25. Kapitel
Josh nahm Cassandras kalte Hand in seine und hoffte, dass sie nicht anfing zu Hyperventilieren. Cass hatte sich ihm letzte Nacht offenbart. Sie hatte Angst vor dem ersten Treffen mit ihrer neuen Schwiegermutter. Josh schmunzelte. Seine Mutter war eine herzensgute Frau, die für ihre Familie alles tun würde. Cass wäre da keine Ausnahme. Als das Auto endlich vor dem Haus anhielt, spürte er ihr zittern. Er beugte sich zu ihr und flüsterte in ihr Ohr: "Ganz ruhig. Sie wird dich mögen." Evan stieg aus und öffnete die hintere Tür des Wagens. Eine wunderschöne, kleine, zierliche Brünette stieg aus, die eine weibliche Ausführung von Josh war. Sie strich ihr weinrotes Kostüm glatt und sah dann zu den Beiden auf der Treppe.
"Joshua! Wie schön dich zu sehen." Sie ging auf das Pärchen zu und umarmte Josh herzlich. Ganz nah an seinem Ohr flüsterte sie: "Deine Braut sieht hübsch aus." Er antwortete eben so leise: "Sei nett zu ihr. Sie ist furchtbar nervös." Josh hatte Sorina schon am Telefon vorgewarnt, dass Cassandra das reinste Nervenbündel war. Doch seine Mutter hatte nur gelacht. Etwas eindringlicher hatte er gesagt, dass er sie wirklich lieben würde, dass sie sein Ein und Alles war. Nach einer kurzen Pause hatte Sorina erwidert: "Das sagt dein Vater auch immer wieder zu mir." Weitere Ausführungen brauchte er nicht. Er wusste wie sein Vater mit Sorina umging.
"Ich bin nicht mein Vater. Ich hab meine Libido unter Kontrolle."
Sorina löste die Umarmung und wandte sich an Cass.
"Schön sie kennen zu lernen. Es freut mich sehr... Ich..." Sorina unterbrach die gestotterten Willkommensgrüße mit einer ebenso herzlichen Umarmung wie eben bei Josh.
"Keine Angst Mädchen. Ich beiße nicht." Als sie sich wieder von Cass entfernte, drehte sie sich zum Wagen und schrie: "Danielle! Leg das Handy weg und komm endlich!"
Evan, der immer noch die Tür offen hielt, stellte sich plötzlich etwas gerader hin, als vorher und richtete den Blick auf das Wageninnere. Zuerst sah Cass nur ein Bein. Schlank, braun und in einem mörderisch hohen Absatzschuh. Ein zweites erschien. Plötzlich lugte ein blondes Köpfchen hervor und sie sah eine zweite Emily vor sich. Na gut. Diese Frau war braun gebrannt und etwas zierlicher, aber ihr Gesicht war fast das Gleiche.
"Ach Süße. Ich vermisse dich auch schon. Wir sehen uns doch in einer Woche wieder." Sie rutschte auf dem Sitz nach vorne und stieg schließlich aus.
Großer Gott. Sie war fast so groß wie
Evan.
Sie trug ein rosa Neckholder-Oberteil und sehr kurze
Jeansshorts."Nein. Ich vergess dich doch nicht. Ich bring dir auf jeden Fall was mit." Sie schenkte Evan ein verführerisches Lächeln und kam dann die Treppen herauf.
"Ich muss Schluss machen. Ich ruf heut Abend noch mal an." Damit steckte sie ihr Handy wieder ein und grinste ihren großen Bruder an.
"Du hast dich kein bisschen verändert. Lass dich drücken." Josh ließ es sich nicht zweimal sagen und schloss sie in die Arme. Als er sie wieder abgestellt hatte, deutete er auf Cass.
"Darf ich dir meine zukünftige vorstellen? Das ist Cassandra." Danielle musterte sie kurz von oben bis unten und umarmte sie dann ebenfalls stürmisch. Als sie wieder von Cass abließ, henkelte sie sich bei ihr ein und zog sie mit einer Flut von Fragen ins Haus.
"Du musst mir alles erzählen! Wie habt ihr euch kennen gelernt? Wie hast du ihn rum gekriegt? Wie sieht dein Kleid aus? Bist du wirklich eine Prinzessin?" Als sie sich Hilfe suchend zu Josh umdrehte, grinste dieser nur breit. Mit einem Schulterzucken á la Jetzt bist du auf dich gestellt verschwand er aus ihrem Sichtfeld.
Das ganze Rudel versammelten sich im Salon und umzingelten Sorina und ihre jüngste Tochter.
"Ach ist es schön, euch alle wieder zu sehen!" Sie umarmten jeden und waren ganz verzückt von Emilys Sohn. Sylvester Abwesenheit wurde nicht debattiert. Als sich die Wiedersehensfreude etwas gelegt hatte, blieben nur noch Sorina und Josh im Salon zurück. Danielle wurde von Cass und Evan ins Hotel gebracht, damit sie die Koffer auspacken konnten.
"Wo ist Sylvester?" Sie hob die Hand und lachte kurz auf.
"Lass mich raten. Er saniert schon wieder irgend so ein herunter gekommenes, altes Haus. Ich weiß wirklich nicht, von wem er das geerbt hat." Josh schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand in seine.
"Ich hätte es dir schon früher sagen müssen, aber ich hatte Angst, dass du dich zu sehr aufregen könntest." Ihre Augen weiteten sich vor Angst.
"Er hat doch nicht etwa das Rudel verlassen, oder?" Josh schüttelte wieder den Kopf.
"Er hatte eine Freundin..." Sie atmete erleichtert auf. "... die vor kurzem getötet wurde. Er hat es nicht verkraftet." Mit einem Mal wurde sie blass.
