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DIE SCHLACHT UM YLESIA
Jalus Nebl drang mit großer Vorsicht in die ylesianische Atmosphäre ein, behielt die Sturmfront im Auge und hielt ständige Verbindung mit den Landungsbooten der Rebellen, die ihm folgten. Er flog eines der Führungsschiffe und war sich seiner Verantwortung voll bewußt. »Shuttle drei«, sprach er in seinem quiekenden Basic in die Kom-Einheit, »passen Sie auf. Sie treiben zu weit nach backbord ab. Die Sturmfront 311 kommt genau auf Sie zu – die Ionisation, die solche Gewitterstürme verursachen, bringt Ihnen Ihre sämtlichen Instrumente durcheinander. Beschleunigen Sie und schließen Sie auf.«
»Hier Shuttle drei. Verstanden ›Freiheitstraum‹.«
Sie flogen jetzt durch dichte Wolkenbänke, und die ›Traum‹ wurde von heftigen Böen von einer Seite auf die andere geworfen. Finsternis umgab sie. Sie hielten auf die Sonne zu, würden vor der Landung jedoch kein Tageslicht zu sehen bekommen.
Der Sullustaner überprüfte seine Instrumente. »An alle Schiffe, Formation zusammenhalten«, befahl er.
Einen Augenblick lang sah er die dahinsausenden Lichter seines Flügelmanns auf der Steuerbordseite, bevor die Wolken sie zum Verlöschen brachten. Sie wurden immer wieder hart von Windstößen getroffen, und die Wolkendecke war so dicht, daß Nebl sich gar nicht erst damit abgab, einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Er flog ausschließlich nach den Instrumenten. Regen, Hagel und elektrische Stürme rasten vorbei und beleuchteten die tintenschwarzen Wolken mit radioaktiven Blitzen. Nebl verfolgte das Vorankommen seiner Formation anhand der taktischen Sensoren.
Es war zehn Jahre her, seit Nebl zum letzten Mal durch die ylesianische Atmosphäre geflogen war, doch er stellte überrascht fest, daß er sich noch an alles erinnerte.
Er führte die eine Hälfte der Rebellenschiffe, die für Kolonie Eins eingeteilt waren, Han Solo lotste mit der ›Millennium Falcon‹ die andere Hälfte. Han hatte seinen sullustanischen Freund am vorigen Tag zu einer kurzen Spritztour mit seinem neuen Schiff eingeladen, und die beiden hatten, während Nebl es sichtlich genoß, Han bei der Vorführung seines einzigen Stolzes zuzusehen, über die alten Zeiten gesprochen.
Nebl ortete eine neue Sturmfront, machte die Formation darauf aufmerksam und drückte sein Schiff schwungvoll nach unten, wobei er automatisch seinen Anflugvektor im Auge behielt. Sein vorgesehener Landeplatz befand sich mitten in der Ansiedlung Kolonie Eins. Er hatte einen Trupp Soldaten an Bord, deren Auftrag in der Sicherung der Andrisfabrik bestand.
Während des Fluges konnte Nebl hören, wie der Einsatzleiter an Bord des Transportschiffs ›Liberator‹ über die Fortschritte der Flotte berichtete. Die Streitkräfte der Rebellen hatten die ylesianische Raumstation eingenommen und waren dabei auf größeren Widerstand als erwartet gestoßen, meldeten jedoch soeben, daß die Station gesichert sei.
Nebl blieb dicht bei den anderen, während er seine Formation immer tiefer nach unten führte. Er spürte die Sturmfronten auf, so daß die weniger erfahrenen Piloten dies nicht selbst tun mußten und – wenigstens in der Theorie – dazu in der Lage waren, sich unter Nebls Anleitung anstatt auf die Navigation allein auf das Fliegen zu konzentrieren.
Sie hatten jetzt fast die dichteste Wolkenschicht erreicht. Kolonie Eins lag noch im Dunkeln, der neue Tag würde etwa in einer Stunde heraufdämmern. Nebl bemerkte, daß das Landungsboot an seiner äußersten rechten Flanke zurückfiel, und stellte unverzüglich eine Verbindung her.
»Shuttle sechs, Sie fallen zurück. Was ist da los?«
»Wir haben Probleme mit einem Stabilisator.« Die Stimme des jungen Piloten klang angespannt. »Mein Kopilot arbeitet daran.«
»Formation, gehen Sie mit der Geschwindigkeit runter. Wir wollen Shuttle sechs nicht verlieren«, befahl Nebl.
Die anderen drosselten folgsam ihr Tempo.
Die nächste Stimme, die Nebl über das Kom hörte, war die von Han Solo. »He, Nebl, was liegt an? Sie werden langsamer.«
Der Sullustaner schilderte das Problem.
»Ich will nicht vor Ihnen da unten ankommen, lasse mich also auch zurückfallen«, erwiderte Han. Die ›Falcon‹ und ihre Begleitschiffe wurden langsamer, fielen zurück und überließen Nebl programmgemäß die Führung. Beide Verbände flogen noch immer in geschlossener Formation, als sie unter die Wolkendecke fielen und die nächtlichen Lichter von Kolonie Eins erblickten.
Nebl kam als erster runter. Er hatte das Shuttle sechs unterdessen an eine andere Position dirigiert. Es flog nun direkt neben ihm, so daß er den Piloten förmlich an der Hand nach unten lotsen konnte. Nebls übrige Begleitschiffe flogen, während sie auf ihre vorgesehenen Landekoordinaten zurasten, eine halbe Schiffslänge hinter der ›Traum‹ und Nummer sechs her.
Nebl erwischte es ohne Vorwarnung. In der einen Sekunde steuerte er noch die vorgesehenen Koordinaten an, alles lief bestens, und in der nächsten schrillte ein Sensoralarm. Der Sullustaner sah nach unten und stellte fest, daß er anvisiert wurde – von einem schweren Turbolaser.
Was…? Dachte er verdutzt. Wo…?
Die Explosion war so gewaltig, so allumfassend, daß Nebl nicht einmal genug Zeit blieb, den Volltreffer zu realisieren.
Han Solo beobachtete entsetzt, wie die ›Freiheitstraum‹ und Shuttle sechs von zwei Feuerstößen eines bodengestützten schweren Turbolasers ausradiert wurden. Der Laser feuerte noch einmal, und zwei weitere Boote vollführten verzweifelte Ausweichmanöver, die sie mit rasender Geschwindigkeit geradewegs in eine tückische Luftströmung führten. Ihre Stummelflügel stießen zusammen, und sie stürzten brennend in den Urwald. Feuerbälle bezeichneten die Absturzstellen wie purpurfarbene Farbkleckse in der Dunkelheit.
Han war vor Schreck eine halbe Sekunde wie gelähmt. Ein Turbolaser! Wo kommt der bloß her? Dann überprüfte er seine Position und die der Boote, die in seiner Formation flogen, und leitete sein eigenes Ausweichmanöver ein. Im selben Moment aktivierte er das Kom und rief: »Formationen eins und zwei – abdrehen! Bria, du mußt deinen Schiffen befehlen, die alternativen Landeplätze anzufliegen! Abdrehen! Die haben da unten einen schweren Turbolaser! Nebl hat es erwischt!«
Han drehte die ›Falcon‹, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Seite und änderten seinen Anflugvektor – keinen Augenblick zu früh. Eine Welle tödlicher grüner Energie schoß auf sein Raumschiff zu und verfehlte nur knapp den Rumpf. Han sah eine Kontrollampe an seiner Konsole aufleuchten, die einen Schaden am Schiff anzeigte, und stellte fest, daß der Schuß die Kontrollen für die horizontale Bewegung der neuen ausfahrbaren Laserkanone ausgeschaltet hatte. Der Streifschuß hatte außerdem die topographischen Sensoren gebraten. Er fluchte und übertönte sogar Chewies Geheul.
Han hörte einen Schrei von Jarik, der im unteren Geschützturm saß, wo er eine spektakuläre – und wahrlich furchteinflößende – Aussicht auf den Treffer gehabt haben mußte.
Das war für meinen Geschmack viel zu nah! Er drehte ab und nahm Fahrt auf, um aus der Reichweite des Turbolasers zu gelangen. Zum Glück hatte keines der übrigen Raumschiffe etwas abbekommen.
