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GEWINNER UND VERLIERER

 

 

Han Solo lehnte sich im Pilotensitz der ›Wayward Girl‹ nach vorn. »Wir treten in die Atmosphäre ein, Captain«, meldete er. Er sah zu, wie die große, bleiche Sonne des Systems in die langgezogene Sichel rötlichen Lichts am Rand der Welt eintauchte und dann hinter dem Saum des Planeten verschwand. Bespins riesige dunkle Nachtseite stieg vor ihnen auf und verdunkelte die Sterne.

Han überprüfte die Sensoren. »Es heißt, daß es in der Atmosphäre über Bespin irgendwelche großen fliegenden – oder besser schwebenden – Lebewesen gibt, wir sollten daher unsere vorderen Schilde bei maximaler Leistung halten.«

Seine Kopilotin führte rasch mit einer Hand eine Einstellung aus. »Wie sieht’s mit unserem ETA für Cloud City aus, Han?« wollte sie wissen. Ihre Stimme verriet einen Anflug von Anspannung.

»Wir sind gleich da«, versicherte ihr Han, während die ›Girl‹ in die oberen Luftschichten eindrang und über den finsteren Pol des Planeten hinwegraste. Tief unter ihnen bildeten Blitze einen flackernden Schleier aus fahlem Licht. »ETA beträgt noch sechsundzwanzig Minuten. Wir sollten rechtzeitig zu einem verspäteten Abendessen in Cloud City eintreffen.«

»Je eher, desto besser«, stellte die Frau fest und verzog das Gesicht, als sie den rechten Arm anspannte, der in einem Druckverband ruhte. »Dieses verdammte Ding brennt wie Feuer.«

»Halten Sie einfach weiter durch, Jadonna«, sagte Han. »Wir schaffen Sie auf dem schnellsten Weg in die Krankenstation!«

Sie nickte. »He, Han, ich beschwere mich doch gar nicht. Sie waren klasse! Ich werde bloß froh sein, wenn ich meinen Arm in Bacta tauchen kann.«

Han schüttelte den Kopf. »Abgerissene Knorpel und Bänder… daß muß mächtig weh tun«, sagte er. »Aber in Cloud City gibt es sicher die passenden Ärzte.«

Sie nickte abermals. »Oh, und ob. Das ist ein ziemlich bemerkenswerter Ort, Han, Sie werden ja sehen.«

Jadonna Veloz war eine kleine stämmige Frau mit dunkler Haut und langen, glatten schwarzen Haaren. Han hatte sie vor zwei Tagen kennengelernt, nachdem sie von Alderaan aus im Netzwerk der Raumfahrer nach einem Piloten gesucht hatte, der ihr Schiff nach Bespin fliegen sollte. Die Verletzung am Arm hatte sie sich zugezogen, als dieser von einem defekten Antigravheber getroffen worden war, doch da sie unbedingt ihren knappen Terminplan einhalten mußte, verschob sie die angemessene Behandlung der Verletzung bis zur Ablieferung ihrer Fracht.

Nachdem sie Hans Passage mit einer schnellen Fähre von Corellia nach Alderaan bezahlt hatte, übernahm er das Steuer ihres Schiffs und brachte sie planmäßig nach Bespin.

Die ›Wayward Girl‹ hatte unterdessen die Dunstschleier der äußeren Atmosphäre durchstoßen, sank weiter und hielt auf das abendliche Zwielicht zu, während sich über dem Schiff ein blauer Himmel wölbte. Han änderte den Kurs Richtung Südwest, wo er die untergehende Sonne wußte. Während ihres rasenden Fluges wechselten die Spitzen der aufgetürmten Wolkengebirge die Farben: von tief Purpur zu Korallenrot und schließlich zu Gelborange.

Han Solo hatte eigene Beweggründe für die Reise nach Bespin. Wenn Jadonnas Annonce im Netz nicht gewesen wäre, hätte er aus seinem rapide schwindenden Creditvorrat schöpfen müssen, um sich eine Passage auf einem kommerziellen Linienschiff leisten zu können.

Jadonna Veloz’ Unfall hätte sich, soweit es Han betraf, zu keinem besseren Zeitpunkt ereignen können. Mit den Credits, die sie ihm zugesagt hatte, würde er sich für den Zeitraum des Sabacc-Turniers ein billiges Zimmer und ein paar Mahlzeiten leisten können. Allein der Grundeinsatz, der zur Teilnahme berechtigte, betrug schwindelerregende zehntausend Credits. Es war Han kaum gelungen, die nötigen Credits durch den Verkauf der kleinen Palador-Statuette, die er dem ylesianischen Hohepriester Teroenza gestohlen, sowie der Drachenperle, die er in Admiral Greelanx’ Büro gefunden hatte, zusammenzukratzen.

Der Corellianer wünschte sich einen Moment lang, daß Chewie bei ihm wäre, doch er hatte den Wookiee in ihrer winzigen Bleibe auf Nar Shaddaa zurücklassen müssen, da ihnen für dessen Passage das Geld fehlte.

Sie waren inzwischen tief in die Atmosphäre eingedrungen, und Han konnte Bespins Sonne sehen: ein irgendwie eingedrückt wirkender orangefarbener Ball, der soeben hinter einer mächtigen Wolkenbank auftauchte. Die ›Girl‹ war jetzt von einer goldenen Gloriole aufgetürmter Wolkengebilde umgeben – golden wie Han Solos Träume von Reichtum und Wohlstand. Han wollte in diesem großen Spiel alles riskieren… und bisher hatte er beim Sabacc eine glückliche Hand bewiesen. Aber würde Glück ausreichen, um ihn gewinnen zu lassen? Schließlich trat er gegen professionelle Spieler wie Lando Calrissian an. Der Corellianer schluckte, riß sich zusammen und konzentrierte sich auf die Steuerung des Raumschiffs. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, die Nerven zu verlieren.

Han korrigierte noch einmal den Anflugvektor der ›Girl‹ und dachte, daß er jeden Augenblick in die Reichweite der Verkehrskontrolle von Cloud City gelangen mußte. Als wollte sie auf seine Gedanken antworten, drang eine Stimme aus der Kom-Einheit. »Ankommendes Schiff, identifizieren Sie sich!«

Jadonna Veloz streckte die linke Hand aus, um das Kom zu aktivieren. »Cloud City Verkehrsüberwachung, hier spricht die ›Wayward Girl‹ von Alderaan. Unser Anflugvektor ist…« Sie warf einen Blick auf Hans Instrumente und spulte eine Zahlenreihe ab.

»›Wayward Girl‹, wir bestätigen Ihren Vektor. Ihr Ziel ist Cloud City?«

»So ist es, Verkehrsüberwachung«, erwiderte Jadonna.

Han grinste. Soweit er gehört hatte, existierte über Bespin kaum etwas anderes als Cloud City. Es gab natürlich die Abraumanlagen, Gasraffinerien, Lagerkapazitäten und Verladerampen für Frachtschiffe, gleichwohl flog vermutlich mehr als die Hälfte des ankommenden Verkehrs direkt zu den luxuriösen Ferienhotels. Während der zurückliegenden Jahre hatten verwöhnte Touristen die Stadt in den Wolken zu einem ihrer bevorzugten Urlaubsparadiese gemacht.

»Verkehrsüberwachung«, fuhr Jadonna fort, »wir transportieren eine Ladung für die Küchen des Yarith Bespin – Nerf-Lendenstücke in Stasis – und bitten um Landeerlaubnis.«

»Erlaubnis erteilt, ›Wayward Girl‹«, ließ sich der Verkehrskontrolleur vernehmen. Dann schlug seine Stimme einen weniger formellen Ton an. »Nerf-Steaks, wie? Da muß ich diese Woche noch meine Frau ausführen. Sie hat sich was Besonderes gewünscht, und einen solchen Leckerbissen bekommen wir hier nicht allzu häufig.«

»Wir haben nur beste Qualität an Bord, Verkehrsüberwachung«, erklärte Veloz. »Ich hoffe, der Chefkoch des Yarith Bespin weiß das zu würdigen.«

»Oh, der ist wirklich gut«, entgegnete die Stimme, dann fiel der Kontrolleur wieder in seine offizielle Sprechweise zurück. »›Wayward Girl‹, ich habe Sie Ebene 65, Andockbucht 7A zugewiesen. Wiederhole: Ebene 65, 7A. Verstanden?«

»Alles klar, Cloud City Anflugkontrolle.«

»Und Ihr Anflugvektor ist…« Die Stimme hielt inne und übermittelte ihnen dann weitere Koordinaten.

