16

TOPRAWA… UND MOS EISLEY

 

 

Han stand vor dem zerklüfteten, schartigen Holobild von Bidlo Kwerve, Jabbas corellianischem Majordomus. Hinter Kwerve konnte er die sandfarbenen Mauern des Wüstenpalastes erkennen, den der Hutt-Lord auf Tatooine bewohnte.

»He, Kwerve«, begann Han, »ich muß mit dem Boß sprechen, bitte.«

Der häßliche corellianische Haudrauf hatte kohlschwarzes Haar, durch das sich ein leuchtend weißer Streifen zog, und lebhafte grüne Augen. Kwerve lächelte, ein dünnes, gemeines Lächeln. »He, da ist ja Solo«, sagte er. »Jabba hat schon nach Ihnen verlangt. Wo waren Sie, Solo?«

»Da und dort«, antwortete Han knapp. Er mochte es nicht, wenn man mit ihm spielte. »Hatte ein bißchen Schwierigkeiten mit den Imperialen.«

»Tja, das ist wirklich böse«, bemerkte Kwerve. »Ich will sehen, ob ich Jabba dazu bewegen kann, mit Ihnen zu reden. Das letzte Mal, als ich ihn sah, war er ziemlich ungehalten, weil Sie mit Ihrer Ladung in Verzug sind. Er hat einiges vor mit diesen Gewürzen.«

Han blickte mit versteinerter Miene in das Aufnahmemodul der Kom-Einheit. »Stellen Sie mich einfach durch, ja, Kwerve? Und lassen Sie die Witze.«

»Oh, wer sagt denn, daß ich Witze mache, Solo?« Das Narbengesicht des corellianischen Majordomus verschwand in einem statischen Flackern, und Han glaubte einem Moment lang, er hätte die Übertragung einfach unterbrochen. Er streckte die Hand aus, um seinerseits die Verbindung zu unterbrechen, als das statische Flackern mit einem Mal abbrach und durch Jabbas mächtiges Holobild ersetzt wurde.

»Jabba!« platzte Han in einer Mischung aus Erleichterung und Bangigkeit heraus. »Äh, hört mir zu… ich habe ein kleines Problem.«

Jabba sah nicht sehr glücklich aus. Er paffte irgendeinen bräunlichen Stoff, der in einer Kombination aus Wasserpfeife und Snackquarium umgewälzt wurde, die er von der verstorbenen Jiliac geerbt hatte. Die riesigen Pupillen waren infolge der Droge geweitet.

Na toll, dachte Han, ich mußte ihn gerade dann kontaktieren, wenn er zugedröhnt ist… »Äh, hallo Jabba«, begann er. »Ich bin es, Han.«

Jabba blinzelte mehrmals, und schließlich gelang es ihm doch, die Augen zu fokussieren »Han!« dröhnte der Führer der Desilijic. »Wo haben Sie gesteckt? Ich hatte Sie schon letzte Woche hier erwartet!«

»Äh, tja, Jabba, ich rufe Euch an, um Euch aufzuklären«, fuhr Han fort. »Glaubt mir, es war nicht mein Fehler…«

Jabba blinzelte benebelt. »Han, mein Junge… wovon reden Sie da? Wo ist meine Ladung Glitzerstim?«

Der Corellianer schluckte. »Äh, ja, wegen der Ladung. Nun, seht… man hat mir eine Falle gestellt. Die Imperialen haben schon auf mich gewartet, und…«

»…die Zollbehörde hat jetzt meine Gewürze?« tobte Jabba so laut und unerwartet, daß Han zurückzuckte. »Wie konnten Sie nur, Solo?«

»Nein! Nein, Jabba!« rief Han rasch. »Sie haben die Ladung nicht bekommen! Ehrlich, die haben nichts gegen Euch in der Hand, nichts! Aber… damit die Zolltypen nichts finden konnten, mußte ich die Fracht über Bord gehen lassen! Ich habe die Stelle markiert, aber die wollten mich nicht einfach so davonkommen lassen. Und als ich schließlich zurückkam… war die Ladung weg, Jabba.«

»Meine Gewürze sind weg«, wiederholte Jabba und glotzte Han aus trüben Augen an; seine Stimme war bedrohlich ruhig.

»Äh… ja. Aber, he, Jabba, keine Sorge, ich mache das wieder gut. Chewie und ich, wir werden den Schaden abarbeiten, wir werden den vollen Wert ersetzen, keine Sorge. Ihr wißt, daß wir dafür geradestehen. Und ehrlich, Jabba, ich habe so ein Gefühl, als wollte man mir was anhängen, wißt Ihr? Wie viele Leute, außer Euch und Moruth Doole, wußten noch, daß ich die Kessel-Route fliegen würde?«

Jabba schenkte Hans Frage keine Beachtung. Die vorstehenden Augen blinzelten heftig, als er mehrmals am Mundstück der Wasserpfeife saugte. Dann streckte er eine Hand aus, fischte einen kleinen Zappler aus der mit Flüssigkeit gefüllten Kugel und stopfte sich das zuckende Ding ins Maul.