Die alternativen Landeplätze lagen in einer Entfernung von mehr als zwei Kilometern von Kolonie Eins am Strand. Han brachte die ›Falcon‹ nach unten und setzte das Schiff nicht weit von den Brechern auf den festgebackenen Sand. Er blieb einen Augenblick lang, umgeben von der ylesianischen Finsternis, einfach sitzen und atmete schwer. Er ließ die Positionslichter brennen, damit keiner der anderen Piloten in Versuchung geriet, auf ihm zu landen.
Rechts von der Kanzel der ›Falcon‹ befanden sich die Dünen und dahinter die Schlammgruben von Kolonie Eins. Zu seiner Linken lag der Zoma Gawanga, was auf huttisch so viel wie ›Westliches Meer‹ bedeutete. Hinter ihm und vor seinen Augen erstreckte sich der Strand, auf dem sich jetzt bereits weitere Raumschiffe niederließen.
Han überließ es Chewie, die nach einer Landung notwendigen Checks durchzuführen, und schaltete das Kom ein. »Shuttle eins, hier spricht die ›Falcon‹. Bria, hier spricht Han. Bitte melden, Shuttle eins.«
Statik knisterte, dann ließ sich ihre Stimme vernehmen. Han stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Er hatte vorhin ein wenig den Überblick über die Formationen verloren, und obgleich er angenommen hatte, daß Shuttle eins nicht zu den getroffenen Raumern gehörte, war er sich dessen bis zu diesem Augenblick nicht wirklich sicher gewesen.
»Han, ich höre dich. Shuttle eins setzt jetzt zur Landung auf alternativem Landeplatz an. Ich werde meine Truppen für den Bodenangriff formieren. Wir gehen über die Dünen rein. Meine Einheit wird durch den Urwald auf die Siedlung vorrücken.«
»Ich begleite dich«, sagte Han. »Geh nicht ohne mich los.«
»Verstanden, ›Falcon‹.« Sie zögerte. »Han, wir müssen unbedingt das Verwaltungsgebäude sichern. Kannst du dich darum kümmern, die togorianische Staffel dorthin zu schicken?«
Han wußte, daß sie an die Schatzkammer dachte. Der Plan hatte ursprünglich vorgesehen, daß Muuurgh, der die Anlage und den Urwald gut kannte, seine aus Togorianern bestehende Staffel dort absetzen sollte. Doch nun würden sie einen viel weiteren Weg zurücklegen müssen…
»In Ordnung«, entgegnete Han. »Mach ich.«
Han ging in die Schiffslounge, wo die Togorianer soeben ihre Sicherheitsgurte lösten, die Ladungen der Waffen überprüften und Bemerkungen über holprige Flüge austauschten. Sie wollten den Grund für die schwindelerregende Luftakrobatik wissen, und Han verwendete eine Minute auf Erklärungen, dann fuhr er fort und teilte Muuurgh, Mrrov, Sarrah und den restlichen Togorianern mit, daß sie viel weiter als vorgesehen von ihrem Ziel gelandet waren.
»Das wird härter, als wir eigentlich geplant hatten«, sagte Han. »Ihr werdet ungefähr zwei Kilometer durch den Urwald laufen müssen.«
Muuurgh stand auf, wobei er sorgfältig darauf achtete, sich in der Enge der Lounge nicht den Kopf zu stoßen. »Keine Sorge, Han«, rief er. »Muuurgh wird Weg durch Urwald bis zum Verwaltungsgebäude weisen. Muuurgh rund um Kolonie Eins gejagt, und Muuurgh gutes Gedächtnis für Terrain.«
Han zog sein Infrarotsichtgerät über die Augen, setzte den leichten Helm auf und griff nach seinen Waffen, dann folgten er und Chewbacca der togorianischen Staffel die Landerampe hinunter. Han sah zu, wie sich die leuchtend gelben Gestalten ihren Weg den Strand hinauf bahnten. Er schob das Sichtgerät hoch und war auf der Stelle von undurchdringlicher Schwärze umgeben. Der Corellianer nahm einen tiefen Atemzug der nächtlichen Luft, und der Duft des ylesianischen Ozeans trug ihm eine Woge von Erinnerungen zu.
»Chewie«, sagte er, »sei auf der Hut. Diese Welt kann eine echte Fallgrube sein. Wie gut, daß es wenigstens nicht regnet.« Er klopfte gegen das Sichtgerät. »Brauchst du so etwas nicht, Kumpel?«
Chewie schüttelte den Kopf und versicherte Han, daß die Nachtsicht der Wookiees der menschlichen Sehkraft weit überlegen sei. Er sah ausgezeichnet und brauchte keine Brille.
Als Han sich umdrehte, kamen Jarik und Lando über die Laderampe marschiert. Wie Han trugen sie schwere Blastergewehre und Helme mit Infrarotsichtgeräten. Sie blieben am Fuß der Rampe stehen und sahen zu, wie die Rebellensoldaten aus den Landungsbooten zusammenströmten. Der weitaus größte Teil der Raumer war mittlerweile gelandet.
»Und… was glaubt ihr zwei, wohin ihr unterwegs seid?« wollte Han wissen.
»Schauen, wo was los ist«, meinte Jarik. »Ich werde mir das hier bestimmt nicht entgehen lassen.« Der Junge hielt sein Blastergewehr umklammert und wippte auf den Zehenspitzen auf und ab; die Aussicht darauf, seinen ersten Bodenangriff mitzumachen, erregte ihn offensichtlich.
Han hatte die ganze Zeit darauf spekuliert, Jarik im Schiff zurücklassen zu können. Dort wäre er sicherer. »Moment mal«, sagte er jetzt. »Die Togorianer werden das Verwaltungsgebäude einnehmen. Chewie und ich machen uns mit Bria auf den Weg. Und wer paßt auf die ›Falcon‹ auf, wenn ihr zwei auf Aktion aus seid?«
»Schließ das Schiff ab und aktiviere die Sicherungssysteme«, empfahl Jarik. »Dann kommt keiner rein, es sei denn, du läßt ihn, Han.«
Lando deutete auf den Strand. Gerade setzten die letzten Rebellen- und Schmugglerschiffe zur Landung an. »Läßt Bria denn keine Nachhut hier zurück, um die Raumschiffe zu bewachen?« Han starrte den Spieler finster an, als diesem plötzlich aufging, daß er ein wenig schwer von Begriff gewesen war. Er verstummte abrupt.
Die Schmuggler schwappten aus ihren Raumern, und einige der Captains waren unverkennbar nicht glücklich. Han wappnete sich innerlich, als Kaj Nedmak und Arly Bron in Begleitung einer Reihe von Schmugglern und Freibeutern, die er nicht kannte, auf ihn zustürmten.
»Solo, was denkst du dir eigentlich dabei, uns direkt in den Turbolaser zu lotsen?« wollte Bron wissen. »Ich hätte um ein Haar meine Maschinen eingebüßt!«
Han hob die Schultern und spreizte die Hände. »He, das war nicht mein Fehler! Davon wußte ich nichts! Ich bin selbst beinahe geröstet worden!«
In diesem Augenblick kam Bria näher. Bei ihr war Jace Paol, ihr Erster Offizier. »Han kann nichts dafür«, rief sie der mißmutigen Versammlung zu. »Ich werde wohl mal ein Wörtchen mit den Bothans reden müssen. Sie sollten die für diese Mission notwendige Vorausaufklärung durchführen. Außer wenn dieser Turbolaser gerade erst aufgestellt wurde, hätten sie ihn eigentlich lokalisieren müssen.«
Neues Murren von seiten der versammelten Captains wurde laut. Bria hob eine Hand und bat um Ruhe. »Keine Sorge, Sie werden alle bekommen, was Ihnen zusteht«, rief sie – ihre Stimme und Augen waren gleichermaßen hart und voller Autorität. »Warten Sie hier am Strand, bis wir die Ansiedlung gesichert haben. Jeder, der einen guten Kampf liebt, darf sich uns gerne anschließen.«
Die meisten Anführer der Schmuggler und Freibeuter schüttelten die Köpfe und entfernten sich, aber ein oder zwei entschieden sich dafür, mit den Rebellen zu marschieren – wahrscheinlich um sicherzustellen, daß sie die besten Gewürze in den Lagerhäusern für sich selbst in Anspruch nehmen konnten.