Han gab die Daten in den Navcomputer ein; danach lehnten sie sich zurück, um den Anflug zu genießen. Er stellte fest, daß er sich darauf freute, die sagenhafte Stadt in den Wolken zu sehen. Bespin war bereits ein berühmter Ort gewesen, bevor die Freizeiteinrichtungen gebaut worden waren. Hier wurde Tibannagas abgebaut, das in Raumschifftriebwerken Verwendung fand und beim Aufladen von Blastern. Han konnte nicht genau sagen, wie das Gas gewonnen wurde, aber er wußte, daß es überaus wertvoll war und daß es jenen, die es abbauten, daher sehr gut gehen mußte. Bevor der Rohstoff in Bespins Atmosphäre entdeckt worden war, hatte man Tibannagas vorzugsweise in der Chromosphäre von Sternen und Nebelballungen im All gefunden – was seine Gewinnung nichts weniger als brandgefährlich machte. Dann war irgendwer über die Tatsache gestolpert, daß die Lufthülle von Bespin mit dem Rohstoff geradezu aufgeladen war.

Die Sensoren fingen eine unvermittelte Eruption elektrischer Aktivität auf, und Han änderte rasch den Kurs. »He, was ist das?« Er deutete auf den Sichtschirm.

Zu ihrer Rechten trieb in diesem Moment ein monströses, nur undeutlich erkennbares Gebilde durch die unglaublich hell leuchtenden Wolken. Das Ding war so riesig, daß es mehr als nur eine kleinere corellianische Stadt auf Zwergengröße hätte schrumpfen lassen.

Jadonna beugte sich vor. »Das ist ein Beidon!« rief sie aus. »Sie sind sehr selten. In all den Jahren, die ich nun schon durch diese Wolken fliege, habe ich noch nie eins gesehen!«

Han blinzelte zu der gewaltigen Kreatur hinaus, während die ›Girl‹ an ihr vorüberflog. Das Beidon ähnelte gewissen gallertartigen Meerestieren, die er auf unterschiedlichen Welten gesehen hatte. Es besaß einen riesigen kuppelförmigen ›Hut‹, von dem zahlreiche dünne Tentakel herabhingen, die der Nahrungsaufnahme dienten.

Han überprüfte noch einmal den Anflugvektor. »Wir sind genau auf Kurs, Captain«, meldete er. Hinter ihnen verschwand der Leviathan in der Ferne. Dann entdeckte Han in Flugrichtung ein weiteres, aber kleineres Gebilde, das beinahe wie ein auf den Kopf gestelltes Beidon aussah, und er erkannte, daß es sich dabei um Cloud City handelte.

Die Stadt hing in den Wolken wie ein exotisches Weinglas, auf dessen Rand eine glitzernde Krone aus abgerundeten Türmen, Kuppeln, Kommunikationsspindeln und Raffinerien saß. Im letzten Licht des Sonnenuntergangs erstrahlte die Stadt wie eine Corusca-Gemme.

Han behielt ihren Anflugvektor bei und steuerte das Schiff in rasendem Flug über die Kuppeln der Stadtlandschaft in den Wolken hinweg. Nur Augenblicke später brachte er die ›Girl‹ mit einem perfekten Landemanöver zu ihrem vorgesehenen Platz hinunter.

Nachdem er seine Bezahlung erhalten und sich von Captain Veloz verabschiedet hatte, begab sich Han auf die Suche nach einem Robo-Taxi, das ihn zu dem vornehmen Yarith-Bespin-Hotel bringen würde, wo das Sabacc-Turnier stattfinden sollte.

Kurz darauf tippte er seinen Zielort in ein Tastenfeld ein und setzte damit das kleine Robo-Taxi in Bewegung. Das Gefährt sauste mit einer Geschwindigkeit durch die Straßen der Stadt, bei der es den meisten Menschen schwindlig geworden wäre – vor allem dann, wenn das Taxi niedrige Gebäude einfach ›übersprang‹ und Han so einen kurzen Blick auf die Wolken, die sie umgaben, und auf den gähnenden Abgrund gewährte, der sich unter ihnen auftat. Es war beinahe vollständig Nacht geworden, und die Stadt glitzerte wie das geöffnete Schmuckkästchen einer Frau.

Wenige Minuten später hielt das Robo-Taxi vor dem Yarith Bespin. Han bedeutete dem Gepäckdroiden mit einer Geste, zur Seite zu treten, dann schritt er durch den gewaltigen Eingang. Er war während seiner Reisen mit seiner Freundin, der Zauberin Xaverri, schon häufiger in Luxushotels abgestiegen, daher beeindruckte ihn das opulente Interieur mit seinen wie Spinnennetze sich verzweigenden Gleitbändern, die das mehrere Stockwerke umfassende Atrium überspannten, nicht besonders.

Er entdeckte ein Schild, auf dem in mindestens zwanzig Sprachen ›Turnier-Registrierung‹ zu lesen stand, und folgte dem Pfeil zu dem Lift, der ihn zu einem Zwischengeschoß trug.

Er verließ das Gleitband und marschierte entschlossen auf die großen Tische zu, vor denen sich Spieler sämtlicher Spezies, Größen und jeglicher Gestalt drängten. Han ließ sich registrieren, gab seinen Blaster ab (alle Waffen mußten hier abgeliefert werden), erhielt eine ID-Plakette und einen Gutschein, den er bei Bedarf gegen Spielchips eintauschen konnte. Das erste Spiel sollte am nächsten Tag zur Mittagsstunde beginnen.

Als er sich von dem Registrierungsbereich abwandte – den Chipgutschein hatte er in einer Innentasche seines Hemdes in sichere Verwahrung genommen –, hörte Han eine vertraute Stimme.

»Han! He, Han! Hier drüben!«

Er drehte sich um und sah Lando Calrissian, der ihm von der gegenüberliegenden Seite des Zwischengeschosses aus zuwinkte. Han bedeutete ihm, daß er ihn gehört hatte, lief zurück zum Gleitband und sprang auf, während Lando seinerseits auf das Band trat, das auf Hans Seite des riesigen Raums zulief.

Als er Lando das letzte Mal gesehen hatte, war dieser gerade im Begriff gewesen, auf der Suche nach Abenteuern ins Oseon-System aufzubrechen. Doch er hatte bereits Monate vorher von dem anstehenden Turnier gesprochen, so daß Han fest damit gerechnet hatte, hier auf ihn zu treffen.

»He, Han!« Landos dunkle Gesichtszüge öffneten sich zu einem breiten Grinsen, als ihre gegenläufigen Gleitbänder sie auf gleiche Höhe gebracht hatten. »Lange nicht gesehen, alter Gauner!«

Han setzte leichtfüßig über den luftigen Abgrund hinweg von seinem Gleitband auf das Landos über. Er hatte kaum festen Halt gefunden, als Calrissian ihn auch schon mit einer Vehemenz an sich zog, die Chewbacca alle Ehre gemacht hätte. »Schön, dich zu sehen, Lando«, ächzte er, während Calrissian ihm ein letztes Mal auf die Schulter klopfte.

Die Freunde verließen das Gleitband auf der Seite des Registrierungsbereichs und sahen einander einen Moment lang unbeweglich an. Han musterte seinen Freund und bemerkte, daß Lando überaus wohlhabend aussah. Die Spieltische im Oseon-System mußten ihm einiges eingebracht haben. Der Spieler trug teure Kleidung aus askajianischen Stoffen, die als die feinsten der Galaxis galten. Ein neuer Umhang, schwarz und silbern, den er nach der jüngsten Mode drapiert hatte, bauschte sich um den Rücken.

Han lächelte. Bei ihrer letzten Begegnung hatte der Spieler lediglich einen noch bescheidenen Oberlippenbart getragen, mittlerweile war sein sorgfältig gepflegter Gesichtsschmuck voll ausgewachsen. Der Bart verlieh seinem Gesicht ein irgendwie piratenhaftes Aussehen. Han deutete darauf. »Wie ich sehe, hast du dich dazu durchgerungen, den Lippenpelz beizubehalten.«

Lando schnaubte verächtlich.