»Han… Han, mein Junge, wie Sie wissen, liebe ich Sie wie einen Sohn«, sagte er langsam und unheilschwanger. »Aber Geschäft ist Geschäft, und Sie haben gegen meine oberste Regel verstoßen. Ich kann keine Ausnahme machen, bloß weil ich Sie gut leiden kann. Diese Fracht hat mich zwölftausendvierhundert Credits gekostet. Liefern Sie mir binnen zehn Tagen die Gewürze oder die Credits – oder machen Sie sich auf die Konsequenzen gefaßt.«

Han befeuchtete sich die Lippen. »Zehn Tage… aber, Jabba…«

Die Verbindung wurde schlagartig beendet. Han fiel schwer und ausgelaugt in den Pilotensitz zurück. Was soll ich bloß tun?

 

Sechs Tage später kehrte Han, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Credits von einigen Leuten einzutreiben, die ihm noch Geld schuldeten, nach Nar Shaddaa zurück. Obwohl er es haßte, das zu tun, würde er sich die Credits wohl oder übel von Freunden borgen müssen.

Er fand heraus, daß irgendwer, der in den Alptraum auf der Kessel-Route verwickelt gewesen war – ein imperialer Offizier vielleicht, oder ein einfacher Soldat –, über die Ereignisse geredet hatte. Seine Schmugglerkameraden betrachteten ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Unbehagen.

Mit Ehrfurcht, weil er den Kessel-Rekord eingestellt hatte, und mit Unbehagen, weil nun allgemein bekannt war, daß Jabba über seinen ehemaligen Lieblingspiloten verstimmt war – außerordentlich verstimmt.

Shug befand sich nicht auf dem Planeten, und Han fluchte, als er feststellen mußte, daß der Meistermechaniker abwesend war. Er wußte, daß Shug, obwohl die Summe seine Ersparnisse bis ans Limit belasten würde, so viel aufbringen konnte.

Han machte die Runde, und es gelang ihm, indem er eine Reihe alter Verbindlichkeiten einforderte, ein paar tausend Credits zusammenzubringen. Doch die Neuigkeiten darüber, was einigen der Captains auf Ylesia widerfahren war, hatten sich rasch verbreitet, und mehrere Kandidaten blickten einfach in eine andere Richtung, als Han auf sie zukam.

Schließlich suchte er Lando auf. Eigentlich hatte er das nicht tun wollen, aber ihm blieb keine andere Möglichkeit mehr.

Han klopfte an die Tür und hörte aus dem Innern die verschlafene Stimme des Spielers. »Wer ist da?«

»Ich bin’s, Lando«, rief der Corellianer. »Han.«

Dann vernahm er Schritte, und im nächsten Augenblick riß Lando die Tür auf. Noch ehe Han nur ein einziges Wort herausbringen konnte, holte Landos Faust zu einem gemeinen Kinnhaken aus, traf Hans Kiefer und ließ ihn zurück in die Eingangshalle taumeln.

Der Corellianer prallte gegen die Wand, rutschte daran zu Boden und landete auf dem Hinterteil. Han griff sich ans Kinn und bemühte sich zu sprechen, während bunte Punkte vor seinen Augen tanzten.

Lando ragte über ihm auf. »Du mußt das beste Nervenkostüm in der gesamten Galaxis besitzen, wenn du dich nach allem, was du auf Ylesia abgezogen hast, noch hierherwagst!« schrie er. »Du hast Glück, daß ich dich nicht einfach abknalle, du lausiger, heruntergekommener Betrüger!«

»Lando…«, brachte Han heraus. »Ich schwöre, ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte. Ich schwöre es…«

»Aber klar«, höhnte Lando, »natürlich hattest du keine Ahnung!«

»Würde ich wohl einfach so herkommen, wenn ich nicht unschuldig wäre?« erwiderte Han undeutlich. Seine Sprechwerkzeuge funktionierten nicht besonders gut, er konnte spüren, wie sein Kinn anschwoll. »Lando… das hat sie auch mir angetan. Dieser Ausflug hat mir absolut nichts eingebracht.«

»Das glaube ich dir nicht«, versetzte Lando kalt. »Aber wenn ich es täte, würde ich sagen: Prima, ihr habt einander verdient!«

