13
…UND FEUER
Durga aktivierte sein Komsystem und gab den Code ein, den er vor Jahren von seinem Vater erhalten hatte. Er fragte sich, ob die Kombination wohl noch die richtige sein mochte. Dies war schließlich ein überaus wichtiger Anruf…
Es dauerte einige Minuten, bis die Verbindung aufgebaut war, die sich darüber hinaus als ziemlich schlecht erwies. Sein Gesprächspartner mußte sich in großer Entfernung zum Äußeren Rand aufhalten. Schließlich baute sich das Bild auf, und die holographische Gestalt des berühmtesten Kopfgeldjägers der Galaxis erschien – flimmernd und an den Rändern unscharf. Doch Durga hörte laut und deutlich Fetts mechanisch gefilterte Stimme.
»Boba Fett, hier ist Durga, Lord der Besadii«, begann der Hutt. »Ich grüße Sie.«
»Lord Durga«, die ausdruckslose Stimme verriet nichts… weder Interesse, noch Überraschung oder Neugier. »Ich bin weit vom Äußeren Rand entfernt. Was gibt es?«
»Ich wünsche, daß Sie einen Prioritätsauftrag übernehmen«, antwortete Durga. »Die Angelegenheit ist sehr delikat, möglicherweise sogar heikel. Aus diesem Grund brauche ich Sie. Ich weiß, daß Sie Ihre Aufträge planmäßig ausführen. Und es darf in diesem Fall keine Fehler geben. Ich brauche den besten Mann.«
Boba Fett senkte den Kopf. »Seid Ihr gewillt, den Bonus für einen Prioritätsauftrag zu zahlen? Ich muß angemessen entschädigt werden, wenn ich meine Aufmerksamkeit von anderen Aufträgen abziehe und mich ausschließlich auf Euren konzentriere.«
»Ja, ja, bin ich«, nickte Durga. »Es geht um den Hohepriester von Ylesia, Teroenza. Ich bin bereit, Ihnen dafür die Summe von zweihunderttausend Credits zu zahlen.«
»Das reicht nicht. Dreihunderttausend«, gab Boba Fett prompt zurück, »und ich werde unverzüglich zum Äußeren Rand zurückkehren.«
Durga zögerte, dann nickte er. »Also gut. Der zeitliche Ablauf ist hier entscheidend. Ich wünsche, daß Sie mir als Beweis für Teroenzas Ableben sein Horn bringen. Aber Sie dürfen ihn erst fünf Stunden vor meiner Landung auf Ylesia töten. Sie müssen Teroenza so töten, daß die übrigen T’landa Til dort einige Stunden lang nichts von seinem Tod erfahren. Denn wenn die anderen Priester herausfinden, daß ihr Führer umgebracht wurde, werden sie womöglich versuchen, einen Aufstand anzuzetteln. Verstanden?«
»Positiv. Ich nehme vor dem Anschlag Kontakt zu Euch auf und lasse mir den Zeitplan bestätigen. Und ich sorge dafür, daß kein anderer T’landa Til von seinem Tod erfährt.«
»Richtig.« Durga nannte ihm den ID-Code seines Raumschiffs, und Fett bestätigte ihn. »Ich möchte Euch noch einmal an die Modalitäten eines Prioritätsauftrags erinnern«, sagte Fett dann. »Ich werde mich ausschließlich dem von Euch genannten Ziel widmen und keine anderen Aufträge annehmen, bis ich Euch das Horn des Hohepriesters geliefert habe. Der Prioritätsauftrag für Teroenza ist mit dreihunderttausend Credits dotiert.«
»Richtig«, bestätigte Durga.
»Fett Ende.«
Das unscharfe Holobild des waffenstarrenden Kopfgeldjägers flackerte und löste sich dann ganz auf. Durga stellte das Kom anschließend auf eine lokale Frequenz ein, um ein Gespräch mit Zier anzumelden. Sein Hutt-Lieutenant hatte ihm versichert, die Suche nach einem Nachfolger für Teroenza mittlerweile auf drei T’landa Til eingegrenzt zu haben. Durga würde sie persönlich befragen und den neuen Hohenpriester für Ylesia selbst auswählen.
Durga dachte zum wiederholten Male daran, wie befriedigend es sein würde, das blutige Horn des Hohepriesters in den zierlichen Händen zu halten. Vielleicht würde er es sogar auf einen Sockel schrauben und an die Wand hängen…
Während der folgenden zwei Tage bereisten Bria Tharen und Han Solo gemeinsam Nar Shaddaa, rekrutierten Schmuggler und Freibeuter, die ihnen während der ylesianischen Operation als Pilotenführer und – im Fall der Freibeuter – als mögliche Verstärkung dienen sollten. Dabei betonten sie vor allem die leichte Beute, die auf Ylesia zu gewinnen sein würde, und dem Überreichtum an Gewürzen, den die Besadii gehortet hatten.
Sie achteten beide sorgsam darauf, bei ihrem ›geschäftlichen‹ Übereinkommen zu bleiben, doch Bria spürte eine wachsende Spannung bei Han und erkannte, daß sich darin ihre eigenen Gefühle widerspiegelten. Er erzählte ihr, was er in den zurückliegenden zehn Jahren getrieben hatte, und sie berichtete von ihrem Leben im Widerstand. Sie erklärte ihm, daß sie, nachdem sie ihn auf Coruscant zurückgelassen hatte, von Welt zu Welt gewandert war und unentwegt gegen ihre Abhängigkeit von der Erhöhung angekämpft hatte.
»Zweimal habe ich mir allen Ernstes eine Fahrkarte gekauft und stand bereits in der Warteschlange, um an Bord eines Schiffs nach Ylesia zu gehen«, berichtete sie. »Und als es darauf ankam, habe ich es beide Male einfach nicht gekonnt. Ich trat aus der Reihe der Wartenden, ging weg und brach zusammen.«
Doch schließlich fand sie auf Corellia eine Gruppe, die ihr half, mit ihrer Sucht klarzukommen und zu verstehen, warum sie sich so leer und getrieben vorkam. »Ich habe Monate tiefster Selbsterforschung gebraucht«, fuhr sie fort. »Monate, um herauszufinden, weshalb ich mich selbst verletzen wollte. Am Ende kam mir zu Bewußtsein, daß ich mich nicht selbst hassen muß, bloß weil meine Mutter mich dafür gehaßt und abgelehnt hat, daß ich nicht so war, wie sie mich haben wollte. Ich mußte mich nicht in einem verrückten Versuch, sie zufriedenzustellen, selbst zerstören.«
Han, der sich gut an Brias Mutter erinnerte, schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. »Ich habe mich immer betrogen gefühlt, weil ich niemals wissen werde, wer meine Eltern waren. Das heißt… bis ich deiner Mutter begegnete, Bria«, entgegnete er. »Es gibt Schlimmeres, als Waise zu sein.«
Sie ließ ein unbeständiges Lachen hören. »Da hast du recht, Han.«
Viele Freibeuter und Schmuggler reagierten mit großem Interesse auf Brias Vorschlag, und es gelang ihnen, eine ganze Menge von ihnen zu verpflichten. Es schadete nicht, daß Jabba das Unternehmen finanziell absicherte und seine Piloten zur Teilnahme zwang. Zahlreiche Piloten, die an vorderster Front für ihn arbeiteten, erklärten sich rasch damit einverstanden, als Lotsen mitzuwirken.
Während der ganzen Zeit zog die Rebellenallianz Schiffe im All zusammen, so daß deren Captains sowie die Bodenkommandeure auf den Schlachtplan eingeschworen werden konnten. Nachdem Bria und Han so viele Schmuggler rekrutiert hatten, daß sie über mindestens einen Schmuggler pro Angriffsstaffel der Rebellen verfügten, nahmen sie die ›Millennium Falcon‹, um sich bei den verabredeten Tiefraum-Koordinaten mit den Rebellen zu treffen – ein Punkt im Weltraum, der weit ab der regulären Schiffahrtswege lag und dennoch nur einen unkomplizierten Hypersprung von Ylesia entfernt.