»Manche Leute müssen eben zu allen erdenklichen Mitteln greifen«, zog Han ihn auf. »Es ist eine Schande, daß du nicht meinen Schlag bei den Frauen hast, alter Kumpel.«

Lando strich sich voller Stolz über den Bart. »Alle Frauen, denen ich seither begegnet bin, haben mir deshalb die größten Komplimente gemacht«, antwortete er. »Ich hätte mir schon vor langer Zeit einen solchen Bart wachsen lassen sollen.«

Han schaute sich um. »Und wo steckt dein kleiner rotäugiger Droidenfreund? Erzähl mir nicht, daß du Vuffi Raa bei einem Sabacc-Spiel verloren hast!«

Lando schüttelte den Kopf. »Das ist eine lange Geschichte, Han. Um sie anständig zu erzählen, brauche ich ein Glas mit irgendeinem erfrischenden Getränk vor mir.«

»Und wie lautet die Kurzfassung der Geschichte?« erkundigte sich Han. »Du willst mir doch nicht weismachen, daß der kleine Kerl es satt hatte, dich Master zu nennen, und daraufhin beschloß, seine Klasse-Zwei-Fähigkeiten lieber anderweitig zu veräußern?«

Lando schüttelte wieder den Kopf. Seine Miene wurde plötzlich ernst. »Du wirst es mir nicht glauben, Han, aber Vuffi Raa hat sich entschieden, zu seinen Leuten zurückzukehren und erwachsen zu werden. Sein Schicksal zu erfüllen.«

Han verzog das Gesicht. »Häh? Er ist ein Droide. Was meinst du mit seinem Schicksal?«

»Vuffi Raa ist… war… ein Baby-Raumschiff. Ich weiß, das hört sich verrückt an, aber es ist wahr. Er gehört zu einer… einzigartigen Spezies. Gigantische Droidenschiffe, die zwischen den Sternen umherziehen. Eine intelligente, nichtbiologische Lebensform.«

Han starrte seinen Freund an. »Lando, hast du Ryll geschnupft? Du hörst dich an, als hättest du den ganzen Tag in einer Bar zugebracht.«

Lando hob eine Hand. »Das ist die reine Wahrheit. Da war dieser böse Zauberer mit Namen Rokur Gepta, der sich als Croke entpuppte… und diese Vakuumatmer und der große Kampf in der riesigen Sternhöhle, und…«

»Betrüger!« rief eine tiefe rauhe Stimme und ließ die beiden Freunde auffahren. »Ergreift ihn! Laßt ihn nicht an die Spieltische! Das ist Han Solo, er betrügt beim Sabacc!«

Han fuhr herum und sah eine aufgebrachte Barabel, die sich auf ihn stürzen wollte. Die nichtmenschliche Frau hinkte leicht, da eines ihrer Knie steif zu sein schien, dennoch kam sie mit beachtlichem Tempo näher und fletschte die gewaltigen Zähne. Barabels waren riesige schwarze Reptiloide, und Han war auf seinen Reisen nur wenigen ihrer Art begegnet. Darunter nur einer Frau. Dieser Frau, so wie es aussah.

Han schluckte unbehaglich. Seine Hand zuckte nach dem Blaster, fand jedoch nur den Oberschenkel. Verdammt! Er wich zurück und streckte beschwichtigend die Hände in die Höhe. »Äh, Shallamar…«, setzte er an.

Lando, der in keiner Situation sonderlich schwer von Begriff war, überzeugte sich eilends davon, daß er der Barabel nicht im Weg stand, und rief: »Sicherheit! Wir brauchen hier die Sicherheitskräfte! Jemand soll die Sicherheit verständigen!«

Die Barabel zischte und fauchte wütend. »Er benutzt Skifter! Er betrügt! Nehmt ihn fest!«

Han wich weiter zurück, bis er mit einem der Registrierungs-tische zusammenstieß. Er stützte sich mit einer Hand ab und flankte über den Tisch. Die Zähne der Barabel blitzten. »Feigling! Komm sofort da raus! Nehmt ihn fest!«

»Nun, Shallamar«, sagte Han, »ich habe dich damals fair und redlich besiegt. Deshalb einen Groll zu hegen, ist nicht besonders sportlich…«

Sie stürzte sich mit Gebrüll auf ihn…

… verharrte im Sprung und schlug hart auf den Boden, als ein Fesselfeld ihre Füße umfing. Shallamar strampelte, schlug mit dem Schwanz auf den Teppich, fluchte und brüllte.

Han warf den Sicherheitskräften des Hotels einen Blick zu und atmete erleichtert auf.

Zehn Minuten später – die Barabel befand sich noch immer in Gewahrsam – standen Han, Lando und Shallamar im Büro der Sicherheitskräfte und sprachen mit dem Chief der Truppe. Shallamar schmollte, weil der Chief Han von Kopf bis Fuß einem Sensorscan unterzogen und der Corellianer sich dabei als absolut frei von irgendwelchen Hilfsmechanismen erwiesen hatte.

Die Barabel wand sich unbehaglich, ihre Füße steckten noch immer in dem Fesselfeld, während der Sicherheitschef sie darüber aufklärte, daß jede weitere Szene ihren sofortigen Ausschluß vom Wettkampf nach sich ziehen würde.

»…und ich denke, daß Sie sich bei Solo hier entschuldigen sollten«, schloß der Chief.

Shallamar knurrte, allerdings nur verhalten. »Ich werde ihn nicht länger belästigen. Sie haben mein Ehrenwort darauf.«

»Aber…«, begann der Sicherheitschef.

Han machte eine abwehrende Geste. »Übertreiben wir es nicht, Sir. Wenn Shallamar mich in Frieden läßt, reicht mir das. Ich bin bloß froh, beweisen zu können, daß ich ein ehrlicher Spieler bin.«

Der Chief zuckte die Achseln. »Wie Sie wollen, Solo. Okay, Sie beide können dann gehen.« Er sah Han und Lando an. »Ich werde das Fesselfeld in ein paar Minuten lösen und sie auch gehen lassen.« Er wandte sich wieder der Barabel zu. »Und Sie, meine Dame, stehen fortan unter Überwachung. Prägen Sie sich das gut ein. Wir veranstalten hier ein Turnier, keinen Ringkampf. Ist das klar?«

»Klar«, krächzte sie.

Han und Lando verließen das Büro. Han sagte kein Wort, aber er kannte Lando zu gut, um glauben zu können, daß sein Freund ihn einfach so davonkommen lassen würde. Und richtig, als sie das Gleitband zum Cafe des Hotels betraten, setzte Lando ein breites Grinsen auf.

»Han, Han… noch eine alte Flamme, wie? Du hast ja so recht… du hast echt einen Schlag bei den Frauen, alter Schwerenöter!«

Han entblößte die Zähne und knurrte fast so furchterregend wie Shallamar. »Halt die Klappe, Lando. Halt einfach die Klappe!«

Doch Lando lachte bereits so laut, daß er gar nicht mehr sprechen konnte…

Die beiden Freunde brauchten zwei Stunden, um sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Han lauschte der kompletten Geschichte von Landos Abenteuern im Oseon-System. Dabei fand er heraus, daß sein Kumpel seit ihrer letzten Begegnung mehrere Vermögen gewonnen und wieder verloren hatte – zuletzt eine Schiffsladung Edelsteine.

»Du hättest sie sehen sollen, Han«, sagte Lando voller Trauer. »Sie waren einfach prachtvoll. Der halbe Laderaum der ›Millennium Falcon‹ war voll davon. Wenn ich sie doch bloß behalten hätte, anstatt die meisten für den Kauf einer Hälfte dieser berubianischen Mine zu verwenden.«

Han betrachtete seinen Freund mit einer Mischung aus Mitleid und Hoffnungslosigkeit. »Die war versalzen, wie? Erwies sich als wertlos.«

»Du sagst es. Woher wußtest du das?«

»Ich kannte mal jemandem, der mit dieser Masche sein Geld verdient hat. Bloß daß es sich dabei um einen Duranium-Aluminium-Asteroiden gehandelt hat.« Han erwähnte mit keinem Wort, daß er selbst einmal mit einer Uranmine im Wert von einer halben Million Credits auf die Nase gefallen war, die er bei einer Sabacc-Partie gewonnen hatte. Die Mine war echt gewesen, aber die Bücher waren so frisiert, daß er, nachdem die Aktionäre ihre Untersuchung eingeleitet hatten, nur mit Glück einer Anklage entgangen war…

Aber all das gehörte der Vergangenheit an, und Han Solo verfolgte die Politik, sich niemals dem Bedauern über gescheiterte Unternehmungen hinzugeben. »Da wir gerade von der ›Falcon‹ reden«, sagte er stattdessen, »wo hast du deinen Kahn angedockt?«

»Oh, der ist gar nicht hier«, entgegnete Lando. »Ich hab’ ihn auf Nar Shaddaa zurückgelassen. Wenn man am Spieltisch groß gewinnen will, besteht der halbe Trick in der Fähigkeit, den Gegner in die Irre zu führen, indem man sich als jemand einführt, der gar nicht dazu in der Lage ist, im großen Stil zu spielen, groß zu gewinnen und groß zu verlieren. Auf diese Weise läßt sich viel effektiver bluffen…«

