3. Kapitel
Am nächsten Morgen war Cassandra völlig am Ende. Sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen, weil sie höllische Kopfschmerzen hatte und ihr Magen Achterbahn fuhr. Als sie gegen sieben in die Küche kam, wo Charly mit eine Tasse Kaffee und einer Zeitung saß, fragte sie verzweifelt: "Hast du eine Aspirin für mich? Oder einen Vorschlaghammer? Irgendwas?" Charly sah mit gerunzelter Stirn von seiner Zeitung auf und erschrak.
"Cassy. Du siehst ja furchtbar aus." Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte den Kopf in ihre Hände.
"Ich sehe nicht nur so aus, ich fühle mich auch so." Er stand auf, machte ihr einen Tee und holte ihr eine Kopfschmerztablette. Davon hatte er einen recht großen Vorrat.
"Du solltest vielleicht zu einem Arzt gehen. Dr. Beinheim hat glaube ich Notfalldienst. Soll ich ihn anrufen?" Cassandra nickte schwach und überließ sich seiner fürsorglichen Pflege.
In seinem Arztstudium hatte er sich größtenteils auf plastische Chirurgie eingeschossen und die allgemeine Medizin mehr oder weniger nebenbei gelernt. Damals kannte sie ihn noch nicht, aber auf Fotos und auf Videos sah er noch genau so jung und frisch aus wie jetzt. Das war wahrscheinlich der Grund, warum jede Frau ihm schöne Augen machte.
Na gut. Wer würde einem blonden, blauäugigen
Engel nicht sofort verfallen?
Ein dunkelhaariger, muskulöser Mann schlich sich in ihre Gedanken.
Sie hatte schon die ganze letzte Nacht an ihn denken
müssen.Galle stieg in ihrem Hals hoch und sie beugte sich im letzten Moment über die Spüle. Weiter hätte sie es beim besten Willen nicht mehr geschafft. Charly hielt ihre Haare nach hinten und drückte ihr ein feuchtes Wischtuch abwechselnd an die Stirn und in den Nacken. Sie würde sterben. Das wusste sie jetzt schon. Außerdem musste sie ganz dringend diese Spüle und am besten alles, was sie heute schon berührt hatte, desinfizieren oder verbrennen. Sie ekelte sich vor sich selbst.
Als Dr. Beinheim, der gleich nach Charlys Anruf gekommen war, das Haus wieder verlassen hatte, lag sie mit einer schweren Magen-Darm-Grippe im Bett.
Und das nach so einer tollen Nacht! Ob Mister
Groß und Dunkel auch krank ist?
Sie schloss die Augen und ließ das Schmerz- und Antibrechmittel den
Rest erledigen.Die ganze nächste Woche fühlte sie sich wie in Watte gepackt. Sie war selten krank, eigentlich fast nie, aber wenn es sie erwischte, dann richtig.
Am Mittwoch rief sie Annika an und erklärte ihr, dass sie dem Weiberabend wohl fern bleiben musste. Immerhin wollte sie niemanden anstecken. Und wenn der hübsche One-Night-Stand wieder da war, konnte sie sowieso nicht zum Weiberabend gehen. Aber er hatte sie wahrscheinlich schon längst wieder vergessen. Er hielt es ja noch nicht einmal für nötig, ihr seinen Namen zu nennen. Ja gut, sie hätte an das Klingelschild oder den Briefkasten schauen können, aber soweit hatte sie an diesem Abend nicht mehr denken können. Sie war schon verwundert, dass sie es bis nach Hause geschafft hatte.
Außerdem fühlte sie sich immer noch zittrig und wollte ihr inzwischen heiß geliebtes Klo nicht allein lassen. Es war ihr in den letzten Tagen wirklich sehr ans Herz gewachsen. Sie hatte Charly eine lange Liste gegeben, auf der ausnahmslos Reinigungs- und Desinfektionsmittel standen. Normalerweise erwähnte er immer und immer wieder, dass ihr zwanghafter Reinlichkeitstick nicht gut für ihre Abwehrkräfte sei, unterließ es aber dieses eine Mal.
Sie beendete das Gespräch mit Annika und kuschelte sich mit einer Decke aufs Sofa. Charly hatte extra für eine Woche eine Tagesmutter kommen lassen, damit sich Charlott nicht anstecken konnte. Also hatte Cassandra auch dahingehend keine Ablenkung.