Bria zeigte sich fasziniert von Hans ›Falcon‹ und angemessen beeindruckt von dessen Geschwindigkeit und Ausrüstung. Han genoß es, sie im Schiff herumzuführen und auf all seine speziellen Modifikationen hinzuweisen. In Vorbereitung auf den bevorstehenden Bodenangriff hatte er Shug und Chewie schließlich dazu überreden können, ihm bei der Montage der Bugkanone zu helfen, die er sich schon seit langem wünschte. Da es sich um eine planetare Operation handelte, bestand durchaus die Möglichkeit, daß sie sich als sehr nützlich erweisen würde.
Als die ›Falcon‹ auf einen Annäherungskurs ging, um an der ›Vergeltung‹ festzumachen, lächelte Bria Han an. »Du hast mir deines gezeigt… jetzt laß mich dir meines zeigen«, sagte sie.
Han lachte. Es war der entspannteste Augenblick, den sie seit ihrem Wiedersehen erlebten. »Schönes Schiff«, befand er und bewunderte die klare, stromlinienförmige Silhouette der Marauder-Korvette vor dem Sternenmeer.
Als sie an Bord gingen, wurden sie von Tedris Bjalin begrüßt, dem Captain der ›Vergeltung‹. Han erkannte ihn erstaunt. »Tedris!« rief er aus und blickte den hochgewachsenen, allmählich kahl werdenden Mann in der Rebellenuniform an. »Wie, um alles in der Galaxis kommst du denn hierher?«
Brias Blick wanderte von einem zum anderen. »Ihr kennt euch?«
»Und ob«, rief Han und walkte Tedris Bjalins Hand durch. Dann klopften sich die Männer gegenseitig auf den Rücken. »Tedris und ich, wir waren auf der Akademie in derselben Abschlußklasse.«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Bjalin. »Nach dem, was du an Bord der ›Schicksal‹ zu mir gesagt hattest, mußte ich immer öfter daran denken, daß die Streitkräfte allmählich genauso korrupt wurden wie das Imperium selbst. Und dann…« In seinen knochigen Gesichtszügen zuckte ein Nerv. »Han, ich komme von Tyshapahl, erinnerst du dich?«
Han hatte es vergessen. Er sah seinen alten Freund an, und langsam ging ihm ein Licht auf. »Oh… Tedris… das tut mir leid. Deine Familie?« Der Corellianer hatte Bjalins Familie während der Ausbildung getroffen.
»Bei dem Massaker getötet«, bestätigte Tedris. »Danach konnte ich nicht mehr bleiben. Ich wußte plötzlich, daß ich gegen sie kämpfen mußte, auf jede mir nur mögliche Weise!«
Han nickte.
Bria führte nun ihrerseits Han auf dem Schiff herum. Dabei lernte er noch eine neue Seite an ihr kennen, und als ehemaliger Angehöriger des Militärs war er beeindruckt von der Disziplin und Wachsamkeit ihrer Truppe. Die Mitglieder des Geschwaders Rote Hand verehrten ihren Commander offensichtlich. Han erfuhr, daß viele von ihnen ehemalige Sklaven und daher bereit waren, ihr Leben für die Befreiung jener zu geben, die noch in Ketten lagen.
Bria stellte Han anderen Rebellenführern vor, und gemeinsam nahmen sie an mehreren Planungssitzungen teil, um den Überfall vorzubereiten. Die Bothans würden für die nötige Rückendeckung sorgen, und die Sullustaner hatten zehn Raumschiffe und fast zweihundert Kämpfer geschickt. In den Jahren, die seit Hans und Brias Abschied von Ylesia vergangen waren, hatte Sullust zahllose Bürger verloren, die nach Ylesia gegangen waren, um Pilger zu werden. Zusätzlich zu den zahlreichen Schiffen des corellianischen Widerstands fanden sich auch Truppen von Alderaan (wenngleich ein Großteil der alderaanischen Unterstützung aus medizinischem Personal, Transporterpiloten und anderen Nichtkämpfern bestand) und Chandrila ein.
»Es war ein hartes Stück Arbeit, die Allianz davon zu überzeugen, daß diese Operation durchführbar ist«, vertraute Bria Han an. »Aber es hat sich deutlich gezeigt, daß unsere Leute dringend Kampferfahrung brauchen. Es ist mir gelungen, das Hauptquartier davon zu überzeugen, daß dieser Überfall den Soldaten helfen wird, das nötige Selbstvertrauen zu erlangen, um es mit dem Imperium aufzunehmen.«
Sämtliche Rebellenraumer vom Äußeren Rand waren zu dem bevorstehenden Angriff abkommandiert worden. Han betrachtete die zusammenströmende Flotte mit prüfendem Blick und mußte einräumen, daß sie vielleicht eine Chance hatten. Dann hielt er eine Reihe von Einsatzbesprechungen für die Rebellenpiloten ab, die die Landungsboote des Widerstands durch die ylesianische Atmosphäre steuern würden.
Während der ersten dieser Einsatzbesprechungen traf er auf einen weiteren alten Bekannten. »Jalus!« rief er, als der kleine Sullustaner mit den Hängebacken in das Planungszentrum der ›Vergeltung‹ marschiert kam. »Was, zur Hölle, machen Sie denn hier?«
Jalus Nebl deutete auf seine zusammengewürfelte Rebellenuniform. »Wie sieht das hier wohl aus?« quiekte er. »Die ›Ylesianische Traum‹ heißt jetzt ›Freiheitstraum‹, und mein Schiff leistet der Rebellion jetzt schon seit mehreren Jahren treue Dienste.«
Han stellte dem Sullustaner Bria vor, und sie freute sich, den tapferen Piloten, der sie vor der ›Joch des Heloten‹ gerettet hatte, schließlich doch noch persönlich kennenzulernen. Die drei gedachten der Vergangenheit und ihrer wagemutigen Flucht von dem Sklavenplaneten.
Jalus Nebl und Han waren gleichermaßen beeindruckt, als sie hörten, daß Brias Gruppe die ›Joch‹ eingenommen und auf den Namen ›Vergeltung‹ umgetauft hatte. Die generalüberholte ›Vergeltung‹ würde auf der Seite des Widerstands an diesem Überfall teilnehmen und Landungsboote und Reservetruppen unter dem Kommando eines weiteren Rebellenführers transportieren.
Als Bria Han dabei zusah, wie er mit den Rebellenkommandeuren und den übrigen Missionsteilnehmern umging, stellte sie fest, daß sie noch nie zuvor glücklicher gewesen war. Han schien die Möglichkeit, seinen alten militärischen Lebensstil wieder aufnehmen, seine Mahlzeiten in der Messe einnehmen und mit ihren Soldaten reden und scherzen zu können, aus vollen Zügen zu genießen. Sie respektierten sein Wissen und seinen militärischen Hintergrund als ehemaliger imperialer Offizier – vor allem, nachdem Tedris Bjalin ein paar von Slicks wilderen Eskapaden während ihrer gemeinsamen Tage an der Akademie zum besten gegeben hatte.
Sie hoffte, Han würde begreifen, daß der Widerstand der Ort war, wo er hingehörte – der Widerstand und sie selbst. Jeder Augenblick, den sie miteinander verbrachten, gab ihr das Gefühl, nach Hause zu kommen, obwohl sie auch weiterhin darauf achtete, ›geschäftliche‹ Distanz zu wahren. Und während dieser Zeit fragte sie sich unablässig, wie Han wohl über sie denken mochte…
Am Ende des zweiten Tages an ihrem Tiefraumtreffpunkt, während die Rebellenflotte sich weiter versammelte, erhielt Bria die Nachricht, daß sie gebraucht wurde, um sich auf Ord Mantell mit potentiellen Alliierten der Allianz zu treffen. Han, den die Gelegenheit, die Geschwindigkeit seines Raumers vorzuführen, mit Stolz erfüllte, bot ihr an, sie mit der ›Falcon‹ dorthin zu bringen. Doch bei seinem ersten Versuch, in den Hyperraum zu springen, verweigerte ihm die eigensinnige ›Falcon‹ die Zusammenarbeit. Nachdem zwei Knüffe mit dem Ellbogen nichts brachten, mußte Han einige verschwitzte und peinliche Minuten darauf verwenden, sein Raumschiff mit einem Hydroschrauber zur Kooperation zu bewegen.