»Kommt mir bekannt vor«, sagte Han und legte den guten Rat zu den Akten. »Wie bist du dann hergekommen?«

»Ich bin mit einem der großen Luxusliner gekommen, der ›Königin des Imperiums‹«, antwortete Lando. »Stilvoller Auftritt. Gar nicht davon zu reden, daß das Casino an Bord des Schiffs eines der besten war, die mir je untergekommen sind. Die ›Königin‹ und ich sind sozusagen alte Freunde.«

Han lächelte verschlagen. »Vor ein paar Wochen bin ich Blue begegnet, und sie hat mit erzählt, daß du stilvoll an Bord von Drea Renthals neuem Raumschiff, ›Renthals Wachsamkeit‹, gereist bist – dem Vorhut-Raumer der Carrack-Klasse, den sie nach der Schlacht von Nar Shaddaa geborgen hat.«

Lando räusperte sich. »Drea ist eine tolle Frau«, stellte er fest. »Für eine Freibeuterin ist sie erstaunlich… kultiviert.«

Han kicherte. »Wow, Lando! Ist sie nicht ein bißchen zu alt für dich? Sie ist doch mindestens vierzig! Wie würde es dir gefallen, das Lieblingsspielzeug einer Piratenkönigin zu sein?«

Lando war ungehalten. »Ich war kein… Sie ist keine…«

Han lachte. »So alt, wie sie ist, könnte sie fast deine Mutter sein, wie?«

Landos Gebiß blitzte unter seinem Schnurrbart hervor. »Kaum. Und, Han, meine Mutter hatte mit Drea absolut nichts gemeinsam. Glaub mir.«

»Warum hast du dann Schluß gemacht?« wollte Han wissen.

»Das Leben an Bord eines Piratenschiffs ist… interessant«, erwiderte Lando. »Aber für meinen Geschmack ein bißchen zu… ungehobelt.«

Han betrachtete die stutzerhafte Kleidung seines Freundes und nickte. »Darauf wette ich.«

Lando wurde wieder ernst. »Aber, he… Drea und ich, wir sind als Freunde auseinandergegangen«, fügte er hinzu. »Während der letzten Monate brauchte ich… war ich…« Er fühlte sich offensichtlich unbehaglich und zuckte die Achseln. »Na ja, Drea kam zum richtigen Zeitpunkt des Weges. Ich war… na ja, es war gut, Gesellschaft zu haben.«

Han musterte seinen Kumpel. »Willst du damit sagen, du hast Vuffi Raa vermißt?«

»Tja, wie könnte man einen Droiden vermissen. Aber… sieh mal, Han, er war ein guter Kamerad. Es gab Augenblicke, da habe ich an ihn nicht mal mehr als ein mechanisches Wesen gedacht. Ich hatte mich an die Gegenwart des kleinen Kerls gewöhnt, weißt du? Und als der kleine Staubsauger mit seinen Leuten von dannen zog, stellte ich fest, daß ich ihn tatsächlich vermißte.«

Han dachte darüber nach, was es für ihn bedeuten würde, Chewie zu verlieren, und konnte nur in stummer Zustimmung nicken.

Die beiden Männer saßen einen Moment lang schweigend beieinander, nippten an ihren Getränken und genossen die Gegenwart des anderen. Schließlich unterdrückte Han ein Gähnen und stand auf. »Ich brauche eine Mütze Schlaf«, erklärte er. »Morgen ist ein großer Tag.«

»Wir sehen uns am Spieltisch«, nickte Lando, und sie trennten sich in aller Freundschaft.

 

Sabacc ist ein altes Spiel, dessen Ursprung in die Frühzeit der Alten Republik fällt. Von allen Glücksspielen ist es das komplexeste, das am wenigsten berechenbare, das aufregendste – und das schicksalhafteste. Das Spiel wird mit sechsundsiebzig Kartenchips gespielt; der Wert jedes Kartenchips kann sich im Verlauf des Spiels in unbestimmten zeitlichen Abständen verändern, die durch elektronische Impulse eines Zufallsgenerators ausgelöst werden. So kann man in weniger als einer Sekunde mit einem sicheren Gewinn auf der Hand ›ausgebombt‹ werden.

Das Spiel besitzt vier verschiedene Farben: Schwert, Stab, Kolben und Münze. Der Wert der Karten jeder Farbe erstreckt sich von positiv eins bis positiv elf; außerdem gibt es vier ›Rangkarten‹: Commander, Herrin, Master und As, deren Wert positiv zwölf bis fünfzehn beträgt.

Sechzehn Bildkarten vervollständigen das Spiel. Von jeder Art gibt es zwei, die mit unterschiedlichen Null- oder Negativwertungen belegt sind: den Narren, die Königin der Luft und der Finsternis, die Dauer, die Balance, den Tod, die Mäßigung, das Böse und den Stern.

Man spielt um zwei unterschiedliche ›Töpfe‹. Der erste, der ›Handtopf‹ geht an den Gewinner jeder einzelnen Runde. Den Handtopf kassiert der Spieler, dessen Karten den höchsten Nennwert haben, der jedoch dreiundzwanzig – positiv oder negativ – nicht überschreiten darf. Bei unentschiedenem Spielstand schlägt der positive Nennwert den der negativen Kartenchips.

Der zweite Topf, der ›Sabacc-Topf‹, ist der Jackpot, der auf zwei Wegen gewonnen werden kann: mit einem ›ganzen Sabacc‹, also mit Kartenchips, die genau dreiundzwanzig ergeben, oder mit einer ›Narrenreihe‹, die aus einer der beiden Bildkarten besteht, die den Narren zeigen, sowie einer Zwei und einer Drei – also buchstäblich drei-und-zwanzig – einer beliebigen Farbe.

In der Mitte des Spieltischs befindet sich ein Interferenzfeld. Während Runde um Runde geblufft und gesetzt wird, können die Spieler den Nennwert einer Karte ›einfrieren‹, indem sie den Chip in das Interferenzfeld legen.

Das große Sabacc-Turnier von Cloud City hatte über einhundert Glücksritter von Welten aus allen Winkeln der Galaxis angelockt: Rodianer, Twi’leks, Sullustaner, Bothans, Devaronianer, Menschen… all diese Spezies und viele mehr waren an den Spieltischen vertreten.

Das Turnier sollte vier anstrengende Spieltage andauern. Jeden Tag würde etwa jeweils die Hälfte der Spieler ausscheiden. Die Zahl der Tische würde allmählich abnehmen, bis schließlich nur noch ein Spieltisch übrigblieb, an dem die Besten der Besten während der letzten Runde gegeneinander antreten würden.

Es wurde um hohe Einsätze gespielt. Für die Gewinner standen die Chancen gut, daß sie mit dem zwei- bis dreifachen des zehntausend Credits betragenden Grundeinsatzes nach Hause gingen – oder mit noch mehr.

Sabacc war indes kein klassischer Zuschauersport – wie Magball oder Null-G-Polo, aber da im Innern der Turnierhalle lediglich aktive Spieler zugelassen waren, hatte die Leitung des Hotels eine große Lounge eingerichtet, in der jene, die dem Wettkampf beiwohnen wollten, diesen auf Holoprojektoren verfolgen konnten.

Freunde der Spieler, deren Anhang, ausgeschiedene Kartenspieler und andere Interessierte gingen dort ein und aus, behielten das Turnier im Auge und feuerten stumm ihren Favoriten an.

Neben dem Holo war eine Rangliste zu sehen, die jeden einzelnen Spieler aufführte und den Fortgang des Turniers dokumentierte. An diesem zweiten Tag des Wettkampfs drängten sich noch etwa fünfzig Spieler um zehn Tische.

Die Rangfolge neben den Namen zeigte an, daß Han Solo den ersten Spieltag nur mit Glück und äußerst knapp überstanden hatte. Zwar hatte er den Sabacc-Topf verloren, im Gegenzug jedoch genug Handtöpfe eingespielt, um nach wie vor als ernsthafter Mitbewerber zu gelten.

Eine der Zuschauerinnen in der Lounge drückte Han die Daumen, wenngleich der Corellianer nicht die geringste Ahnung davon hatte, daß sie auch nur in der Nahe von Bespin weilte – und das würde er, soweit Bria Tharen darüber zu befinden hatte, auch nicht erfahren.