Han sah Bria an. »Chewie und ich, wir gehen mit dir«, sagte er.
Jace Paol ergriff das Wort. »Commander, ich bitte um Erlaubnis, meine Staffel in Marsch setzen und diesen Turbolaser ausschalten zu dürfen. Wir werden später noch weitere Shuttles landen müssen, und mit diesem Ding, das unsere Schiffe vom Himmel holt, werden wir das nicht können.«
Bria nickte. »Erlaubnis erteilt, Lieutenant. Nehmen Sie ein Sprengteam mit. Schalten Sie den Laser aus – und wenn Sie das Geschütz nicht einnehmen können, zerstören Sie es.«
»In Ordnung, Commander.«
»Jarik Solo zur Stelle. Ich möchte mitkommen.« Jarik wandte sich direkt an Jace Paol. »Dieser Laser hätte fast mein Hinterteil gebraten. Ich möchte dabeisein, wenn das Ding unschädlich gemacht wird.«
Paol nickte dem jungen Mann zu. »Ich bin froh, Sie dabeizuhaben.«
Han fing Landos Blick auf und wies mit dem Kinn auf Jarik. Lando seufzte und trat einen Schritt vor. »Zählen Sie auch auf mich, Lieutenant. Ich bin Lando Calrissian.«
»Schön, Sie dabeizuhaben, Calrissian.«
Han winkte seinen Freunden zu, als sie sich gemeinsam mit Paols Staffel den Strand hinunter in Bewegung setzten. Er sah zu, wie Bria den Truppenteilen, die als Nachhut bei den Schiffen am Strand zurückbleiben würden, letzte Befehle erteilte. Dann marschierten er und Chewie mit Bria und ihren Leuten über den Sand. Ihr Komlink zirpte, und sie schaltete es ein. Han lauschte der Stimme Blevons, des Einsatzleiters auf der ›Liberator‹.
»Regenbogen eins an alle Stationen, wir erhalten zahlreiche Berichte über heftigen Widerstand. Seien Sie also wachsam!«
Bria warf Han einen Blick zu, dann schaute sie auf ihr Chrono. »Alle Einsatzkräfte sind gelandet, aber wir liegen hinter dem Zeitplan.« Sie schaltete das Komlink leise, so daß nur noch das ferne Murmeln diverser Commander zu hören war, die Bericht erstatteten, dann fiel sie in einen zügigen Laufschritt.
Han und die Soldaten der Einheit hefteten sich an ihre Fersen. An die Infrarotsichtgeräte mußten sie sich zuerst noch gewöhnen. Han stolperte fast über Treibgut, und einmal verfing er sich mit dem Fuß in einem Gestrüpp aus dornigem Sandgras und zerkratzte sich gründlich. Chewie war so liebenswürdig, ihn nachdrücklich wieder auf die Beine zu stellen und zu befreien. Han, dessen Haut brannte, warnte die anderen, die nach ihm kamen.
Es ist lange her, dachte er, kletterte hinter Bria die Dünen hinauf und umklammerte das schwere A280. Sand rieselte, geriet rings um ihn ins Rutschen, und er fand nur unsicheren Halt. Das letzte Mal, daß er so etwas getan hatte, war ihm nicht in angenehmer Erinnerung geblieben…
Bria erreichte den Kamm der Düne als erste. Sie warf sich flach auf den Boden und bedeutete ihren Nachfolgern mit einem Handzeichen, vorsichtig zu sein.
Han erwartete nicht, unter Feuer zu geraten – immerhin waren sie nicht einmal in Sichtweite der Ansiedlung –, aber in einer Schlacht war es immer gut, Vorsicht walten zu lassen. Er ließ sich auf den Bauch fallen und robbte an Brias Seite; Chewie hielt sich direkt hinter ihm. Sand rieselte in seinen offenen Kragen und verursachte einen lästigen Juckreiz. Aber er hatte keine Zeit, sich zu kratzen.
Han, der Wookiee und Bria schoben sich nebeneinander langsam den letzten halben Meter hinauf und spähten über den Rand der Düne…
…und um Haaresbreite wurde ihnen die Schädeldecke weggeblasen. Blasterfeuer trommelte auf sie ein, verwandelte einen Teil des Sandes auf der Stelle in Glas und besprühte sie mit winzigen heißen Partikeln, die wie Insekten stachen.
Chewie heulte, als er, Han und Bria sich flach auf den Boden preßten und Deckung suchten, bis der Beschuß aufhörte. Die Rebellenführerin las ihre Sensoren ab und blickte dann Han an, ihr Gesicht war ein gelber Fleck mit weißen Lippen vor den unterschiedlichen Grüntönen des Infrarots. Er konnte erkennen, daß sie unter der entstellenden Brille die Stirn runzelte. »Han, ich fange da draußen mindestens zwanzig Energiesignaturen auf, die auf uns warten. Wer auch immer diese Typen sein mögen, eine Bande Gamorreaner jedenfalls nicht.«
Han sah sie an. »Das und der Turbolaser…«
»Ja.« Sie stellte das Komlink für eine Übertragung ein, »Regenbogen eins, hier Rot eins. Wir sind bei der Landung unter Turbolaserfeuer geraten und haben uns für die alternativen Landeplätze entschieden. Wir sind jetzt unten. Mäßige Verluste. Vier Schiffe verloren: drei Shuttles, einen Freund.« Freund, wußte Han, war das vereinbarte Codewort für ein Schmuggler- oder Freibeuterschiff. »Stoßen auf heftigen Widerstand. Setzen den Angriff jedoch fort.«
Die Stimme der Einsatzleitung gab zurück: »Regenbogen eins hier. Verstanden, Rot eins. Benötigen sie Weiß eins?« Blevon wollte wissen, ob Bria Verstärkung von der ›Liberator‹ anforderte.
Sie bediente ihr Link. »Negativ, Regenbogen eins. Die Reserven können nicht landen, solange der Turbolaser noch steht. Aber wir arbeiten daran. Rot eins Ende.«
»Regenbogen eins Ende«, bestätigte Blevon und verstummte dann.
Bria wechselte auf die allen Einheiten gemeinsame Frequenz. »Jace, hier ist Bria. Haben Sie schon mal einen Blick über die Dünen geworfen?«
»Hab’ ich.« Paols Stimme klang finster. »Was sind das für Typen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Bria. »Aber offensichtlich sind sie Profis. Paol, Sie umgehen den Urwald und nähern sich den Schlammgruben aus nördlicher Richtung. Ich stoße durch den Dschungel vor und komme von Süden. Wir nehmen sie unter Kreuzfeuer.«
»Verstanden«, sagte Paol trocken, »Sie lassen mich durch den Matsch kriechen.«
Bria lachte grimmig und unterbrach die Verbindung.
Han und Brias Gruppe brauchten fast zehn Minuten, bis sie sich so weit über den Strand vorgearbeitet hatten, daß sie sicher sein konnten, durch dem Urwald geschützt zu sein. Sie stiegen über die Dünen und bewegten sich anschließend wieder abwärts in Richtung Urwald. Han folgte Chewie auf dem Fuß, während sie sich durch verrottende Vegetation schlugen. Er rümpfte angesichts des Geruchs die Nase, und Chewbacca jaulte protestierend – Wookiees besaßen einen wesentlich schärferen Geruchssinn als Menschen. Während Han schwitzend durch den morastigen Untergrund stapfte, wünschte er sich, Stiefel mit besserer Bodenhaftung zu tragen.
Schließlich gelangten sie an den Rand des gerodeten Gebiets. Brias Sensoren bestätigen, daß ihre Ziele direkt vor ihnen lagen. Die kauerten im Dschungel, und das Komlink zwitscherte leise. Bria stellte lauter. »…erhalten zahlreiche Berichte über heftige Gegenwehr. Grün eins bestätigt die Gefangennahme einiger Profis in Söldnerkluft, die sich selbst die Nova Force nennen. Regenbogen eins Ende.«
»Nova Force? Söldner?« Han sah Bria an. »Na, großartig. Wie kommen die hierher?«
Sie zuckte die Achseln.
Han zog ein finsteres Gesicht. »Und ich habe den Schmugglern und Freibeutern erzählt, das hier wäre ein Kinderspiel!« Er lauschte angespannt, während Bria sich mit Jace Paol besprach.