Als sie sich schließlich im Hyperraum befanden, nahm Bria im Sitz des Kopiloten Platz, beobachtete Han dabei, wie er sein Schiff dirigierte, und bewunderte seine Selbstsicherheit. »Ein wunderbares Schiff, Han«, sagte sie. »Ich habe zugesehen, wie du es gewonnen hast, weiß du?«
Han drehte sich überrascht zu ihr um. »Was? Du warst dort?«
Bria erzählte ihm von ihrer Reise nach Bespin, als dort gerade das große Sabacc-Turnier stattfand. »Ich habe dir die Daumen gedrückt«, ergänzte sie. »Als du gewonnen hattest, hätte ich am liebsten…« Sie besann sich, errötete und verfiel in Schweigen.
»Hättest am liebsten was?« wollte Han wissen. Er sah sie durchdringend an.
»Oh… ich habe mir bloß gewünscht, meine Tarnung aufgeben und dir gratulieren zu können«, erwiderte sie. »Ach, übrigens, was hast du eigentlich dieser Barabel angetan, daß sie so wütend auf dich war?«
Han sah sie an, dann bebten seine Mundwinkel, und er brach in schallendes Gelächter aus. »Du hast Shallamar getroffen?«
»Nicht offiziell«, antwortete Bria trocken, »aber ich stand als Zuschauerin zufällig neben ihr, nachdem sie ausgeschieden war. Das war vielleicht eine verrückte Schlange, ich sag’s dir.«
Han kicherte und erzählte ihr dann, wie er und Shallamar damals, vor fünf Jahren, auf Devaron aneinandergeraten waren. »Sie meinte, sie würde mir den Kopf abbeißen«, berichtete er, »und das hätte sie, wenn Chewie nicht gewesen wäre, auch ganz bestimmt getan.«
»Devaron? Oh ja, ich erinnere mich…«, begann Bria und verstummte abermals, als sie Hans Blick bemerkte. Sie biß sich angesichts der Intensität seines unverwandten Blicks auf die Lippen.
»Dann warst du das also wirklich, an jenem Tag bei der ylesianischen Erweckung«, sagte Han. »Ich hatte schon geglaubt, Visionen zu haben. Ich habe nach diesem Tag monatelang nichts mehr getrunken.«
Bria nickte. »Ja, das war ich, Han. Aber ich konnte nicht zulassen, daß du meine Tarnung auffliegen läßt. Ich befand mich wegen einer Mission in dieser Menge.«
»Was war das für eine Mission?«
Sie hielt seinem Blick stand. »Die Ermordung von Veratil, dem T’landa Til. Aber du hast es damals vereitelt. Soweit ich weiß, ist Veratil immer noch am Leben – wenn auch nicht mehr allzu lang.«
Er betrachtete sie eingehend. »Du hast wirklich schon so ziemlich alles für den Widerstand getan, nicht wahr?«
Hans Blick bekümmerte Bria. »Schau mich nicht so an, Han!« rief sie. »Sie sind böse! Sie verdienen es, getötet zu werden!«
Er nickte langsam. »Ja, ich schätze, du hast recht. Aber… es ist irgendwie deprimierend, weiß du?«
Sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. »Manchmal deprimiere ich mich selbst.«
Als sie nach Ord Mantell kamen, traf sich Bria mit den dortigen Führern des Widerstands, um ihnen ihre Mission und deren Bedeutung auseinanderzusetzen. Nach der Begegnung war sie in Hochstimmung, da die Rebellen ihr versprochen hatten, drei Raumschiffe und einhundert Mann zu entsenden und außerdem umgehend geeignete Ausrüstung und medizinisches Personal zur Verfügung zu stellen.
Als Han und Bria sich gerade darauf vorbereiteten, wieder an Bord der ›Falcon‹ zu gehen, um die Rückreise zu dem Tiefraumtreffpunkt der Rebellen anzutreten, kam einer der Junioroffiziere der lokalen Rebellen mit einer Nachricht an Bria. Sie prüfte den Inhalt, hob den Blick zu Han und lächelte ihn kurz an. »Das Hauptquartier hat eine Nachricht von Togoria empfangen. Es gibt ein kleines Kontingent Togorianer, die sich freiwillig gemeldet haben und mitmachen wollen. Man erwartet, daß wir sie auf dem Rückweg abholen und mitnehmen.«
Langsam erschien ein Lächeln auf Hans Gesicht. »Muuurgh und Mrrov?« riet er.
»Das steht hier nicht. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, daß sie zu der Gruppe gehören«, entgegnete Bria. »Können wir?«
»Klar«, nickte Han, ohne sie anzusehen. »Togoria ist eine schöne Welt. Ich hätte nichts dagegen, sie mir noch einmal anzuschauen.«
Bria blickte ebenfalls weg. Sie und Han waren sich zum ersten Mal an einem togorianischen Strand nähergekommen. Der Planet war wunderschön und barg für sie beide zahllose Erinnerungen.
Sie sprachen wenig während der Reise. Bria stellte fest, daß sie so nervös war, daß sich ihr Magen verkrampfte. Und sie fragte sich, wie es Han ergehen mochte…
Han brachte die ›Falcon‹ langsam auf das Landefeld am Rand von Caross herunter, der größten Stadt auf Togoria. Nachdem er die nach einem Flug üblichen Checks durchgeführt und sein Logbuch aktualisiert hatte, machten er und Bria sich auf den Weg zur Rampe. Eine Handvoll Togorianer eilte ihnen bereits über das Landefeld entgegen, und Han glaubte, ein riesiges schwarzes männliches Exemplar mit weißem Fell an der Brust und weißen Schnurrhaaren zu erkennen. Und bei ihm sah er eine kleinere weiße und orangefarbene togorianische Frau.
Bria lächelte aufgeregt. »Muuurgh und Mrrov!«
Die beiden Menschen rannten die Rampe hinunter und erreichten festen Boden, um im nächsten Moment so leidenschaftlich gepackt und umarmt zu werden, daß ihre Füße in der Luft baumelten.
»Muuurgh!« rief Han. Er war so froh, seinen alten Freund wiederzusehen, daß er schließlich mit beiden Fäusten gegen die Brust des Katzenwesens trommelte, während seine Füße noch immer hin und her schaukelten. »Wie geht’s dir, Kumpel?«
»Han…« Muuurgh schnürten die Emotionen beinahe die Kehle zu. Togorianer waren eine sehr feinfühlige Spezies, besonders die Männer. »Han Solo… Muuurgh sehr glücklich, Han Solo wiederzusehen. Zu lange schon her!«
Er hat offenbar nicht geübt, Basic zu sprechen, dachte Han amüsiert. Muuurghs Basic war stets ziemlich bruchstückhaft gewesen. Aber nach so langer Zeit stand es schlimmer darum denn je. »He, Muuurgh! Mrrov! Großartig, euch beide wieder zu sehen!«
Nachdem das Begrüßungszeremoniell vorüber war, erklärte Mrrov, das eine ganze Reihe von Togorianern im Lauf der Jahre mit Ylesia in Berührung gekommen waren und jetzt an dem geplanten Angriff teilnehmen wollten.
»Sechs von uns waren entweder selbst versklavt oder stehen jenen nahe, die dort in der Sklaverei leben, Han«, berichtete Mrrov. »Wir wollen mit dafür sorgen, daß kein anderer Togorianer mehr in diese schreckliche Falle geht.«
Han nickte. »Nun, wir können aufbrechen, wann immer ihr wollt«, sagte er.