Deswegen sah sie, wie schon den Rest der Woche fern, mailte mit ihren Kollegen auf Arbeit und erledigte ein paar Arbeiten von Zuhause aus. Sie liebte ihre Arbeit. Seit ihrem Collageabschluss war sie in dieser Firma. Erst hatte sie eine Ausbildung zur Buchhalterin gemacht und sich dann mit diversen Weiterbildungen die Zeit vertrieben. Und mit ihrer Leidenschaft für Sport. Aber heute schwirrte ihr der Kopf und sie sah sich einen seichten Film an, bei dem sie wohl wieder einnicken würde. Sie liebte diese Schmerzmittel.
Ungehalten stiefelte Josh im Beratungsraum auf und ab.
"Und ihr habt sie nicht erwischt?" Erik schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. Er war ein großer, blonder Mann, der an einen nordischen Gott erinnerte. Außerdem war er Joshs jüngster Bruder. Er war erst vor zehn Jahren zum Rudel gestoßen, weil er mehr von der Welt sehen wollte als nur Europa. Und sein größer Bruder hatte ihn mit offenen Armen empfangen.
"Wir haben sie bis zur Grenze verfolgt, aber weiter durften wir nicht." Josh sah zu Sylvester, der gelassen neben Erik saß. Seit Monaten war er nicht mehr aus der Ruhe zu bringen und Erik glaubte zu wissen, woran das lag.
Eine neue Frau.
"Wissen wir wenigstens was sie wollten?" Auch er schüttelte den Kopf.
"Sobald sie uns wittern, fliehen sie." Josh trat wütend gegen einen der Stühle, der laut krachend, an der Wand am anderen Ende des Raumes, zerschellte. Erik betrachtete Joshs Wutausbruch mit gemischten Gefühlen. Normalerweise war Josh niemand der leicht die Fassung verlor. Ganz im Gegenteil. Er war es immer, der die Ruhe bewahrte und taktisch kluge Entscheidungen traf. Was war los mit ihm? Als er letzten Samstag wieder im Herrenhaus aufgetaucht war, hatte er sehr gute Laune gehabt. Aber im laufe der Woche war sie immer schlechter geworden.
Vielleicht auch eine Frau.
"Wir brauchen jemanden, der nicht zum Rudel gehört und sie unauffällig verfolgen kann. Ich will endlich wissen was diese Idioten hier wollen." Sylvester räusperte sich verlegen.
"Ich hätte da jemanden." Josh sah ihn mit großen Augen an, genau wie Erik.
"Aber ich mach das mit ihr persönlich aus. Ihr haltet euch zurück."
Doch eine Frau?
Erik hatte gedacht, dass er nach Sophie den Menschenfrauen entsagt
hatte. Er war sehr lange in melancholischer Stimmung gewesen, als
die Frau gestorben war. Aber vielleicht war es dieses Mal kein
Mensch, sondern eine Wölfin. Josh fand zuerst seine Stimme
wieder."Ihr? Eine Frau?" Sylvester stand auf und ging zur Tür.
"Fragt lieber nicht." Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Erik erhob sich nun ebenfalls von seinem Platz und sah Josh grinsend an.
"Er ist in letzter Zeit öfter allein unterwegs. Und dieses Mal hat er kein neues Bauprojekt. Aber ich denke, früher oder später werden wir sie schon kennenlernen."
Josh lehnte sich gegen den Tisch und sah sehnsüchtig zur Uhr. Wieder musste Erik daran denken, was seinem Bruder wohl durch den Kopf ging. Hatte er eine Verabredung? War er die Woche über nur nervös gewesen? Oder war es wirklich die Sorge um das andere Rudel, dass ihn so wütend machte?
"Was ist mit dir los, Brüderchen? In letzter Zeit bist du etwas unkonzentriert und leicht zu reizen. Ist was vorgefallen?" Josh stellte sich wieder gerade hin und ging dann erhobenen Hauptes zur Tür.
"Alles in Ordnung. Ich muss weg. Bis später." Erik nickte. Wenn es etwas wichtiges gewesen wäre, hätte Josh es schon erwähnt. Er sah einmal kurz auf sein Handy und verließ kurz nach Josh auch den Raum. Sein Zimmer war im Erdgeschoss, gegenüber vom Speisesaal.
Als er hier eingezogen war, hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Aber nachdem er jeden Morgen von dem Duft frischer Brötchen geweckt wurde und bei den Mahlzeiten immer als Erster bedient wurde, hatte er sich mit dem Zimmer arrangiert.
Sein Wohnzimmer war vollgestopft mit Technik. Unter anderem drei Computer. Einen normalen für Internetrecherchen. Einen geschützten zum hacken. Und einen für seine Spielsucht. Er saß manchmal bis in die frühen Morgenstunden vor diesem Computer und befreite zusammen mit anderem Geeks ganze Fantasywelten von Tyrannen und bösen Mythenwesen.