»Lando«, sagte Han, »ich habe eine Ladung Gewürze verloren, die Jabba gehörte. Ich bin in einer verzweifelten Lage, Kumpel. Ich brauche dringend…«

»Was?« Lando packte mit beiden Händen Hans Jackenaufschläge und zerrte den Flieger auf die Füße. Dann stieß er den Corellianer gegen die Wand. Das dunkelhäutige Gesicht des Spieler befand sich nur eine Handbreit vor dem Hans. »Du bist hergekommen, weil du mich anpumpen willst?«

Es gelang Han zu nicken. »Ich kann es zurückzahlen… ehrlich…«

»Laß dir mal folgendes durch den Kopf gehen, Solo«, schnaubte Lando. »Wir waren mal Freunde, also werde ich dir nicht den Schädel wegblasen, was du eigentlich mehr als verdient hast. Aber laß dich nie wieder in meiner Nähe blicken!«

Er stieß Han noch einmal hart gegen das Mauerwerk und ließ den Corellianer dann los. Han glitt abermals an der Wand hinab, während Lando mit energischen Schritten in seiner Bleibe verschwand. Die Tür fiel krachend ins Schloß, und Han hörte das Klicken des Riegels.

Han kam langsam und schmerzhaft wieder auf die Beine. Sein Kinn pochte, und er schmeckte Blut. Tja, das war’s dann wohl, dachte er und starrte die verschlossene Tür an. Und jetzt?

 

»Wir kommen hier nicht mehr heil raus, oder?« Commander Bria Tharen ignorierte die kaum hörbare bange Frage, während sie hinter der Schutthalde in Deckung ging und ihren Blaster das verbrauchte Energiemagazin auswerfen ließ. Oder es zumindest versuchte. Das Magazin klemmte. Sie musterte die Waffe und stellte fest, daß das Dauerfeuer während der letzten Minuten der Schlacht die Energiekonnektoren zusammengeschmolzen hatte. Es war unmöglich, das leere Magazin herauszuziehen.

Sie zischte eine unterdrückte Verwünschung und robbte auf den Leichnam neben ihr zu. Jace Paols Züge waren zu einem Ausdruck verbissener, konzentrierter Wut erstarrt. Er war im Kampf gestorben, wie er es sich gewünscht hatte. Sie packte seine Waffe und zog sie behutsam unter seinem Körper hervor, doch noch ehe sie den Blaster ganz freibekommen hatte, sah sie, daß der Lauf geschmolzen war. Er war ebenso nutzlos wie ihre eigene Waffe.

Bria warf einen Blick auf die mitleiderregenden Überreste des Geschwaders Rote Hand und sagte: »Kann mir irgendwer Deckung geben? Ich muß irgend etwas abstauben, womit ich schießen kann.«

Joaa’n nickte und streckte den Daumen nach oben. »Bereit, Commander. Ich sehe im Moment nichts da draußen, was sich bewegt.«

»Also gut«, nickte Bria. Sie warf die nutzlose Waffe von sich und spähte vorsichtig über den Schutt, dann glitt sie lautlos seitlich um den Rand der Halde aus ihrer Deckung. Sie richtete sich gar nicht erst auf, da sie nicht genau wußte, ob ihr verletztes Bein sie im Stich lassen würde. Statt dessen bewegte sie sich weiter auf Händen und Knien vorwärts, blieb dicht am Boden und kroch durch das ausgefranste Loch in der Außenmauer der halb zerstörten imperialen Relaisstation, wo sie ihre letzte Schlacht schlugen.

Ein paar Meter weiter lag ein imperialer Soldat. Das Loch in seinem Brustpanzer schwelte noch.

Bria robbte rasch auf ihn zu und entledigte den Soldaten seiner Waffe und der Reservemagazine. Dabei registrierte sie sarkastisch, daß der Soldat, bevor er erschossen worden war, seine sämtlichen Granaten verbraucht haben mußte. Zu schade… ein paar Granaten hätte ich gut gebrauchen können. Bria dachte daran, die Rüstung des Mannes mitzunehmen, aber schließlich hatte sie ihm auch nicht viel genutzt.

Hier, außerhalb der Ruinen der imperialen Relaisstation auf der zum Sperrgebiet erklärten Welt Toprawa, vermochte sie besser zu hören – und zu atmen. Der Gestank des Schlachtgetümmels war frischer, leicht windiger Nachtluft gewichen. Bria kauerte hinter einem herabgestürzten Brocken Permabeton und wagte es, für einen kurzen Augenblick den Helm abzunehmen und sich über das schmutzige Gesicht zu wischen. Sie seufzte zufrieden, als die sanfte Brise kühl durch ihr schweißnasses Haar strich. Das letzte Mal hatte sie auf Togoria eine so angenehme frische Brise gespürt…

Wo bist du, Han? fragte sie sich wie so oft in letzter Zeit. Was tust du in diesem Augenblick? Sie fragte sich, ob Han jemals herausbekommen würde, was aus ihr geworden war. Würde es ihm überhaupt irgend etwas bedeuten? Haßte er sie? Sie hoffte, daß dem nicht so war, aber sie würde es niemals erfahren.