Doch Muuurgh schüttelte den Kopf. »Vor morgen geht es nicht, Han. Sarras Mosgoth mitten im Flug von großem Liphon angegriffen. Flügel gebrochen. Sarra hat geborgt Mosgoth, schickt uns Nachricht, wird morgen hier sein. Heute nacht Han und Bria unsere Ehrengäste.«
Han sah Bria an und zuckte die Achseln. »Äh, sicher«, meinte er dann.
Sie wich seinem Blick aus. »Schön…«
Sie brachten den Nachmittag damit zu, mit ihren Freunden zehn Jahre persönlicher Geschichte aufzuarbeiten. Muuurgh und Mrrov schienen ein sehr glückliches Paar zu sein – obwohl sie, nach togorianischer Sitte, jedes Jahr lediglich einen Monat zusammen waren. Sie hatten zwei Kleine, beide weiblich, und Han und Bria lernten sie bald kennen. Eines war kaum mehr als ein Kätzchen und außergewöhnlich niedlich. Bria und Han verbrachten einige Stunden mit ihnen beim Spiel in den wunderschönen togorianischen Gärten.
Am Abend wurden den beiden Menschen die besten Speisen und Getränke Togorias vorgesetzt. Togorianische Geschichtenerzähler ergötzten sie mit Erzählungen ihrer eigenen, nunmehr zehn Jahre zurückliegenden Abenteuer, die sie im Zug ihrer Flucht von Ylesia erlebt hatten. Han erkannte sich selbst kaum wieder. Die Darstellung war im Lauf der Jahre allem Anschein nach beträchtlich ›ausgeschmückt‹ worden, bis er schließlich als eine derart heroische Gestalt in Erscheinung trat, daß es nahezu lächerlich anmutete.
Han war vorsichtig mit den starken togorianischen Spirituosen und bemerkte, daß Bria nur Wasser trank.
»Ich kann nicht trinken«, erklärte sie, als er sie fragte. »Ich habe Angst, es zu sehr mögen zu können. Ich muß aufpassen… wenn man einmal süchtig war, kann man es leicht wieder werden – auch nach anderen Dingen.«
Han bewunderte ihre Selbstbeherrschung und sagte es ihr auch.
Nachdem das Fest vorüber war, führten Muuurgh und Mrrov die Besucher zu ihrem besten Gästezimmer und wünschten ihnen eine gute Nacht.
Han und Bria standen an entgegengesetzten Enden des Wohnzimmers und betrachteten einander einen langen unbehaglichen Augenblick schweigend. Han warf einen Blick auf die Tür, die in das einzige Schlafzimmer führte.
»Äh… ich vermute, Muuurgh und Mrrov glauben immer noch, daß wir zusammen sind«, sagte er.
»Vermutlich«, pflichtete sie ihm bei, unfähig, ihm in die Augen zu schauen.
»Tja, ich schätze, mir bleibt dann wohl die Pritsche hier draußen«, stellte Han fest.
»He«, protestierte Bria. »Ich bin Soldat. Ich habe schon in Schlammlöchern geschlafen, ohne Decke. Es ist nicht nötig, mich wie eine feine Dame zu behandeln, Han.« Sie lächelte und brachte einen Dezicred zum Vorschein. »Ich sage dir was… wir werfen eine Münze, wer das Bett bekommt.«
Han grinste sie an, schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. »Okay, Baby. Soll mir recht sein.«
Bria sah ihn an, und ihre Blicke trafen sich. »Oh, mein lieber…« Sie hörte sich an, als wäre sie soeben vier oder fünf Klicks gerannt.
Han fühlte sich selbst ein wenig kurzatmig. »Oh, mein lieber… was?« sagte er und trat einen Schritt auf sie zu.
Bria lächelte unsicher. »Die Galaxis war die längste Zeit ein sicherer Ort für menschliche Frauen«, meinte sie. »Du hast wohl mittlerweile herausgefunden, was du mit diesem schiefen Grinsen anrichten kannst, wie?«
Han hatte tatsächlich eine gewisse Vorstellung davon gewonnen… und das gleiche galt für eine Reihe von Frauen, die er allesamt beim Namen hätte nennen können. Er machte zwei weitere bedachtsame Schritte in ihre Richtung und lachte ehrlich amüsiert. »He«, sagte er, »das bringt zuweilen mehr als mein Blaster.«
Bria war dermaßen angespannt, daß sie sich fragte, ob sie wohl Reißaus nehmen würde, doch sie rührte sich nicht vom Fleck, als er noch einen Schritt näher kam. Als Han nach unten blickte, sah er, daß ihre Hand zitterte.
»Willst du wirklich die Münze werfen?« erkundigte er sich sanft.
Sie nickte und atmete tief durch. Ihre Hand beruhigte sich ein wenig. »Klar, darauf kannst du dich verlassen.«
»Und du bist sicher, das ist keine getürkte Münze?« fragte er und machte noch einen Schritt vorwärts.
»He!« protestierte sie. »Das ist ein echter Dezicred!« Sie spielte die Beleidigte und hielt ihm die kleine Scheibe unter die Nase, drehte sie zwischen den Fingern, um ihm zu beweisen, daß es sich um eine echte Münze handelte. Die Vorderseite zeigte das Konterfei des Imperators, und auf der Rückseite war das Symbol des Imperiums eingraviert.
Han kam noch einen Schritt näher. Er hätte jetzt die Hand ausstrecken und ihre Schulter berühren können. »Also gut… ich entscheide mich… für Kopf«, sagte er leise.
Bria schluckte und warf die Münze, verfehlte sie jedoch, weil sie wieder zu zittern begonnen hatte. Er fing die Münze auf und hielt sie in der Faust, ohne nachzusehen. »Kopf, und wir teilen uns das Bett…«, sagte er leise. »Zahl… wir teilen uns den Fußboden.«
»Aber… wir waren uns doch einig…«, stotterte sie. Sie zitterte jetzt am ganzen Leib. »Bloß… geschäftlich…«
Han warf die Münze über die Schulter und zog Bria stürmisch in seine Arme. Er küßte sie mit der aufgestauten Leidenschaft der vergangenen Tage… und all der verlorenen Jahre. Er küßte sie auf den Mund, auf die Stirn, küßte ihr Haar, ihre Ohren… und kehrte zu ihren Lippen zurück. Als er schließlich den Kopf hob, stieß er atemlos hervor: »Ich sage… zur Hölle mit den Geschäften… richtig?«
»Richtig…«, murmelte sie, und dann war es an ihr, seine Küsse zu erwidern. Sie schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn so fest an sich, wie er sie zuvor gehalten hatte.
Hinter ihnen lag der vergessene Dezicred auf der Webmatte, die den Boden bedeckte, und schimmerte schwach im Zwielicht…
Am nächsten Morgen erwachte Han mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Er stand auf und trat auf den kleinen Balkon, der auf die wunderschönen togorianischen Gärten hinausging. Er sog die Luft tief ein, lauschte dem Zwitschern der winzigen Flugechsen und erinnerte sich daran, wie sich eines dieser Wesen vor vielen Jahren, bei ihrem ersten Mal am Strand, auf Brias Finger niedergelassen hatte. Er wünschte sich, genug Zeit zu haben, um mit ihr an den Strand zurückzukehren.