Bria war während ihrer Jahre im corellianischen Widerstand zu einer Expertin für Verkleidungen geworden. Ihr langes rotblondes Haar war in diesem Moment unter einer schwarzen Kurzhaarperücke verborgen, ihre blaugrünen Augen verschwanden unter Biolinsen, die die Iris ebenso dunkel färbten wie ihr Haar. Sorgfältig eingelegte Polster in ihrem eleganten, geschäftsmäßigen Kostüm verliehen ihr ein untersetztes und kräftiges Aussehen anstelle ihrer sonst schlanken und eher drahtigen Erscheinung. Lediglich ihre Größe vermochte sie nicht zu verschleiern – aber es gab zahlreiche hochgewachsene menschliche Frauen.

Sie stand im Hintergrund der Lounge, ließ das Holo nicht aus den Augen und hoffte auf eine weitere Nahaufnahme von Han. Schweigend freute sie sich darüber, daß er es bereits so weit geschafft hatte. Wenn er doch nur gewinnen würde, dachte sie. Han verdient den großen Durchbruch. Wenn er eine Haufen Credits hätte, müßte er nicht länger als Schmuggler sein Leben riskieren…

Im nächsten Moment zeigte das Holo eine Nahaufnahme von Hans Tisch. Bria sah, daß seine heutigen Gegenspieler eine Sullustanerin, ein Twi’lek, ein Bothan und zwei Menschen waren, ein Mann und eine Frau. Die Frau stammte, sofern man den dicken Muskelsträngen an ihrem Hals und ihrer gedrungenen Gestalt trauen konnte, offensichtlich von einem Planeten mit sehr hoher Schwerkraft.

Bria wußte wenig über das Sabacc-Spiel, aber sie kannte Han Solo. Sie kannte jeden Zug seines Gesichts, sie wußte von den kleinen Fältchen, die sich um seine Augen bildeten, wenn er lächelte, und die sich vertieften, wenn er wütend oder mißtrauisch war. Sie kannte seine zottigen Haarsträhnen, die unablässig nach einem Haarschnitt verlangten. Sie erinnerte sich noch der Form seiner Hände, an den feinen Flaum auf ihrem Rücken…

Bria kannte Han Solo so gut, wie ihr in diesem Augenblick klar wurde, daß sie immer noch sagen konnte, wann er bluffte… und in diesem Moment tat er es.

Mit einem zuversichtlichen Grinsen beugte er sich über den Tisch, um ein neues Häuflein Chips in die Mitte zu werfen. Als die Sullustanerin die Höhe seines Einsatzes bemerkte, zögerte sie, dann warf sie ihr Blatt fort. Die beiden Menschen schoben ebenfalls ihre Kartenchips zusammen, der Bothan jedoch war aus härterem Holz geschnitzt. Er ging mit und erhöhte prahlerisch um einen ansehnlichen Betrag.

Brias Gesichtsausdruck blieb unverändert, aber sie ballte ihre seitlich am Körper liegenden Hände zu Fäusten. Wird er ablegen oder das Spiel mit diesem Blatt durchstehen, in der Hoffnung, daß sein Bluff funktioniert?

Der Twi’lek warf den nächsten Kartenchip in das Interferenzfeld und hielt den Einsatz. Aller Augen richteten sich auf Han. Der Corellianer grinste, als würde ihn nichts in der Welt irgend etwas angehen. Bria konnte sehen, wie sich seine Lippen bewegten, als er irgendwelche Provokationen oder schlauen Sprüche von sich gab, dann schob er einen weiteren Stapel Creditchips in die Mitte des Tisches. Der Einsatz war so hoch, daß Bria sich auf die Unterlippe biß. Wenn er jetzt verlor, war er ausgebombt. Er konnte nichts dagegen ausrichten.

Der Bothan wirkte zum erstenmal nervös und blickte von einer Seite zur anderen. Schließlich warf er sein Blatt hin. Die Kopftentakel des Twi’lek zuckten vor Erregung und Frustration.

Und endlich legte auch er langsam sein Blatt hin. Hans Grinsen wurde noch breiter, und er streckte die Hände aus, um einen weiteren Topf einzustreichen. Hatte er vielleicht wirklich ein sicheres Blatt auf der Hand, fragte sich Bria, oder hatte ich recht, und er hat bloß geblufft?

Die Sullustanerin langte plötzlich mit zuckenden Hängebacken nach Hans Kartenchips, aber der Geber erhob Einspruch und warnte sie unmißverständlich vor ihrem Vorhaben. Doch der Geber hätte auf jeden Fall eine Änderung des Nennwerts der Karten angezeigt.

Bria nickte der holographischen Projektion begeistert zu. Klasse! Weiter so, Han! Mach sie fertig! Gewinne!

Neben ihr knurrte jemand und sprach dann mit zischender heiserer Stimme: »Da sollen doch sämtliche Plagen von Barabel diesen Halunken Solo treffen! Er gewinnt schon wieder! Er muß einfach betrügen!«

Bria warf der Quelle der Verwünschung aus dem Augenwinkel einen Blick zu und sah eine riesige weibliche Barabel, die offensichtlich überaus erregt war. Ihre Mundwinkel zuckten. Han hat schon so seine Art, mit Leuten umzugehen… Was er angestellt haben mag, um sie so wütend zu machen?

Auf Brias anderer Seite raschelte etwas. Sie drehte sich um und sah sich ihrem Adjutanten gegenüber, einem Corellianer namens Jace Paol. Der Mann senkte die Stimme, bis selbst Bria ihn kaum noch verstehen konnte, obwohl sein Mund nur eine Handbreit von ihrem Ohr entfernt war. »Commander, die Vertreter von Alderaan sind eingetroffen. Sie sind bereits auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt.«

Bria nickte. »Ich komme sofort, Jace.«

Nachdem ihr Berater die Lounge wieder verlassen hatte, warf Bria einen prüfenden Blick auf ihren teuren Datenblock (der reines Blendwerk war und dem sie so wenig wie möglich von ihren wahren Obliegenheiten in irgendeiner lesbaren Form anvertraute), lächelte vage der Barabel zu und marschierte aus der Lounge. Es war an der Zeit, daß sie wieder an ihre Mission hier in Cloud City dachte.

Als Bria herausgefunden hatte, daß Cloud City der Austragungsort des großen Sabacc-Turniers war, hatte sie rasch erkannt, daß die Stadt der ideale Schauplatz für ein Geheimtreffen der Repräsentanten verschiedener Rebellengruppierungen sein würde. Auf zahlreichen Welten des Imperiums nahm die Zahl der Widerstandsgruppen sprunghaft zu, daher war es von entscheidender Bedeutung, ein Netzwerk zu errichten.

Doch derartige Treffen mußten unbedingt geheim bleiben. Die Imperialen hatten ihre Spitzel überall. Ein kluger Agent wußte, daß es am leichtesten war, sich in der Menge zu verstecken. Cloud City war außerdem ziemlich weit von den imperialen Kernwelten entfernt, so daß die Imperialen sich nicht besonders für die Stadt interessierten. Ein großes Turnier bot die vollkommene Tarnung. Bei so vielen Raumschiffen von Menschen und Nichtmenschen, die hier an- und ablegten, würden eine Handvoll Menschen, ein Sullustaner und ein Duros, die sich im Konferenzraum eines Hotels in Cloud City trafen, kaum jemandes Aufmerksamkeit erregen.

Bria hätte indes nicht einmal sich selbst gegenüber eingestanden, daß ihre Wahl zum Teil auch deshalb auf Cloud City gefallen war, weil sie gehofft hatte, einen Blick auf Han Solo erhaschen zu können. Sie konnte sich natürlich nicht sicher sein, daß er an dem Turnier teilnehmen würde, aber wenn sie Han richtig einschätzte, würde er, wo auch immer die Chance auf einen großen Gewinn bestand, bereitwillig und voller Erwartung erscheinen.

Während sie auf dem Gleitband zum nächsten Turbolift stand, stellte sich Bria vor, die Verkleidung abzulegen und heute nacht in Hans Zimmer aufzutauchen. Er erinnerte sich sicher immer noch lebhaft an ihre letzte Begegnung, als sie sich als Mufti Sarn Shilds Geliebte ausgegeben hatte, aber er würde ihr ganz sicher Glauben schenken, wenn sie ihm alles erklärte: daß sie für den corellianischen Widerstand spioniert hatte und daß zwischen ihr und Shild absolut nichts vorgefallen war.