Alles war bereit… Hans Puls raste. Er schluckte, sein Speichel schmeckte metallisch. »Fertig, Kumpel?« flüsterte er Chewie zu, der die Ladung seiner Armbrust überprüfte.
Chewie knurrte.
Han überprüfte noch einmal sein Blastergewehr, obwohl er genau wußte, daß es geladen war. Schließlich nickte Bria, und die Staffel robbte aus dem Urwald, kroch an Säumen gestutzter Vegetation entlang und grub Hände und Knie in den weichen Untergrund. Es hatte kürzlich geregnet… schließlich befanden sie sich auf Ylesia. Dann berührten Hans Finger Permabeton. Ein Landefeld oder eine Straße… vor zehn Jahren war hier noch nichts gewesen.
Bria zählte gemeinsam mit Paol die Sekunden des Countdowns, dann…
»Feuer!«
Han richtete sich auf die Knie auf, blickte sich durch die Brille suchend um und entdeckte eine undeutliche Gestalt, die einen unbekannten Helm trug. Gelb deutete auf Körperwärme hin. Er schoß.
Die fahler werdende Nacht explodierte im Feuer der Blaster, in erstickten Schreien und Schlachtrufen. Han und Chewie rückten gemeinsam mit Brias Staffel vor. Die Soldatin, die links von Han lief, stürzte zu Boden. Er warf einen Blick auf sie und sah, daß dort, wo früher ihr Gesicht gewesen war, ein schwarzes Loch klaffte, sah schwarz verkohltes Fleisch, und lief weiter.
Kurz darauf, als der feindliche Beschuß verebbte und dann ganz aufhörte, rief Bria ihren Leuten zu, sie sollten das Feuer einstellen. Han und Chewie kamen näher und sahen die verstreuten Leichen. Bria stupste einen der Toten mit der Fußspitze an, als Jace Paol, der so mit Schlamm besudelt war wie ein T’landa Til nach einem Bad, zu ihnen stieß.
»Seht euch das Emblem an seinem Ärmel an«, sagte Bria. »Ein explodierender Stern. Und schaut euch mal ihre Rüstungen und Waffen an. Profis, keine Frage.« Sie zählte die Leichen. »Zwanzig. Es gibt wahrscheinlich noch mehr von denen am Turbolaser.«
Bria und Han ließen ihre Blicke über die Ansiedlung schweifen. In der beginnenden Morgendämmerung konnten sie den Turm mit dem Turbolaser an der Spitze ausmachen.
»Gut, daß sie das Ding nicht nach unten drehen können, um Ziele am Boden zu beschießen«, stellte Han fest. »Sonst würden sie uns hier braten.«
Jarik und Lando schlossen zu ihnen auf, und die vier Freunde standen ein wenig abseits, während Bria einer Handvoll ihrer Soldaten befahl, die Verwundeten zu den Schiffen zurückzubringen und die Waffen der Nova Force zu bergen. »Denkt daran, Leute«, sagte sie, »wir nehmen alles mit. Stellt alles sicher, was wir irgendwie verwenden können.«
Alle nickten.
Han sah Lando und Jarik an, die beide von Schlamm überkrustet waren, und schüttelte den Kopf. »Lando, wenn Drea Renthal dich so sehen könnte…«
Chewie brach in schallendes Gelächter aus.
»Halt die Backen, Han, und du auch, Chewbacca«, versetzte der Spieler und zupfte und wischte pedantisch an seiner ruinierten Kleidung herum. Zu seinem Glück hatte er im Verlauf der Vorbereitungen auf diese nächtliche Arbeit derbe Kleidung angelegt. »Ich will nichts davon hören. So dreckig bin ich seit… na ja, das ist eine lange Geschichte.«
Han lachte und richtete den Blick auf Jarik. »Und… wie fühlst du dich, Kleiner?«
Jarik nickte. »Ganz gut, würde ich sagen. Ich hab’ mindestens zwei von denen erwischt.«
Han gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Klasse. Wir machen noch einen Krieger aus dir.«
Jariks Zähne blitzten weiß in seinem von Schlamm geschwärzten Gesicht.
Sobald die Verwundeten von Sanitätern fortgeschafft worden waren, aktivierte Bria erneut das Komlink und befahl der wartenden Truppe, ihren Marsch im Laufschritt fortzusetzen. »Nehmen wir diese Siedlung ein! Gehen Sie Staffel für Staffel vor! Sprengkommandos, alles klar?«
Sie drehte die Lautstärke weiter auf, und sie hörten: »Regenbogen eins, hier Grün zwei, ich übernehme hier das Kommando. Grün eins wurde aufgerieben.«
»Regenbogen eins hier. Verstanden, Grün zwei. Status?«
»Wir sind hier fast fertig. Müssen nur noch säubern. Erwarte, Ziel in… fünf Minuten gesichert zu haben.« Bria schnitt eine Grimasse. »Wir liegen zurück.« Sie drückte wieder auf ›Senden‹. »Regenbogen eins, hier spricht Rot eins. Die Gegenwehr an der vordersten Linie hat sich erledigt. Wir schaffen Verstärkung heran und rücken dann auf die Siedlung vor.«
»Rot eins, wie sieht es bei dem Turbolaser aus?«
»Regenbogen eins, zwei Einheiten bereiten sich soeben darauf vor, ihn auszuschalten. Rot eins Ende.«
»Regenbogen eins… Ende.«
Han und Chewie sahen zu, wie Paols Staffel sich auf den Weg durch den Urwald machte, um sich dem Turbolaser von Osten her zu nähern. Danach waren sie vollauf damit beschäftigt, gemeinsam mit Brias Staffel in die Ansiedlung einzudringen. Sie stießen auf vereinzelte Widerstandsnester ylesianischer Wächter, mit denen sie, wie sie es erwartet hatten, leicht fertig wurden.
Obwohl die Waffen schwiegen, war die Nacht jetzt nicht mehr still. Unter das Stöhnen und Flehen der Verwundeten, die Schreie um Hilfe, mischten sich vereinzelte nichtmenschliche Rufe…
Während sie vorrückten, erstatteten Brias Einheiten fortlaufend Bericht: »Rote Hand, Staffel drei meldet, Andrisfabrik gesichert. Die Sprengkommandos gehen jetzt rein…«
»Rote Hand, hier Staffel sechs. Haben das Begrüßungszentrum gesichert und das Sprengkommando verständigt.«
»Rote Hand, Staffel sieben meldet, wir rücken auf das Dormitorium vor, das von Söldnern bewacht wird… es sind aber nur etwa sechs Mann. Erwarten keine Schwierigkeiten…«
»Rote Hand, Staffel zwei hier. Wir beziehen jetzt Stellung, um diesen Turbolaser einzunehmen. Schätze, der Angriff beginnt in… fünf Minuten.«
Han und Chewie hielten sich dicht bei Bria, und die drei gaben sich gegenseitig Deckung. Immer wieder hallte durch die Siedlung aufflackerndes Blasterfeuer, unter das sich Schreie und das Grunzen und Quieken von Gamorreanern sowie nichtmenschliches Wimmern mischte.
Han rechnete mit etwa einer Abteilung Söldnern – also alles in allem dreißig oder vierzig Kämpfer. Die Soldaten der Nova Force erwiesen sich als echte Profis. Sie kämpften tapfer und gut, bis der Rückzug offensichtlich unausweichlich war. Sie kämpften für Credits, nicht für ein höheres Ziel, da erschien es ihnen sinnvoll, am Leben zu bleiben und den Kampf ein andermal wiederaufzunehmen.
Einmal kam eine halb wahnsinnige Pilgerin mit einer erbeuteten Blasterpistole aus den Schatten gesprungen; ihr Schuß verfehlte Bria nur knapp. Han schoß die Bothan nieder, tötete sie – er mußte schnell reagieren und fand keine Zeit, sie mit einem gezielten Schuß kampfunfähig zu machen. Bria blickte voller Entsetzen auf die Pilgerin hinunter, und einen Moment lang glaubte Han, Tränen in ihren Augen zu erkennen.