He, dachte er, wenn diese Ylesia-Sache vorüber ist, werden wir alle Zeit der Welt haben… und alle Credits, die wir uns nur wünschen können. Wir werden hierher zurückkommen. Danach gehen wir vielleicht in den Korporationssektor, machen ein paar Geschäfte. Mit der ›Falcon‹ können wir überall hin und tun, was wir wollen…
Er fragte sich, ob Bria dem Widerstand um seinetwillen den Rücken kehren würde. Nach allem, was sie während der vergangenen Nacht geteilt hatten, vermochte er sich keinen Grund vorzustellen, der sie davon abhalten könnte. Sie paßten gut zusammen, so gut, daß sie sich unmöglich noch einmal trennen konnten…
Han höre Schritte hinter sich, drehte sich jedoch nicht um, sondern blickte weiter auf die Gärten hinaus und atmete den würzigen Duft der togorianischen Baumblüten ein. Arme legten sich um seine Hüften, und er spürte ihr Haar im Rücken, als sie sich gegen ihn lehnte. »He…«, sagte sie leise. »…guten Morgen.«
»Es ist ein guter Morgen«, gab er ebenso leise zurück. »Der beste seit langer Zeit. Seit zehn Jahren, würde ich sagen.«
»Habe ich dir letzte Nacht eigentlich gesagt, daß ich dich liebe?« hauchte sie und küßte seinen Nacken. »Du brauchst einen Haarschnitt…«
»Mehrmals«, erwiderte er, »aber du darfst es ruhig noch mal sagen, wenn du möchtest.«
»Ich liebe dich…«
»Das hört sich schon ganz gut an«, befand er. »Aber ich denke, du mußt noch üben. Versuch es noch einmal…«
Sie lachte. »Dann wirst du nur eingebildet, Han.«
Er kicherte, wandte sich um und nahm sie in die Arme. »Du weißt, die ›Falcon‹ wird auf dem Rückweg zu den Rendezvouskoordinaten so mit riesigen Togorianern vollgestopft sein, daß du wahrscheinlich auf meinem Schoß sitzen mußt.«
»Damit könnte ich mich abfinden«, entgegnete Bria.
Sarrah erwies sich als außergewöhnlich kleinwüchsig für einen Togorianer. Er maß höchstens etwa zwei Meter. Aber er war ausgesprochen gut in Form, seine Muskeln spannten sich unter dem glatten schwarzen Fell wie geölte Seile.
Han machte auf dem Rückweg zu dem Tiefraumtreffpunkt einen Schlenker über Nar Shaddaa, um Jarik und Chewbacca aufzulesen. Er hatte sich zuvor gefragt, wie Chewie und Muuurgh wohl miteinander auskommen mochten, und als Han den Wookiee und den riesigen Togorianer einander vorstellte, war ihm der ungewohnte Anblick vergönnt, Chewie zu einem anderen Wesen aufblicken zu sehen.
Muuurgh betrachtete Chewie abschätzend, dann sagte er: »Ich grüße Han Solos Freund. Er gesagt, du bist sein Fellbruder.«
Chewie kollerte verhalten, und Han übersetzte.
»Chewie erwidert Muuurghs Gruß«, erklärte er. »Er fühlt sich geehrt, einen Fellbruder aus vergangenen Tagen zu treffen, den Jäger Muuurgh.«
Die beiden riesigen Wesen blickten einander feierlich an, dann wandten sie sich beide Han zu. Er schaute zu ihnen auf und stellte fest, daß sie sich mochten. »Ihr Jungs«, sagte er, »habt eine Menge gemeinsam.«
[Kann man wohl sagen], meinte Chewie. Sie hatten beide Han.
»Jeder Freund von Han Solo ist ein Freund von Muuurgh«, verkündete der Togorianer.
Han hörte, wie das Türsignal seines Apartments summte, öffnete und sah Lando im Eingang stehen. Dies eine Mal war der Spieler nicht nach der neusten Mode gekleidet, sondern nach rauher militärischer Sitte. Dazu trug er schwere Stiefel und war mit einem Blaster und einem Blastergewehr bewaffnet. »He!« begrüße ihn Han. »Was ist los? Ziehst du in den Krieg?«
»Ich habe bloß von eurem kleinen Ausflug nach Ylesia gehört«, antwortete Lando. »Ich will mit. Kann ich mit euch in der ›Falcon‹ fliegen?«
Han betrachtete seinen Freund voller Überraschung. »Kumpel, das hier ist nichts für dich«, meinte er dann. »Wir erwarten nicht eben großen Widerstand von den gamorreanischen Wächtern auf Ylesia, aber es wird bestimmt geschossen.«
Lando nickte. »Ich schieße gut«, versicherte er. »Han, ich habe fast genug Credits angespart, um mir ein neues Schiff kaufen zu können – eine wahre Schönheit von einer schnittigen kleinen Yacht, auf die ich schon lange ein Auge geworfen hatte. Ich denke, ein Anteil an den gelagerten Gewürzen ist es schon wert, daß ich meine kostbare Haut einem überschaubaren Risiko aussetze. Noch zehntausend Credits, und die kleine Schönheit gehört mir…«
Han zuckte die Schultern. »Meinetwegen«, sagte er. »Du bist herzlich zu der Party eingeladen.«
Damit wurde es ein sehr unbequemer, aber dankenswert kurzer Flug zu den Rendezvouskoordinaten der Rebellen.
Die Rebellenflotte hatte sich unterdessen nahezu vollständig versammelt. Auch die meisten Schmugglerschiffe waren bereits vor Ort. Bria und die übrigen Rebellenkommandeure führten letzte Einsatzbesprechungen durch, so daß alle Schmuggler und jede Angriffsgruppe der Rebellen genau wußten, welche Rolle sie während des Überfalls spielen würden. Jedem der Landungsboote des Widerstands waren wenigstens drei oder vier Schmugglerschiffe zugeteilt, um sie durch die Atmosphäre zu lotsen. Es gab mittlerweile neun Kolonien auf Ylesia, daher gab es auch neun Angriffsstaffeln, deren jede von einem Rebellenführer wie Bria befehligt wurde.
Das härteste Angriffsziel hatte sie für sich selbst ausgewählt: Kolonie Eins. Dort gab es die größten Lagerhäuser, die meisten Pilger und die beste Verteidigung. Doch Bria war sich sicher, das ihr Geschwader Rote Hand damit klarkommen würde. Vor allem, weil Han an ihrer Seite fliegen würde.
Han war inzwischen vertraut mit Jace Paol, Daino Hyx und ihren anderen Offizieren. Er fragte sich nur, ob einem von ihnen klar war, daß ihr Commander und er jetzt ein Paar waren.
Die Anschläge auf Ylesia würden nun jeden Moment beginnen, und der eigentliche Angriff war für den nächsten Morgen angesetzt (Schiffsstandardzeit, was mit der Tag- oder Nachtzeit auf Ylesia nicht das geringste zu tun hatte), wenn die Pilger sich verzweifelt nach der Erhöhung sehnten und empfänglich waren, von jedem, der sie ihnen versprach, Anweisungen entgegenzunehmen…
Als Han und Bria an jenem Abend in der Messe der ›Vergeltung‹ aßen, wurde Hans Aufmerksamkeit mit einem Mal von den Außenbildschirmen angezogen, welche die Massen der zusammenströmenden Raumschiffe zeigten. Gerade rückte eine vertraute Silhouette ins Blickfeld, die er schon seit seiner Kindheit kannte.
Er hörte auf zu kauen, schluckte hastig, und streckte deutend eine Hand aus. »Bria! Dieser große Transporter der Liberator-Klasse! Wie kommst du denn an den?«
Sie sah ihn an und grinste. »Sieht irgendwie bekannt aus, wie?«
Han nickte. »Ich könnte schwören, das ist die ›Händlerglück‹! Das Schiff, auf dem ich aufgewachsen bin!«
Sie nickte. »Das ist sie auch. Ich habe sie als Überraschung aufgehoben. Der corellianische Widerstand hat das Schiff vor ein paar Jahren zum Schrottpreis erworben. Wir haben es zu einem Truppentransporter umgebaut und auf den Namen ›Liberator‹ getauft.«
Han hatte davon gehört, daß das antiquierte Schiff nach Garris Shrikes Tod aufgegeben worden war. Jetzt betrachtete er das alte Raumschiff und spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Er freute sich darüber, daß die ›Liberator‹ zu neuem Leben erwacht war. »Du willst mit dem Schiff die Pilger in Sicherheit bringen, richtig?«
»Viele von ihnen«, nickte Bria. »Dein altes Zuhause wird sie in ein neues Leben führen, Han.«
Er nickte und beendete seine Mahlzeit. Seine Augen ließen den riesigen uralten Raumer kaum mehr aus den Augen. Erinnerungen überfluteten ihn – vor allem Erinnerungen an Dewlanna…
Da die ›Falcon‹ nur mit einigen wenigen Schlafkojen aufwarten konnte, entschied sich Han dafür, die Nacht in Brias Kabine zu verbringen. Sie hielten einander und waren sich gleichermaßen bewußt, daß sie am nächsten Morgen in die Schlacht ziehen würden. Und in Schlachten… starben Menschen.
