INTERMEZZO
1
DER KORPORATIONSSEKTOR
Nur mit seiner Hose bekleidet und barfuß verließ Han Solo Jessas winziges Apartment. Die kleine Wohnung befand sich auf dem Gelände der ungesetzlichen Reparaturbasis ihres Vaters Doc, an einem trostlosen, nach den Geboten purer Nützlichkeit eingerichteten Ort. Doch sowohl Jessas als auch Docs private Quartiere waren überraschend großzügig ausgestattet und gemütlich.
Han gähnte und kratzte sich am Kopf, zerzauste sein Haar, warf sich dann mit einem dumpfen Plumpsen auf das elegante Sofa und schaltete die große Vid-Einheit ein. Die offiziellen Verlautbarungen der Sektorverwaltung flimmerten über den Schirm, und Han sah mit einem zynischen Grinsen zu. Die Verwaltung wurde jeden Tag schlimmer. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würde ebenso repressiv werden wie das Imperium…
Immerhin war die ›Falcon‹ jetzt so gut in Form wie noch nie. Ehe Doc festgenommen und in die Strafkolonie Stars’ End überstellt worden war, hatte er noch den Hyperantrieb frisiert. Damit sollte ich in der Lage sein, so ziemlich allem davonzufliegen, was die Imperialen auf mich loslassen könnten, dachte Han selbstgefällig. Oder die Sektorverwaltung.
Anschließend hatte Jessa, um Han dazu zu bewegen, ihren Vater aus Stars’ End zu befreien, die ›Falcon‹ mit einem Satz brandneuer Sensoren und einer neuen Schüssel aufgerüstet, um jene zu ersetzen, die im Kampf mit einem Leichter der Sektorverwaltung beschädigt worden waren. Später, nach Docs Rettung, hatte die dankbare Jessa die Reparaturen an Hans Raumschiff vor noch nicht allzulanger Zeit abgeschlossen, ein neues Leitsystem eingebaut und alle Schäden behoben, die an der Hülle des YT-1300 entstanden waren.
Han hatte sogar daran gedacht, dem Schiff einen Anstrich zu gönnen, damit es wie neu aussah, aber nach einigen Überlegungen ließ er die Idee wieder fallen. Das ramponierte Aussehen der ›Millennium Falcon‹ war einer der größten Vorteile des Raumers, wenn es darum ging, Gegner auf dem falschen Fuß zu erwischen. Niemand rechnete damit, daß ein schäbiger alter Frachter einen Hyperantrieb besaß, der militärischen Standards entsprach und von dem größten Ingenieur der Galaxis nach Hans Vorstellungen modifiziert und frisiert worden war; außerdem eine ausgefuchste Sensorenphalanx, erstklassige Störsysteme sowie all die anderen Verbesserungen, die Han seiner Geliebten verdankte.
Jessa schlief noch im angrenzenden Zimmer. Han lehnte sich zurück, legte die Füße auf den Tisch und dachte an Jess. Sie war eindeutig das Beste, was ihm im Korporationssektor bisher über den Weg gelaufen war, und sie hatten eine Menge Spaß miteinander…
Erst gestern waren sie mit der ›Falcon‹ zu einem der protzigsten Casinos in einem benachbarten Sektor geflogen und hatten sich für eine Spieltour in Schale geworfen. Jess hatte ihre blonden Locken in einer neuen verwegenen Manier aufgetürmt, hellrote Strähnen hineingefärbt und ein atemberaubendes rote Kleid gekauft, das an den richtigen Stellen eng anlag. Han, der stolz darauf war, mit ihr gesehen zu werden, hatte ihr versichert, daß sie die schönste Frau am Ort sei.
Die Nachrichten brachten jetzt eine kurze Reportage über das Imperium. Palpatines Streitkräfte hatten einen weiteren Aufstand auf irgendeiner Welt niedergeschlagen. Hans Mundwinkel zuckten. Immer das gleiche… Er ertappte sich dabei, wie er an Salla dachte und sich fragte, ob sie ihren Zorn überwunden haben mochte. Er befürchtete jedoch, daß dem nicht so war. Es war gut, daß sie nicht hier war und ihn zusammen mit Jessa sah. Salla war der eifersüchtige Typ. Sie war eine zähe Lady, aber das galt auch für Jessa. Han war zutiefst dankbar, daß die beiden sich wahrscheinlich nie begegnen würden.
Der Gedanke an Salla führte naturgemäß zu der Frage, wie es Lando, Jarik, Shug und Mako erging. Han dachte sogar mit einem Gefühl annähernd nostalgischer Zuneigung an Jabba. Er war sich sicher, daß der Hutt-Boß große Mühe hatte, ihn zu ersetzen. Wenn er sich jemals entschließen würde, in den imperialen Raum zurückzukehren, würde Jabba ihn, so nahm Han an, mit offenen Armen empfangen… so abstoßend diese Vorstellung auch sein mochte.
Han sah sich einen weiteren kurzen Nachrichtenbeitrag aus dem Imperium an. Anscheinend hatte der Imperator verkündet, daß die Rebelleneinheiten im Äußeren Rand vollständig zerschlagen seien. Klar, dachte er. Ganz bestimmt. Das kann nur bedeuten, daß sie in Wirklichkeit ein schmerzhafter Stachel im imperialen Fleisch sind. Er fragte sich, ob Bria irgend etwas mit den Anschlägen auf die imperialen Truppen zu tun hatte… oder war sie wieder in die Rolle der Spionin geschlüpft?
Han seufzte, als ihm klar wurde, daß er Nar Shaddaa tatsächlich vermißte. Der Korporationssektor war ein amüsanter Ort, es gab jede Menge Abenteuer und Profit, aber sein Zuhause war dies nicht. Er dachte darüber nach, einfach das Handtuch zu werfen und in den imperialen Raum zurückzukehren. Aber höchstwahrscheinlich war es besser, im Korporationssektor nach Abenteuern (sprich: Gewinn) zu suchen.
Sicher, er hatte Jessa versprochen, ihr und Doc bei ihrer Kampagne gegen die Sektorverwaltung zu helfen. Aber das konnte gefährlich werden. Außerdem war es ja nicht so, daß er Jessa noch irgend etwas schuldete. Immerhin hatte er ihren Vater befreit, oder etwa nicht? Und dabei seine eigene kostbare Haut riskiert. Ein winziger ehrlicher Bezirk seines Hirns erinnerte ihn daran, daß er diese Rettungsmission in erster Linie wegen Chewie durchgeführt hatte. Es kam schließlich nicht in Frage, daß er seinen Kumpel in einem Gefängnis der Sektorverwaltung schmachten ließ…
Außerdem standen die Dinge hier im Augenblick zum besten, wenngleich Han wußte, daß dies unmöglich so bleiben konnte. Gegenwärtig verstand er sich prima mit Jessa. Sie hatten eine gute Zeit miteinander. Vielleicht sollte er seinen Abschied noch um einen weiteren Monat aufschieben… oder zwei… oder drei…
»Han?« ließ sich ein verschlafenes Murmeln aus dem Schlafzimmer vernehmen.
»Ich bin hier, Süße, und sehe mir die Nachrichten an«, rief Han. Er schaltete das Vid ab und ging in die winzige Küche. Er würde Jessa eine Tasse importierten Stimtee machen, über die sie sich sicher sehr freuen würde, und sie ihr ans Bett bringen…