Bria dachte an jenen Tag auf Ylesia und wünschte, alles wäre anders gekommen. Doch… würde sie selbst denn irgend etwas anders machen, wenn sie das gleiche noch einmal tun müßte?

Sie lächelte traurig. Wahrscheinlich nicht…

Die erbeuteten Credits waren gerade recht gekommen und hatten geradewegs zu diesem Auftrag geführt. Torbul und die übrigen Führer hatten Einheiten der geheimen Aufklärung entsandt, die Ralltiir infiltrieren sollten. Diese Teams hatten entdeckt, daß die Imperialen die Basispläne für ihre neue Geheimwaffe in die zentralen Archive auf Toprawa brachten.

Torbul war offen zu ihr gewesen, als sie die Mission besprachen, und hatte Worte wie ›Bergung fraglich‹ und ›entbehrlich‹ verwendet. Bria hatte genau gewußt, auf was sie sich einließ, trotzdem hatte sie sich im Namen des gesamten Geschwaders Rote Hand freiwillig gemeldet. Sie wußte, daß für diesen Job die besten Leute gebraucht wurden, und sie war zuversichtlich, daß ihre Truppe den Erwartungen entsprechen würde. Und sie hatten ihnen entsprochen…

Dies war die bislang größte, unmittelbar gegen das Imperium gerichtete Offensive des Widerstands – eine koordinierte Offensive, die dazu diente, die Pläne der neusten imperialen Geheimwaffe zu stehlen und weiterzugeben. Bria kannte nicht alle Einzelheiten, aber ihr Auftrag hatte vorgesehen, diese imperiale Relaisstation auf Toprawa einzunehmen und so lange zu halten, bis die Kommunikationstechniker die geraubten Pläne an ein Kurierschiff der Rebellen übermittelt hatten: eine corellianische Korvette, die gerade wie zufällig durch dieses abgeriegelte Sternsystem fliegen würde.

Als Torbul Bria mitgeteilt hatte, daß die Rebellenallianz Freiwillige brauchte, die das Aufklärungsteam nach Toprawa begleiten sollten, um die Imperialen aufzuhalten, während die Komtechniker ihren Job erledigten, hatte Bria keinen Moment gezögert. »Die Rote Hand wird gehen, Sir«, lauteten ihre Worte. »Das schaffen wir.«

Sie blickte auf den Platz hinaus und betrachtete das Zerstörungswerk des Krieges, das von den Straßenlampen matt beleuchtet wurde. Leichen, umgekippte Bodenfahrzeuge, demolierte Gleiter… die Umgebung war ein einziges Chaos.

Bria dachte an Ylesia, daran, daß dieser ferne Ort ein weit größeres Chaos gewesen war… und sie war stolz darauf, daran ihren Anteil gehabt zu haben. Sie warf einen Blick in den Himmel und richtete ihre Gedanken auf die ›Vergeltung‹. Sie hatten den Kontakt zu dem Schiff verloren, und Bria befürchtete das Schlimmste.

Es ist Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, dachte sie und robbte zurück in die ausgebombte Relaisstation. Sie vernahm hinter sich das tiefe Brummen schwerer Repulsoren, nahm Deckung hinter der Mauer und spähte um die Ecke. Sie hob den Blick und entdeckte den matten Lichtschimmer der Panzerung eines gewaltigen rechteckigen Objekts, das über dem Permabeton des zerstörten Platzes schwebte.

Das schwere imperiale Panzerfahrzeug, das zu den Einheiten der ›Schwebenden Festungen‹ gehörte, setzte an einer geschützten Stelle hinter den Ruinen der Kommunikations- und Sensortürme auf; offensichtlich bereit, einen weiteren Angriff auf das Geschwader Rote Hand zu starten – oder auf das, was davon noch übrig war.

Bria kroch rückwärts, bewegte sich rasch, um ihren verbliebenen Mitstreitern die Neuigkeit zu überbringen.