»Süße«, sagte er, »es gab nichts, was ich hätte tun können…«
»Ich weiß.« Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Es ist trotzdem schlimm, wenn sie auf einen losgehen, während man ihnen zu helfen versucht.«
Han klopfte ihr tröstend auf die Schulter. Als sich mit einem Zirpen die Einsatzleitung meldete, griff Bria nach dem Komlink und hörte die entsprechende ID: »Hier Regenbogen eins.«
Bria bedeutete ihrer Staffel, hinter ihr anzutreten. Im nächsten Augenblick war wieder Funkverkehr auf der Frequenz der Einsatzleitung zu hören – eine nach außen ruhige Stimme, in der jedoch unverkennbar ein Unterton von Anspannung mitschwang. »Regenbogen eins, hier Blau eins. Ich brauche Unterstützung!«
Blevons Stimme war ausdruckslos. »Blau eins, Statusbericht!«
»Dreißig Prozent Verluste… sie haben uns mit Schnellfeuerblastern festgenagelt, mindestens zwei. Einer im Lagerhaus, der andere im Dormitorium. Ich brauche dringend Weiß eins.«
»Blau eins, hier Weiß eins. Ich kann in drei Minuten zwei Einheiten absetzen. Wo wollen sie die Leute haben?«
»Warum nehmen Sie nicht das Lager ein? Bringen Sie eine Abteilung nach Norden, zur Südflanke des Hügels drei-eins. Setzen Sie die zweite östlich davon im Dschungel ab und greifen Sie von der Seite an. Ich übernehme das Dormitorium.«
»Hört sich gut an, Blau eins. Weiß eins Ende.«
»Blau eins Ende.«
Bria warf einen Blick auf den Turbolaser. Der erste Morgenschimmer hellte den Himmel auf. »Jace müßte jeden Moment zum Einsatz kommen…«
Als wären ihre Worte ein Signal gewesen, explodierte das Gelände rings um den Turbolaser: Blasterfeuer, Rufe, Schreie sowie das Getöse von mindestens zwei durch die Luft sausenden Granaten. Dann zerrissen Detonationen die Luft.
Bria wartete ein paar atemlose Sekunden und aktivierte ihr Link. »Staffel zwei, Bericht! Sind Sie drin? Ist das Ding in Ihrer Hand?«
Keine Antwort. Han und Chewie blickten einander gespannt an, während sie neben der Glitzerstimfabrik in Deckung gingen. Einer von Brias Soldaten bog gerade, von der Rückseite kommend, um die Ecke des Gebäudes. »Alles gesichert, Commander. Ich habe um ein Sprengkommando gebeten.«
Sie nickte beklommen. »Gute Arbeit, Sk’kot. Einheit zwei, hier Führer Rote Hand. Bitte melden, bitte melden. Was ist da los?«
Das Schweigen hielt noch zehn endlose Herzschläge lang vor, dann hörten sie plötzlich das Klicken der Frequenz. »Rote Hand, hier Staffel zwei.« Jace Paols Stimme. Die Soldaten rings um Han und Chewie grinsten und stimmten einen gedämpften Jubel an. »Wir haben es geschafft, aber wir haben Verwundete unter unseren Leuten. Schicken Sie mir die Sanitäter her. Ende.«
Bria rief eilig nach Verstärkung für Staffel zwei, verständigte dann die Fähre der Sanitäter und teilte ihnen mit, daß sie die Siedlung gefahrlos anfliegen konnten. Dann rief sie in ihr Komlink: »Staffel acht, wie sieht es bei euch Togorianern aus?«
Eine Stimme drang aus dem Kom, die, wenngleich mit Akzent, verständliches Basic sprach. »Hier Mrrov. Das Gebäude ist fast sicher, Bria. Aber wir werden den Urwald nach Scharfschützen absuchen müssen. Einigen Wächtern ist es gelungen, sich abzusetzen. Hier oben sind ein paar Raumschiffe gelandet, vor allem kleine Fähren, aber auch ein großes Schiff. Wir behalten die Raumer im Auge – es ist gut möglich, daß eine Handvoll Wächter zu fliehen versucht.«
Bria sprach in das Kom. »Gut gemacht, Mrrov, ich wette, ihr habt mit diesen Gamorreanern kurzen Prozeß gemacht.«
Mrrov knurrte ein amüsiertes Lachen.
Bria wechselte die Frequenz und hörte gerade noch: »Rot eins, Regenbogen eins hier. Statusbericht!« Bria öffnete gerade den Mund zu einer Antwort, als aus dem Zentrum der Ansiedlung auf sie geschossen wurde. Bria, Han und Chewie und die übrigen Angehörigen der Staffel ließen sich fallen und suchten Deckung an der Mauer. Han spie einen Klumpen Schlamm aus und sehnte sich danach, sich den Mund mit dem Wasser aus der Feldflasche an seiner Hüfte ausspülen zu können. Aber er wollte nicht das Risiko eingehen, sich zu bewegen.
»Gebt mir Deckung, Leute!« schrie Bria über die Schulter und schlängelte sich dann vorwärts. Han und Chewie waren unmittelbar hinter ihr. Blasterfeuer fauchte dicht über ihre Köpfe hinweg.
Sie drehte sich um, warf einen Blick nach hinten und entdeckte Han. »Zurückbleiben!« zischte sie. »Ich schaffe das allein.«
»Das weiß ich«, rief Han. »Ich will bloß zusehen.«
Zum ersten Mal hörte er sie fluchen. Sie legte sorgfältig mit ihrem Blastergewehr an, und als das Ziel hinter einem Fahrzeug auftauchte, zog sie den Abzug durch. Der Wächter ging zu Boden und blieb regungslos liegen.
»Guter Schuß!« rief Han beifällig.
Gemeinsam rannten sie zurück zu den Soldaten in Deckung. Bria entdeckte das Komlink, das sie fallengelassen hatte, und hob es auf. »Rot eins, hier spricht Regenbogen eins… Statusbericht!«
Blevons Stimme klang noch immer vollkommen ruhig. Auch Brias Stimme war ruhig, aber ein wenig atemlos. »Hier Rot eins. Der Turbolaser ist ausgeschaltet, und wir halten den größten Teil der Fabriken. Wir greifen in diesem Moment das Lager und das Dormitorium an und sollten in etwa zehn Minuten Vollzug melden können.«
»Verstanden, Rot eins. Benötigen Sie Weiß eins?«
»Ich denke, nicht, Regenbogen eins. Wir schlagen sie.«
»Regenbogen eins… verstanden.«
Sie warteten und lauschten gespannt. Dann…
»Regenbogen eins, hier Gold eins. Objekt ist sicher.«
»Regenbogen eins… verstanden.«
Eine Minute später hörten sie: »Regenbogen eins, hier spricht Orange eins. Ziel gesichert.«
»Verstanden.«
Einer nach dem anderen meldeten sich die Commander in sämtlichen Kolonien mit Ausnahme von Kolonie Drei. »Regenbogen eins«, sagte Bria, »hier spricht Rot eins. Das gemeldete Ziel ist jetzt sicher.«
»Regenbogen eins verstanden.«
»Wir haben immer noch nichts von Kolonie drei gehört«, entgegnete Bria besorgt. »Das ist die Staffel, die Verstärkung brauchte. Ich hoffe, da ist alles in Ordnung…«
Wie zur Antwort auf ihre Besorgnis ergriff jetzt eine neue Stimme das Wort. »Regenbogen eins, hier ist Weiß eins. Melde mich aus Kolonie Drei. Ziel gesichert.«
Blevon sagte: »Bestätigt, Weiß eins. Was ist mit Blau eins?«
Die neue Stimme klang trostlos. »Tot.«
Bria hob den Blick. »Tja, das war’s dann wohl. Ylesia gehört uns, Herrschaften. Abgesehen von den Säuberungen. Rufen wir unsere Schiffe.«
Han wandte sich Chewbacca zu und zog den Wookiee auf die Seite. »Chewie, ich möchte, daß du etwas für mich tust. Jetzt«, sagte er.
Chewie knurrte fragend.
»Wir haben das Gelände gesichert, aber so wie es sich angehört hat, können Mrrov und Muuurgh im Verwaltungsgebäude ein bißchen Hilfe gebrauchen. Wo die Schatzkammer ist. Ich möchte, daß du sie im Auge behältst, dich davon überzeugst, daß sie den Schatz gesichert haben, und ihnen, falls nötig, zur Hand gehst. Du kannst bei Nacht beinah so gut sehen wie die Togorianer, und wenn sie ein paar von diesen Wächtern durch den Urwald hetzen, könntest du ihnen eine große Hilfe sein, das weißt du ja.«
Chewbacca jaulte. Wie üblich hielt er nicht viel davon, sich von seinem Partner zu trennen.