Und nachdem sie ihm die Wahrheit über diese jüngste Begegnung enthüllt hätte, würden sie miteinander reden. Vielleicht ein Glas Wein trinken. Nach einer Weile würden sie sich bei den Händen halten. Und dann… Die Rebellenagentin schloß die Augen, während der Turbolift sie inmitten der gläsernen und pastellfarbenen Pracht der fünfzigstöckigen Halle des Yarith Bespin rasch nach oben trug. Vielleicht würde Han, sobald sie ihm alles auseinandergesetzt hatte, sogar dem Widerstand beitreten wollen, um seinen corellianischen Mitbürgern bei der Befreiung ihres Planeten von dem tyrannischen Imperator zu helfen, der bereits so viele Welten in tödlicher Umklammerung hielt.

Vielleicht… Bria sah sie beide vor ihrem geistigen Auge, wie sie Schulter an Schulter kämpften, zu Lande und im freien Raum, wie sie tapfer rangen, sich während der Schlachten gegenseitig den Rücken freihielten und große Siege über die Streitkräfte des Imperiums errangen. Und am Ende der durchkämpften Tage würden sie einander in den Armen liegen…

Bria vermochte sich nichts Schöneres vorzustellen. Sie spürte, wie der Lift langsamer wurde, seufzte und schlug die Augen auf. Solche Phantasien waren ja ganz in Ordnung – manchmal waren sie das einzige, was sie bei Laune hielt –, doch sie durfte nicht zulassen, daß sie sich zwischen sie und ihre Mission drängten.

Als die Türhälften des Turbolifts aufgingen, war sie bereit. Sie trat mit selbstsicheren Schritten aus der Kabine und ging durch den mit Teppichen ausgelegten Korridor.

Sie erreichte den Versammlungsraum, tippte ihren Code ein und wurde eingelassen. Sie sah Jace an, dessen Nicken sie davon überzeugte, daß er den Raum auf Überwachungsgeräte überprüft und für sicher befunden hatte. Erst dann wandte sich Bria den übrigen Teilnehmern der Konferenz zu.

Der erste Repräsentant, der vortrat, war ein blauhäutiger Duros mit dem für seine Spezies charakteristischen traurigen Gesicht. Sein Name war Jennsar So-Billes. Er war, ebenso wie Sian Tew von Sullust, allein erschienen. Bria begrüßte die beiden Nichtmenschen herzlich, dankte ihnen und ihren jeweiligen Gruppen dafür, daß sie die gefährliche Reise auf sich genommen hatten. Erst vor einem Monat war ein hochrangiger Rebellenführer von Tibrin während der Anreise zu einem derartigen Treffen festgenommen worden. Der Ishi Tib war gezwungen gewesen, den Freitod zu wählen, um den imperialen Folterdroiden zu entgehen.

Alderaan hatte drei Vertreter entsendet, zwei Menschen und einen Caamasi. Das älteste Mitglied der Delegation war ein Mann mittleren Alters mit grauem Haar und Bart, Hric Dalhney, Stellvertretender Sicherheitsminister und geehrter Angehöriger des Kabinetts von Vizekönig Bau Organa. Er war in Begleitung eines Mädchens mit langen schneeweißen Haaren gekommen, das nicht einmal sein zwanzigstes Lebensjahr vollendet hatte. Dalhney stellte sie als Winter vor und erklärte, daß sie sich während der Reise als Vater und Tochter ausgaben, um ihre wahre Identität zu verschleiern.

Das nichtmenschliche Mitglied der Delegation war ein Caamasi. Bria war sofort fasziniert, da sie noch nie zuvor ein Wesen dieser Spezies getroffen hatte, die in der Galaxis zu einer Seltenheit geworden war. Caamas war dank der Bemühungen Darth Vaders, der teuflischen rechten Hand des Imperators, nach den Klon-Kriegen weitgehend zerstört worden, doch es war eine wenig bekannte Tatsache, daß es zahlreichen Bewohnern dieser Welt gelungen war, nach Alderaan zu entkommen und dort ein neues, zumeist abgeschiedenes Leben zu beginnen.

Der Name des Caamasi lautete Ylenic It’kla, und er stellte sich als Berater des Vizekönigs von Alderaan vor. Das Wesen war groß, sogar größer als Bria, und trug ein einziges, an einen Kilt erinnerndes Kleidungsstück sowie reichlich Schmuck. Alles in allem von humanoider Gestalt, war der Körper Ylenics von einem goldenen Flaum bedeckt. Das Gesicht war von purpurroten Streifen gezeichnet. Die Augen waren groß, dunkel und bewahrten einen Anflug einer gefaßten steten Traurigkeit, die Bria berührte, da sie wußte, welche Leiden dieses Geschöpf gesehen hatte.

Ylenic sagte wenig, als die Delegierten Grußworte austauschten, doch irgend etwas an ihm beeindruckte Bria tief. Sie beschloß, ihn, wenn er nicht selbst damit herausrückte, nach seiner Meinung zu befragen. Der Caamasi besaß die Ausstrahlung verborgener Macht und großer Selbstsicherheit, die der Rebellenführerin verriet, daß mit diesem Wesen noch zu rechnen sein würde.

Nach einigen Minuten belanglosen Geplauders nahm Bria an dem langen Tisch Platz und erklärte das Treffen offiziell für eröffnet. »Rebellen-Kameraden«, begann sie mit der gelassenen Autorität einer Frau, die dergleichen bereits viele Male getan hat, »ich schulde Ihnen Dank, weil Sie für unsere gemeinsame Sache Ihr Leben aufs Spiel setzen. Wir von der corellianischen Rebellenbewegung nehmen Kontakt zu anderen Untergrundzellen auf, um die verschiedenen Gruppierungen zur Vereinigung zu bewegen. Nur als eine schlagkräftige, geschlossene Truppe dürfen wir ernsthaft darauf hoffen, den Kampf gegen das Imperium gewinnen zu können, das unsere Welten im Würgegriff hält und den Geist unserer Völker mordet.«

Bria atmete tief durch. »Ich weiß um die Aussichtslosigkeit und Gefährlichkeit dieses Ansinnens, glauben Sie mir. Aber nur wenn wir uns zusammentun, eine Allianz bilden, besteht für die Rebellengruppen die Hoffnung, vielleicht den Sieg davonzutragen. Solange wir zersplittert bleiben, an einzelne Planeten gebundene Zellen, sind wir zum Scheitern verdammt.«

Sie hielt inne. »Die corellianische Bewegung hat lange über diesen Vorschlag nachgedacht. Wir sind uns vollkommen bewußt, welche radikalen Veränderungen dies nach sich ziehen würde – und wie schwierig eine derartige Allianz zu führen wäre. Solange wir nur vereinzelte Gruppen sind, kann das Imperium uns nicht auf einen Schlag auslöschen, aber wenn wir uns vereinigen, ist es gut möglich, daß es ihnen gelingt, uns in einer einzigen Schlacht zu vernichten. Wir wissen auch, wie schwer die Zusammenarbeit unterschiedlicher Spezies sein kann. Ungleiche ethische und moralische Lehren, Weltanschauungen, Religionen – ganz zu schweigen von der unterschiedlichen Beschaffenheit der Ausrüstung und Bewaffnung –, all das kann für Probleme sorgen.«

Bria sah ihre Zuhörer fest an. »Aber, meine Freunde, wir müssen uns zusammentun. Wir müssen Wege finden, unsere Differenzen auszuräumen und zusammenzuarbeiten. Ich bin sicher, daß wir dazu fähig sind… und das ist das Thema dieses Treffens.«

Der Repräsentant von Duro klopfte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »Bewegende Worte, Commander, und ich bin geneigt, Ihnen zuzustimmen, aber wir sollten uns hier an die Fakten halten. Indem Sie die nichtmenschlichen Welten auffordern, sich Ihrer Allianz anzuschließen, verlangen Sie von uns, daß wir uns einem weit größeren Risiko aussetzen. Jedermann weiß doch, wie sehr der Imperator die Nichtmenschen verachtet. Wenn eine Allianz Palpatines Streitmacht unterläge, so würde sich der Zorn des Imperators in erster Linie gegen die nichtmenschlichen Welten richten. Es könnte sogar sein, daß er uns, um den menschlichen Rebellen eine Lektion zu erteilen, völlig vernichten würde.«

Bria nickte. »Ein guter Einwand, Jennsar.« Sie blickte in die um den Tisch versammelte Runde. »Minister Dalhney, wie denken Sie darüber?«

