11. Kapitel




Am darauf folgenden Freitag traf sich Cassandra wieder mit ihren Freundinnen zum Weiberabend in der Bar. Sie hatte zwei Tage zuvor mit Annika über Josh gesprochen und sich eigentlich Unterstützung von ihr erwartet. Aber Annika fand es romantisch und liebenswert, dass er ihr nach spionierte und das mit Charly in den falschen Hals bekommen hatte. Es gab eine Menge Achs und Ohs.
Aber Cass hatte sich entschieden. Es würde wieder einen Mann in ihrem Leben geben, der ihr solche Gefühle entlocken konnte.
Josh war garantiert nicht dieser Mann.
Dafür hatte er sie einfach zu sehr verletzt. Das er ihr nach den erlebten Liebesnächten immer noch misstraute, war nicht mit romantischer Eifersucht vergleichbar, wie Ann es darstellte.
Außerdem kannte sie ihn überhaupt nicht. Vielleicht war alles, was er ihr erzählt hatte, nur eine Lüge um sie ins Bett zu bekommen.
Und das hatte er erreicht. Mehrmals.

Sie kochte immer noch vor Wut, wenn sie nur daran dachte. Aber etwas war sicher: Wut war tausend mal besser als Tränen. Sie würde keinem Mann mehr nachweinen.
Als sie die Bar betreten hatte und zu ihren Mädels gegangen war, spürte sie seinen Blick wie eine zweite Haut auf sich. Nur sehen konnte sie ihn nicht. Aber das musste sie auch gar nicht. Sie wollte ihm heute deutlich machen, wie wenig sie noch an ihm interessiert war.
An der Bar saßen zwei junge Männer, die schon eine Weile neugierig in ihre Richtung gestarrt hatten und sich ab und zu etwas zuflüsterten. Das war ihre Chance, Josh ein für alle mal loszuwerden. Wenn er sah, wie sie mit anderen Männern flirtete und ihn links liegen ließ, würde er ebenfalls vor Wut kochen und endlich das Weite suchen. Sie entschuldigte sich bei ihren Mädels und ging zum Tresen.
"Hallo Süße. Dürfen wir dir einen Drink ausgeben?"

Josh beobachtete seit einer Weile, wie Cassandra mit zwei Männern flirtete. In ihm brodelte es.
Das macht sie mit Absicht! Sie will mich bestrafen. Sie flirtet mit diesen zwei Idioten und lässt sich mit deren ekelhaften Händen anfassen.
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Heute hatte sie zum ersten Mal kein Kleid an, sondern ein lilafarbenes Oberteil mit einem sehr tiefem Ausschnitt und dazu einen sehr kurzen, schwarzen Rock. Jedes Mal, wenn sie sich zu einem der Männer vorbeugte, um ihm etwas zu sagen, sah Josh ein Stück ihres Höschens aufblitzen.
Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Sie benimmt sich wie eine Hure!

Cass entschuldigte sich kurz bei den beiden Männern und ging Richtung Damentoilette. Gerade als Josh ihr folgen wollte, sah er, wie die Männer etwas in Cassandras Drink kippten.
K.o.-Tropfen! Diese Schweine.
Sie hatten es auf Cass abgesehen.
Als Cassandra die Toilette wieder verließ, stellte sich Josh ihr in den weg. Genervt verdrehte sie die Augen und sah ihn wütend an.
"Meine Güte! Was willst du denn hier? Ach, vergiss es. Lass mich vorbei!" Josh griff nach ihrem Handgelenk, doch sie entzog sich ihm.
"Wir müssen reden." Cass lachte laut auf.
"Wir haben nichts, rein gar nichts mehr zu bereden. Wenn du mich nicht auf der Stelle in Ruhe lässt, rufe ich die Polizei. Diese Stalkerei ist ja schon krankhaft." Mit diesen Worten ging sie wieder zu den Männern, die schon ungeduldig auf sie gewartet hatten. Sie trank ihren Cocktail in einem Zug aus und bestellte einen Neuen.
Die Männer warteten gespannt, doch Cass schien nicht auf die K.o.-Tropfen zu reagieren.
Waren das überhaupt welche? Oder schütteten die ihr Drogen in den Drink?
Immer, wenn Cass sich zu einem der Männer drehte, um etwas zu sagen, kippte der Andere weitere Tropfen in ihren Drink. Erst nach über einer Stunde bemerkte Josh, dass Cassandra anfing zu schwanken.
Wo waren ihre Freundinnen, wenn man mal eine brauchte? Wo war die kleine Hexe?
Er überflog mit seinem Blick die ganze Bar, aber keine ihrer Freundinnen war in Reichweite. Die zwei Männer erkannten zwischenzeitlich ihre Gelegenheit. Sie führten Cass nach draußen, jeder hielt sie an einem Arm fest. Eigentlich wollte Josh ihr nicht helfen, sie hatte ihn ziemlich rüde abgewiesen, aber er ging ihnen trotzdem nach. Er konnte den Gedanken einfach nicht ertragen, dass sie von diesen Kerlen gegen ihren Willen...