»Zugehört, Leute«, wandte sie sich an die Überlebenden – so wenige! –, die hinter dem Schutz der Schanze lagen. Sie machte sich daran, die Energiemagazine auszugeben. »Sie kommen zurück. Wir müssen höllisch gut aufpassen und sie so lange wie möglich aufhalten.«

Niemand sagte etwas, alle nickten bloß und machten sich darauf gefaßt, ihre Arbeit zu tun. Bria war stolz auf sie. Sie waren Profis. Feinfühlige Profis. Es wird jetzt nicht mehr lange dauern, dachte sie und entdeckte eine für sie geeignete Stelle hinter der Schanze.

»Leute«, sagte sie laut, »habt ihr alle eure Einschlafhilfe?«

Gemurmelte Zustimmung.

Bria überprüfte ihre eigene. Sie befestigte die winzige Kapsel am Kragen ihres Kampfanzugs, so daß sie lediglich den Kopf senken und die Zunge ausstrecken mußte, um sie zu erreichen. Schließlich wüßte man vorher nie, ob man seine Arme noch würde benutzen können. Kommt schon, dachte sie in Richtung der Imperialen. Es ist grausam, uns warten zu lassen.

Was die Imperialen nicht wußten, war, daß sie bereits zu spät kamen. Es war der Roten Hand gelungen, die Verteidigungstruppen des Imperiums am äußersten Rand des Geländes zu binden, während die Komtechniker die Pläne an das Kurierschiff im All übermittelten. Die Operation gelang nur knapp, die Imperialen hatten die Kom- und Sensortürme lediglich Sekunden nach dem Ende der Übertragung gekappt – doch Bria hatte die Bestätigung von der ›Tantive IV‹ mit eigenen Augen gesehen. »Übertragung vollständig.«

Bria hatte, ehe die Sensoren ausfielen, außerdem das Abbild eines imperialen Sternzerstörers gesehen, der sich dem Blockadebrecher der Rebellen näherte. War das Kurierschiff davongekommen? Sie würde es nie erfahren…

Bria fragte sich, was genau sie da gesendet hatten, wußte jedoch, daß sie auch das niemals wissen würde. So wie es aussah, wußten sie und ihre Truppe zuviel… daher konnten sie unmöglich das Risiko eingehen, sich lebend fangen zu lassen. Das soll nicht heißen, daß die Imperialen heutzutage noch darauf aus sind, Gefangene zu machen, dachte sie.

Als sie sich bückte, um den Verband um ihren Oberschenkel zu begutachten, ließ sich der Soldat neben ihr mit derselben leisen Frage vernehmen, die sie sich vorhin zu beantworten geweigert hatte. »Wir kommen hier nicht mehr raus… nicht wahr?«

Bria sah ihn an. Er war kreidebleich unter dem eingedellten Helm und starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Sk’kot war ein guter Soldat; ihr treu ergeben, stand er loyal zu ihrer aller Sache. Aber er war so jung…

Und doch verdiente er eine ehrliche Antwort. »Nein, das werden wir nicht, Sk’kot«, erwiderte Bria, »und das wissen Sie. Die Imperialen haben unsere Raumschiffe vernichtet. Also kein Rückzug. Selbst wenn wir nicht den Befehl hätten, diese Relaisstation so lang wie irgend möglich zu halten, könnten wir auf dieser Welt nirgends hingehen. Nicht mal dann, wenn wir an den Sturmtruppen vorbeikämen… Wir besitzen kein Transportmittel.« Sie schenkte ihm ein milde ironisches Lächeln und deutete auf ihr verletztes Bein. »Ich würde wohl ziemlich albern aussehen, wenn ich versuchte, hier herauszuhüpfen, nicht wahr?«

Er nickte, und sein Gesicht zuckte gequält.

Sie faßte ihn ins Auge. »Sk’kot… wir dürfen nicht in Gefangenschaft geraten. Sie verstehen das, ja?«

Er nickte abermals, dann griff er nach seiner Einschlafhilfe und klemmte sie sich, so wie Bria es getan hatte, ans Revers. »Ja, Commander, ich verstehe das.« Seine Stimme bebte, doch die Hände an der Waffe waren völlig ruhig.

Er beugte sich näher zu ihr hinüber, weil er nicht wollte, daß die anderen ihn hörten. »Commander… ich… ich will nicht sterben.« Sein Eingeständnis schien an ihm zu zehren. Er zitterte.

»Helfen Sie mir mit diesem Verband, Sk’kot«, bat Bria und brachte ihn dazu, das Medipak fester an ihr Bein zu schnüren. Die Hände des Jungen wurden ein wenig ruhiger, als er an den Verbandszipfeln zerrte, um die Wunde neu zu verbinden.

»Fester!« forderte sie ihn auf, und er kam ihrer Aufforderung nach. Schmerz durchzuckte Bria wie ein Blitz und setzte die Schmerzmittel außer Kraft, die es ihr gestatteten, sich trotz der Verwundung zu bewegen.