»Wir von Alderaan haben die Rebellenbewegung von Beginn an unterstützt«, erwiderte der Mann. »Wir haben stets Informationen, Geldmittel und unser technisches Know-how geliefert, aber der Gedanke an offene Schlachten ist uns ein Greuel. Die alderaanische Kultur basiert auf der Ächtung von Waffen und Gewalt. Wir sind eine friedliebende Welt, und der Weg des Kriegers ist uns zuwider. Sie können auf uns zählen, wenn es um die Unterstützung Ihrer Bemühungen geht – aber ich vermag mir nicht vorzustellen, daß unsere Welt jemals bereit sein wird, an Ihrer Seite zu kämpfen.«

Bria warf Dahlney einen düsteren Blick zu. »Es kann jedoch gut sein, Minister«, sagte sie, »daß Alderaan gar nicht die Möglichkeit haben wird, sich jeglicher Gewalt zu enthalten.« Dann wandte sie sich dem kleinen Sullustaner zu. »Sian Tevv, was ist Ihr erster Gedanke?«

»Commander, mein Volk leidet so sehr unter der Knute des Imperators, daß nur wenige überhaupt dazu fähig sind, an irgendeine Rebellion zu denken.« Die Hängebacken des kleinen Nichtmenschen bebten, und seine feucht glänzenden dunklen Augen blickten voller Traurigkeit. »Obwohl viele über die Anwesenheit der imperialen Truppen heimlich murren, hat bisher nur eine Handvoll meiner Leute offen zu opponieren gewagt. Unsere Höhlen sind zu einem Hort der Furcht geworden. Meine Welt unterliegt weitgehend der Kontrolle von Soro Suub, und deren bester Kunde ist das Imperium. Wenn wir uns einer Rebellenallianz anschließen wollten, würde das unweigerlich Bürgerkrieg bedeuten.«

Bria seufzte. Das wird eine lange Konferenz, dachte sie trostlos. »Ich sehe, daß Sie alle begründete Sorgen und Bedenken haben«, sagte sie, wobei sie ihrer Stimme einen gleichmütigen und neutralen Klang verlieh. »Aber es kann nicht schaden und würde Sie zu nichts verpflichten, wenn wir diese Themen gemeinsam erörtern, richtig?«

Mach kurzem Nachdenken erklärten sich die Delegierten der drei Welten mit der Fortsetzung der Gespräche einverstanden. Bria atmete tief durch und ergriff wieder das Wort…

 

Ich kann nicht glauben, daß ich es so weit geschafft habe, dachte Han erschöpft, als er sich an dem einzigen noch verbliebenen Sabacc-Tisch in einen Stuhl sinken ließ. Es war der Abend des vierten Turniertages, und lediglich die Finalisten waren noch übrig. Wenn nur mein Glück noch ein bißchen länger anhält…

Er strecke vorsichtig den Rücken, um die Verspannungen loszuwerden, und sehnte sich nach vierundzwanzig Stunden Schlaf. Die vergangenen Tage waren zermürbend gewesen… Stunden nicht enden wollender Spiele und nur ein paar kurze Unterbrechungen zum Essen und Schlafen.

Die anderen Teilnehmer der Endausscheidung hatten unterdessen ebenfalls ihre Plätze eingenommen: ein winziger Chadra-Fan, ein männlicher Bothan und eine rodianische Frau. Han war sich nicht sicher, ob der Chadra-Fan männlich oder weiblich war, da beide Geschlechter die gleichen langen Gewänder trugen.

Während Han den Blick noch über seine Gegenspieler schweifen ließ, setzte sich der letzte Spieler, ein weiterer Mensch, auf den einzigen noch freien Stuhl, der Han genau gegenüberstand. Han stöhnte innerlich auf. Irgendwie wußte ich, daß es dazu kommen würde. Welche Chance habe ich schon gegen einen Profi wie Lando?

Han war sich des Umstands, daß er wahrscheinlich der einzige Amateur am Tisch war, voll bewußt. Mit ziemlicher Sicherheit bestritten die anderen – so wie Lando – ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus ihren Gewinnen beim Spiel, dem Sabacc.

Er war einen Augenblick lang versucht, einfach hinzuschmeißen und zu gehen. Wenn er jetzt verlieren würde, nach all den Tagen und Spielen…

Lando nickte seinem Freund kurz zu, und Han erwiderte den Gruß. Dann kam der Geber. Bei den meisten Sabacc-Partien spielte auch der Geber mit, aber bei Turnieren beschränkte er sich darauf, die Kartenchips auszugeben und das Spiel zu überwachen… er oder sie war damit vom Spiel ausgeschlossen.

Der Geber war ein Bith. Die großen, mit fünf Fingern ausgestatteten Hände des Nichtmenschen besaßen sowohl einen gegenüberliegenden Daumen als auch einen ebensolchen kleinen Finger, was dem Geber bei seiner Tätigkeit ein beachtliches Geschick verlieh. Das Licht des gewaltigen Kronleuchters an der Decke des Ballsaals schimmerte auf dem großen kahlen Schädel des Nichtmenschen. Der Geber öffnete mit pompösen Gehabe ein frisches Kartenspiel und mischte. Dann betätigte er mehrmals den Zufallsgenerator, um zu demonstrieren, daß niemand die Reihenfolge vorhersagen konnte, in der die Kartenchips ausgegeben wurden. Nach dieser einleitenden Vorführung änderte der Zufallsgenerator in beliebigen Intervallen den Nennwert der Kartenchips.

Han warf einen Blick auf Lando und stellte erfreut fest, daß sein Kumpel gewisse Anzeichen von Ermüdung zeigte. Landos adrette Kleidung war zerknittert, und dunkle Ringe zierten seine Augen. Sein Haar sah aus, als hätte es den ganzen Tag keinen Kamm gesehen. Han wußte allerdings, daß er selbst auch keinen Schönheitswettbewerb gewonnen hätte. Er rieb sich verschlafen das Gesicht und stellte erst in diesem Moment fest, daß er sich zu rasieren vergessen hatte. Bartstoppeln scheuerten über seine Fingerspitzen. Er zwang sich dazu, sich aufrecht hinzusetzen, und nahm sein erstes Blatt auf…

Dreieinhalb Stunden später waren der Bothan und die Rodianerin ausgeschieden. Sie hatten den Tisch verlassen, ohne sich noch einmal umzuschauen. Der Bothan war ausgebombt worden – er hatte im letzten Spiel seinen gesamten Creditvorrat gesetzt. Und als die Runde an Lando ging, war der Nichtmensch ohne Abschiedsgruß davonstolziert. Die Rodianerin hatte aufgegeben, ohne ausgebombt zu sein. Han nahm an, daß sie sich entschieden hatte, ihre Verluste zu begrenzen und auszusteigen, solange sie noch in der Gewinnzone lag.

Die Einsätze wurden immer höher. Allein der Sabacc-Topf enthielt mittlerweile fast zwanzigtausend Credits. Hans Glück hielt. Er besaß genügend Creditchips, um jeden Einsatz des Abends zu halten. Wenn er jetzt aufgab, würde er Bespin mit rund zwanzigtausend Credits verlassen. Sein Blick trübte sich allmählich, und es fiel ihm schwer, die Kartenchips auf dem Stapel zu zählen.

Der Corellianer überlegte. Zwanzigtausend Credits waren eine Menge Geld. Fast genug, um sich ein Raumschiff zu kaufen. Sollte er aufgeben? Oder sollte er weitermachen?

Der Chadra-Fan erhöhte den Einsatz um weitere fünftausend Credits. Han ging mit. Lando tat es ihm gleich, aber er verbrauchte dabei fast seine ganzen Creditchips.

Han taxierte sein Blatt. Er hielt den Kartenchip der Dauer, dem ein Wert von negativ acht zukam. Wie passend, dachte Han. Diese Schlacht scheint tatsächlich eine von Dauer zu werden… Außerdem hatte er ein As der Farbe Stab, das positiv fünfzehn wert war. Und die Kolbensechs im Wert positiv sechs. Dreizehn also. Er mußte noch eine Karte aufnehmen und hoffen, keine hochwertige zu erwischen, da er sonst aus dem Spiel ausscheiden würde.

»Ich nehme eine Karte«, sagte er.

Der Geber warf einen Kartenchip auf den Tisch. Han hob sie auf und sah mit sinkendem Mut, daß es sich um den Tod handelte, dessen Nennwert negativ dreizehn betrug. Na toll! Jetzt bin ich weiter vom Sieg entfernt denn je.

Dann verschwammen die Karten vor seinen Augen und veränderten ihren Wert… Han hielt jetzt die Königin der Luft und der Finsternis, die negativ zwei wert war, sowie die Münzenfünf, die Stabsechs und den Master der Münzen auf der Hand, der vierzehn zählte. Das ergab eine Gesamtpunktzahl von… dreiundzwanzig. Hans Herz machte einen Satz. Ein ganzer Sabacc! Mit diesem Blatt konnte er den Handtopf und den Sabacc-Topf… und damit das Turnier gewinnen. Es gab nur ein einziges Blatt, das seines zu schlagen vermochte, und das war die Narrenreihe.