Die beiden Männer drängten Cassandra in eine Gasse, gleich neben der Bar.
Warum sollte sie denn in diese dreckige Sackgasse gehen?
Vor ihr verschwamm der Weg und sie wurde schließlich nur noch von den Männern aufrecht gehalten. Sie versuchte immer wieder etwas zu sagen, doch es kamen nur gelallte Wortfetzen aus ihrem Mund.
"Nein. Muss Heim."
Was war nur los mit ihr?
Sie hatte heute nicht annähernd so viel getrunken wie sonst. Und plötzlich bemerkte sie, dass diese beiden Männer sie auslachten. Hatten die das schon die ganze Zeit gemacht? Ihr war nur zu deutlich bewusst, dass die Männer sie nicht nur aufrecht hielten, sondern gleichzeitig auch ihre Brust und ihren Hintern anfassten. Bei Josh hatte es sich immer schön angefühlt, aber bei diesen beiden Kerlen empfand sie nur Ekel.
"Es hat fast die ganze Flasche K.o.-Tropfen gebraucht um dich außer Gefecht zu setzen. Jetzt wollen wir etwas Spaß mit dir haben, bevor wir unseren Auftrag erledigen. Also, mach schön die Beine für uns breit." In ihrem vernebeltem Gehirn erfasste sie die Situation und versuchte sich zu wehren, aber ihre Arme und Beine waren wie Pudding. Eisige Angst bemächtigte sich ihres Körpers und sie versuchte zu schreien, aber es funktionierte nicht. Sie hatte keine Gewalt mehr über ihren Körper.
Nein!

Die zwei Männer drückten sie zu Boden - auf den kalten und dreckigen Asphalt - und zogen ihren Rock bis zur Taille hoch. Völlig hilflos schloss Cassandra die Augen und hoffte, dass es schnell vorüber gehen würde. Was hatten die von einem Auftrag gefaselt? Würde das Martyrium danach noch weiter gehen? Sie hatte in den Nachrichten von verschiedenen Mädchenhändlern gehört, aber sie war schon jenseits der dreißig! Als Hure würde sie bestimmt nicht viel einbringen.
Sie spürte, wie sie ihr das Höschen auszogen und hörte das Geräusch der sich öffnenden Reißverschlüsse. Jetzt wünschte sie sich auf einmal, dass Josh an ihrer Seite wäre. Er hätte so etwas nie mit ihr gemacht. Sie verlor jedes Zeitgefühl und konzentrierte sich nur noch auf sein Gesicht. Oder wie es sich angefühlt hatte, seine Hände und seinen Mund auf ihren Körper zu spüren.
Plötzlich war ihr warm und sie glaubte zu schweben. Sollte sie dieses Gefühl einfach genießen oder sollte sie nachsehen, woher es kam? Als sie die Augen langsam öffnete, lag sie in Joshs Armen, der sie behutsam durch die dunkle Nacht trug.
"Dummes, unartiges Mädchen!" Cassandra schloss erleichtert die Augen und lehnte sich an seine warme, kräftige Brust.
"Danke!" Mit diesen Worten driftete sie ins Traumreich.