»Komm schon«, drängte Han. »Ich mache mir Sorgen, daß ein paar von diesen Wächtern einbrechen und sich Teroenzas Sammlung unter den Nagel reißen könnten. Das Zeug gehört uns, schon vergessen?«
Chewie grollte, aber seine Gegenwehr ließ nach.
»Jetzt hör mir mal gut zu, Fellknäuel«, rief Han bissig. »Ich habe keine Zeit, mich mit dir zu streiten. Ich vertraue Muuurgh und Mrrov, aber die anderen Togorianer kenne ich nicht mal. Es braucht nicht mehr, als bloß einen rührigen Wächter, dem es gelingt, sich Zugang zu verschaffen. Also, du hilfst Muuurgh und Mrrov, das Gebäude zu sichern, und vergewisserst dich, daß die Schatzkammer noch abgeschlossen ist, dann kommst du auf dem schnellsten Weg hierher zurück. Du solltest dazu ungefähr eine halbe Stunde brauchen. Erinnerst du dich noch an die Lage der Schatzkammer auf der Planskizze, die ich dir aufgezeichnet habe?«
Zustimmendes Knurren.
»Gut. Dann setz jetzt deinen pelzigen Hintern in Bewegung.«
Chewbacca war darüber nicht besonders glücklich, doch der Wookiee brach ohne weitere Einwände auf.
Unterdessen fielen Raumschiffe wie metallischer Regen vom rosig getönten Himmel und landeten im Zentrum der Siedlung.
Han nahm gerade einen Schluck aus der Feldflasche, als eine dunkle Gestalt im Laufschritt auf ihn zukam. Han schob die Brille auf die Stirn, blinzelte in das trübe Licht vor Anbruch des Tages und erkannte Lando. Noch ehe er in das Gesicht des Spielers blickte, wußte er bereits, daß etwas nicht stimmte, und eilte seinem Freund entgegen.
»Han… es geht um Jarik. Der Kleine hat sich einen Treffer eingefangen… Er wird es wohl nicht schaffen. Er verlangt nach dir.«
»Verdammt!« Gemeinsam rannten sie los.
Lando führte ihn zu dem provisorischen Lazarett, das von den Sanitätern eingerichtet worden war, und deutete auf eine Trage. Han ging darauf zu, sah nach unten und erkannte Jariks zerzaustes Haar – und das war praktisch alles. Das Gesicht des Junges war ein rot verbrannter Horror. Han dachte zuerst, er wäre bereits tot, doch dann bemerkte er, daß Jarik noch atmete. Er blickte hoffnungsvoll zu dem am nächsten stehenden Sanitäter auf, doch die Alderaanerin schüttelte düster den Kopf und bewegte die Lippen: »Es tut mir leid.«
»He… Jarik… kannst du mich hören?« Han nahm die schmutzige Hand und drückte sie fest. »Kleiner… ich bin’s, Han.«
Jarik besaß nicht mehr viel, das an Augen erinnert hätte, und Han wußte, er mußte blind sein. Doch der Junge drehte den Kopf ein kleines Stück, und sein Mund bewegte sich. »Han…«
»Nicht sprechen… du kommst wieder völlig in Ordnung. Die stecken dich in einen Bacta-Tank, und in Rekordzeit jagst du wieder den Mädchen nach und schießt auf Imperiale.«
Es folgte ein dünner Hauch ausgestoßener Luft, in dem Han das gespenstische Echo eines Lachens erkannte. »Lügner… Han… ich… muß… muß… dir was sagen…«
Han schluckte. »Ja? Ich höre dich…«
»Mein Name… mein Name… er lautet nicht… Solo. Ich habe dich angelogen.«
Han räusperte sich. »Ja, ich weiß, Kleiner. Das ist schon okay. Ich schenke ihn dir. Soweit es mich betrifft, hast du ihn dir längst verdient.«
»Du… wußtest?«
»Klar. Ich hab’ es von Anfang an gewußt, Jarik.«
Der Griff der schwachen Finger festigte sich kurz und löste sich dann ganz. Han beugte sich hinunter, suchte nach einem Puls, löste dann sanft seinen Griff und erhob sich. Seine Augen brannten, und er brauchte eine Sekunde, um die Selbstbeherrschung wiederzuerlangen.
Die Sanitäterin eilte geschäftig vorbei, und Han packte sie beim Ärmel. »Er ist tot. Wo ist seine ID?«
Sie reichte ihm einen Datenchip. Han nahm ihn an sich und schrieb ›Jarik Solo‹ in das Feld, unter dem ›Name des Verstorbenen‹ stand. Die Sanitäterin forderte Hilfe an, und zwei Arbeitsdroiden rollten herbei. Han sah zu, wie sie den toten Jungen kompetent in das Laken einwickelten und ihn anschließend zu der Reihe von Gefallenen trugen, die säuberlich auf dem Boden abgelegt worden waren.
Noch ehe er sich abwenden konnte, betteten sie ein weiteres Opfer auf die Trage. »Wasser…«, krächzte die Frau.
Han nahm seine Feldflasche. »Sie kommen wieder in Ordnung«, versicherte er, während er ihr beim Trinken half. »Keine Sorge.«
Die Frau trank gierig. »Danke«. Sie fiel schwer auf die Trage zurück.
»Schon okay«, erwiderte Han. »Wie heißen Sie?«
»Lyndelah Jenwald…«, antwortete die Frau kaum hörbar und zuckte zusammen. »Mein Arm tut so weh.«
»Ich werde Hilfe holen«, versprach Han und ging, um sich nach einem Sanitäter umzusehen. Froh darüber, daß Jenwald die Aufmerksamkeit zuteil wurde, die sie brauchte, verließ er kurz darauf das Lazarett und stieß wieder zu Lando, der ihn traurig ansah.
»Es tut mir leid, Han. Ich habe versucht, auf ihn aufzupassen, aber dann kam eine Granate geflogen, und ich mußte mich in den Dreck schmeißen… und das nächste, was ich mitbekommen habe…« Der Spieler verstummte und schüttelte den Kopf.
Han nickte. »Ich weiß doch, wie das ist. Du hättest nichts tun können, Lando. Mach dich nicht fertig.« Er holte tief Atem. »Er war ein guter Junge.«
»Ja…« Lando schwieg, als die beiden Männer ein vertrautes Gebrüll vernahmen. Han entfernte sich im Laufschritt von dem Feldlazarett und eilte auf Chewbacca zu.
Der Wookiee packte, als er sah, daß Han immer noch unversehrt war, dessen Schulter und fuhr ihm in Wookiee-Manier zur Begrüßung durchs Haar.
Han atmete tief durch. »Chewie, Kumpel«, rief er, »mach dich auf was gefaßt… Jarik hat dran glauben müssen.«
Der Wookiee starrte ihn einem Moment lang an, dann warf er den Kopf zurück und stieß ein Brüllen aus, das sich zu gleichen Teilen aus Wut und Trauer zusammensetzte. Han stimmte schweigend in den Kummer seines Freundes ein.
Dann zerrte Chewbacca Han zur Seite und begann mit Nachdruck zu gestikulieren und zu jaulen. »Mrrov?« fragte Han. »Verwundet? Und wird sie es überstehen?«
Chewie war sich dessen nicht sicher, hoffte aber das Beste.
»Ich muß Muuurgh finden«, meinte Han. »Ich sage dir was, Chewie: Du holst die ›Falcon‹ und bringst das Schiff zu dem freien Feld vor dem Verwaltungsgebäude. Dort können wir dann die Laderäume vollpacken.«
Chewie nickte und machte sich mit großen Schritten auf den Weg. Sekunden später, als er zwischen abgestellten Shuttles und Frachtern untertauchte, war seine hochgewachsene Gestalt inmitten der rastlosen Soldaten nicht mehr zu sehen.