Han atmete tief durch, dann schob er bis auf einen seine sämtlichen Creditstapel in die Mitte. Einen Augenblick dachte er daran, seine Karten in das Interferenzfeld zu legen, doch dann würden seine Gegenspieler mit Bestimmtheit wissen, daß er nicht bluffte. Wenn er hier abräumen wollte, war er darauf angewiesen, daß sie seinen Einsatz hielten.

Reißt euch zusammen, beschwor er stumm seine Kartenchips, da er nicht wollte, daß der Zufallsgenerator ihren Wert veränderte. Vertrauenswürdige Generatoren beruhten tatsächlich auf dem Zufallsprinzip. Manchmal änderten sie den Wert der Karten mehrmals während eines Durchgangs. Bei anderen Gelegenheiten geschah dies indes nur ein- oder zweimal. Han berechnete die Chancen, daß sich der Wert seiner Kartenchips binnen der nächsten drei Minuten – der durchschnittlichen Zeitdauer einer Runde bei dieser Anzahl von Spielern – noch einmal änderte, und kam auf etwa fünfzig zu fünfzig.

Han beherrschte seine Gesichtszüge und entspannte den Körper mit einer Willensanstrengung, die ihm beinahe Schmerzen bereitete. Er mußte die anderen glauben machen, daß er möglicherweise bluffte!

An Hans rechter Seite zuckten die beachtlichen Ohren des kleinen Chadra-Fan heftig vor und zurück, dann stieß er (Han hatte im Lauf des Spiels herausgefunden, daß es sich um ein männliches Exemplar handelte) das denkbar leiseste Quieken aus. Der Nichtmensch schob bedächtig und überaus sorgfältig seine Kartenchips zusammen und legte sie auf den Tisch, dann stand er auf und ging davon.

Han starrte auf seine Karten. Haltet durch… haltet durch! Sein Puls raste, und er hoffte inständig, daß Lando es nicht bemerkte.

Der professionelle Spieler zögerte eine lange Sekunde und bat dann um eine Karte. Han hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, als Calrissian langsam und mit Bedacht die Hand ausstreckte und einen Kartenchip mit dem Bild nach unten in das Interferenzfeld legte.

Han erstarrte. Er hatte nur einen kurzen Blick auf die Grundfarbe der Karte erhascht, die von der schwachen Ionisation des Feldes reflektiert worden war. Violett. Wenn Hans trübe Augen ihm keinen Streich spielten, konnte das nur bedeuten, daß es sich um den Narren handelte. Die wichtigste Karte der Narrenreihe.

Han versuchte zu schlucken, aber sein Mund erwies sich als viel zu trocken. Lando ist ein Spezialist für so etwas, dachte er. Könnte sein, er hat die Karte auf diese Weise abgelegt, weil er genau wußte, daß ich die verräterische Farbe sehen und annehmen würde, daß er den Narren hat. Aber wieso? Um mir Angst einzujagen, damit ich aufstecke! Oder bilde ich mir das bloß ein?

Han blickte wieder kurz zu seinem Gegenspieler auf. Lando hatte in diesem Augenblick zwei Karten auf der Hand. Der Profispieler lächelte seinem Freund zu und tippte dann rasch eine Notiz in einen flachen Datenträger ein, denn er anschließend zusammen mit seinen verbliebenen Credits in Hans Richtung schob.

»Mein Schuldschein«, erklärte er mit seiner sanftesten und lieblichsten Stimme. »Der ist soviel wert wie jedes Schiff auf meinem Gelände. Kannst dir eins aussuchen.«

Der Bith wandte sich Han zu. »Sind Sie damit einverstanden, Solo?«

Hans Mund war so ausgedörrt, daß er es nicht wagte, etwas zu sagen, also nickte er bloß.

Der Bith sah nun wieder Lando an. »Ihr Schuldschein geht in Ordnung.«

Lando hielt zwei Karten und den Narren, der sicher im Interferenzfeld lag. Han kämpfte gegen den Impuls an, sich mit der Hand über die Augen zu fahren. Konnte Lando sehen, daß er schwitzte? Muß ruhig bleiben, nachdenken, verordnete er sich. Hat er die Narrenhand… oder blufft er nur?

Es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden. Haltet durch, haltet durch, befahl er seinen Karten, dann schob er langsam, beherrscht, seinen letzten Stapel Credits in die Mitte. »Ich will sehen«, sagte er. Seine Stimme kam als ein gequetschtes Krächzen heraus.

Lando fixierte ihn eine endlose Sekunde lang über den Spieltisch hinweg, dann lächelte der Spieler flüchtig. »Also gut.« Langsam streckte er die Hand aus und drehte die Karte im Interferenzfeld um.

Der Narr blickte zu Han auf.

Lando nahm mit einer bedächtigen Bewegung seinen nächsten Kartenchip und legte ihn offen neben dem Narren ab. Die Stabzwei.

Han konnte nicht atmen. Ich bin tot… Ich habe alles verloren.

Lando drehte seine letzte Karte um.

Die Kolbensieben.

Han starrte ungläubig auf das unterlegene Blatt, dann hob er langsam den Blick, um seinen Freund zu betrachten.

Lando lächelte mokant und zuckte die Achseln. »Die Runde geht an dich, Kumpel«, sagte der Spieler. »Ich dachte, ich könnte dich bluffen.«

Lando hatte geblufft! Dem Corellianer schwirrte der Kopf, während ihm diese Tatsache allmählich zu Bewußtsein kam. Ich habe gewonnen! Ich kann es nicht glauben, aber ich habe gewonnen!

Langsam legte er seine Kartenchips hin. »Ein ganzer Sabacc«, sagte er. »Der Sabacc-Topf geht auch an mich.«

Der Bith nickte. »Captain Solo ist der Gewinner des Turniers, meine Damen und Herren aller Rassen«, verkündete er über das winzige Mikro, das an seinem Kragen befestigt war. »Gratuliere, Captain Solo!«

Han nickte dem Bith benommen zu, dann erst bemerkte er, daß sich Lando über den Tisch beugte und ihm die Hand hinstreckte. Han langte aufgeregt hinüber und quetschte die Hand seines Freundes. »Ich kann’s nicht glauben«, sagte er. »Was für ein Spiel!«

»Du bist ein besserer Spieler, als ich dir jemals zugetraut hätte, Alter«, stellte Lando leutselig fest.

Han fragte sich, wie Lando, der doch gerade so hoch verloren hatte, derart gefaßt sein konnte, dann dachte er daran, daß der Spieler wahrscheinlich schon häufiger ein Vermögen gewonnen oder verloren hatte. Han nahm den Datenträger, Landos Schuldschein, auf und betrachtete ihn.

»Also, auf welches Schiff willst du Anspruch erheben?« fragte Lando. »Ich habe einen fast neuen leichten YT-2400-Frachter von Corelli-Systems im Angebot, der für dich wie geschaffen ist. Warte nur, bis…«

»Ich nehme die ›Falcon‹«, erwiderte Han rasch.

Landos Augenbrauen schossen in die Höhe. »Die ›Millennium Falcon‹!« wiederholte er, unübersehbar bestürzt. »Oh nein, Han, das ist mein eigenes Schiff. Das entspricht nicht unserer Abmachung.«

»Du hast gesagt, jedes Schiff auf deinem Gelände«, erinnerte Han ihn geradeheraus.

Sie fixierten einander.

»Du hast gesagt, irgendein Schiff aus deinem Angebot, und die ›Falcon‹ steht auf deinem Gelände. Ich verlange sie.«

»Aber…« Lando preßte die Lippen zusammen, seine Augen blitzten.

»Ja, mein Freund?« entgegnete Han und verlieh seiner Stimme eine gewisse Schärfe. »Du wirst doch diesen Schuldschein einlösen wollen, oder etwa nicht?«

Lando nickte langsam und bedächtig. »Niemand kann sagen, daß ich meine Schuldscheine nicht einlöse.« Er schöpfte tief Atem und stieß die Luft mit einem wütenden Zischen wieder aus. »Also schön… die ›Falcon‹ gehört dir.«

Han grinste, dann warf er die Arme in die Luft und wirbelte, schwindlig vor Freude, in einem improvisierten Tanz herum. Wenn ich das Chewie erzähle! Die ›Millennium Falcon‹ gehört mir! Endlich! Ein eigenes Raumschiff!