Josh brachte sie dieses Mal ins Herrenhaus. Erstens war es näher als seine Wohnung und zweitens wollte er sie dem Rudel vorstellen. Seiner Familie. Gleichwohl er bereits wusste, wie die Konsequenz aussehen würde. Er hatte die letzten Tage immer wieder darüber nachgedacht, hatte das Für und Wider abgewägt und war schließlich zu dem Ergebnis gekommen, dass er Sylvester ruhigen Gewissens sein Rudel anvertrauen konnte. Er war ein charmanter und intelligenter Mann, der keine kurzen Affären hatte, sondern nur Langzeitbeziehungen. Wenn er dann noch seine Gefährtin fand, wäre alles perfekt. Und Josh würde sich mit Cassandra irgendwo ein kleines Liebesnest schaffen und ein paar Kinder adoptieren.
Wölfe und Menschen konnten leider keine gemeinsamen Kinder zeugen. Das war einer der Gründe, warum Beziehungen zwischen Mythenwesen und Menschen nicht gern gesehen und auch vieler Orts nicht toleriert wurden.
Als er durch die Eingangstür kam, lief gerade Emily die Treppen hinauf. Seine jüngere Schwester drehte sich verwundert um und lief ihm sofort entgegen, als sie die bewusstlose junge Frau in seinen Armen entdeckte.
"Was ist denn passiert?" Sie klang ängstlich und musterte Josh von oben bis unten.
"Sie wurde überfallen. Mir ist nichts passiert." Mehr sagte er nicht und brachte Cassandra in den ersten Stock. Emily lief voraus und hatte bereits die Tür des Gästezimmers geöffnet, als er Cassandra in sein Zimmer trug. Es lag genau gegenüber von dem Zimmer, dass Emily, ihr Mann und ihr kleiner Sohn bewohnten.
Als Cassandra endlich in seinem Bett lag, sah er zu einer erstaunten und auch etwas blassen Emily auf. Ihm war klar gewesen, dass er wahrscheinlich sofort mit Problemen konfrontiert werden würde, aber noch war er Rudelführer. Und er hatte jetzt absolut keine Lust, die Situation auszudiskutieren.
"Wir reden morgen." Sie nickte verhalten und verließ lautlos das Zimmer. Er war etwas überrascht, dass sie so kampflos das Feld räumte. Das war normalerweise nicht der Fall. Emily war zwar ein liebes und zierliches Persönchen, konnte aber mit der Zeit recht anstrengend werden. Vor allem, wenn man ihr Informationen vorenthielt.
Sein Blick glitt wieder über Cassandras entspanntes Gesicht. Beinahe hätten diese Schweine seine Cassandra vergewaltigt. Als er sie am Boden liegen sah, so furchtbar verletzlich, hatte es seinem Herz einen Stich versetzt. Ihr Rock bauschte sich um ihre Taille und ihr Höschen hatten sie grob zerrissen. Er war gerade noch rechtzeitig gekommen. Die beiden Männer würden morgen unter sehr großen Schmerzen im Krankenhaus aufwachen. Das war ihm ausreichend Genugtuung. Am liebsten hätte er sie getötet, aber das war nicht gestattet. Nur in wirklich heiklen Fällen war es erlaubt, einen Menschen zu töten. Und selbst dann hatte man noch mit einer harten Strafe zu rechnen.
Er presste seine Lippen fest zusammen, um seine Wut zu unterdrücken. Wenn Cass wieder bei Kräften war, würde er ein ernstes Wörtchen mit ihr reden müssen. So konnte es zwischen den Beiden einfach nicht weitergehen. Er stieg zu ihr aufs Bett und zog sie vorsichtig aus. Danach streifte er ihr eines von seinen Hemden über und deckte sie schließlich zu.
Er wollte gerade das Bett verlassen, als Cass seinen Namen murmelte. Verwundert sah er sie an.
Sie träumt von mir!
Er legte sich zu ihr und zog sie in seine Arme. Es war ein herrliches Gefühl zu wissen, dass sie in Sicherheit war. Ihre Lider flatterten auf einmal und unter halb geschlossenen Augen fragte sie leise: "Schläfst du bitte bei mir?" Ein warmes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
"Ja. Natürlich." Sie kuschelte sich zufrieden tiefer in seine warmen und starken Arme. Sie war immer noch von den K.o.-Tropfen betäubt und würde es auch noch eine Weile bleiben. Die Männer hatten ihr eine gehörige Menge von dem Zeug verabreicht. Ob er ihr wohl in diesem Zustand ein paar Antworten entlocken könnte?
"Magst du mich noch?" Cassandra kicherte wie ein Schulmädchen.
"Ich liebe, liebe, liebe dich." Josh runzelte die Stirn.
"Warum gehst du dann auf Abstand?" Ohne zu zögern antwortete sie etwas lallend: "Alle, die ich liebe, sterben so schnell, dass ich mich nicht von ihnen verabschieden kann. Ich bin verflucht. Außerdem warst du gemein zu mir. Du hast gesagt, ich bin eine Lügnerin. Das mag ich nicht." Josh musste lächeln. Sie hatte Angst um ihn.
"Weißt du, erst hat meine Mom uns zur Adoption freigegeben. Dann sind meine Pflegeeltern gestorben. Dann Carmen... und... und..." Josh küsste sie zärtlich auf die Lippen.
"Ich werde nicht so schnell die Hufen hoch machen. Keine Angst. Und es tut mir Leid, dass ich dir nicht geglaubt habe." Cassandra lächelte verträumt.
"Dann hab ich jetzt dich und Charly und Charlott und Derek. Schön! Eine große Familie. Ich wollte immer eine große Familie." Josh wartete kurz.
"Wer ist Derek?" Sie kicherte wieder.
"Mein Onkel. Er hat sich kurz vor Carmens Tod bei uns gemeldet. Er ist der einzige Blutsverwandte den wir kennen." Konnte es sein? Derek, der Anführer der Silver-Spring-Wölfe? Des Rudels, mit denen sie immer wieder Probleme hatten? Wenn sie wirklich mit ihm verwandt war, musste sie auch ein Wolf sein. Sein Herz machte einen Sprung. Dann brauchte er sich keine Gedanken mehr um sein Rudel machen und wie sie auf Cass als seine Gefährtin reagieren würden.
Er drückte sie noch fester an sich. Sie war für ihn bestimmt. Sie war sein. Nur der fehlende Wolfsgeruch machte ihn stutzig. Und auch andere Fakten stimmten nicht überein. Sie hatte eine Katze und konnte schwimmen. Zwei Sachen, denen ein normaler Wolf aus dem Weg ging.