Josh konnte sich einfach nicht von der Bar fernhalten. Er musste sie sehen. Obwohl er seine ersehnte Nacht mit ihr gehabt hatte, konnte er nicht anders. Sie war wie eine Droge. Sogar seiner Familie war schon aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. Aber irgendetwas zog ihn magisch zu ihr hin. Vielleicht war sie einverstanden, seine Geliebte zu werden. Irgendwann würde diese Besessenheit wieder verschwinden und dann könnte er die Beziehung einfach beenden. Und sie schien auch nicht unbedingt abgeneigt zu sein, eine Affäre mit ihm zu beginnen.
Als er die Bar betreten hatte, sah er schon die Meute Frauen, die an ihrem gewohnten Tisch saßen und wild durcheinander plapperten. Aber Cassandra fehlte. Oder war sie auf der Toilette? Aber auch nach einer halben Stunde tauchte sie nicht auf. Als eine der Frauen zur Bar kam und bei Mike Getränke bestellen wollte, fing Josh sie ab.
"Hallo. Du bist doch eine Freundin von Cassandra, oder?" Die Frau bekam sofort glänzende Augen und zeigte ihm ihr schönstes Lächeln. Bei ihr schien seine Anziehungskraft zu funktionieren.
"Ja. Ich bin Amanda." Er lächelte sie ebenfalls gewinnend an und legte seine Hand auf ihren Arm. "Wo ist Cassandra denn heute Abend? Ich hab sie bis jetzt noch nicht gesehen." Ohne zu zögern erwiderte sie: "Sie ist krank. Hat sich eine Magen-Darm-Grippe eingefangen."
Gut.
Also ging sie ihm schon einmal nicht aus dem Weg. Außer, es
handelte sich dabei um eine faule Ausrede, weil sie ahnte, dass er
heute da sein würde."Sie hat mir das letzte Mal nicht ihren Familiennamen genannt. Könntest du mir da aushelfen?" Wieder kam die Antwort wie aus der Pistole.
"Weedman." Er fragte sie noch nach Cassandras Adresse, die er ebenfalls prompt erhielt.
"Kann ich dir sonst noch irgendwie behilflich sein?" Er erkannte die Lust in ihrem Blick. Sie war zwar nicht hässlich und unter anderen Umständen hätte er sie gerne mit zu sich genommen, aber im Moment interessierte er sich nur für Cass.
"Nein, meine Schöne. Geh wieder zu deinen Freundinnen. Ich glaube, sie vermissen dich schon." Amanda tat wie ihr gesagt wurde und machte sich wieder in Richtung des Tischs auf. Josh selbst bezahlte seinen Bourbon und verließ sofort die Bar.
Als er zu der Adresse kam, die ihm Amanda genannt hatte, schaltete er den Motor aus und verließ sein Auto. Dank seiner wölfischen Abstammung konnte er sich ungesehen und ungehört anschleichen.
Es war ein schönes, großes Einfamilienhaus. Die Fassade war mit weißen Holzbrettern verkleidet und es hatte dunkelblaue Fensterläden. Die Eingangstür war aus hellem Holz und der Türklopfer aus Messing.
Ein perfektes, kleines Vorstadthaus.
Im unteren Geschoss sah er den Fernseher flackern und spähte durch das große Doppelfenster ins Wohnzimmer. Cassandra saß eingewickelt in eine rote Decke auf dem Sofa und schlief. Vor ihr auf dem Tisch standen ein Notebook und verschiedene Medikamente. Sie war also wirklich krank. Dunkle Augenringe ließen ihr blasses Gesicht gespenstisch wirken und ihre Haare waren zu einem Zopf zusammen gebunden.
Plötzlich hörte er ein Auto die Auffahrt hoch fahren und versteckte sich im Gebüsch. Das Auto stellte sich als ein großer, roter Jeep heraus - ein Familienauto. Der Mann, der es fuhr, stellte den Motor ab und kramte seinen Hausschlüssel aus der Manteltasche. Im Schein der Straßenlampe und durch seine guten Augen konnte Josh die sanften Gesichtszüge des Mannes sehen. Das musste ihr Ehemann sein. Wie eine Messerklinge durchfuhr ihn plötzlich die Eifersucht.
Eifersucht?
