso in drei Tagen wieder aufwacht?«, fragte ich Vincent und ignorierte ihre merkwürdige Unterhaltung.

Vincent zögerte und wog offenbar ab, ob er mir das erklären sollte oder nicht. Dann betrachtete er den Körper von Ambrose, der halb auf mir hing, und flüsterte: »Nur so kann man uns endgültig vernichten. Wenn sie uns töten und dann unsere Leichen verbrennen, sind wir für immer ausgelöscht.«

Georgia raste vor Wut. Ich konnte es ihr nicht mal verübeln.

Als wir vor Vincents Haus hielten, hatten wir es per SMS ausgefochten.

Georgia: Wo seid ihr?

Ich: Ambrose krank. Mussten nach Hause.

Georgia: Warum habt ihr mich nicht geholt?

Ich: Haben 's versucht, sind nicht durchgekommen.

Georgia: Ich hasse dich gerade abgrundtief, Kate Beaumont Mercier.

Ich: Es tut mir SCHRECKLICH LEID.

Georgia: Bin hier auf ein paar Freunde gestoßen, die mich vor der schlimmsten Demütigung bewahrt haben. Aber ich bin trotzdem stinksauer auf dich.

Ich: Entschuldige.

Georgia: Ich hab dir noch NICHT verziehen.

Vincent und ich wollten Ambrose ins Haus helfen, aber nachdem er aus dem Taxi gestiegen war, richtete er sich auf und schob unsere Hände beiseite. »Ich hab’s jetzt langsam raus. Mann, ist dieser Kerl schwer. Wie kann der sich mit diesen vielen Muskeln überhaupt bewegen?«

Als wir vorm Eingang standen, warf Vincent mir einen unentschlossenen Blick zu.

»Ich geh dann mal nach Hause«, sagte ich und kam ihm damit zuvor.

Er sah erleichtert aus. »Ich kann dich begleiten, wenn du kurz wartest. Wir müssen ihn nur schnell hinlegen.«

»Nein, nein, ich komm schon klar«, sagte ich. Seltsamerweise stimmte das sogar. Trotz aller Merkwürdigkeiten und Schrecken des Tages ging es mir gut. Ich kann damit umgehen, dachte ich, als ich den Hof verließ und nach Hause ging.