Am nächsten Morgen, oder war es schon Mittag?
Egal.
Cassandra schlug die Augen auf und blinzelte, als helles Sonnenlicht den Raum durchflutete.
Oh mein Gott.
Sie versuchte sich unter heftigen Kopfschmerzen an den gestrigen Abend zu erinnern. Alles war verschwommen und dunkel.
Als sie sich aufsetzen wollte, bemerkte sie Josh neben sich, der sie in einer engen Umarmung an sich drückte. Er hatte ihr geholfen - sie gerettet. Obwohl sie ihn so schlecht behandelt hatte. Sie seufzte. Sie liebte ihn und gerade deshalb musste sie ihn von sich fern halten. Außerdem war sie immer noch stinksauer auf ihn. Sie entzog sich seiner Umarmung und stand leicht schwankend auf. Ihr nackter Körper steckte in einem von seinen weißen Hemden und der unverwechselbare Duft von Josh stieg ihr in die Nase.
Ihre Sachen von gestern Abend lagen fein säuberlich zusammen gelegt auf einer Bank vor dem Bett. In gewisser Weise ekelte sie sich davor, diese Sachen noch einmal an zufassen, geschweige denn sie anzuziehen, aber sie musste hier schließlich weg.
Wo war sie eigentlich? Das war nicht seine Wohnung und wie ein Hotelzimmer sah es auch nicht aus. Dafür war es eindeutig zu persönlich eingerichtet. Hinter ihr raschelte die Bettdecke.
"Komm wieder ins Bett. Es ist noch viel zu früh zum aufstehen." Ohne sich umzudrehen erwiderte sie kühl: "Ich muss nach Hause." Mit einem Mal packte er von hinten ihre Hüfte und zog sie wieder zwischen die Decken.
"Josh! Hör sofort auf!" Er küsste sie vom Hals bis zum Busen und knöpfte ihr Hemd auf.
"Ich werde nicht aufhören. Wir gehören zusammen, mein kleiner Wolf." Sie kicherte plötzlich laut los und legte ihre Hände auf seine Brust.
Wolf?

"Bessere Kosenamen hast du nicht für mich?" Josh hob den Kopf und sah sie fragend an.
Hatte sie irgendetwas verpasst? War das ein neuer Witz?

"Du weißt es nicht?" Cass stemmte sich auf ihre Ellbogen und sah ihn ebenfalls fragend an. Auf einmal klopfte es an der Tür und nach ein paar Sekunden betrat eine zierliche Frau zögerlich das Zimmer. Sie sah erst zu Josh und dann zu Cassandra.
"Hallo. Ich bin Emily. Joshs kleine Schwester. Ich dachte, du willst vielleicht etwas frisches zum Anziehen."
Komisch. Sie sehen sich überhaupt nicht ähnlich.
Als die kleine Blondine Joshs grimmigen Blick und Cassandras rote Wangen sah, lächelte sie kurz und verabschiedete sich schnell wieder. Nun richtete Cass ihre Aufmerksamkeit wieder auf Josh.
"Was meinst du mit: ich weiß es nicht? Was weiß ich nicht?" Plötzlich platze er heraus: "Ich habe den Verdacht, dass du ein Wolf bist." Sie ließ ihren Kopf wieder ins Kissen fallen und lachte laut auf.
"Nur weil ich dich beim Sex gebissen hab? Also hör mal." Josh setzte sich auf und sah ihr tief in die Augen. Es schien ihm ernst zu sein.
"Cassandra. Ich bin ein Wolf und ich denke, du ebenfalls." Ihre Augen wurden groß und etwas verstört sprang sie aus dem Bett. Also hatte er nicht nur Stalker Neigungen, sondern war auch noch verrückt.
Warum muss ich mich immer in solche Idioten verlieben?