Er war noch nie eifersüchtig gewesen.Wieder sah er zu dem Mann. Charly, so hatte Cassandra ihn letzten Freitag genannt. Er hatte blonde Haare und helle Augen, wobei er die Farbe wegen der Dunkelheit und der Entfernung nicht genau benennen konnte. Sein Körperbau entsprach dem eines normalen Durchschnittsmannes und seine Kleidung schien teuer zu sein.
Er schloss die Tür auf und zog Schuhe und Mantel aus. Dann sah Josh, wie im Wohnzimmer das Licht anging. Cassandra schlief allerdings weiter. Wahrscheinlich war sie von der Krankheit und den Tabletten geschwächt.
Charly lächelte sie verträumt an und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Danach nahm er sie auf die Arme und trug sie hoch.
Ins Schlafzimmer.
Da war sich Josh sicher. Cassandra mochte sich nicht unbedingt an
das Ehegelöbnis halten, aber Charly begehrte seine Frau immer noch.
Das hatte der Blick, den er der schlafenden Cassandra zugeworfen
hatte, deutlich verraten.Josh packte schon wieder die Eifersucht. Dieses Mal noch stärker. Aber er hatte nicht einmal das Recht darauf. Sie war nicht für ihn bestimmt. Sie war verheiratet. Hatte einen liebevollen Ehemann, ein Kind, ein Haus. Warum sollte sie das alles für ihn hinschmeißen? Er entfernte sich vom Haus und machte sich auf den Heimweg. Es war zum verrückt werden.
Sylvester öffnete grinsend die Tür, kurz nachdem der Pizzabote drei Mal geklingelt hatte. Er war gleich nach dem Gespräch mit Josh und Erik in seine Privatwohnung gefahren und hatte etwas zu essen bestellt. Obwohl er zugeben musste, dass er nicht nur am Essen interessiert war. Ein hübsches, junges Mädchen stand vor der Tür und lächelte ihn an.
"Weißt du eigentlich, dass ich jetzt einen festen Arbeitsvertrag bekommen hab? Kein anderer Pizzabote traut sich in die Nähe deiner Wohnung." Er zog sie zu sich heran und küsste sie leidenschaftlich.
"Unsere Wohnung. Ich hab dich so sehr vermisst" knurrte er an ihren Lippen. Sie kicherte und entzog sich seiner Umarmung.
"Deine Pizza wird kalt. Außerdem musst du sie noch bezahlen." Er grinste und ging langsam auf sie zu. Ihre schulterlangen, blonden Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten und ihre hellen blauen Augen strahlten ihn an. Auf ihrer kleinen Nase tummelten sich viele helle Sommersprossen und ihr Mund war klein, aber von einer wunderschönen rosa Färbung.
Als er fast vor ihr stand ließ sie die Pizzaschachtel fallen und floh fröhlich lachend vor ihm. "Maya! Komm her. Ich hab dich fast neun Stunden nicht mehr gesehen. Ich brauch dich. Jetzt!" Sie kicherte wieder.
"Dann fang mich doch, mein kleines Wölfchen." Das ließ er sich nicht zweimal sagen und hatte sie schon nach ein paar Sekunden eingeholt. Er packte sie an der Hüfte und hob sie hoch.
"Du bringst mich noch um." Er fegte einen kleinen Tisch leer und setzte sie darauf ab. Gerade als er Anstalten machte, ihr die Uniform vom Leib zu reißen, hielt sie ihn zurück.
"Wage es ja nicht! Du hast mir das letzte Mal schon eine Uniform ruiniert. Wenn du die hier auch noch kaputt machst, muss ich nackt arbeiten." Ein Knurren entrang sich seiner Kehle.
"Ist das ein Versprechen?" Sie schlug ihm spielerisch auf die Brust und befreite sich aus seiner Umarmung.
"Du bist ein ganz schlimmer. Weißt du das?" Er nahm ihre Hand und zog sie in das Schlafzimmer. Dort entkleidete er sie vorsichtig und als sie endlich nackt war, fing er wieder an sie zu küssen. Zuerst ihre Lippen, dann ihr Kinn, ihre Brust, ihren kleinen Bauch. Als er ihre Scham erreichte und ihr linkes Bein leicht anwinkelte, hörte er ein zufriedenes Seufzen.
"Diese Töne liebe ich." Er fuhr fort sie dort zu küssen und als er merkte, dass sie etwas zittrig wurde, hob er sie kurzerhand hoch und brachte sie zum Bett. Dort schälte auch er sich aus seinen Sachen und stand dann völlig nackt vor ihr. Seine dunkle Haut und die Muskeln waren immer wieder ein atemberaubender Anblick. Er konnte ihr förmlich die Bewunderung und die Lust ansehen.