"Was meinst du damit?"
"Er ist durch gedreht. Der Wolf hat die Führung übernommen." Ihre Hände verkrampften sich und sie begann zu zittern.
"Wo ist er?" Ob sie genau so geschockt reagieren würde wie Cass?
"Im Kerker." Ein kurzes zustimmendes Nicken folgte dieser Aussage und sie stand auf.
"Ich will ihn sehen." Josh erhob sich ebenfalls.
"Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist. Er hat sich völlig verändert." Sie stellte sich aufrecht hin, drückte ihren Rücken durch und sah entschlossen zu ihrem Sohn.
"Ich will ihn auf der Stelle sehen!" Resigniert seufzte er und ging ihr zur Tür nach.
"Wie du meinst."
Sorina stand vor ihrem Sohn und war den Tränen nahe. Er erkannte sie nicht. Mit einem wütenden Brüllen bäumte sich Sylvester in den Ketten auf und zerrte an ihnen. Josh hatte beim Kauf des Hauses alles in diesem Kerker vom hiesigen Hexenzirkel magisch verstärken lassen. Aber nie hätte er damit gerechnet, dass er einmal seinen eigenen Bruder hier anketten müsste. Sorina ging ein Stück auf ihren Sohn zu, wurde aber von Josh zurück gehalten.
"Tu das nicht. Er ist nicht mehr er selbst. Der Wolf in ihm hat die Führung übernommen." Sylvesters Augen starrten in ihre und wieder begann er, an seinen Ketten zu zerren. Sorina schlug die Hände vor ihr Gesicht und begann zu weinen. Josh führte sie wieder aus dem Kerker und Sylvester wurde etwas ruhiger.
Er brachte seine Mutter zurück in den Salon sie setzte sich erschöpft auf das Sofa.
"Er war immer so ein hübscher Mann und so intelligent." Sie schluchzte.
"Und das alles nur wegen einer Frau. Verdammt soll ihre Seele sein." Josh atmete tief ein.
"Er hat sie geliebt. Wir wissen, dass er sich schon mehrere Monate mit ihr getroffen hat, aber nicht, aus welchem Rudel sie kommt. Ich hab all meine Kontakte spielen lassen, aber niemand vermisst eine Maya." Sie hatten auch beim Einwohnermeldeamt nachgefragt, die Telefonbücher im Internet durchsucht, Soziale Netzwerke genutzt aber alles blieb ohne Erfolg. Es war, als hätte sie nie existiert. Laut Sylvesters Telefonverzeichnis, war das Handy, mit dem in der Fabrik telefoniert wurde, auf ihn selbst angemeldet. Sie hatten seine Konten durchgesehen und auch dort nichts ungewöhnliches gefunden. Es war zum verrückt werden.
"Vielleicht wird er irgendwann wieder er selbst." Sie stöhnte gequält auf.
"Jetzt würde ich mir sogar wünschen, dass er etwas mehr nach seinem Vater kommt. Dann würde es ihn überhaupt nicht interessieren. Er wäre schon längst wieder mit einer anderen im Bett." Josh setzte sich zu seiner Mutter.
"Sag doch so etwas nicht. Ich bin sicher, dass er bald wieder der Alte ist und mit uns Späße treibt." Sorina tupfte mit einem Taschentuch über ihre Augen und putzte sich die Nase.
"Ich will nicht, dass deine kleine Schwester auch nur einen Fuß in den Kerker setzt. So soll sie ihn auf keinen Fall sehen." Josh nickte.
"Emily hab ich auch noch nicht nach unten gelassen. Sie weiß, wie es um ihn steht, aber sie ist der Meinung, ihn anzuketten wäre die falsche Lösung." Sorina nickte.
"Du hast schon alles richtig gemacht." Sie tätschelte ihm die Wange.
"Schade, dass du nicht bei uns Zuhause geblieben bist." Er schnaufte abwertend.
"Ich hätte Vater irgendwann getötet, das weißt du. Solange du nicht einsiehst, dass er ein Arsch ist, werde ich auch nicht zurück kommen." Sorina lächelte schwach.
"Als dein Vater mich das letzte Mal betrogen hat, hab ich ihn fast zerfleischt. Er musste drei Wochen das Bett hüten, bevor er wieder laufen konnte." Das überraschte Josh. Seine sanftmütige Mutter hatte ihren Mann angegriffen? Als sie seinen überraschten Gesichtsausdruck bemerkte, würde das Lächeln etwas breiter.
"Ich liebe ihn über alles, er mich übrigens auch, sonst wäre er schon längst nicht mehr mit mir verheiratet. Aber er braucht eine gewisse... Bestätigung seiner Fähigkeiten und die holt er sich gern von jungen Frauen. Ich hab es immer geschluckt und weggesehen, wenn er es wieder getan hat, aber irgendwann ist mir die Hutschnur gerissen." Jetzt grinste sie.
"Er hat danach gesagt, dass es der beste Ritt seines Lebens gewesen war." Jetzt erst verstand Josh, was seine Mutter eben so gekonnt umschrieben hatte. Sie hat seinen Vater beim Sex so schwer verletzt. Ein seufzen wich von ihren Lippen.
"Ich werde mich wieder auf den Weg ins Hotel machen. Danke, dass ich Sylvester sehen durfte." Das erste Mal, seit er sie wieder gesehen hatte, sah sie nicht wie fünfundzwanzig, sondern bedeutend älter aus. Dunkle Augenringe waren unter ihren hübschen braunen Augen und ihr Gesicht sah viel zu blass für eine Italienerin aus. Sylvesters Anblick hatte sie geschockt. Nun versuchte sie es durch etwas Witz zu überspielen und ihm nicht die Hochzeit zu verderben. Er nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich.
"Ich liebe dich, Mama.