"Ich kenne da einen sehr guten Psychologen. Ein Freund von meinem Schwager. Vielleicht solltest du mal ein Gespräch mit ihm führen." Sie lief zu den Sachen, die ihr Emily da gelassen hatte und zog sich rasch an. In so einer Situation konnte sie nicht wählerisch sein.
"Ich bin nicht verrückt. Lass es mich dir zeigen."
Was kommt denn jetzt?
Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Cass wollte gerade Richtung Tür gehen, als über Josh ein bläuliches Licht auftauchte. Aus diesem Licht kristallisierte sich eine Gestalt.
Ein Wolf.

"Gütiger Gott." Josh öffnete wieder seine Augen und sah zu Cassandra, die verzweifelt versuchte, ein Wort zu formulieren.
Nein, nein, nein. So etwas gibt es nicht!
Dann schloss sie die Augen, murmelte: "ich hab nichts gesehen", und wandte sich zur Tür um.
"Cassandra!" Sein Ton war herrisch und unmissverständlich.
"Du kannst nicht einfach deine Augen davor verschließen. Ich bin, was ich bin." Sie drehte sich langsam wieder zu ihm um und sah ihm tief in die Augen.
Oh ja. Er ist, wer er ist.

"Ich weiß, wer du bist. Ein Mann, der mir nicht vertraut. Ein Mann, der kontrollsüchtig und eifersüchtig ist. Ein Mann, mit dem ich nicht den Rest meines Lebens verbringen will. Das du ein", sie gestikulierte mit dem Zeigefinger in seine Richtung, "Wolf bist, ändert nichts an alledem. Es macht es höchstens komplizierter." Er erhob sich vom Bett - nackt wie Gott ihn schuf - und ging zu Cass.
Sie erstarrte und betrachtete ihn nun mit ganz anderen Augen. Musste sie Angst vor ihm haben?
Ein Wolf!
Sie verlor langsam aber sicher den Verstand. Mit trägen Bewegungen zeichnete er kleine Kreise auf ihren Arm, von der Schulter bis zu den Fingerspitzen. Dann sah er in ihr Gesicht und erwiderte ruhig: "Es tut mir Leid, dass ich dir nach spioniert habe; das ich dir nicht vertraut habe. Ich bin einfach besessen von dir." Cassandra spürte, wie in ihr ein Schutzwall nach dem anderen nachgab und bröckelte.
Nein, nein, nein!
Wenn sie jetzt nachgab, waren sie beide verloren. Komischer weise schien sie die Wolf-Sache nicht halb so sehr zu verunsichern, wie ihr Fluch.
Oder war er ein Teil dieses Fluchs?

"Nichts was du sagst, könnte meine Meinung ändern." Seine Augen wurden dunkler.
"Letzte Nacht hast du gesagt, du liebst mich." Cass erstarrte wieder und runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich nur noch schemenhaft an die Geschehnisse, nachdem er sie vor diesen zwei Bastarden gerettet hatte. Was war eigentlich mit ihnen passiert? Waren sie geflüchtet? Egal. Sie musste ihm wohl unbedingt ihr Herz ausschütten, als sie unter Drogen stand. Oder hatte er sie dazu gebracht, es ihm zu gestehen?
"Da stand ich unter Drogen. Da erzählt man so einiges. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich jetzt ganz clean bin." Er schüttelte den Kopf.
"Du hast es ernst gemeint und du hast gesagt, du hättest Angst um mich." Sie seufzte innerlich auf.
Sie hatte ihm von ihrem Fluch erzählt. Verdammt!
Jetzt kam sie so schnell nicht mehr aus dieser Geschichte heraus.
"Können wir es nicht einfach bei dieser kleinen Liebelei belassen und jeder geht wieder seinen Weg?" Wieder schüttelte er den Kopf.
"Zu spät."