Han drehte sich nach Lando um, doch sein Freund war verschwunden. Er kehrte zu dem Lazarett zurück und erkundigte sich, wo man sich der togorianischen Opfer annahm. Der Sanitäter, den er fragte, wußte es nicht, und Han brauchte drei weitere Anläufe, um es herauszufinden.
Schließlich wurde er an ein anderes Feldlazarett verwiesen, in dem der größte Teil der Nichtmenschen behandelt wurde. Dort entdeckte er Muuurghs große schwarze Silhouette, die neben einer Pritsche kauerte, und lief zu ihm. »He, Muuurgh!«
Der Togorianer fuhr beim Klang seiner Stimme herum, sprang auf und zog in ungestüm an sich. »Muuurgh so froh, Han Solo zu sehen. Sie bringen uns jetzt weg von hier, und Muuurgh wollte nicht gehen, ohne Lebewohl zu sagen.«
Han schaute auf Mrrov hinunter. Ihr Kopf war halb unter einem Verband verschwunden. »Was ist passiert?«
»Muuurgh und Mrrov haben das Landefeld bewacht, und drei Gamorreaner haben uns überrannt. Sie zweimal von Energielanze getroffen, bevor Muuurgh Kehlkopf von Angreifer rausgerissen.«
»Oh, he, Kumpel… das tut mir sehr leid«, sagte Han. »Sie wird aber wieder, oder?«
»Sie hat Auge verloren«, gab Muuurgh zurück. »Und Sanitäter meint, vielleicht ihre Hand muß auch weg. Er weiß nicht. Aber sie wird leben. Und sie wird stolz sein, wenn sie weiß, daß Sklaven sind frei und Priester tot.«
Han nickte und wußte nicht, was er sagen sollte. Sanitäter erschienen mit einer Antigravtrage und hoben die verwundete togorianische Frau darauf. Han begleitete Muuurgh zu der Medifähre, sah zu, wie Mrrov eingeladen wurde und schloß Muuurgh ein letztes Mal schweigend in die Arme.
Nachdem er den Start der Fähre beobachtet hatte, wandte sich Han dem großen Gewürzlager zu, da er damit rechnete, dort auf Bria zu stoßen. Als er Jace Paol vorübereilen sah, fragte er den Lieutenant, wo sie sei. Paol wies mit dem Daumen hinter sich auf das Dormitorium der Pilger.
Han lief in die Richtung und legte auf halbem Weg zwischen dem Lagerhaus und den Unterkünften eine Pause ein. Rebellensoldaten trieben die Pilger aus ihren Schlafsälen, und die verwirrten, ängstlichen Sklaven bewegten sich ersichtlich am Rande der Panik.
Bria stand mit einem Mikrophon in der Hand vor ihnen und sprach zu den Leuten. »Hört mir gut zu!« rief sie. »Die Priester sind allesamt tot! Ihr seid jetzt frei, und wir sind hier, um euch zu helfen!«
»Sie haben die Priester getötet!« rief ein alter Mann und begann zu schluchzen. Darauf erhob sich allenthalben ein Wehklagen und Jammern.
»Geht rasch an Bord dieser Fähren!« fuhr Bria fort. »Wir haben Sanitäter und Medikamente, die dafür sorgen werden, daß es euch bald besser geht. Wir können euch heilen!«
Die Menge wurde immer unruhiger. Noch eine Sekunde, und es gibt einen Aufstand, dachte Han unbehaglich. Es war nicht zu übersehen, daß Bria überhaupt nicht zu ihnen durchdrang.
»Wir wollen die Erhöhung!« schrie jemand; im nächsten Moment wurden Sprechchöre laut, und die Pilger stießen rhythmisch die Fäuste in die Luft. »Wir wollen die Erhöhung!«
Bria deutete auf die wartenden Shuttle. »Steigt einfach in die Fähren! Wir werden euch helfen!«
»Wir wollen die Erhöhung!«
Die Menge wogte nach vorne, und Bria gab ihren Truppen mit angewiderter Miene ein Zeichen. Die Soldaten eröffneten darauf mit Lähmstrahlern das Feuer, und die Pilger brachen scharenweise zusammen.
Hans Körper, der selbst bereits ein paar Mal auf diese Weise gelähmt worden war, fühlte schmerzhaft mit den Pilgern, und der Corellianer war ein wenig erschrocken über Brias Herzlosigkeit, als sie ihren Leuten einfach befohlen hatte, auf die Sklaven zu schießen. Aber er entschied, daß es wenig Sinn hatte, etwas dazu zu bemerken. Während er einfach teilnahmslos dastand und zusah, wie die Arbeitsdroiden erschlaffte Pilger in die Boote schafften, drehte sich Bria um und entdeckte ihn.
Han winkte, und sie kam im Laufschritt auf ihn zu. Er packte sie, zog sie voller Erleichterung darüber, daß sie es beide lebend überstanden hatten, ungestüm an sich.
»Jarik?« wollte sie wissen.
Han schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er. »Er hat es nicht geschafft.«
»Oh, Han… das tut mir so leid.«
Er schlang die Arme um Bria, hielt sie fest, küßte sie und spürte, wie sie seinen Kuß erwiderte.
So standen sie eng umschlungen mitten im Chaos. Schließlich löste sie sich von ihm und sagte: »Es ist Zeit, zum Verwaltungsgebäude aufzubrechen. Wir müssen der Schatzkammer noch einen Besuch abstatten.«
Han nickte. »Chewie hat unterdessen die ›Falcon‹ dorthin geschafft«, berichtete Han und sah sich um. Die Sonne war mittlerweile aufgegangen, und die Szenerie, die sich ihm bot, war ein kontrolliertes Chaos aus allgegenwärtigen Truppenteilen der Rebellen.
Bria zupfte an seinem Hemd, aber er rührte sich nicht. »Wo ist Lando?« fragte er statt dessen. »Er war vor ein paar Minuten noch hier. Ist er vielleicht losgezogen, um sich seinen Anteil an den Gewürzen unter den Nagel zu reißen?«
»Komm jetzt«, drängte Bria.
Han warf einen Blick auf das Lagerhaus, da er dachte, daß Lando sich möglicherweise genau da herumtrieb und seinen Anteil holte. Dann sah er ihn und machte einen Schritt in Richtung Lager, aber Bria hielt ihn zurück. »Nein! Komm jetzt, wir müssen los!«
Han kniff die Augen zusammen. »Da drin ist irgend etwas Merkwürdiges im Gange«, meinte er. Er konnte dort drüben Lando und Arly Nron und Kaj Nedmak sowie ungefähr sechs andere Schmuggler-Captains stehen sehen, in der Nähe der geöffneten Tür zum Lagerhaus. Niemand bewegte sich. Han sah Lando an, und Lando erwiderte den Blick, aber der Spieler rührte sich nicht vom Fleck.
»Komm jetzt!«
Han behielt weiter das Lager im Auge und erstarrte plötzlich überrascht und bestürzt. Er konnte jetzt erkennen, was sich da neben der Tür befand und die Schmuggler in Schach hielt: ein schwerer Schnellfeuerblaster auf einem Dreifuß, hinter dem ein Rebellensoldat stand; daneben waren drei weitere Rebellen postiert, die ihre Waffen auf die Schmuggler gerichtet hatten.
»Was, zur Hölle, geht da vor?« wollte Han wissen und fuhr herum, um Bria anzugehen. »Was tust du?«
Sie biß sich auf die Lippen. »Ich hatte gehofft, du würdest nicht dahinterkommen«, erwiderte sie. »Dann wäre es einfacher gewesen. Han, ich habe letzte Nacht neue Befehle erhalten. Etwas wirklich Großes ist im Gange, und wir brauchen jeden Credit, den wir zusammenkratzen können. Jeder wird Opfer bringen müssen. Die Schmuggler-Captains werden für eine kurze Weile als Geiseln festgehalten. Ihre Crews erhalten die Erlaubnis, die unbearbeiteten Gewürze mitzunehmen… aber die erstklassige Ware müssen wir haben. Wir sind darauf angewiesen, Han. Es tut mir leid, aber ich habe keine andere Wahl.«
Han stand der Mund offen; er warf noch einen Blick über die Schulter und sah, daß die Schmuggler ihn anstarrten. Oh, verdammt! schoß es ihm durch den Kopf. Sie denken, ich wäre von Anfang an eingeweiht gewesen! Was sollte er jetzt bloß tun? Auf seinen eigenen Anteil am Inhalt der Schatzkammer verzichten, um sich den Schmugglern anzuschließen. Die meisten von denen würden keinen Finger rühren, um ihm zu helfen, wenn die Dinge umgekehrt stünden, das wußte Han ganz genau. Außerdem… er kannte ja keinen von ihnen besonders gut. Mit Ausnahme von Lando…
Han schüttelte den Kopf und sah Bria an. »Wieso hast du mir nicht verraten, was du vorhast, Süße?«
»Weil du dich niemals damit einverstanden erklärt hättest«, antwortete sie.