»So, das sitzt!«

Als nächstes brach der junge Burrid neben Bria zusammen. Sie legte ihm den Arm um die Schulter, wie sie es mit einem geliebten Bruder tun würde, und lehnte sich gegen ihn.

»Ich möchte auch nicht sterben, Sk’kot. Aber ich will, verdammt noch mal, auch ganz sicher nicht, daß das Imperium gewinnt. Ich will nicht, daß gute Leute massakriert oder in die Sklaverei verkauft werden, und ich will keine Steuererhöhungen, bis die Leute nicht mal mehr ihre Familien ernähren oder anständig leben können. Oder daß jemand einfach ermordet wird, weil irgendein imperialer Mufti morgens mit dem falschen Fuß aufgestanden ist.«

Sk’kot lächelte ein wenig angesichts ihrer Redewendung.

»Also ist es ganz in Ordnung, daß wir hier nicht mehr lebend herauskommen, nicht wahr, Sk’kot? Es ist in Ordnung, daß wir untergehen, während wir unsere Arbeit machen, weil sie…« Sie wies mit einer ruckartigen Bewegung des Kinns auf ihre toten Kameraden. »…die ihre gemacht haben. Wir können sie nicht im Stich lassen, richtig?«

»Richtig, Commander«, nickte Sk’kot.

Bria zog ihn mit einem kleinen, traurigen Lächeln fest an sich, und er erwiderte die Umarmung. Er hatte unterdessen zu zittern aufgehört.

In diesem Moment rief Joaa’n, der Wache hielt: »Sie bewegen sich hierher!«

Bria rollte sich zur Seite und stieß Sk’kot auf seine Position. Sie peilte rasch zwischen zwei Trümmerstücken hindurch und erteilte Befehle, ohne ihre Augen von dem schmalen Durchbruch abzuwenden. »Joaa’n, Sie bleiben erst mal unten und bereiten ihren Werfer vor. Sobald der Rest von uns zu schießen angefangen hat, versuchen Sie sich rauszuschleichen und die Schwebende Festung festzunageln. Alles klar?«

»Ja, Commander.«

»Und denkt, nachdem ihr gefeuert habt, daran, eure Stellung zu wechseln, Leute, oder sie schießen sich mit den Schnellfeuerblastern auf euch ein. Alles fertig?«

Gemurmelte Bestätigungen antworteten ihr. Bria nahm ihren geborgten Blasterkarabiner und checkte die Ladung. Sie blickte am Lauf entlang und dachte: Lebewohl, Han…

Hinter der löcherigen Mauer regte sich etwas, und Bria atmete tief durch. »Eröffnet das Feuer!«

 

Tatooine ist so ein Dreckloch, dachte Han, während er und Chewie sich ihren Weg durch nachtschwarze Nebenstraßen bahnten. Jalus Nebl hatte ja so recht…

Die beiden Schmuggler waren erst vor wenigen Stunden angekommen. Han hatte beschlossen, daß der einzig gangbare Weg, Jabba um eine Fristverlängerung für die Erstattung der abgeworfenen Gewürze anzugehen, darin bestand, persönlich mit ihm zu konferieren. Doch die Dinge entwickelten sich nicht allzu vielversprechend.

Es war ihm bisher nicht gelungen, Jabba via Kom zu erreichen und um eine Audienz zu bitten. Und auf der Startrampe 94, wo die ›Falcon‹ festgemacht hatte, war er auf diesen dämlichen Rodianer gestoßen, Greedo, der dort herumschnüffelte. Der Clown hatte versucht, Han hochzunehmen, und angedeutet, Jabba hätte ein Kopfgeld auf den Corellianer ausgesetzt.

Wie in einem Widerhall von Hans Gedanken stellte Chewbacca mit leiser Stimme fest, daß auf den Straßen das Gerücht im Umlauf sei, der rodianische Bursche Greedo treibe sich in Gesellschaft eines ehemaligen Kopfgeldjägers herum.

Han schnaubte. »Chewie, du weißt ebensogut wie ich, daß Jabba uns bloß eine kleine Botschaft zukommen läßt, indem er diesen einfältigen Schläger Greedo anheuert. Wenn Jabba mich wirklich tot sehen wollte, würde er jemanden beauftragen, der den Job auch beherrscht. Greedo ist so dämlich, daß er sein eigenes Hinterteil nicht mal mit beiden Händen und ‘nem Glühstab finden würde.«

Chewbacca, der gleichfalls eine niedrige Meinung von dem Rodianer hatte, heulte zustimmend.