»Wenn das morgen vorbei ist«, flüsterte Han ihr in der Finsternis zu, »werden wir für immer zusammenbleiben. Versprich mir das.«
»Ich verspreche es«, antwortete sie. »Zusammen.«
Han seufzte und entspannte sich. »Gut«, sagte er. »Und… Bria?«
»Ja?«
»Du paßt morgen gut auf dich auf, ja, Süße?«
Der Klang ihrer Stimme verriet ihm, daß sie lächelte. »Werde ich. Du aber auch, okay?«
Stunden später wurde Bria vom leisen Klingeln ihres Kabinenkoms aus einem unruhigen Schlummer geweckt. Sie schreckte auf der Stelle hoch, warf sich einen leichten Mantel über und marschierte in ihren angrenzenden Arbeitsraum. Der diensthabende Kommunikationsoffizier teilte ihr mit, daß soeben eine Nachricht für sie eingegangen war.
»Stellen Sie sie hierher durch«, wies sie ihn an und schob sich die Haare aus dem Gesicht. Kurz darauf blickte Bria in das Gesicht ihres kommandierenden Offiziers, Pianat Torbul. Sie nahm sofort Haltung an. »Sir?«
»Bria… ich wollte Ihnen lediglich für morgen Glück wünschen«, sagte er. »Und Ihnen sagen…« Er zögerte.
»Ja? Mir was sagen?« soufflierte sie.
»Ich kann nichts Genaues sagen, aber unser Geheimdienst meldet, daß das Imperium etwas Großes im Schilde führt. Etwas wirklich Großes. Etwas, das die gesamte Rebellenallianz mit ein oder zwei Schlägen zerschmettern könnte.«
Bria starrte ihn schockiert an. »Irgendeine geheime Flotte?« fragte sie.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Aber… größer als das.«
Bria vermochte sich nicht vorzustellen, wovon er sprach. Aber sie hatte sich bereits vor langer Zeit an das System der ›einsatznotwendigen Information‹ gewöhnt. »Okay, aber was hat das mit dem morgigen Angriff zu tun?«
»Wir werden, um mit der neuen Bedrohung fertig zu werden, auf alles zurückgreifen müssen, was wir haben, auf alle verfügbaren Mittel, die wir auftreiben, jeden einzelnen Credit, den wir zusammenkratzen können«, erwiderte Torbul. »Vor dieser Sache war Ihre Mission wichtig… jetzt ist sie von entscheidender Bedeutung. Nehmen Sie sich alles, was Sie kriegen können, Bria. Waffen, Gewürze… einfach alles.«
»Sir… so lautet mein Auftrag«, sagte Bria, deren Herz zu klopfen begann.
»Das weiß ich. Ich dachte nur… Sie sollten Bescheid wissen. Wir schicken mehrere Geheimdienstteams nach Ralltiir, um nach Möglichkeit mehr in Erfahrung zu bringen. Die Leute brauchen Credits für Bestechungsgelder und das Equipment für die Observation… Sie kennen ja die übliche Vorgehensweise.«
»Natürlich«, entgegnete Bria. »Sir, ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Ich weiß, daß sie das nicht werden«, gab Torbul zurück. »Ich hätte Sie vielleicht nicht kontaktieren sollen… Sie stehen schließlich schon genug unter Druck. Aber ich dachte, Sie sollten es wissen.«
»Ich weiß es zu schätzen, daß Sie mich informiert haben, Sir. Danke.«
Torbul salutierte knapp und unterbrach die Verbindung. Bria saß in ihrem Arbeitsraum und dachte darüber nach, ob sie wieder ins Bett gehen oder den Tag einfach in aller Frühe beginnen sollte. Sie hörte Hans Stimme, ein wenig rauh vom Schlaf, aus dem anderen Raum.
»Bria? Alles in Ordnung?«
»Alles bestens, Han«, rief sie. »Ich komme gleich.« Sie erhob sich, schritt langsam auf und ab und rief sich ins Gedächtnis, was er zu ihr gesagt hatte. Daß sie für immer zusammenbleiben würden. Ja, das werden wir, dachte sie. Wir werden zusammen sein. Wir passen aufeinander auf und werden gemeinsam kämpfen und uns gegen das Imperium behaupten. Und wenn wir uns für dieses Ziel opfern müssen… dann werden wir auch das tun.
Ihr war klar, daß Han dies, soweit es den Schatz und die Credits betraf, verstehen würde. Er gab vor, durch und durch eine Söldnerseele zu sein, aber im Herzen, das wußte sie, war er viel mehr als das. Einmal mehr beruhigt und zu allem entschlossen, ging Bria wieder zu Bett…
Sonnenuntergang über der ylesianischen Kolonie Fünf. Die rötlichen Strahlen der tief stehenden Sonne, die durch hundert Lücken in den aufgetürmten Wolken brachen, waren am Himmel als pastellfarbene Lanzen sichtbar. Am Ufer des bewegten Sees der Hoffnung warfen in Kutten gehüllte Pilger, die sich dort versammelt hatten, lange Schatten auf den Sand.
Pohtarza, der oberste Sakredot der Kolonie, hob seinen häßlichen T’landa-Til-Kopf und maß die Menge, wobei sein Horn langsam vor und zurück schwang. Seine Glubschaugen glänzten blutunterlaufen, als sie aus dem runzligen fahlgrauen Fleisch traten. Im nächsten Moment hob er die winzigen Ärmchen, und die Zeremonie begann.
»Der Eine ist das Ganze«, intonierte er in der rasselnden nasalen Sprache der T’landa Til. Fünfhundert Stimmen gaben die Phrase zurück: Der Eine ist das Ganze.
In diesem Moment war es in Kolonie Vier, auf der anderen Seite des Planeten, bereits kurz nach Mitternacht. Dunkle Wolken zogen über den mondlosen Nachthimmel, löschten die Sterne aus und färbten die Nacht noch schwärzer. An der Mauer des Gebäudes, das die Unterkünfte der Priester barg, hörte man ein leises Kratzen wie von Käfern. Ylesianisches Ungeziefer stob wie rasend in alle Richtungen davon.
Noy Waglla, klein und selbst einem Käfer gleichend, krabbelte an dem glatten Permabeton empor und hielt kaum inne, um ein Loch in das Gitter vor einem der Fenster zu beißen. Im nächsten Moment kauerte sie, die Balance wahrend, auf dem Sims.
Unter ihr, in der Dunkelheit, konnte sie die Schlafgeräusche der Priester hören, die zu töten sie gekommen war. Jabba würde sie gut dafür entlohnen, so gut, daß sie eines Tages vielleicht zu ihrer Spezies heimkehren konnte.
Die großen Wesen in ihren Schlafgurten erfüllten den kleinen Saal mit Moschusgeruch. Die Hyallp kroch auf das nächste grobmaschige Schlafgeschirr zu und verharrte unterhalb des massigen Schädels. Der T’landa Til bewegte sich ein wenig, und sie wich alarmiert zurück, doch dann fuhr der Priester fort zu schnarchen. Waglla wagte sich noch näher heran. Es wird ganz leicht sein…
Waglla griff mit ihren furchterregenden Kieferzangen nach dem großen Gefäß, das auf ihrem Rücken festgeschnallt war, und zog mit ihren Greifern den Stopfen heraus. Jabba hatte die Substanz höchstpersönlich getestet. Ein Tropfen des Giftes namens ›Srejptan‹ auf die Unterlippe des Sakredot, und selbst der größte T’landa Til wäre binnen Sekunden hinüber – lautlos und ohne Todeskampf. Waglla zog einen Teil ihrer Gliedmaßen ein und krabbelte auf das Maul des Priesters zu.