"Komm schon her und lass mich nicht so allein hier in diesem großen, kalten Bett." Er lächelte sie verwegen an. Doch anstatt etwas zu antworten, beugte er sich über sie und strich mit seinen Händen über ihren Körper.
"Gleich wird es dir nicht mehr kalt sein." Mit diesen Worten verschlang er ihre Lippen und sog jeden lustvollen Aufschrei in sich ein.
Seit er sie vor zwei Jahren getroffen hatte, ebenfalls als er eine Pizza bestellt hatte, trafen sie sich jeden Tag. Zuerst redeten sie nur, wobei Maya nichts von ihrer Vergangenheit erzählte. Das einzige, was sie jemals erwähnt hatte, war, dass sie mit sechzehn von Zuhause weggelaufen war und sich seitdem allein durchs Leben kämpfte. Sie hatte ihren Schulabschluss mit sehr gut bestanden und schließlich ein Stipendium bekommen. Als Sylvester einmal nach ihren Eltern gefragt hatte, war sie ihm ausgewichen und hatte sich etwas zurück gezogen.
Als sie dann das erste Mal miteinander geschlafen hatten, war er so sehr über ihre Jungfräulichkeit geschockt gewesen, dass sich kurz der Wolf in ihm erhob. Aber Maya war nicht davon gelaufen. Sie wollte wissen, was er war und begeisterte sich für die Mythen und Geschichten um die Entstehung der Wölfe und Raben.
Sie wurden ein richtiges Liebespaar. Irgendwann hatte er sie in ihrer Wohnung abholen wollen und war über ihre ärmlichen Lebensumstände geschockt gewesen. Sie lebte in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in der schlimmsten Gegend der Stadt. Tagsüber studierte sie am Collage, Nachmittags und Abends fuhr sie Pizza aus. Er hatte ihr in seiner arroganten Art mitgeteilt, dass sie nun in seiner Wohnung leben würde und er die Studiengebühren für sie übernehmen würde, damit sie nicht an das Stipendium gebunden wäre. Aber das hatte sie abgelehnt. Sie war sogar beleidigt gewesen. Er konnte sich noch genau an ihre Worte erinnern:
"Du wirst mich nicht für den Sex bezahlen, als
wäre ich eine Hure. Ich arbeite selbst für mein Geld."
Danach war kurz Funkstille gewesen, die er mit diversen
Pizzabestellungen brechen wollte. Aber es kamen immer wieder andere
Boten. Jeden von ihnen hatte er in Angst und Schrecken versetzt,
bis sich schließlich nur noch Maya fand, die sich zu seinem
Wohnhaus traute, ohne gleich vor Angst zu sterben. Er hatte sich
für sein Machogehabe entschuldigt, wollte aber, dass sie nicht mehr
in dieser üblen Gegend wohnte. Sie hatte ihm ihr Pfefferspray und
den Elektroschocker gezeigt, den sie immer mit sich trug. Das hatte
ihm erst recht Angst gemacht. Nach einer langen Diskussion hatte
sie sich bereit erklärt, bei ihm einzuziehen. Aber nur unter der
Voraussetzung, dass sie etwas zur Wohnung beisteuerte. Also
übernahm sie die Nebenkosten.Wenn sie mal nicht im Bett waren, sprachen sie über das Studium und über Sylvesters Bauprojekte. Wenn sie im Bett waren, war sie genau so unersättlich wie er. Und sie schien seine sinnliche und leidenschaftliche Art zu lieben.
Nachdem sie sich an diesen Abend völlig verausgabt hatten, zog er Maya an sich und sagte leise: "Ich brauche deine Hilfe." Sie kuschelte sich in seine Umarmung und entgegnete: "Gern. Was soll ich machen, mein kleines Wölfchen?" Er biss ihr leicht ins Ohrläppchen und ein wohlig warmer Schauer überlief sie.
"Du müsstest für mich ein paar Wölfe eines anderen Rudels überwachen." Maya sah zu ihm auf. Sie hatte anscheinend mit einem anderen Gefallen gerechnet.
"Warum ich?" Er strich über ihre weichen Haare und streichelte dann ihr hübsches Gesicht.
"Die anderen Wölfe riechen uns schon von weitem und rennen immer wieder in ihr Revier zurück, ohne dass wir erfahren, was sie eigentlich wollen." Maya nickte und fuhr mit ihrem Finger über seine breite Brust. Bei seiner Brustwarze hielt sie inne und umkreiste sie langsam.
"Wenn die Bezahlung stimmt!"