Han hatte ein paar Credits zurückgelegt und beschloß nun, das hiesige Glücksspiel einer genauen Prüfung zu unterziehen. Vielleicht gewann er ja genug Credits, um eine beträchtliche Anzahlung leisten zu können, die Jabba zunächst zufriedenstellen würde. Dann würde er sich darauf konzentrieren können, den Rest der Summe zusammenzukratzen…

Sie betraten die ›Kraytdrachen-Lounge‹ und sahen sich um. Da drüben in der Ecke war unübersehbar eine Partie Sabacc im Gange. Während Han und Chewie sich näherten, nahm der Corellianer einen der Spieler, einen hageren Kerl mit roten Haaren und regelmäßigen Gesichtszügen, genauer in Augenschein. »He!« rief Han. »Wie klein das Universum ist! Wie geht es dir, Dash?«

Dash Rendar blickte hoch und lächelte den Corellianer argwöhnisch an. »He, Solo! Chewbacca! Lange nicht gesehen. Was hab’ ich da über gewisse Kapriolen auf Ylesia gehört?«

Han stöhnte vernehmlich. Dash Rendar wies auf zwei unbesetzte Stühle, und Han und Chewie nahmen Platz.

»Lassen Sie mich einsteigen, Herrschaften«, rief Han und brachte eine Handvoll Credits zum Vorschein. »Willst du spielen, Chewie?«

Der Wookiee schüttelte denn Kopf und schlenderte auf der Suche nach einer flüssigen Erfrischung zur Bar.

Han warf Rendar einen Blick zu. »He, Dash, was hast du denn über die Sache auf Ylesia so gehört?« So wie die Leute auf Nar Shaddaa ihn abgefertigt hatten, war es ein gutes Gefühl, auf einen Bekannten zu treffen, der noch mit ihm redete.

»Oh, ich habe letzte Woche zufällig Zeen Afit und Katya M’Buele getroffen, und sie haben mir davon erzählt«, erwiderte Rendar, während er Kartenchips ausgab. »Sie meinten, ihre Rebellen hätten sie fair behandelt, aber die, mit denen du dich eingelassen hattest, hätten alle hereingelegt. Stimmt das?«

Han nickte. »Ja. Es stimmt. Mich haben sie auch hereingelegt, aber das will mir keiner glauben.« Han schaute mißmutig drein. »Aber ich lüge nicht, wenn ich das behaupte. Jabba steht kurz davor, ein Kopfgeld auf mich auszusetzen, weil ich meine Schulden nicht zurückzahlen kann.«

Rendar zuckte die Achseln. »Dumm gelaufen«, meinte er. »Ich persönlich habe einen Grundsatz daraus gemacht, mich niemals mit diesen Rebellen einzulassen.«

»Tja, das war auch mal mein Grundsatz«, gab Han zurück. »Aber diese Sache schien ein so verlockendes Geschäft zu sein…«

»Ja, Katya und Zeen waren auch richtig glücklich und haben mit Geld nur so um sich geschmissen, als wär’s Bantha-Futter«, verkündete Rendar.

Sie hatten erst ein paar Minuten gespielt, und Han verlor, als er spürte, wie jemand an seinem Ärmel zupfte. Er blickte nach unten und sah eine kleine Chadra-Fan vor sich stehen. »Häh?«

Sie quiekte ihn an, und Han runzelte die Stirn. Er beherrschte ihre Sprache nicht allzugut.

»Kabe sagt, draußen wartet einer, der mit dir sprechen will«, übersetzte Rendar.

Jabba! Jabba hat endlich meine Nachrichten erhalten und will mich sehen, dachte Han. Er hat jemanden geschickt, der mich zu ihm führen soll. Jetzt kann ich endlich mit ihm reden und die Wogen glätten…

Han legte seine Kartenchips ab, stand auf und signalisierte Chewie, sein Glas zu leeren. »Okay, ich überspringe die Runde. Kann sein, ich komme später wieder.«

Mit einer Hand am Kolben des Blasters folgten Han und Chewie der Chadra-Fan durch die Hintertür hinaus auf die Gasse. Sie blieben eine Sekunde untätig stehen und blickten sich um, sahen jedoch niemanden. Plötzlich wirbelte Chewie herum und knurrte. Eine Falle! wurde Han im selben Moment klar.

Die Hand des Corellianers fiel auf den Blaster hinab, doch ehe er ziehen konnte, vernahm er eine allzu bekannte Stimme. »Keine Bewegung, Solo. Lassen Sie den Blaster fallen. Und sagen Sie dem Wookiee, wenn er sich rührt, seid ihr beide totes Fleisch. Ich könnte noch einen Wook-Skalp für meine Sammlung gebrauchen.«

»Chewie!« wandte Han sich scharf an den knurrenden Wookiee. »Rühr dich nicht von der Stelle!« Han zog langsam die Waffe, ließ sie aus den Fingern in den Staub der Gasse gleiten.