»Der Eine ist das Ganze«, sang Pohtarza. Der Eine ist das Ganze.
Aiaks Fwa, Whiphid-Attentäter und Kopfgeldjäger, wartete in dem Gang, der zu den unterirdischen Schlammbädern von Kolonie Sieben führte. Er hatte ein paar öde Wochen hinter sich, in denen er als Pilger gelebt und sich anzupassen versucht hatte, während seine sämtlichen Instinkte danach schrien, es endlich hinter sich zu bringen, den häßlichen Muphrida aufzuspüren und wieder zu verschwinden. Aber Seine Aufgeblasenheit hatte die heutige Nacht dazu bestimmt, und Fwa wollte in jedem Fall seinen vollen Lohn einstreichen.
Das Geräusch von T’landa Til-Stimmen hallte aus dem Zwielicht zu ihm hinauf, und Fwa vernahm das charakteristische Schlurfen ihrer Schritte. Der Attentäter überprüfte die beiden kleinen Handblaster, die er in die Siedlung geschmuggelt hatte. Natürlich voll aufgeladen.
Er straffte sich und dachte, daß die Credits, auf die er sich ein Anrecht erwerben würde, ihn weniger für eine Jagd entlohnten, sondern ihm vielmehr in den Schoß fielen. Die Sicherheitsvorkehrungen hier auf Ylesia waren unglaublich nachlässig.
Fwa konnte sie jetzt kommen sehen und drückte sich in einen Hohlraum in der unregelmäßigen Mauer. Wie erwartet handelte es sich um seine Zielpersonen: drei männliche Sakredoten. Er konnte sie riechen, seine empfindlichen Nüstern nahmen die Ausdünstung männlicher Exemplare auf. Sie waren bereits sehr nah, und kamen näher und näher…
Fwa sprang unter wildem Gebrüll und mit gezogenen Blastern aus seinem Versteck. Ziel auf ihre Augen! dachte er, als er die erste Salve abfeuerte.
»Jeder Eine wird im Dienst des Ganzen erhöht.«…Jeder Eine wird erhöht.
Tuga SalPivo, ein glückloser corellianischer Weltraumvagabund und Hansdampf, hielt einen Augenblick am Rand des ylesianischen Urwalds inne und blickte zurück. Kolonie Acht war ein grauer Fleck im ersten Dämmerlicht des Tages. Bis zum Sonnenaufgang würde es noch eine Stunde dauern. SalPivo grinste und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er fing einen Hauch der Rückstände säuerlichen Explosivpulvers auf seinem Handrücken auf. Er konnte es kaum abwarten, die Detonation zu sehen…
Es war außerordentlich still ringsum. Sogar das Rascheln und Zwitschern des ylesianischen Dschungels hatte aufgehört, und es ging nicht der geringste Windhauch.
Während er wartete, zwang sich SalPivo dazu, nicht zu blinzeln. Als die leuchtend orangerote Flamme über der T’landa Til-Schlafkammer erblühte, dauerte es einen Augenblick, bis das Geräusch an seine Ohren drang, so daß er dachte: Es wirkt irgendwie nicht real…
Doch dann rollte das Splittern und Krachen über ihn hinweg, warf ihn fast um, gefolgt von dem Geschrei und Wehklagen der überlebenden Bewohner.
Das war’s. Alles erledigt, sagte er sich und kicherte. Ich werde wieder auf Poytta sein, ehe die Brände gelöscht sind…
»Wir bringen Opfer, um am Ganzen teilzuhaben.«…um am Ganzen teilzuhaben.
Der Rodianer namens Sniquux streckte nachdenklich schnüffelnd die Nase in die Luft, sein Schnorchelmund zuckte. Die Nachmittagssonne fiel schräg in den großzügig angelegten Hof, in der dicken, heißen Luft schien reglos der Staub zu schweben. Mit unermeßlicher Sorgfalt sicherte er die letzte Fibrille des aus nur einer einzigen dünnen Faser bestehenden haarfeinen Drahts vor dem Eingang der Passage, die zu der Fabrikanlage führte.
Kolonie Neun war noch nicht fertiggestellt, doch die Arbeit an den Hauptgebäuden und Dormitorien war so weit fortgeschritten, daß er die Operation getrost starten konnte. Hier lebten beinahe dreihundert Pilger; die meisten von ihnen arbeiteten in den Baukolonnen. Sniquux war, unter Ausnutzung seiner Erfahrung als Permabeton-Werker, mit der letzten Arbeitskolonne angekommen.
Da sind sie! Der Rodianer trat von dem unsichtbaren Draht zurück und duckte sich anschließend darunter hindurch, wobei er genau darauf achtete, dem tödlichen Material nicht zu nahe zu kommen. Als er in der Passage stand, begab er sich sofort auf den Balkon der ersten Ebene, der den gesamten Hof überblickte.
Die sechs T’landa Til, drei männliche und drei weibliche, kehrten von ihrem Nachmittagsspaziergang zurück, der sich nahtlos an ihren Mittagsschlaf anschloß, und schlenderten zum Speisesaal, um das Abendessen einzunehmen. Ein Kader gamorreanischer Wächter umgab sie, die Blätter ihrer Streitäxte glänzten in der Sonne.
Sniquux zog die Fernbedienung des Klangprojektors aus seiner kleinen Tragetasche, umschloß das Gerät mit der Faust und spürte die glatten Umrisse. Ich muß nicht einmal nah an sie ran, dachte er erfreut. Ich liebe diesen Auftrag. Schließlich will ich nicht meinen zerbrechlichen Hals riskieren.
Seine Ohren bebten erwartungsvoll, als er die Anzeige auf Maximum einstellte und den Schalter betätigte. Da erhob sich auf der anderen Seite des Hofs ein scheußliches, schrilles Geheul, ein Geräusch, das dermaßen hoch war, daß es selbst Sniquux erschauern ließ. Es war eine uralte Aufnahme der Schreie eines wilden Thota, des für die T’landa Til gefährlichsten Raubtiers auf ihrer lange verlorenen Heimatwelt Varl.
Die T’landa Til erstarrten eine Sekunde lang zu Eis, ihre vorstehenden Augäpfel drehten sich hastig in alle Richtungen, als sie versuchten, die Quelle des Schreis ausfindig zu machen. Der oberste Sakredot, Tarrz, erhob sich auf die Hinterläufe, warf sich herum und rief den anderen etwas zu, aber es war sinnlos. Die riesigen Geschöpfe verloren den Kopf, sprengten in alle Richtungen auseinander und trampelten Gamorreaner nieder, während sie auf die Durchlässe in der Hofmauer zuhielten und in die Falle gingen. Schließlich geriet auch Tarrz in Panik und stürzte auf den nächsten vermeintlichen Ausweg zu.
Der Rodianer, der Geschmack am Blutvergießen fand, schnalzte genüßlich mit der Zunge, als die Priester zerstückelt wurden. Der haarfeine Draht zerteilte sie sauberer als eine Klinge.
Tarrz gelangte noch halb durch die Öffnung, ehe die oberen Teile seines Torsos abgetrennt und die dunklen, rotbraunen Innereien freigelegt wurden. Die inneren Organe lagen nebeneinander ausgebreitet, Blut strömte und spritzte, als er stürzte. Im Handumdrehen waren sie alle tot. Große Pfützen weinroten Blutes breiteten sich rings um die zerlegten Leichen aus, und lediglich ein paar verwirrte Gamorreaner waren noch übrig, die nun dahinterzukommen versuchten, was geschehen war.
Das bedeutet vielleicht eine Beförderung, sagte sich Sniquux. Jabba scheint mich ohnehin schon zu mögen, ich muß mich bloß weiter an ihn halten…
»Bereitet euch auf das Sakrament der Erhöhung vor!« Pohtarza trat einen Schritt vor und bemerkte, daß die Priester rechts und links von ihm es ihm gleichtaten. Die Pilger durchbrachen die Reihen, drängten nach vorne, stürzten übereinander und taten wimmernd ihre Vorfreude kund.