»Aber Lando ist mein Freund.« Han zuckte die Achseln. »Alle übrigen kenne ich kaum. Aber Lando…«
»Komm schon«, sagte Bria. »Du hast deinen Anteil an der Schatzkammer und kannst damit machen, was du willst. Wenn du dich mies dabei fühlst, kannst du Lando seinen Anteil ja später geben.«
Han dachte darüber nach und seufzte schließlich. Das mache ich wieder gut, Lando, dachte er. Der Corellianer zuckte innerlich resignierend mit den Schultern, als er mit Bria davonging und die Schmuggler hinter sich zurückließ. Das hier gefällt mir gar nicht… aber was soll ich sonst machen?
Er dachte, er konnte froh sein, daß Chewie jetzt nicht bei ihm war. Der Wookiee besaß ein übertrieben rühriges Gewissen… Als Han und Bria das Verwaltungszentrum erreichten, stießen sie auf Chewie, der dort auf sie wartete. Die ›Falcon‹ stand auf dem Vorfeld. Chewie wollte wissen, wo Lando geblieben sei, und Han zögerte. »Er geht mit Arly zurück«, sagte er nach einer Sekunde.
Zum Glück wurde Chewie so sehr von der Schatzkammer in Anspruch genommen, daß er Hans Unbehagen gar nicht bemerkte.
Han hatte einen kleinen Thermodetonator aus dem Arsenal der Rebellen mitgenommen, daher war es nur noch ein Werk von Sekunden, die Tür zu sprengen.
Er trat ein und blieb entsetzt stehen. Die meisten Regale waren bereits leer. »Was…?«
»Teroenza muß sich darauf vorbereitet haben, hier alles zu räumen!« rief Bria aus und deutete zur Rückwand. »Sieh nur, es ist schon alles für uns eingepackt!«
Die große, auf die Verladerampe führende Hintertür der Schatzkammer war nur angelehnt, als wäre ein Teil der Kostbarkeiten bereits verladen worden – doch Han entdeckte draußen kein wartendes Raumschiff. Er nahm an, daß Teroenza ein Schiff angefordert hatte und dann am Vortag unversehens den Attentätern zum Opfer gefallen war.
»Also gut!« rief er und riß Bria schwungvoll an sich. »Vielen Dank, Teroenza!« Er gab ihr einen kurzen, gleichwohl leidenschaftlichen Kuß, dann wandte er sich den Kisten voller Beute zu. »Okay, wir benötigen einen Repulsorheber, Zuckerstück«, stellte er fest. »Es gibt so ein Ding an Bord der ›Falcon‹. Chewie, du…«
»Nicht bewegen, Solo«, ließ sich da eine Stimme aus der Vergangenheit vernehmen.
Han erstarrte, während Teroenza aus seinem Versteck hinter dem weißen Jadebrunnen hervorgekrochen kam. Der Hohepriester hielt ein Blastergewehr, und in seinen Augen stand ein irres Glitzern, das Han verriet, daß er sich durch nichts von seinem Vorhaben abbringen lassen würde.
»Hände hoch«, verordnete der Priester, und Han, Bria und Chewie streckten einträchtig die Arme in die Luft. Han schielte nach den anderen und versuchte verzweifelt, einen Fluchtweg zu finden. Aber Teroenza würde allemal schneller schießen als sie…
»Ich werde das hier genießen, Bria Tharen und Han Solo«, sagte Teroenza. »Ich habe einen Piloten verständigt, der mich von Kolonie Vier abholen kommt. Ich werde diese verfluchte Welt endlich los… und ich werde meinen Schatz mitnehmen. Alles in allem kein schlechter Handel, auch wenn ich meine Gefährtin vermissen werde. Vielleicht können ja die Desilijic meine Dienste gebrauchen…«
»He«, begann Han, »Jabba ist ein Freund von mir. Wenn Sie mich töten, wird er es nicht allzu freundlich aufnehmen.«
Teroenza lachte keuchend. »Hutts haben keine Freunde«, konstatierte er. »Machs gut, Solo!« Während er den Blaster auf Han richtete, krümmte sich Teroenzas kleiner Stummelfinger um den Abzug.
Han schloß die Augen. Dann hörte er noch das fauchende Geräusch des Blasterschusses…
…und spürte nichts. Keinen Schmerz. Keine sengende Hitze.
Nach einem ausgedehnten Moment vernahm Han das Geräusch eines Körpers, der mit einem lauten, dumpfen Schlag zu Boden ging.
Er hat Bria an meiner Stelle erschossen! dachte er und schlug die Augen auf. Doch der Körper auf dem Boden war der von Teroenza. Wo einmal das linke Glubschauge des Priesters gesessen hatte, befand sich nun ein riesiges klaffendes Loch.
Han blickte wild um sich, fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte und sich das alles lediglich einbildete. Was geht hier vor?
Neben ihm schnappte Bria nach Luft. Han sah, wie Boba Fett aus einer dunklen Ecke des Raums trat. Sein Blastergewehr trug er locker in der Armbeuge. Na toll, dachte Han, jetzt wird uns eben Fett umbringen!
Der Kopfgeldjäger ließ keinen von ihnen aus den Augen, als er auf Teroenzas riesige Gestalt zuging und sich auf ein Knie niederließ. Während er sie einhändig mit dem Gewehr in Schach hielt, benutzte er mit der anderen Hand ein Vibromesser. Das kleine Instrument surrte, fuhr mit Leichtigkeit durch Fleisch und Knochen, als Fett vorsichtig Teroenzas Horn abtrennte.
Han drehte sich vor Entsetzen schier der Magen um. Schließlich kam der Kopfgeldjäger wieder auf die Füße und wich allmählich langsam zurück. Die scheußliche Trophäe hatte er sich unter den Arm geklemmt.
Han konnte nicht anders. »Sie verschwinden!« brach es aus ihm hervor.
Lag da ein vager Unterton von Amüsement in Boba Fetts mechanischer Stimme? Han konnte unmöglich sagen, ob er sich das nur einbildete. »So ist es«, entgegnete der Kopfgeldjäger. »Der Priester ist ein Prioritätsauftrag. Ich bin nicht wegen Ihnen hier.« Als er den Durchlaß in der Mauer erreicht hatte, schob sich Boba Fett rückwärts hindurch und verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war.
Han klappte die Kinnlade runter, und ihm wurde vor Erleichterung schwindelig. »Bria!« schrie er und riß sie einmal mehr an sich.
Alle drei johlten und feierten einen anhaltenden Moment lang in der verwaisten Schatzkammer. Dann machte sich Han auf den Weg zur ›Falcon‹, um den Repulsorkran zu holen. Nachdem er zurück war, brachten sie mehrere Minuten damit zu, die Kisten für das Verladen zurechtzurücken.
Plötzlich setzte auf dem Permabeton neben der ›Falcon‹ eines der Shuttles der Rebellen auf. Han starrte das Schiff verblüfft an, als Jace Paol und eine Rebellen-Einheit von Bord gingen. »He, Bria«, sagte Han, »was soll das? Der Schatz gehört uns! Wir nehmen alles und bringen es in der ›Falcon‹ von hier fort… richtig? Gemeinsam… richtig?«
Er sah sie an, und sie starrte zurück. Sie biß sich auf die Lippen und blieb ihm eine Antwort schuldig. Er fühlte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Bria… Süße… du hast es versprochen, weißt du noch? Daß wir zusammenbleiben? Für immer!« Er schluckte hart. »Bria…?«
Chewie brüllte vor Wut und Enttäuschung, und im nächsten Augenblick war Brias Blaster in ihrer Hand, und sie hielt beide, Han und Chewie, in Schach.
»Han«, sagte sie leise, »wir müssen reden.«