»Umdrehen, alle beide! Aber langsam!«

Der Corellianer und der Wookiee gehorchten.

In einem dunklen Winkel der Gasse stand Boba Fett, und Han wußte, daß er ein toter Mann war. Jabba mußte sich dafür entschieden haben, einen wirklichen Kopfgeldjäger anzuheuern, um sicherzugehen, daß der Auftrag zuverlässig erledigt wurde.

Han straffte sich, aber Fett schoß nicht. Statt dessen drang seine künstlich gefilterte Stimme an das Ohr des Corellianers.

»Entspannen Sie sich, Solo. Ich bin nicht wegen eines Kopfgeldes hier.« Fett warf Kabe einen Credit zu. Das kleine Wesen tat einen flinken Schritt nach vorn, fing den Credit und verschmolz anschließend, glücklich plappernd, mit den Schatten.

»Sie sind nicht wegen eines Kopfgeldes hier?« wiederholte Han. Chewie knurrte, ebenso erstaunt wie sein Partner.

»Jabba hat Greedo erzählt, daß eine Belohnung auf Sie ausgesetzt wurde«, berichtete Fett. »Aber er benutzt diesen Schwachkopf bloß, damit Sie nicht einrosten. Als Erinnerung daran, daß es ihm ernst ist mit Ihrer Rückzahlung. Wenn Jabba Sie wirklich tot sehen wollte, wüßten Sie, wen er beauftragen würde.«

»Ja«, nickte Han. »Da ist was dran.« Er hielt inne. »Und… weshalb sind Sie hier?«

»Ich bin vor einer Stunde gelandet«, erwiderte Fett. »Ich habe jemandem etwas versprochen, und ich halte stets mein Wort.«

Han legte die Stirn in Falten. »Wovon reden Sie, Fett?«

»Sie ist tot«, sagte Boba Fett einfach. »Ich habe ihr vor einiger Zeit versprochen, es ihrem Vater zu sagen, wenn sie stirbt, damit er nicht sein ganzes Leben damit zubringt, sich zu fragen, was aus ihr geworden ist. Aber sie kam nie dazu, mir seinen Namen zu verraten. Also habe ich beschlossen, es Ihnen zu sagen, damit Sie ihn benachrichtigen können.«

»Tot?« preßte Han leise durch taube Lippen. »Bria?«

»Ja.«

Han fühlte sich, als hätte ihm jemand in den Bauch getreten. Chewie gab ein leises mitfühlendes Kollern von sich und legte dem Freund eine zottige Hand auf die Schulter. Han stand lange Zeit einfach nur da und versuchte mit all den widerstreitenden Emotionen klarzukommen. Trauer war jedoch das vorherrschende Gefühl. Trauer und Bedauern…

»Tot«, sagte er noch einmal matt. »Wie haben Sie es herausgefunden?«

»Ich habe Zugang zu imperialen Datennetzen. Bria Tharen starb vor sechsunddreißig Stunden. Die Imperialen haben ihren Leichnam eindeutig identifiziert. Ihr Geschwader spielte die Nachhut bei einer Geheimoperation.«

Han schluckte. Sag mir jetzt nicht, daß sie umsonst gestorben ist! »Haben sie ihr Ziel erreicht?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete die mechanische Stimme. »Irgend jemand muß es ihrem Vater sagen, Solo. Ich habe ihr mein Wort gegeben… und ich halte immer Wort.«

Han nickte schwach. »Das tue ich«, sagte er. »Renn Tharen kennt mich.« Das wird ein schwerer Schlag für ihn sein… Er schluckte noch einmal, und es tat ihm in der Brust weh. Chewie wimmerte leise.

»Gut«, sagte Fett, dann trat der Kopfgeldjäger einen Schritt zurück in die Schatten.

Einen Augenblick später waren Han und Chewie wieder allein. Der Corellianer ging langsam in die Knie und hob seinen Blaster auf. Erinnerungen an Bria überschwemmten ihn… Hast du an mich gedacht, meine Süße? fragte er sich. Ich hoffe nur, du bist schnell und schmerzlos gestorben…

Han ging mit schleppenden Schritten, als er und Chewbacca sich umwandten, die Mündung der Gasse ansteuerten und schließlich in die Hauptstraße einbogen. Er mußte jemanden auftreiben, der ihn seine Kom-Einheit benutzen ließ – er hatte eine sehr wichtige Nachricht abzuschicken…