Pohtarza machte sich daran, seinen Kehllappen mit Luft zu füllen und musterte die erwartungsfrohen Gesichter, als ihm etwas auffiel: Ein menschlicher Pilger, der drängelnd auf sie zukam. Daran war nichts ungewöhnlich, allerdings trug er statt der Kappe eines Pilgers eine dunkle Kapuze, die seinen Kopf verhüllte.
Pohtarza starrte den Mann fasziniert an. Die Kapuze war leer. Das Wesen war jetzt ziemlich nah – daher war er sich da ganz sicher. Plötzlich fiel die Kapuze, und das kopflose Ding zog eine Waffe aus seiner Kutte.
Namenloser Schrecken fraß an dem T’landa Til; er wich ein paar Schritte zurück und prallte mit einem seiner Brüder zusammen. Die Kutte sank zu Boden, und der Sakredot blickte in die Mündung eines Blasters, der in der Luft zu schweben schien. Seine Gedanken schienen verschwommen und viel zu behäbig, ein Gedanke erhob sich indes mit kristalliner Klarheit: Oh, ein Aar’aa. Bloß ein Aar’aa…
Dann fiel vom Himmel strahlendes Licht auf ihn herab.
In Kolonie Eins, der ältesten und größten der ylesianischen Einrichtungen, lag Teroenza – die Mittagsstunde stand kurz bevor – wie ein gestrandetes Whaladon in einem flachen, glitschigen Schlammtümpel. Er rührte sich kaum und hielt die Augen geschlossen.
Die Entwicklungen des vergangenen Tages waren unglaublich entmutigend. Durga, Fluch über ihn, hatte es einfach darauf ankommen lassen. Teroenza schlug die Augen auf und nahm den niederschmetternden Anblick in sich auf: Jenseits von Veratil und Tilenna und den übrigen T’landa Til, die sich im Schlamm wälzten, lag das von schnittigen Nova-Force-Schiffen übersäte Landefeld. Und überall wimmelte es von kleinen Gruppen schwerbewaffneter Wesen in der Uniform der Söldnereinheit.
Wie konnte Durga herausgefunden haben, was er im Schilde führte. Vielleicht war dieser junge Hutt schlauer, als er gedacht hatte. Jetzt, da er darüber nachdachte, gelangte Teroenza zu dem Schluß, daß es wahrscheinlich keine gute Idee gewesen war, Kibbick derart unverfroren zu töten.
Das größte Übel war jedoch, daß Teroenza immer noch nicht mit Sicherheit zu sagen vermochte, wieviel Durga wußte. Vielleicht waren die Soldaten der Nova Force ja auch die Antwort auf die unaufrichtigen Bitten des Hohenpriesters um eine Verstärkung der ylesianischen Verteidigung. Vielleicht argwöhnte er, was Kibbicks Ableben anging, doch kein falsches Spiel.
Teroenza gefiel diese Vorstellung sehr gut. Wenn das stimmte, würde der T’landa Til lediglich abwarten müssen und darüber hinaus darauf hoffen dürfen, daß dieser Zustand nur vorübergehend war und die Besadii es nach einiger Zeit satt haben würden, die Nova Force für ihr Hiersein zu bezahlen. Abwarten. Ein bißchen kann ich noch warten. Das ist ohnehin alles, was ich zur Zeit unternehmen kann…
Der Kommandant der Nova Force, ein untersetzter Mensch von einer Welt mit hoher Schwerkraft, der auf den Namen Willum Kamaran hörte, trat soeben an den Rand der Mulde. Er trat äußerst vorsichtig auf, da er sich nicht die glänzenden schwarzen Stiefel besudeln wollte. Schließlich warf er Teroenza einen angewiderten Blick zu und winkte dem T’landa Til, sich zu ihm zu bemühen.
Der Hohepriester beschloß, bis er mehr herausfand, wenigstens so zu tun, als würde er kooperieren. Er stemmte sich hoch und machte sich auf den Weg zu dem Mann. Da fuhr ohne Vorwarnung ein Energiestrahl knisternd in den Schlamm zu seinen Füßen und bespritzte ihn mit Modder. Der Hohepriester verharrte in völliger Konfusion. Was…?
Teroenza drehte sich um und entdeckte drei Wesen in Tarnuniformen, die mit Blitze schleudernden Blastergewehren aus dem Urwald gerannt kamen. Die gamorreanischen Bewacher der t’landa Til waren bereits tot.
Der Lärm von Blasterfeuer umgab ihn. Teroenza versuchte zu fliehen, versuchte Haken zu schlagen, rutschte im Matsch aus und brach in die Knie. Ist das die Nova Force? Hat Durga ihnen befohlen, uns zu exekutieren? Teroenza glaubte in der nächsten Sekunde von Hysterie überwältigt zu werden.
Aus den Augenwinkeln sah er, daß jetzt auch Kamaran zu schießen begonnen hatte. Aber nicht auf ihn. Auf die Eindringlinge. Weitere Soldaten der Nova Force tauchten, wild um sich schießend, hinter ihrem Kommandanten auf. Varl sei Dank, sie versuchen uns zu beschützen!
Teroenza konnte nirgendwohin und erstarrte in Panik. Er konnte erkennen, daß Veratil reglos am Boden lag. Dort, wo einmal eines seiner Augen gesessen hatte, klaffte nun ein qualmendes Loch. Tilenna war rasch tiefer in den Schlamm gestapft, doch sie konnte sich nicht unter die Oberfläche drücken und ruderte in schierem Entsetzen wild hin und her. Teroenza erkannte, daß es nur noch eine Frage der Zeit war. Er atmete tief durch, um die Furcht zu stillen, die in seinem Herzen explodierte, ließ sich fallen, lag bewegungslos und gab vor, tot zu sein.
Plötzlich hörte das Blasterfeuer auf, und Teroenza öffnete die Augen. Es hat funktioniert! Die Eindringlinge waren tot. Der Hohepriester wagte es, sich aufzurichten und die Szenerie zu begutachten.
Tilenna! Sie war halb von Schlamm und Wasser bedeckt, und ihr Kopf befand sich unter der Oberfläche. Sie kann so nicht atmen… Teroenza erkannte die Wahrheit, noch ehe er ihren Leichnam erreichte. So gut er konnte, wiegte er den riesigen Schädel in den schwachen Armen und versuchte, einen Funken Leben in seiner Gefährtin zu entdecken – doch sie hatte ihn verlassen.
Kamaran hatte einen Treffer in den Arm abbekommen, seine braune Uniform war mit dunkleren braunen Spritzern und Flecken übersät. Und Ganar Tos, Teroenzas Majordomus, bahnte sich einen Weg durch die hin und her hastenden Soldaten, legte am Rand der Schlammgrube eine zögerliche Pause ein und stürzte sich dann mutig mitten hinein.
»Euer Lordschaft, Teroenza«, rief er, die schwächliche Menschenstimme des Alten war kaum mehr als ein Krächzen. »Es ist schrecklich! Auf dem ganzen Planeten ermorden Attentäter unsere Priester! Wir haben Nachricht von Kolonie Zwei, Drei, Fünf und Neun. Die Kommunikation mit der Außenwelt ist unterbrochen. Oh, Sir! Lord Veratil… und Tilenna! Sir, was sollen wir bloß tun?« Er rang außer sich vor Sorge die Hände. »Sir, dies ist das Ende. Es kann künftig keine Erhöhungen mehr geben. Was sollen wir unternehmen?«
Teroenza schnaubte heftig und versuchte nachzudenken. War dies Durgas Werk? Nein, das war unmöglich. Die hiesige Wirtschaft der Besadii hing von den T’landa Til ab. Aber wer trug dann für das hier die Verantwortung? Und was sollte er jetzt unternehmen?